Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

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Seerose

Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Seerose »

Hallo zusammen :-)

ich bin 25 Jahre alt und Mutter einer wunderschönen kleinen Prinzessin, die nächste Woche 1 Jahr alt wird. Die Schwangerschaft war super, mir ging es top, ich hab mich riesig auf die Kleine gefreut und alles vorbereitet, das Zimmer herausgeputzt und einen schönen Namen herausgesucht.

Dann kam die Geburt, sie fand im Geburtshaus bei meiner Hebamme statt, war wunderschön, komplikationsfrei und aus eigener Kraft heraus, ohne PDA, Schmerzmittel, Wehentropf und dem üblichen. Es war ein wundervoller Moment, als ich die Kleine hochnahm und sie das erste Mal im Arm hielt.

Auch die ersten Tage nach der Geburt waren noch wirklich schön, ich hatte viel Kraft und kümmerte mich gern um die Kleine, obwohl ich da schon nicht mehr schlafen konnte und plötzlich einen Ekel vor scharfen Gerüchen und vor Essen hatte. Dann, fünf Tage nach der Geburt, als meine Großeltern gerade zu Besuch waren, erlebte ich urplötzlich einen Zustand extremer Euphorie und Hochgefühls, was mir schon fast Angst machte. Ich fühlte mich überdreht und wie auf Drogen, meine Hände zitterten, meine Füße waren eiskalt und ich konnte nicht mehr schlafen. Ich war sooo überglücklich, ratlos, unruhig und realitätsfern.

Dann folgte Streit mit meinem Partner, weil der gar nicht verstand, was los war. Ich wusste es ja selber auch nicht. Wir stritten und redeten die ganze Nacht lang, wodurch ich wieder nicht zum Schlaf kam. Er sagte auch einige sehr verletzende Dinge. Am Morgen danach hatte ich einen Nervenzusammenbruch und schrie die ganze Zeit.

Meine Hebamme schickte mich daraufhin zur Mutter-Kind-Tagesklinik, wo ich mit einer Psychologin über meinen seltsamen Zustand reden sollte. Sie vermutete wohl eine Wochenbettdepression. Ich wollte überhaupt nicht dahin. Mir ging es doch gut, ich liebte mein Kind, ich hatte nur zu wenig Schlaf (bzw. überhaupt keinen Schlaf). Schon auf dem Weg hin kam mir alles ganz komisch vor. Ich nahm alles so seltsam wahr. Ich roch Gerüche und fühlte Dinge, die für die anderen gar nicht da waren. In der Klinik kam es mir so vor, als ob alle mich verächtlich anstarren würden, wie Zombies. Meine Kleine schrie und ich hörte das so superlaut, schallend, gellend. Ich begann zu weinen und wollte nur nach Hause und mein brüllendes Baby stillen und schlafen. Ich jammerte, dass ich nach Hause will und wir fuhren auch nach Hause und ich beruhigte mich wieder. Nur schlafen konnte ich nach wie vor nicht mehr.

3 Tage später wurde mir die Kleine am frühen Morgen zum Stillen hergebracht und ich sah sie tot vor mir liegen (das war nur eine Halluzination, in Wahrheit hat sie ganz normal geschlafen). Ich dachte, ich hätte die Kleine umgebracht – nicht auf aktive Weise, sondern passiv, das heißt, ich und meine Familie haben sie durch den ganzen Stress so schlecht behandelt, dass sie selbst sich entschieden hätte, wieder zu gehen. Ich fing sofort wie wahnsinnig an zu schreien, hab mit Hände auflegen und Stillen versucht, sie wiederzubeleben. Ich dachte, das sei nun eine Prüfung von Gott, ich muss jetzt zeigen, dass ich für das Leben meines Kindes kämpfen kann. Sie sah für mich so tot aus, bleich und mit schwarzen Fingernägeln. Dann bildete ich mir ein, dass sie vielleicht verhungert wäre, weil aus meinen Brüsten nur Wasser käme. Ich hatte ja schon die ganzen letzten Tage aufgrund meinem Ekel vor Essen kaum noch was gegessen. Ich schrie nach Milch und Honig, weil ich dachte, das bildet die Milch neu. Dann wollte ich mir ihr in die Badewanne, wie bei der Geburt (habe sie im Wasser geboren), weil ich dachte, so warmes Wasser wirkt vielleicht belebend. Ich gab die Kleine also meiner Mutter und rannte ins Bad, um Wasser einzulassen.

Doch meine Mutter gab sie nicht her. Wahrscheinlich dachte sie, ich würde die Kleine jetzt in der Badewanne ertränken wollen (was ich nie wollte). Mein Vater hatte schon den Notarzt gerufen und plötzlich waren Rettungssanitäter da. Ich freute mich erst, weil ich dachte, die können meinem vom Tod bedrohten Kind besser helfen. Doch sie nahmen die Kleine nur und taten nichts. Sie trugen sie weg und ich rannte schreiend hinterher ins Treppenhaus (das war eine im Nachhinein voll peinliche Situation, weil ich außer einem Slip gar nichts anhatte und unsere Nachbarn in der Tür standen und alles mit ansahen). Ich wurde zurückgeführt und zog mich an und ein Sanitäter hielt mich und führte mich runter zum Rettungswagen.

Ich fragte die Rettungssanitäter nach Milch und Kakao. Die sagten nur, erst in der Klinik. Ich meckerte sie auch an, dass bestimmt alle mein Handy nach meinen persönlichen Nachrichten durchsuchten. Sie guckten nur doof. Ich fragte sie dann plötzlich auch, ob das wirklich mein Kind sei und es nicht vertauscht wurde. Ich durchlebte die krassesten Filme auf dieser Fahrt in die Klinik, wie auf einem schlechten LSD-Trip.

In der Psychiatrie angekommen, durfte ich mich kurz hinlegen und war dann plötzlich für eine Zeitlang wieder halbwegs klar. Das Aufnahmegespräch schaffte ich mit Müh und Not und schilderte, was vorgefallen war. Dass ich dachte, ich hätte die Kleine umgebracht und so weiter.

Nach 2 Tagen auf der geschlossenen Station erlitt ich einen Rückfall. Die Ärztin sagte zu mir, ich dürfe mein Kind nicht sehen und außerdem, echt mal, man könne doch keine Babys zurückholen durch Hände auflegen. Ich dachte, ok, ich hab es nicht geschafft, also bringt mir mein totes Kind. Ich schrie und wollte mein Kind sehen und wurde aber auf einer Liege fixiert und gefesselt. Ich jammerte, jetzt werde ich für all meine Sünden bestraft und Gott hat mich verlassen (dabei bin ich eigentlich Atheistin). Ich sagte zur Ärztin, ok, dann bringt mich um. Die Ärztin sagte, hier wird niemand umgebracht und ich sollte eine Tablette nehmen. Meine erste Tablette gegen die Psychose. Ich dachte, es wäre ein Mittel, um mir das Sterben zu erleichtern. Aber das war mir auch egal, so könnte ich wenigsten endlich schlafen und ich nahm sie. Sie wirkte langsam und ich konnte plötzlich das, was ich 11 Tage lang nicht gekonnte habe, nämlich SCHLAFEN.

Nach 9 Tagen geschlossener und 2 Monaten offener Psychiatrie kam ich dann in die Mutter-Kind-Tagesklinik. Dort blühte ich richtig auf und nach weiteren 3 Monaten kam ich nach Hause und kann mich seitdem völlig normal und ohne Beschwerden um meine Tochter kümmern. Ich muss aber immer noch 30 mg Abilify und 2,5 mg Zyprexa nehmen.

Wer echt bis hier hin gelesen hat, kriegt einen Keks :D.

Viele Grüße
Seerose

PS: Hab noch vergessen zu sagen, es gab bei mir keinerlei Vorbelastung, ich bin sonst immer psychisch völlig gesund gewesen, die Wochenbettpsychose kam völlig überraschend für mich und meine ganze Familie.
Seerose

Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Seerose »

Ist denn noch jemand, der eine Wochenbettpsychose hatte, hier? Würde mich über Austausch sehr freuen, vor allem darüber wie ihr die Krankheit erlebt habt und wie ihr damit umgeht, dass es gerade euch getroffen hat. Ich kann immer noch nicht überwinden, dass gerade mich diese Krankheit erwischt hat und mache mir immer wieder Gedanken drüber, was ich nach der Geburt falsch gemacht habe und wie ich es hätte verhindern können. Und warum ich mich nicht irgendwie "zusammenreißen" konnte, schließlich bin ich ja vorher immer psychisch gesund gewesen. Ich wünsche mir ja irgendwann auch weitere Kinder und will alles mögliche tun, um zu verhindern, dass es wieder dazu kommt.
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Marika
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Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Marika »

Liebe Seerose,

herzlich Willkommen bei uns und vielen Dank für deine Offenheit und dein Vertrauen, uns deine Geschichte zu erzählen. Beim Lesen war ich erschüttert ... über die Heftigkeit und auch die Schnelligkeit, wie diese Erkrankung über einen hereinbrechen kann.

Ich selber hatte zwar keine Psychose, aber eine schwere Depression mit massiven Zwangsgedanken. Ich dachte ich werde "verrückt" und müsse "weg gesperrt" werden. Mein Leben war bis unter den Nullpunkt gerutscht, ich dachte es sei vorbei. Lange war ich in Therapie (2,5 Jahre) und brauchte auch 3 Medikamente, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber genau das geschah: es wurde besser und besser und heute geht es mir so gut, wie nie zuvor in meinem Leben.

Eines ist mir mit der Zeit klar geworden: Ich habe NICHTS falsch gemacht - und du auch nicht. Ich habe aufgehört zurück zu schauen, sondern mich auf die Gegenwart konzentriert um zu schauen, was KANN ICH JETZT TUN, DAMIT ES MIR BESSER GEHT! Im Hinblick auf deinen weiteren Kinderwunsch ist Prävention natürlich sehr wichtig und da gibt es einiges was man tun kann. Ich bin auch sicher, dass du noch mehr Antworten bekommen wirst, hier gibt's einige Frauen die ihre Psychosen gut überstanden haben. Hab noch etwas Geduld, sie werden sich sicher bald melden! :wink:

Schön, dass du da bist!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Inga
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Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Inga »

Hallo Seerose!

Ich hatte auch keine Psychose allerdings genau wie Marika eine Depression mit heftigen Zwangsgedanken. Ich war auch in der Psychatrie mit meiner Tochter zusammen auf einer Mutter-Kindstation.

Meine Tochter ist noch keine zwei Jahre alt, also bei mir ist das ganze also auch noch ziemlich frisch.
Sehr oft habe ich noch so Phasen, wo ich mir immer wieder die Frage stelle, WARUM Ich?

Ich war vor der Geburt psychisch super stabil, stand mit beiden Beinen im Leben, fühlte mich so stark. Ich hatte dann eine super Schwangerschaft und die Geburt war auch ok. Es war ein Kaiserschnitt, aber ich konnte gut damit leben...und dann der Absturz. Ich dachte ich werde verrückt um muss weg gesperrt werden.

Insgesamt war ich vier Monate stationär und ich wurde dort auf Medikamente eingestellt Cipralex und Seroquel. Langsam wurde es besser...aber die Angst, das so etwas nochmal passieren könnte ist immer noch präsent. Deswegen bin ich mir auch noch nicht sicher, ob ich ein zweites Kind bekommen möchte. Momentan könnte ich es mir nicht vorstellen...na ja, mal abwarten. Ich mache mir damit auch keine stress, da ich mir auch sehr gut vorstellen kann "nur" ein Kind zu haben.

Eine Psychose ist mit Sicherheit auch sehr schrecklich,aber Zwangsgedanken zu haben ist auch der Alptraum auf Erden. Ich nöchte so etwas nie wieder erleben.

Ich denke, es braucht einfach Zeit das Erlebte zu verarbeiten und vielleicht können wir irgendwann sagen, das wir gestärkt aus dieser Krise herausgegangen sind...so wie Marika! Und das unser Leben viel mehr Qualität bekommt, da wir das "gesund" sein einfach viel mehr schätzen können.

Ich freue mich auf weiteren Austausch mit dir....

Alles Liebe Inga
Diagnose:
10/2012 erstes Kind
schwere PPD mit massiven ZG
09/2017 zweites Kind
gesund und glücklich
Seerose

Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Seerose »

Hallo Inga und Marika

vielen Dank für eure Beiträge. Freut mich zu hören, dass ich hier willkommen bin. :-)
Marika hat geschrieben:Im Hinblick auf deinen weiteren Kinderwunsch ist Prävention natürlich sehr wichtig und da gibt es einiges was man tun kann.
Kennst du dich da genauer aus, was man zum Beispiel tun kann? Ich würde gern alles menschenmögliche tun, um zu verhindern, dass es wieder dazu kommt, aber das Schlimme ist, dass es wahrscheinlich keine Antipsychotika gibt, die mit dem Stillen vereinbar sind und ich würde beim zweiten Kind so gerne stillen. Konnte die Kleine ja nur 11 Tage stillen und dann musste ich abstillen wegen der Medikamente.

Ich hab mir früher immer sogar viele Kinder gewünscht, so 3 bis 4. Mittlerweile weiß ich, dass das mit meiner Krankheit wohl nicht realisierbar ist, aber eins möchte ich auf jeden Fall noch, oder zwei falls beim nächsten die Krankheit ausbleibt.
Inga hat geschrieben:Eine Psychose ist mit Sicherheit auch sehr schrecklich,aber Zwangsgedanken zu haben ist auch der Alptraum auf Erden. Ich nöchte so etwas nie wieder erleben.
Wie machen sich solche Zwangsgedanken denn genau bemerkbar? Ich hatte in der Phase, wo ich im Krankenhaus zum ersten Mal Medikamente bekam und die Psychose langsam zurückging, auch Momente, wo ich dachte, das und jenes könntest du deinem Baby theoretisch tun, aber dabei schüttelte es mich immer und ich dachte mir, was sind das bloß für Schwachsinnsgedanken, das willst du doch überhaupt nicht. Mein Mantra war dabei immer, es sind die Taten, die zählen und nicht die Gedanken. Und in der Realität, wenn mein Freund mich mit der Kleinen besuchte, hatte ich nur liebevolle Gefühle für die Kleine. Und es ging dann auch bald wieder weg. Daher fand ich das mit den Gedanken nicht sooo schlimm. Aber vielleicht hatte ich auch nur eine leichte Form davon und weiß nicht wie es ist, schwere Zwangsgedanken zu haben.

Alles Liebe euch und viel Kraft :wink:
Seerose
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Marika
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Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Marika »

Hallo,

schau mal in diesen Link hier rein, da sind Präventionsmaßnahmen angeführt.

http://schatten-und-licht.de/index.php/de/praeventionen

Zu Zwangsgedanken: Das sind Gedanken mit Inhalten, die der Betroffene komplett ablehnt, da sie meist brutal, abstoßend, oder einfach nur unpassend sind. Man versucht sie "nicht zu denken", weil sie Angst machen, aber sie zwingen sich einem immer und immer wieder auf. Dadurch bekommt man starke Ängste bis hin zu Panikattacken, weil man mit der Zeit glaubt, man wolle wirklich das tun was einem da an Gedanken aufgedrängt wird. Ganz klassisch sind Gedanken, in denen man seinem Kind Gewalt antut - einfach schrecklich ist das. Denn man will es ja nicht, man will nicht mal so einen Gedanken haben und trotzdem kommen sie. Ich habe das auch durchmachen müssen, etwas schlimmeres habe bis dahin noch nicht erlebt. Aber man kann da raus kommen, Gott sei Dank!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Seerose

Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Seerose »

Hallo Marika,

danke für den Link, der ist echt informativ. :D Besonders das mit der Plazenta- und Progesteronprophylaxe werde ich ausprobieren.
Ja, das mit den Zwangsgedanken hatte ich auch gehabt, allerdings zum Glück nur in sehr leichter Form. Es freut mich, dass du da wieder rausgekommen bist.

Liebe Grüße
Seerose
lisa78

Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von lisa78 »

Liebe Inga, in welcher Klinik warst du?
Inga
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Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Inga »

Hey Lisa!
Ich war in Herten und kann diese Klinik nur empfehlen.
Die sind dort alle sehr nett und die Therapie ist genau auf diese Erkrankung abgestimmt.
Ich kann dir nur sagen,geh dort hin,wenn du die Möglichkeit hast.
Mir hat es wirklich was gebracht...ich war 11 Wochen dort.
Glg inga
Diagnose:
10/2012 erstes Kind
schwere PPD mit massiven ZG
09/2017 zweites Kind
gesund und glücklich
lisa78

Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von lisa78 »

Ja, ich kann wahrscheinlich bald dorthin... Bekommt man denn auch Psychotherapie dort oder nur Medis?
Sonnenschein84

Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von Sonnenschein84 »

Hallo liebe Seerose,

ich möchte mich auch gern bei dir melden. Erst mal freut es mich sehr, dass es dir so gut geht. :-) ich bin nur noch recht selten hier im Forum, aber schaue immer mal wieder herein. Mich hat deine Geschichte sehr berührt. Mir kam auch ganz vieles bekannt vor. Ich hätte einiges genauso schreiben können bzw. habe ich teilweise gleiche Gedanken gehabt.

Ich hatte nach der Geburt meines Kindes auch eine Wochenbettpsychose entwickelt. Schwangerschaft verlief vorher problemlos, die Geburt war komplikationslos, ohne Schmerzmittel, PDA, alles super.:-) Stillen hat auch direkt gut geklappt und ich habe mich sehr auf unser Kind gefreut. Er schrie eigentlich nur selten und schlief auch nach 8 Wochen schon fast 8 Stunden in der Nacht durch. Ich schlief dann allerdings auf einmal schlagartig umso weniger, machte mir unnötige Sorgen, dass mein Kind nicht genug trinken oder schlafen würde und bildete mir ein eine schlechte Mutter zu sein.
Diese Sorgen waren völlig unbegründet. Unser Kind hat stets genug geschlafen, ich hatte immer genug Milch, er wurde immer satt, hat gut zugenommen und es ging ihm prima. Nur mir dann eben nicht mehr. Ich hatte keinen Appetit mehr, konnte nicht mehr schlafen und dann war ich in einem Teufelskreis, aus dem ich nicht mehr rauskam.

Da ich vorher ebenfalls keinerlei psychische Vorerkrankungen hatte, kam auch niemand darauf, dass ich eine Wochenbettpsychose entwickelte. Ich habe irgendwann mitten in der Nacht meine Eltern angerufen und meinte, mein Kind müsste von mir weg, weil ich mich nicht drum kümmern könnte und eine schlechte Mutter sei. Meine Eltern haben leider auch nicht sofort den Ernst der Lage erkannt. Meine Mutter hat das erst am nächsten Tag meiner Schwester erzählt und diese hat dann bei uns zu Hause angerufen und mit meinem Freund gesprochen und ihm von dem Verein "Schatten und Licht" erzählt.
Es dauerte dann noch einen Tag bis ich mit Mann uns Maus zur Mutter-Kind-Ambulanz gefahren bin. Dort wurden wir leider weggeschickt, weil die Ambulanz sich im Umbau befand und ich dort nicht hätte bleiben können. Wir waren dann in einem anderen Krankenhaus zu einem Gespräch.
Ich hatte gemerkt, dass meine Gedanken nicht normal waren und wollte irgendeine Hilfe haben, um mich wieder um mein Kind kümmern zu können und um normale Gedanken fassen zu können.
Die Ärzte haben erkannt, dass ich sehr krank war, aber haben auch gemerkt, dass ich keine Gefahr für mich selbst und schon gar nicht für mein Kind darstellen würde. Da es auch freitags war und ich nicht mit dem Kind gemeinsam hätte aufgenommen werden können, haben Sie meinen Freund gefragt, ob er sich zutraut, dass er am Wochenende mit mir und dem Kind bei uns zu Hause ist. Ich habe Medikamente (Diazepam) mitbekommen, damit ich wenigstens ein bisschen schlafen konnte.
Ich konnte nach 4 Nächten dann endlich mal wieder für 2-4 Stunden am Stück schlafen. Danach waren meine Gedanken dann auch etwas klarer. Sonntags wollte ich dann wieder ins Krankenhaus, weil ich dachte, dass mir nur dort richtig geholfen werden könnte.
Das Aufnahmegespräch dort wurde von einem anderen Anrzt geführt und der hatte keinen Schimmer, was mit mir los war. Während ich recht gefasst war, wurde der Arzt recht schnell hektisch, fragte meinen Freund und mich, ob wir kiffen würden oder Drogen genommen hätten und meinte dann, dass ich schwer krank wäre und er hoffen würde, dass es keine Schizophrenie hätte.
Mir lief es da eiskalt den Rücken runter und ich wollte aus dem Krankenhaus so schnell wie möglich wieder weg. Als der Arzt das merkte, dass ich nicht dort bleiben wollte, hatte er gesagt, dass ich unbedingt im Krankenhaus bleiben müsste. Da ging es mir mit einem Mal schlagartig richtig schlimm.
Vor meinen Augen spielte sich alles ab. Ich würde weggesperrt werden, man würde mir mein Kind wegnehmen, ich könnte es nicht mehr stillen... Ich dachte dann auch noch, dass es aber keine Flasche trinken könnte und dann ohne mich verhungern würde. Das waren natürlich psychotische Gedanken, die nicht der Realität entsprachen. Im Krankenhaus wurde es dann aber nur noch schlimmer.

Ich spare mir mal jetzt über den Krankenhausaufenthalt zu schreiben.... Von der geschlossenen Station sind die blödesten Erinnerungen dank Tavor bei mir auch weg. Dort war ich ca.9 Tage. Anschließend war ich noch ca. 5 Wochen auf der offenen Station und konnte am Wochenende und später auch tagsüber immer wieder nach Hause. Während für die meisten Patienten das Wochenende zu Hause immer anstrengend war, ging es mir zu Hause bei Mann und Kind immer wesentlich besser als im Krankenhaus.
Laut Aussagen der Ärzte ging es mir in einem wahnsinnigen Tempo besser und die Medikamente konnten sehr schnell reduziert bzw. abgesetzt werden.
Ich hatte viel Unterstützung von meiner Familie aber auch selbst den ganz starken Willen, wieder gesund werden zu wollen. Der größte Ansporn und die größte Kraftquelle war mein Kind. :-)

Es ging immer vorwärts. Erst bin ich gesund geworden. Dann konnten die Medikamente weg und ich bin trotzdem weiter gesund geblieben. Danach bin ich die zusätzlichen Kilos durch die Medikamente wieder losgeworden und auch der Arbeitseinstieg hat gut geklappt.
Am wichtigsten von den ganzen Punkten war mir, dass ich auch wieder das Vertrauen hatte, mich gut um mein Kind kümmern zu können.

Wie bin ich mit der Krankheit umgegangen?

Ich habe mich auch eine Zeit lang gefragt, warum das gerade mir passiert ist. Ein paar Faktoren habe ich auch gefunden, die den Ausbruch der Wochenbettpsychose begünstigt haben können. Es gibt in meiner Familie eine psychische Vorbelastung. Auch wenn ich selbst vorher nie psychische Probleme hatte, ist das ein Risikofaktor. Dann gab es noch mehrere andere Faktoren, die mir erst später bewusst wurden. Während der Schwangerschaft hatte ich arbeitsbedingt teilweise viel Stress (2. Staatsexamen), ich hatte keine sichere Arbeitssituation (keinen Arbeitgeber mehr mit Beginn des Mutterschutzes, Umzug während der Schwangerschaft). Dann einige Persönlichkeitsmerkmale, die ich selbst mitbringe: Perfektionismus, hohen Anspruch an mich selbst, es allen Recht machen wollen. Und dann wahrscheinlich auch die Umstellung des Körpers nach der Geburt, veränderte Hormonhaushalt. Da sind sicher einige Sachen zusammen gekommen.

Warum man gerade selbst von so einer Krankheit betroffen ist, kann man ja gar nicht richtig beantworten.
Der Arzt, der mich behandelt hat, sagte aber etwas, dass mir damals etwas geholfen hat. Er meinte, man könne die Krankheit als Chance sehen, sein Leben, seine Familie und seine Gesundheit besser schätzen zu lernen.

Ich habe von einigen auch gehört, dass sie nach der Kranheit, stabiler waren als vorher.

Ein bisschen habe ich das bei mir selbst auch beobachtet. Wie gesagt, ich war vor der Wochenbettpsychose nie psychisch angeschlagen. Aber nach der Krankheit sehe ich einige Sachen trotzdem anders. Ich versuche nicht mehr, immer alles allen recht zu machen. Ich sage meine Meinung häufiger. Ich traue mir selbst viel mehr zu. Wenn es irgend etwas gibt, dass schwer sein könnte, dann sage ich mir: "Ich habe diese Krankheit überwunden, da schaffe ich das auch."
Auch im Hinblick auf die Beziehung zu meinem Freund ist die Krankheit und unser Umgang damit schon etwas gewesen, was wir gut hingekriegt haben. Als ich gemerkt habe, dass ich krank werde, dachte ich, dass mein Freund mich verlassen würde. Das war natürlich auch eine Angst, die in der Psychose immer stärker wurde. Tatsächlich hat sich mein Freund aber toll um unser Kind gekümmert und auch natürlich seinen Teil dazu beigetragen, dass es mir besser ging.

Ich sehe die Wochenbettpsychose mittlerweile als Krankheit, die ich hatte, aber überwunden habe. Sie war sehr schlimm und ich möchte sie auch nicht wieder kriegen. Es gibt aber auch andere schlimme Krankheiten. Wir hatten eine tolle Geburt. Andere Mütter hatten vielleicht eine traumatische Geburt mit Notkaiserschnitt oder anderen schlimmen Erlebnissen. Auch das dauert, bis man das verarbeitet hat.

Ich bin froh, dass es bei einer Wochenbettpsychose eine sehr gute Prognose gibt, wieder vollständig gesund zu werden. Das hat mir der Arzt auch immer so gesagt.
Es ist richtig, dass es bei einer weiteren Schwangerschaft wieder ein Risiko gibt, zu erkranken. Man muss für sich abwägen, ob man das Risiko eingehen möchte oder nicht. Teilweise kann man das Risiko vielleicht verringern, aber ganz ausschließen kann man es natürlich nicht. Ich denke, man könnte diesmal aber schneller handeln und sich damit einiges ersparen. Ausreichend Schlaf ist sicher total wichtig, ausreichend Essen und trinken auch. Ich glaube, dass die Familie und Freunde auch schneller Veränderungen bemerken würden.

Deinen Wunsch zu stillen, kann ich gut nachvollziehen. Ich würde das auch gern wieder machen, aber nicht um jeden Preis. Körperlich hat es mich gar nicht so bewusst angestrengt, aber ich habe mir irgendwann eben so viele Sorgen gemacht. Und vielleicht war es ja auch körperlich doch sehr kräftezehrend. Ich denke aber schon, dass es auch Antipsychotika gibt, mit denen man stillen kann. Man müsste da vielleicht mal bei Embryotox nachfragen.

Hat denn dein Arzt gesagt, wie lange du deine Medikamente jetzt noch nehmen sollst?

Liebe Grüße,
Sonnenschein
yshine

Re: Wunschkind, super Geburt -> trotzdem Wochenbettpsychose

Beitrag von yshine »

Liebe Seerose

Habe gerade deine Geschichte gelesen - mag meine gar nicht mehr so ausführlich aufschreiben weil ich sie schon so oft erzählt habe - aber meine ist ziemlich ähnlich wie deine... es tat mir so gut von dir zu lesen. Vorallem freut es mich zu lesen, dass es dir richtig gut geht.

Hoffe das ist immernoch so?

Liebe Grüsse
Yshine
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