Wenn ein Elternteil stirbt
Verfasst: 09:07:2020 23:27
Hallo Ihr Lieben,
ich bin nur noch selten aktiv hier, möchte aber nun doch etwas berichten.
Ich musste meinen Vater im März ins Pflegeheim bringen und vom Pflegeheim kam er vor drei Wochen ins Krankenhaus.
Nun ist er seit zwei Wochen Covid 19 positiv (und keiner weiß wo er sich angesteckt hat). Da ich Ihn besucht hatte kurz vor Diagnosestellung, habe ich gerade zwei Wochen Quarantäne hinter mir.
Heute kam ein Anruf vom Oberarzt, dass mein Vater diese Erkrankung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben wird. Er braucht täglich mehr Sauerstoff, Breitbandantibiotika und wasserausschwemmende Mittel schlagen nicht an. Die Lungen meines Vaters versagen sukzessive und das Herz wie auch die Nieren sind bereits in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt eine Patientenverfügung und wir sind uns einig, dass er nicht beatmet werden soll, sondern "nur" noch das Leiden verringert.
Diejenigen wenige die mich von hier noch kennen, erinnern sich vielleicht noch, dass ich mich mit meinen Eltern in verschiedener Hinsicht tief auseinandergesetzt habe. Weil mein Leben nun mal unausweichlich von deren Leben geprägt wurde/wird.
In Form von Biographiearbeit (meine Eltern wurden vertrieben aus dem Sudetenland, konnten darüber aber nicht reden, vor allem meine Mutter nicht), dann kam für mich das Thema Kriegskinder/Kriegsenkel (Expertin dazu Sabine Bode, sehr zu empfehlen).
Einen langen, wohldurchdachten, geschriebenen Text habe ich meinem Vater vorgelesen, indem ich ihm zum ersten mal gesagt habe, wie ich meine Kindheit empfunden habe, was durch Kindheitserlebnisse ausgelöst wurde, was mich davon immer noch begleitet... Das hat mich enorm viel Mut gekostet, kann ich euch sagen. Er hat für sich diesen Text später nochmals mit Hand abgeschrieben. Er hat sich in seiner Weise damit auseinandergesetzt und nichts geleugnet. Ich habe insgesamt viele Jahre Therapie hinter mir (bereits vor der PPD 2012) und viele, viele Auseinandersetzungen mit meinem Leben und warum es so wurde, wie es wurde...
Letztes Jahr hat mein Vater dann sogar vier Wochen in meiner Arbeitsstelle (einer Betreuten Seniorenwohnanlage) in der Gastwohnung gewohnt und mich IMMER beim Mühlespiel besiegt-grrrrr-, wir sind gemeinsam essen gegangen, mit dem Rollator durch die Gegend gewackelt...
Das letzte mal, als ich ihn jetzt gesehen habe, hat er im Krankenhaus eine Stunde lang fast nur geweint, weil er so nicht leben will "Petra, hat er gesagt, bei so einem schönen Wetter wäre ich doch niemals freiwillig im Bett". Ich habe zum ersten mal in meinem Leben die Hand meines Vaters gehalten und wir haben zum ersten mal gemeinsam geweint.
Die Auseinandersetzungen mit ihm haben sich gelohnt. Ich bin wirklich froh dass ich mit Ihm geredet habe, gerade über Dinge die mich wirklich Überwindung gekostet haben. Ich habe das Gefühl ich kann ihn jetzt gehen lassen, wir haben für unsere Verhältnisse das rausgeholt was möglich war, so dass ich jetzt am Ende sagen kann "Es ist gut so".
Falls ihr euch ebenfalls mit euren Eltern auseinandersetzt, es kann sich also tatsächlich lohnen ins Gespräch zu gehen und die Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Man merkt ja selber ob die Eltern in gewisser Weise offen sind. Das ist nicht immer so, meine z. B. Mutter war es niemals. Aber solange man das Gefühl hat, es kann bei einem Elternteil wirklich ankommen, was einen bewegt, dann sollte man die Gelegenheit beim Schopfe greifen.
Sodele, und jetzt bleibt nur noch zu warten bis der Anruf kommt, dass es soweit ist. Dann fahre ich mit meiner Schwester ins Krankenhaus und wir kommen hoffentlich noch rechtzeitig um ihn beim sterben zu begleiten. Leider in voller Schutzausrüstung wegen Corona.
Mal sehen, ob ich psychisch stabil bleibe, sonst dosiere ich von meinen drei Tröpfle Escitalopram auch hoch.
Sorry für den langen, teils sicher auch wirren Text. Aber irgendwie dachte ich es ist wichtig, weil irgendwann kommt das Thema Tod der Eltern bei allen von uns.
Die Graureiherin
ich bin nur noch selten aktiv hier, möchte aber nun doch etwas berichten.
Ich musste meinen Vater im März ins Pflegeheim bringen und vom Pflegeheim kam er vor drei Wochen ins Krankenhaus.
Nun ist er seit zwei Wochen Covid 19 positiv (und keiner weiß wo er sich angesteckt hat). Da ich Ihn besucht hatte kurz vor Diagnosestellung, habe ich gerade zwei Wochen Quarantäne hinter mir.
Heute kam ein Anruf vom Oberarzt, dass mein Vater diese Erkrankung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben wird. Er braucht täglich mehr Sauerstoff, Breitbandantibiotika und wasserausschwemmende Mittel schlagen nicht an. Die Lungen meines Vaters versagen sukzessive und das Herz wie auch die Nieren sind bereits in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt eine Patientenverfügung und wir sind uns einig, dass er nicht beatmet werden soll, sondern "nur" noch das Leiden verringert.
Diejenigen wenige die mich von hier noch kennen, erinnern sich vielleicht noch, dass ich mich mit meinen Eltern in verschiedener Hinsicht tief auseinandergesetzt habe. Weil mein Leben nun mal unausweichlich von deren Leben geprägt wurde/wird.
In Form von Biographiearbeit (meine Eltern wurden vertrieben aus dem Sudetenland, konnten darüber aber nicht reden, vor allem meine Mutter nicht), dann kam für mich das Thema Kriegskinder/Kriegsenkel (Expertin dazu Sabine Bode, sehr zu empfehlen).
Einen langen, wohldurchdachten, geschriebenen Text habe ich meinem Vater vorgelesen, indem ich ihm zum ersten mal gesagt habe, wie ich meine Kindheit empfunden habe, was durch Kindheitserlebnisse ausgelöst wurde, was mich davon immer noch begleitet... Das hat mich enorm viel Mut gekostet, kann ich euch sagen. Er hat für sich diesen Text später nochmals mit Hand abgeschrieben. Er hat sich in seiner Weise damit auseinandergesetzt und nichts geleugnet. Ich habe insgesamt viele Jahre Therapie hinter mir (bereits vor der PPD 2012) und viele, viele Auseinandersetzungen mit meinem Leben und warum es so wurde, wie es wurde...
Letztes Jahr hat mein Vater dann sogar vier Wochen in meiner Arbeitsstelle (einer Betreuten Seniorenwohnanlage) in der Gastwohnung gewohnt und mich IMMER beim Mühlespiel besiegt-grrrrr-, wir sind gemeinsam essen gegangen, mit dem Rollator durch die Gegend gewackelt...
Das letzte mal, als ich ihn jetzt gesehen habe, hat er im Krankenhaus eine Stunde lang fast nur geweint, weil er so nicht leben will "Petra, hat er gesagt, bei so einem schönen Wetter wäre ich doch niemals freiwillig im Bett". Ich habe zum ersten mal in meinem Leben die Hand meines Vaters gehalten und wir haben zum ersten mal gemeinsam geweint.
Die Auseinandersetzungen mit ihm haben sich gelohnt. Ich bin wirklich froh dass ich mit Ihm geredet habe, gerade über Dinge die mich wirklich Überwindung gekostet haben. Ich habe das Gefühl ich kann ihn jetzt gehen lassen, wir haben für unsere Verhältnisse das rausgeholt was möglich war, so dass ich jetzt am Ende sagen kann "Es ist gut so".
Falls ihr euch ebenfalls mit euren Eltern auseinandersetzt, es kann sich also tatsächlich lohnen ins Gespräch zu gehen und die Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Man merkt ja selber ob die Eltern in gewisser Weise offen sind. Das ist nicht immer so, meine z. B. Mutter war es niemals. Aber solange man das Gefühl hat, es kann bei einem Elternteil wirklich ankommen, was einen bewegt, dann sollte man die Gelegenheit beim Schopfe greifen.
Sodele, und jetzt bleibt nur noch zu warten bis der Anruf kommt, dass es soweit ist. Dann fahre ich mit meiner Schwester ins Krankenhaus und wir kommen hoffentlich noch rechtzeitig um ihn beim sterben zu begleiten. Leider in voller Schutzausrüstung wegen Corona.
Mal sehen, ob ich psychisch stabil bleibe, sonst dosiere ich von meinen drei Tröpfle Escitalopram auch hoch.
Sorry für den langen, teils sicher auch wirren Text. Aber irgendwie dachte ich es ist wichtig, weil irgendwann kommt das Thema Tod der Eltern bei allen von uns.
Die Graureiherin