Bin ich verloren?

Hier können sich unsere Mitglieder vorstellen

Moderator: Moderatoren

Antworten
nudlz1983

Bin ich verloren?

Beitrag von nudlz1983 »

Hallo Ihr Lieben.

Ich habe meinen Sohn vor fast 12 Wochen entbunden und seitdem geht es mir psychisch immer schlechter, obwohl mein Leben von außen betrachtet in geordneten Bahnen verläuft. Glücklich verheiratet, Wunschkind bekommen, finanziell abgesichert ect.
Am Anfang machte mir "lediglich" zu schaffen, dass ich zuhause größtenteils alleine war, kaum raus kam, das Baby so abhängig von mir war und ich gefühlt nichts anderes machte außer stillen, wickeln, bespaßen, schlafen, waschen und wieder von vorn.
Gut, ich dachte, das ist so am Anfang und alles pendelt sich wieder ein wenn ich mobiler mit Baby werde, mehr raus komme usw.
Aber dann schlichen sich immer mehr dunkle Gedanken in mein Leben. Auf einmal wurde mir bewusst wie schnell so ein Tag mit Baby rum ist. Ich freute mich immer auf den Abend wenn mein Mann nach hause kam aber der Abend verging auch so wahnsinnig schnell. Nun, an sich ist das sicherlich nichts ungewöhnliches doch diese Gedanken wurden immer extremer.
Ich bekam regelrecht Angst vor dem Zeitverlust, hätte am liebsten einige Momente festgehalten.

Nun ist es so dass ich eine Art Zwang entwickelt habe. Ständig muss ich auf die Uhr schauen und mein Hirn zermartern wieviel Zeit schon wieder vergangen ist. Ganz oft, immer öfter sogar, reagier ich richtig panisch wenn ich die Uhr beobachte und sehe wie schnell die Minuten vergehen.
Ich bekomme Herzrasen, Unruhe, einfach Angst. Es fühlt sich so schlimm an.

Ich kann an nichts anderes mehr denken. Das macht mich total fertig. Dazu diese Trauer, das alles irgendwann vergeht. Ich denke voller Angst daran, wie schnell groß mein Junge wird und eigentlich jetzt schon dem Tode geweiht ist.
Auch mein Mann. Ich habe soviel zu verlieren. Ich ertrage den Gedanken nicht. Es macht mich fertig. Bin nur noch am Weinen. Ablenkung hilft nicht. Nichts hilft. Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels. Schon wieder 10 Minuten weg.

Mein Sohn ist so goldig. Doch wenn er lacht fühle ich keine Freude. Ich kanns nicht genießen wenn ich sehe wie mein Mann sich so toll um ihn kümmert. Es macht mich nur fertig, diese Gewissheit, dass all diese Momente vergänglich sind und sich irgendwann niemand mehr daran erinnert.
Was ist bloß los mit mir? Was habe ich? Zwangsgedanken? Depression?
Ich war schon bei einer Psychiaterin.
Die hat mir Sertralien verschrieben. Damit fange ich morgen an. Aber ich stille. Habe Angst meinem Sohn was schlechtes anzutun aber ohne geht nicht. Ich muss es versuchen. Abstillen? Das wäre im Moment schlimm für uns beide. Ich drehe mich im Kreis.
Alle sagen, das vergeht. Aber es fühlt sich nicht so an. Ich habe das Gefühl, ich habe jetzt eine "Erkenntnis" erlangt die ich nie wieder los werde. Können die Pillen es schaffen dass es mir egal wird. Das Alles? Ich kanns mir nicht vorstellen. Ich bin so verzweifelt. Wie komme ich da raus? Ich möchte leben, mein Leben genießen. Mein Baby, meine Familie. Aber die Uhr. Sie tickt. So laut. Ich werde verrückt. Verliere ich den Verstand?
Das einzige das mir im Moment noch Hoffnung gibt ist die Tatsache, dass es ja auch mal ein Leben davor gab. Aber was ist, wenn ich da nie wieder zurück finde?

Morgens beim Aufstehen krieg ich schon richtige Panikzustände. Kann dann nur daran denken, wie schnell jetzt Stunde um Stunde wieder vergeht. Alles dreht sich doch nur darum, irgendwann abends wieder ins Bett zu gehen. Wieder ein Tag weg. Einfach so. Ein Stück näher am Ende. Ich ertrage das nicht. Ich weiß nicht mehr warum ich denke, fühle, warum ich etwas sage. Warum ich lebe. Alles erscheint keinen Sinn mehr zu ergeben. All diese schönen Momente mit meiner kleinen Familie, sie tun mir so weh obwohl ich doch glücklich sein müsste.
Oh man, dabei war ich vor ca. drei Monaten noch glücklich. Wo ist das hin? Ich habe doch jetzt alles was ich je wolllte.
Bitte, kann mir jemand sagen was ich tun kann? Mir helfen?

Verzweifelte Grüße
Nudlz
Sanna
power user
Beiträge: 915
Registriert: 17:03:2013 14:36
Wohnort: Ruhrgebiet, NRW

Re: Bin ich verloren?

Beitrag von Sanna »

Hallo!

Und herzlich willkommen hier bei uns! Für mich liest es sich so, als wärst du genau richtig bei uns.

Zuerst einmal finde ich es toll, dass du bei einer Psychiaterin warst und dir Hilfe geholt hast. Und Sertralin zu nehmen ist sicher auch ein guter Schritt, zumal du ja ohne Probleme mit dem Medikament stillen kannst.

Und ich als Betroffene sage dir auch: Ja, das geht vorbei. Es kann dauern und es wird sicherlich auch Rückschläge geben, aber Schritt für Schritt kann man da wieder raus kommen.

Ganz wichtig wäre, dass du dir einen Psychotherapeuten suchst, mit dem du - zusätzlich zum Medikament - arbeiten kannst. Dann sind deine Chancen gesund zu werden noch größer.

Ansonsten komm immer her, wenn dir danach ist. Wir sind füreinander da.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
nudlz1983

Re: Bin ich verloren?

Beitrag von nudlz1983 »

Danke für deine schnelle Antwort.

Ich war auch schon bei einer Therapeutin. Dort habe ich schonmal eine Verhaltenstherapie gemacht. Weil ich früher schonmal ne Angststörung hatte. Eine Art soziale Phobie. Habe die aber gut in den Griff bekommen.
Aber das hier fühlt sich so viel größer an dass ich das Gefühl habe es nicht zu schaffen. Mein Kopf kann all diese Gedanken nicht ertragen. Ich weiß auch nicht ob die Therapeutin mich richtig versteht im Moment. und der nächste Termin ist erst am 18.

Ich kann mich nicht entspannen. Keine Minute. Bin unter Dauerstrom.
Ich weiß auch nicht was ich genau habe. Sind das Zwangsgedanken?
Brina

Re: Bin ich verloren?

Beitrag von Brina »

Hallo und herzlich willkommen Nudlz,
Vielleicht hilft es dir ein kleines bisschen,dass ich auch Sertralin nehme und stille. Ich habe mit dem Frauenarzt,Kinderarzt und meiner Psychiaterin darüber gesprochen und alle haben gesagt,dass es geht.
Ich weiß es ist schwer,aber versuche dir darüber nicht so einen Kopf zu machen. Das AD wird dir bestimmt helfen und davon hat dein Sohn dann auch was:Eine Mutter,der es besser geht.
Bei mir war es außerdem so,dass ich ab der ersten Einnahme das Gefühl hatte,endlich was gegen diese Scheiß Krankheit tun zu können. Nicht mehr ganz hilflos zu sein. Es war wie der erste kleine Schritt einer langen Reise zurück in mein altes Leben.
Alles Liebe
Brina
kadisha

Re: Bin ich verloren?

Beitrag von kadisha »

hey
herzlich willkommen.

habe übrigens auch ein Baby von knapp 12 Wochen
sie wurde am 24.11.14 geboren. wann deiner.

ich freu mich, dass du den weg zu uns gefunden hast
du wirst dich hier sicher wohlfühlen
nudlz1983

Re: Bin ich verloren?

Beitrag von nudlz1983 »

Mein sohn wurde am 19.11. geboren
Stella

Re: Bin ich verloren?

Beitrag von Stella »

Hallo,

du das wird wieder, mir ging es nach meinen beiden Geburten so…vertraue den Medikamenten und du musst mit ca. 6 Wochen rechnen bis sie wirken..bei mir war es immer genau nach 3-4 Monaten ganz plötzlich vorbei und ich war wieder die Alte. Ich habe auch vorher nie mit Depressionen oder so zu tun gehabt und nie Medikamente nehmen müssen..Du wirst Liebe zu deinem Sohn spüren können und auch alles andere wieder spüren..die Panik verschwindet…

du musst nur durchhalten…das ist schwer-……hilft dir dein Mann? Er muss sich wahrscheinlich jeden Tag dasselbe anhören, aber das verschwindet wieder, ihr könnt eure Ehe wieder geniessen mit Kind.

Lg Stella

Kopf hoch
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9949
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Bin ich verloren?

Beitrag von Marika »

Herzlich willkommen auch von mir!

Diese Krankheit fühlt sich wirklich anfangs so an, als würde sie nie wieder verschwinden, als würde es "nie wieder gut". Dieses Gefühl hatte ich auch. Aber: Es wurde wieder gut!!!

Den ersten Schritt hast du getan, du hast jetzt ein AD bekommen. Es wird dir helfen erst mal soweit zu kommen, dass wieder Boden unter die Füße bekommst. Das kann ein paar Wochen dauern, aber es wird. Dann ganz wichtig - die Therapie. Vielleicht kannst du gerade am Anfang darum bitten, die Abstände enger zu setzen?

Dein Leben wird wieder schön, auch wenn es jetzt erstmal sehr schwer ist. Aber die ersten Maßnahmen hast du gesetzt, du bist auf dem richtigen Weg.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Antworten