Keine Angst vor dem Jugendamt

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Sanna
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Keine Angst vor dem Jugendamt

Beitrag von Sanna »

Hallo, ihr Lieben!

Ich war gestern eingeladen in der örtlichen Kontakt-und Beratungsstelle für psychisch Kranke an einem Seminar zum Thema "Jugendhilfe und Psychiatrie" teilzunehmen. Dort waren zur Diskussion Betroffene (also auch ich), Psychologen (für Kinder und Erwachsene) und zwei Mitarbeiter vom Jugendamt eingeladen.

Es ging darum zu diskutieren, wo und wie man die Arbeit zur Hilfe für Kinder und Jugendliche von psychisch kranken Eltern verbessern kann.

Ich möchte euch kurz schildern, was ich da für Eindrücke hatte:

Zum ersten sollte es so sein, dass JEDER ohne dafür zahlen zu müssen Hilfe vom Jugendamt bekommt, wenn er in einer schwierigen Phase (in unserem Fall die Erkrankung) ist. Das kann eine Betreuerin von der Kinder-und Jugendhilfe sein oder z.B. eine Familienhilfe, die die Familie im Alltag unterstützt. Das Problem ist, dass man selbst auf das Jugendamt zugehen muss, was ja viele abschreckt, da sie Angst haben, man könne ihnen das Kind aufgrund der Erkrankung wegnehmen.

Der Mitarbeiter des Jugendamtes hat aber nochmal deutlich gemacht, dass das nur passiert, wenn wirklich eine Gefährdung für das Kind vorliegt. Bei einer Alleinerziehenden, die eine akute Psychose hat z.B. Wenn das Kind durch andere Familienmitglieder betreut werden kann, ist eine Fremdunterbringung in der Regel NICHT der Fall. Zudem müssen strenge Auflagen (Gerichtsbeschluss etc.) eingehalten werden, wenn man das Kind aus der Familie nehmen will.

Gerade das Jugendamt in größeren Städten ist ziemlich gut aufgestellt, was die Familien- und Jugendhilfe angeht. Gerade wenn ältere Kinder im Spiel sind, die schon viel von der Erkrankung mitbekommen, gibt es Möglichkeiten diese aufzufangen, z.B. durch spielerische Gruppentherapie oder Einzelgespräche mit einem Kinder-und Jugendpsychologen. Das können ja auch nur ein oder zwei Sitzungen sein, um zu gucken, wie es dem Kind mit der Erkrankung der Mutter/des Vaters geht.

Fakt ist, man muss auf das Jugendamt zugehen. Es handelt sich bei der Kinder-und Jugendhilfe um eine Dienstleistung, die EINGEFORDERT werden muss. Sprich, das Jugendamt kommt nicht auf die Betroffenen zu und bietet sich an, sondern man muss selbst aktiv werden.

Wenn das Jugendamt sich doch meldet, dann weil es Nachricht aus der Schule/Kita hat, dass in der Familie was nicht stimmt. Das wäre immer der schlechtere Weg. Besser ist es, sich vorher dort zu melden, wenn man merkt man schafft es nicht, weil man dann Handlungsbereitschaft zeigt.

So, ich glaube, das war es im Groben. Das alles gilt nur für Deutschland, ich weiß nicht wie A und CH damit aufgestellt sind.

Ich möchte noch hinzufügen, dass wir sehr früh zu Beginn meiner Erkrankung Kontakt mit dem Jugendamt hatten, weil ja mein Mann arbeiten musste und wir einen Betreuungsplatz für den Großen brauchten. Innerhalb weniger Tage hatte das Jugendamt alles sehr unbürokratisch organisiert. Und es stand NIE zur Debatte, dass man uns die Kinder wegnehmen wollte.

Ich hoffe, mein Text hilft dem ein oder anderen.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Charleenmaxim

Re: Keine Angst vor dem Jugendamt

Beitrag von Charleenmaxim »

Super danke. Leider scheint es in der Schweiz viel schwieriger zu sein. Gerade gestern diskutierte ich hier in der muki Klinik mit meiner therapeutin über die zeit nach der Klinik. Leider scheint es in der Schweiz die Möglichkeit nicht zu geben, dass jemand den ganzen Tag bei einem zu Hause ist, wenn man noch Angst hat mit den Kindern alleine zu sein.

Das gibt es doch in Deutschland? Oder habe ich das falsch verstanden?

Liebe Grüße aus der muki
Sanna
power user
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Re: Keine Angst vor dem Jugendamt

Beitrag von Sanna »

Nein, für den ganzen Tag wirst du auch bei uns niemanden bekommen. Aber ich hatte eine Familienhilfe für drei Stunden täglich. Das ist ja schon mal was.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Charleenmaxim

Re: Keine Angst vor dem Jugendamt

Beitrag von Charleenmaxim »

Aha, :roll: ....wünschte mirnatürlich, dass es nicht mehr nötig wäre. Doch hat mir auch der arzt bestätigt, dass ich leider wirklich stark erkrankt war und ich mir dementsprechend Zeit geben muss!

Danke für deine Antwort!
suzilizzy

Re: Keine Angst vor dem Jugendamt

Beitrag von suzilizzy »

Hallo Sanna,

Toll, dass du hier Mut machst! Das Jugendamt ist wirklich eine gute Anlaufstelle!

Noch ein Argument dafür, dass erst mal ambulante Hilfen zu tragen kommen: Eine Fremdunterbringung ist viiiieeeel teurer. Darum ist es auch im Sinne des Amtes, dass die Kinder in ihren Familien bleiben.

Ich selbst bin Familienhelferin und kenne mich mit dem ganzen System gut aus. Wenn eine von euch da noch speziellere Fragen hat, oder eine Einschätzung bzw. Rat braucht, wie sie am besten vorgehen sollte, dürft ihr mich jederzeit anschreiben.

@charleenmaxim: eine rund um die Uhr Betreuung wird es sicher nicht geben, aber vielleicht hilft dir ja die Gewissheit, dass einmal am Tag jemand vorbei schaut? Das ist schon mal besser als nichts...
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