Wo ist die Wut?

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SaraGossa
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Wo ist die Wut?

Beitrag von SaraGossa »

Guten Morgen,
Immer mal wieder in der PPD fiel mir eine Szene aus meiner Kindheit ein. Erstmal hab ich gar nicht verstanden warum und heute sehe ich es plötzlich glasklar.
Ich war ca 6 Jahre alt, meine Mama nahm mit meimem 2 Brüdern und mir eine lange Fahrt auf sich um mit uns auf einer Art Ranch Kutsche zu fahren..alle freuten sich drauf. Als wir ankamen wollte ich aber nicht mehr, hab geweint und war sehr wütend, wollte einfach nicht in die Kutsche. Nach langen Überzeugungsversuchen meiner Mama sind wir dann halt wieder nachHause. Die ganze Autofahrt hat sie mich geschimpft und war sehr wütend. Ich mache ihr heute keine Vorwürfe, liebe sie sehr und als Erwachsene verstehe ich die Überforderung. Aber als Kind verstand ich es nicht. Es ist als ob ich mir an diesem Tag eingebrannt hätte: Ich darf nicht wütend sein und meine Bedürfnisse darf ich gerne zurückstecken
SO oft habe ich mich während der PPD gefragt: Wo ist eigentlich meine Wut? Zu allen anderen meiner Gefühle habe ich deutlich mehr Zugang. Und wenn ich wütend bin schwappt es eher schnell ins Weinen über.
Und mit Kind möchte man ja auch halbwegs reguliert sein...ich hab das so sehr in mir drin, dass ich ihm nie das Gefühl geben möchte, dass seine Wut keinen Platz hat. Ich setze ihm klar Grenzen, aber wütend bin ich wirklich nur wenn er es viel zu bunt treibt.
Kennt das irgendjemand von euch? Wenn ja: Wie habt ihr eure Wut "wiedergefunden"?
Sehr traumatische Geburt meines 1. Sohnes Nov. 2021
Seit Januar 2022 PPD
Anfangs Mirtazapin, inzwischen abgesetzt
Seit Oktober 22 Vortioxetin 20mg
Januar 23 noch Duloxetin 120mg dazu

Aktuell ziemlich stabil🤞
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Marika
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Re: Wo ist die Wut?

Beitrag von Marika »

Hey du....

Diesen tollen Beitrag hier habe ich glatt übersehen, obwohl er so wichtig ist. Denn das nicht zulassen von den vermeintlich "negativen" Emotionen hat einiges mit Ängsten und Zwängen bzw. ZG zu tun. Gerade Wut war für mich ein Zeichen, dass ich böse bin und die ZG ausführen werde... was natürlich völliger Unsinn ist. Es hat wirklich lange gedauert, bis ich mich endlich traute, diese Emotionen zuzulassen und sogar zu erkennen, wie wichtig diese sind. Wichtig weil sie ein Schutz für jeden Menschen sind, dass seine Grenzen nicht überschritten werden. Es war schon ein Weg, bis ich das verinnerlichen konnte.

Geholfen hat mir hier, die paar Sitzungen, die ich bei einer Kinesiologin hatte. Ich habe neben der Therapie und den Medikamenten ja auch einiges an Alternativen Methode ausprobiert. Diese Frau hat das bereits bei der ersten Sitzungen erkannt und zum Thema gemacht. Ein Satz von ihr war prägend, die sagte: "Alle menschlichen Emotionen sind richtig und wichtig für uns, auch bzw besonders die vermeintlich "negativen", ohne diese wären wir nicht komplett, wären wir nicht der Mensch der wir sind und wären nicht überlebensfähig. Wut und Ärger schützen uns, damit andere unsere Grenzen respektieren." Das hat mir unglaublich geholfen. Auch im Bezug auf mein Kind. Ich habe in kleinen Schritten gelernt, dass ich genervt sein DARF, dass ich wütend und ärgerlich sein DARF und das zeigen DARF. Dass auch mein Kind bzw. alle Menschen um mich herum merken müssen, wann meine Grenzen erreicht sind bzw wenn sie sie überschreiten.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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