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Gringa

eine Neue hier im Forum

Beitrag von Gringa »

Hallo,

da liegt es nun da, das Rezept: Citalopram, 20mg. Seit gestern liegt es da, und ich kann mich nicht durchringen zur Apotheke zu gehen.
Ich glaube die Depression hat mich wieder im Griff, ähnlich wie vor drei Jahren, als mein erster Sohn geboren wurde.
Ich bin 38 Jahre alt und durchlitt seit meinem 25. Lebensjahr immer wieder mal Angstkrisen und Depressionen. Mit 35 das erste Kind, nun das zweite mit 38. Wunderbare, tolle Jungs!!

Ich bin eigentlich sehr glücklich verheiratet, habe einen tollen, geduldigen Mann, und ich kann mich in meiner Situation eigentlich nicht beschweren.
Dennoch hat die erste Geburt mich seinerzeit ziemlich aus der Bahn geworfen. Damals habe ich nach 7 Wochen abgestillt, um Venlafaxin zu nehmen. Danach ging es mir schrittweise besser. Das zweite Kind war -wie das erste - gewollt und willkommen, mein Mann hatte diesbezüglich jedoch den stärkeren Wunsch. Ich hatte Zweifel, ob ich nochmals das erste Jahr mit einem kleinen Baby verbringen wollte, denn da ging es mir am schlechtesten.
Nun sind seit der Geburt 13 Wochen vergangen und mir geht es nicht gut. Die Geburt war eine ungeplante Hausgeburt, was eigentlich ganz schön war, keine Komplikationen oder Probleme. Sehr familiär und exklusiv. Der große hat das neue Familienmitglied liebevoll begrüßt und ist auch heute noch ein toller großer Bruder. Doch mir geht es nicht gut. Folgende Dinge sind bei mir tagtäglich aktuell, mal mehr, mal weniger:

- Unruhe, Schlafstörungen. Es gibt Nächte, in denen ich kein Auge zumache.
- unerklärlich Angst (verrückt zu werden, vor Kontrollverlust)
- Angst vor der Aufgabe als Mutter
- Angst vor der Zukunft. Ziemlich paradox. Finanziell sind wir durch den Job meines Mannes gut abgesichert. Ich habe jedoch mich in den letzten Jahren vollkommen in seine Abhängigkeit begeben, was mich total quält und mein Selbstbewusstsein hat schwinden lassen. Beruflich war ich mit meinem Leben nie wirklich zufrieden, daher habe ich mich auf die Mutter- und Hausfrauenrolle eingelassen, als Fluch sozusagen vor meinem Beruf. Heute habe ich jedoch Angst, niemals mehr beruflich wieder auf die Beine zu kommen. Fühle mich nichtig und klein, denke, dass andere, die arbeiten und Kinder haben, mich belächeln und mich nicht ernst nehmen.
- Ich mache mir Gedanken, Gedanken, Gedanken über viele, viele Dinge und komme einfach nicht zur Ruhe. Dinge, die jetzt eigentlich nicht Thema sind und eigentlich mich sonst nicht stören, wollen auf einmal durchdacht sein. Das Haus, der Garten, Papierkram, Behörden, Erledigungen, meine berufliche Neuorientierung, die Zukunft der Kinder, mein Selbstbewusstsein, meine verpassten Chancen in der Vergangenheit, meine zugebaute Zukunft, fühle mich wie in einem Käfig...
- ständig das Gefühl nicht zu genügen, als Mutter, Ehefrau, Freundin...
- das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wächst. Ich sehe unerledigte Dinge und habe Angst, dass sich der Stapel bis ins Unermessliche anhäuft und ich ihn nicht mehr 'kontrollieren' kann und er mich sozusagen kontrolliert.
- ich bin vollkommen unkonzentriert, kann einem Gespräch kaum folgen und mir passieren viele Missgeschicke, über die ich normalerweise lachen würde, die mich aber jetzt beängstigen,weil ich befürchte neurologisch krank zu sein. Ich suche, verlege ständig Dinge, die ich dann irgendwo an unerklärlichen Orten wieder finde. Eigentlich kenne ich das von mir, ich bin immer etwas zerstreut, aber im Moment ist's doch arg.
- körperliche Symptome begleiten mich, so z. B. Magen-Darm-Probleme, die Muskeln schmerzen in den Armen und Beinen u.a.
- Wortfindungsstörungen: Mir fallen oft die einfachsten Wörter nicht ein. Heute war es das Wort Anrufbeantworter, das ich suchte. Oft verwechsle Wörter oder verdrehe Buchstaben (z. B. "Thieberfermometer")
- Durch alle diese Dinge fühle ich mich wie ein einziges Mängelexemplar, bilde mir ein, mein
Umfeld würde meine Unzulänglichkeit schon gegen den Wind riechen und erkennen, dass ich auf ganzer Linie eine Versagerin bin. Und so begegne ich den Leuten um mich herum recht zaghaft, vorsichtig und kleinlaut, kontrolliere und `überwache` mein Verhalten, meiin Reden, meine Gestik und Mimik unentwegt, um nicht aufzufallen oder als lebensunfähig entlarvt zu werden. Anstrengend!

Ich schäme mich schon sehr, aber irgendwie trauere ich meinen kinderlosen Zeiten hinterher und frage mich, ob ich jemals wieder in Ruhe ein Buch lesen werde können oder einfach mal im Garten wühlen ...
Für mich ist alles im Moment so aussichtslos. Ich fühle mich alt und denke, dass mein Leben vorbei ist. Vielleicht habe ich auch eine Midlife-Krise, wer weiß?
Ich komme mir auch so undankbar vor, vor allen Dingen, weil ich zwei gesunde Kinder habe. Aber trotzdem komme ich nicht gegen diese Sackgassengefühl an...
Ich kenne ähnliche Phasen von mir eigentlich zu Genüge, ich habe sie alle überstanden und bin danach auch wieder ein lebensfroher Mensch, aber im Moment ist es einfach nur düster.

In meiner Herkunftsfamilie gibt es überdies große Schwierigkeiten. Meine Mutter, zu der ich kein all zu gutes Verhältnis habe, ist chronisch krank und entwickelt eine demenzielle Symptomatik. Mein Vater ist völlig überfordert, meine Geschwister weit weg und überdies muss dringend eine neue Wohnung gefunden werden... Seit 40 Jahren wohnen sie in einem Haus, das viel zu groß für sie ist und sanierungsbedürftig. Ich habe keine Ahnung, wie dieses Projekt je über die Bühne laufen soll. Wenn ich nur daran denke, wird mir übel!

Ich habe lange Zeit Venlafaxin (37,5mg) genommen. Embryotox beriet mich während der zweiten Schwangerschaft und empfahl mir das Venlafaxin weiter zu nehmen. Ich habe es aber im dritten Monat abgesetzt, zu sehr hatte ich ein ungutes Gefühl in der SS Psychopharmaka zu nehmen. Und so ist es auch jetzt. Ich will eigentlich nicht abstillen. Ich finde es wunderbar (praktisch). Aber ein Medikament unter der Stillzeit finde ich befremdlich. Ich habe mich bei Embryotox informiert. Das Mittel der Wahl sei Citalopram oder Sertralin. Hat jemand damit Erfahrungen? Ich bin sehr unsicher. Meine Psychiaterin hatte zunächst mir geraten abzustillen, um dann wieder Venlafaxin zu nehmen. Erst ich habe sie dann auf Embryotox aufmerksam gemacht, und über die Tatsache, dass es durchaus Mittel gibt, die mit dem Stillen vereinbar sind, dann nahm sie ein Buch aus ihrer Bibliothek, blätterte hin und her, und so bekam ich ein Rezept mit einem Medikament, mit dem ich stillen kann. Wirklich beraten fühle ich mich aber nicht. So wohl ich mich bei der Ärztin immer fühlte, so wenig Ahnung scheint sie von Schwangerschaft und Stillzeit zu haben.

So... nun will ich denn zum Ende kommen mit meiner Vorstellung hier. Ich bin froh, dass es dieses Forum gibt und habe mich auch in ganz vielen Beiträge wiedergefunden. Es tut gut zu lesen, dass es anderen ähnlich ergeht oder ergangen ist. Dann fühlt man sich nicht so ganz verloren.
Herzliche Grüße
Sanna
power user
Beiträge: 915
Registriert: 17:03:2013 14:36
Wohnort: Ruhrgebiet, NRW

Re: eine Neue hier im Forum

Beitrag von Sanna »

Hallo und herzlich willkommen!

Schön, dass du da bist!

Weißt du, was das Gute ist? Du hast so eine Krise schon mal überstanden und weißt, dass es vorbei geht! Das kann dir eine enorme Hilfe sein.

Ich selbst habe mit AD nicht gestillt, weiß aber von vielen Müttern hier, die mit Citalopram oder Sertralin stillen. ielleicht meldet sich die ein oder andere noch. Außerdem hat dir Embryotox ja auch grünes Licht gegeben.

Sorry, dass ich dir da nicht mehr eine Hilfe sein kann.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Charleenmaxim

Re: eine Neue hier im Forum

Beitrag von Charleenmaxim »

Herzlich wilkommen. Ich bin mit meinem sohn zur zeit in einer muki klinik. Hier stillen viele frauen mit sertalin oder citalopram!

Wünsche dir viel kraft! Alles wird früher oder später wieder gut!!!!
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Marika
power user
Beiträge: 9985
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: eine Neue hier im Forum

Beitrag von Marika »

Herzlich Willkommen in unserer Runde!

Tja - da liegt es nun - nicht nur das Rezept für Citalopram - sondern auch all deine Gefühle, dein momentanes Leben liegt schriftlich vor dir. Du hast so klar und so strukturiert aufgeschrieben wie es dir geht - es liegt jetzt quasi nicht nur in Form eines Rezeptes vor dir was du tun solltest, sondern auch von dir selber formuliert. Du hast das ganze schon mal erlebt und ÜBERSTANDEN, das kannst du wieder!

Wenn du Bedenken hast mit dem Stillen und dem AD, dann schau dir folgendes an: ist es nicht das Wichtigste für EUCH ALLE, dass es DIR WIEDER GUT GEHT? Und das kannst du mit dem AD erreichen. Stillen ist wunderbar, keine Frage. Aber wenn es dir dabei schlecht geht, gehen auch viele Stresshormone in die Muttermilch über - die bekommt dein Baby ebenfalls ab und diese haben auch eine negative Wirkung. Wenn du mit AD nicht stillen willst - dann sieh es mal so: Du hast jetzt 13 Wochen lang gestillt und somit deinem Baby das Beste gegeben, was möglich war - jetzt bist DU dran! So hat mir das meine Nachsorgehebamme gesagt, als ich damals bei meiner PPD nach 5 Wochen zugunsten von Medikamenten (ich nahm 3 und da war eines dabei mit dem Stillen nicht ging) abgestillt habe. Erst war ich traurig darüber, doch als ich merkt, wie es dann mit den Medis bergauf ging, war mir das viel mehr wert.

Du hast aufgelistet, was im Moment alles schlecht ist - dem Gegenüber steht eigentlich "nur" das Praktische am Stillen.... von daher ist die das "Für und Dagegen" bzgl. des AD´s eigentlich klar, oder? Was nutzt es dir, wenn du einmal sagen kannst "ich habe dich viele Monate gestillt", dafür geht es mir schlecht und ich bin unglücklich?

Mein Rat ist also klar: Noch heute das AD holen und nehmen - ob nun mit oder ohne Stillen. Und: Therapie! Hast du da schon mal etwas gemacht?
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
katl0607
power user
Beiträge: 222
Registriert: 11:10:2015 14:39

re: neu hier im forum

Beitrag von katl0607 »

Hallo!

Dein text mit deiner Geschichte erinnert mich an meine eigene Geschichte. Ich bewundere dich. Du hast es geschafft. Sei stolz auf dich.
1. Kind geboren 7/14
Ab der Geburt schleichend Ängste und Panikattacken.
sertralin 100 mg
Promethazin Trpf bei Bedarf
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