Vorsichtiges herantasten

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Labella

Vorsichtiges herantasten

Beitrag von Labella »

Hallo alle zusammen!

Ich fühle mich sehr alleine...ich bin allgemein ein sehr ruhiger Mensch der sich so gut wie kaum öffnet (mein verlobter ist so ziemlich der einzige der mich wirklich kennt) aber als ich ein paar Wochen nach der Geburt meines kleinen Sohnes gemerkt habe das etwas mit mir nicht stimmt, möchte ich hier meine Geschichte los werden.

Ich bin 20 Jahre, für mich spielte das alter anfangs eigentlich gar keine große Rolle, bis ich merkte wie die Leute eine super junge Mama mit Baby Bauch anstarren...
Mein verlobter und ich planten schon Kinder und die Namen standen auch schon fest (für Mädchen u. Jungen) nur wollten wir eigentlich noch 2 Jahre warten bis wir uns ein schönes Häuschen außerhalb der stadt gekauft hatten. Trotzdem waren wir beide mehr als glücklich als wir im 2 schwangerschaftsmonat erfahren haben das ich schwanger bin.

Meine/seine ganze Familie freuten sich wahnsinnig für uns, auch wenn anfangs Zweifel aufkamen ob wir beide das hin bekommen würden. (20 u. 24Jahre)
Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade meine Ausbildung abgeschlossen und arbeitete nur noch bei meinem Teilzeitjob im Verkauf (mode), den ich neben der schulischen Ausbildung schon nachging. Nach ein paar Wochen entschied ich mit meinem mann und meiner frauenärztin aufgrund der schmerzen in den Hüften,Beinen und Füßen, dass ich nur noch ein paar Stunden arbeiten werden. (Ich dachte mir hier schon...wie kann man sich denn nur so anstellen...Schwangerschaft ist ja keine Krankheit. ..)

Mir fehlte bald schon der Kontakt zu meinen Kollegen (da ich leider nur einen privaten freund habe, der weiter weg wohnt) sowie die körperliche Unbeschwertheit. Ich hatte hosen Größe 32, Trotzdem sah ich nicht abgemagert aus. Als dann mein Körper anfing sich sehr schnell zu verändern und ich von Cellulitis sowie schwachem Bindegewebe bis dato nur gelesen hatte fing ich doch schon das grübeln an. So richtig anfreunden konnte ich mich mit meinem neuen Körper und babybauch nicht.

Den kleinen Mann in meinem Bauch liebte ich trotzdem unendlich und saß nachts oft da und sah mir die ultraschallbilder an, auch ging ich manchmal zu meinem hausarzt um mal schnell meinen kleinen sehen zu können :oops:

In der 25 ssw wurde uns bei unserem 3D ultraschalltermin gesagt das unser kleiner sehr warscheinlich herzkrank ist...
Diese Nachricht zerfetzte mein Herz in tauschen Stücke.( ich fragte mich was ich falsch gemacht habe? und wieso genau ich?) Mein Mann brach noch im zimmer nervlich zusammen und von der Ärztin kam keinerlei Unterstützung. Ich musste also stark bleiben.

Nach einer Woche hatten wir uns damit abgefunden und wurden ausreichen informiert. Eine passende Klinik mit der besten nachsorge für unseren kleinen Prinzen War auch schnell gefunden.

Eine Hebamme hatte und habe ich bis jetzt nicht. In meiner Stadt War kein platz mehr frei, obwohl ich das nicht auf die lange Bank geschoben hatte...

Die Wochen vergingen und ich fühlte mich eigentlich sehr gut, nur ab und an kamen Gedanken wie: mein god bist du fett geworden, warum schwitzt du denn jetzt so viel...es waren teilweise 39°C, das weiß ich schon, aber trotzdem ließen sich diese Gedanken nicht abstellen.

Mein verlobter und ich die an die kraft der Engel glauben, waren mit der zeit sehr davon überzeugt das eine herz op nicht mehr nötig sein wird (kontrolltermine bei der frauenärztin soweit der entbindungsklinik waren vielversprechend) und wir haben uns auf einen "normalen " geburtsverlauf eingestellt. In der 39 ssw nahm ich mal ein heißes Bad als sonst, da ich merkte das es los ging. Nach diesem Bad War kaum nochRegung zu spüren, keine schmerzen mehr im Unterleib, kein Druck mehr auf das Becken und den schambereich und die bewebungen des kleinen waren auch sachter. Och fühalte mich als wäer ich nicht schwanger....

am nächsten morgen hatte ich gleich einen Termin bei meiner frauenärztin die mich mit schwachen kindsbewegungen in den Kreißsaal schickte. Keine 10 Minuten am überwachungsgerät stürmten auf einmal 4 Hebammen in den Raum und schubsen meinen Mann regelrecht auf die Seite, ich hörte nur noch Gebrüll um richtiges atmen und auf die Seite drehen, Infusion hier und Blutabnahme da....und wo War ein Kind und mein Mann. ..wo War ich!?
Mein kleiner ging zu dem Zeitpunkt mit der herzfrequenz auf 30 runter und das bei jeder minni wehe die ich hatte...

Auf einmal ging alles sehr schnell innerhalb von 15 Minuten War der kleine Mann dann auf der Welt, ich War so von Emotionen und innerer leere überflutet, dass ich noch am ob Tisch einschlief. Ich hatte keine komplette Narkose.

Als ich aufwachte erwartete ich daS mein sohn bei meine mann ist. Er Lag aber auf der Intensivstation drei Häuser vom geburtshaus entfernt und ich...hier im Bett und konnte noch nicht laufen und nicht kuscheln...einzig ein Bild hatte ich.

In der selben nacht stand ich dann noch auf und bestand darauf mit Hilfe einer Schwester über den stationsflur zu laufen. Am nächsten morgen lief ich mit meinem mann unterirdisch zu meinem kleinen Sohn. Die tage vergingen und bald konnte ich alleine laufen.
Ich stillte ihn aif der intensivstation unter ständigem piepsen der lebenswichtigen Apparate der anderen Kinder und sah Kinder gehen und wiederkommen...

Seine op dauerte fast 10 Stunden, 6 Stunden davon am offenen Herzen an der herzlungenmaschine angeschlossen. Nach seiner op erkannte ich mein Kind nicht mehr, voller Wasser aufgequollen und keine Regung, weil er noch sediert war. Fast 2 Wochen konnte ich ihn nicht in den armen halten, meine Milch wurde immer weniger und ich musste mich jedes mal wenn ich abpumpen wollte übergeben. Ich machte trotzdem weiter - für unseren kleinen und meinen Mann.

Er kam von der Intensivstation runter und lag noch zweianhalb Wochen auf der normalen genesungsstation. Ich halte mein Kind, das immernoch aufgequollen War, bei fast 40° in den armen und bin einfach nur noch kalt und doch ist da noch kraft und ich versuche mich auf ihn zu konzentrieren und ihm liebe, nähe und Geborgenheit zu geben.

Als wir endlich daheim waren fingen die misssituationen an....kleine Streitigkeiten zwischen mir und meinem mann. Unser Sohn weinte oft wegen seiner Blähungen, da ich das stillen aufgeben musste, es kam auf einmal keine Milch mehr und wir mussten ihn auf pulvermilch umgewöhnen.


Gerade eben geht es mir besser und ich konnte mich sogar durch Ringen meine Geschichte hier zu schreiben.
Aber wenn ich mich nicht zusammenreiße habe ich das Gefühl ich breche jeden Moment zusammen. Ich weine sehr oft und lachen kann ich auch nur noch sehr wenig, ich fühle mich manchmal schlapp und habe das Gefühl das ich keine arme und Beine mehr habe. .als würden sie nicht zu mir gehören, ich entferne mich komplett von der Außenwelt, nur mein mann unser Sohn und meine Mutter kommen noch an mich ran, selbst meine Schwester tut sich schwer.


Ich fühle mich so schlecht wenn ich manchmal denke das mich mein kleiner nervt, weil er nicht gleich in der Schlaf kommt oder mich ausversehen beim wickeln angepinkelt hat. Für diese schlimmen Gedanken würde ich mir manchmal am liebsten eine ohrfeigen geben.

Auch bleibt der Haushalt liegen, manchmal habe ich keine Lust auf meinen Mann. ..vorallem wenn der kleine mal etwas mehr Aufmerksamkeit braucht.

Und dann immer wieder diese Gedanken: -du musst stark bleiben für deine Familie
- als Mama darf man nicht zusammen brechen
- wann kommt endlich wieder meine Figur zurück
- wann verschwindet die Unsicherheit, wenn wir mit unserem kleinen spazieren sind
- wann kann ich wieder richtig von Hunger sprechen



Momentan bin ich mir nicht mal mehr sicher ob ich eine Depression habe, oder ob ich mich nur einfach furchtbar anstelle und die Dinge die ich gelesen habe nicht doch nur hoch pusche.. . .





Was meint ihr...sollte ich eine Therapie versuchen oder noch abwarten was passiert?



Ich Danke euch schon einmal für das durchlesen und eure antworten

Ganz liebe grüße an euch alle
Laura
jasmin

Re: Vorsichtiges herantasten

Beitrag von jasmin »

Finde es toll das du den Mut gefunden hast deine Geschichte zu erzählen. Spreche aus eigenen Erfahrungen warte nicht zu lange!!
Habe auch gedacht das ich mich nicht so anstellen soll, andere Mütter brauchen doch auch keine Hilfe, und eine Therapie brauche ich nicht. Das geht schon wieder vorbei.
Habe dadurch wertvolle Zeit verloren, wo ich keine richtige Bindung zu meinem Kind afbauen konnte, und einfach nur noch unglücklich war. Habe 1 einhalb Jahre gewartet bis ich akzeptiert habe das ich alleine da nicht mehr rauskomme.
Mach doch einfach mal einen Termin bei einem Arzt. Er kann es einschätzen ob du Hilfe brauchst oder nicht.
Es ist auch nicht einfach ohne Hebamme, würde es nochmal versuchen irgendwie zu einer zu kommen. Selbst wenn es erstmal nur telefonisch ist, falls du Fragen hast.
Sanna
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Re: Vorsichtiges herantasten

Beitrag von Sanna »

Hallo!

Herzlich willkommen bei uns! Da hast du ja einiges mitgemacht, das reicht ja schon um sich nicht wohlzufühlen.

Ob du unter einer PPD leidest, vermag ich nicht zu sagen. Du kannst ja auf die Schnelle mal den Test zur Einschätzung auf der Homepage machen. Und dann würde ich auch einen Arzt kontaktieren. Das kann auch der Hausarzt sein, der dich dann zur Weiterbehandlung schickt. Hab keine Angst oder falsche Scham. Je schneller du handelst, desto besser lässt sich ein schwerer Verlauf abwenden.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Graureiherin
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Re: Vorsichtiges herantasten

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

Ihr habt ja wirklich viel mitgemacht, Hut ab!

Weißt Du, ich würde an Deiner Stelle in jedem Fall von außen Unterstützung in Form von Gesprächen anstreben. Bei uns in der Nähe gibt es z. B. eine ssychologische Ambulanz für werdende Eltern bzw. gewordene :-) Eltern. Ich war bei Beratungsstelle für Familien und Menschen in Krisen. Diese Gespräche habe ich zur Überbrückung machen können, bis ich einen Therapieplatz bekommen habe. Das hilft ungemein. Such mal im, was es bei euch gibt.

Ob es eine PPD ist? Das wird sich zeigen, ist aber momentan meiner Meinung nach nicht so vordergründig. Du braucht Unterstützung und Halt und so wie es sich liest Dein Mann eigentlich auch. Er scheint sensible zu sein, was an sich ja gut ist... aber ihr habt eine schwierige Zeit, da würde viele Menschen verzweifeln.

mir tut auch das lesen hier gut, auch das gibt Mut

eine virtuelle Umarmung
von der Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
Astrid77

Re: Vorsichtiges herantasten

Beitrag von Astrid77 »

... habe den anderen nichts mehr hinzuzufügen, außer: wenn du mal gar nicht glaubst, aus dem Haus zu können, dann rufe bei der Telefonseelsorge oder einer Beratungsstelle an. Ich habe mich am Anfang so rumgequält, und als ich dann das erste mal bei einer Beratungsstelle anrief (habe die ganze Zeit nur geheult und herumgestammelt, aber die Frau hat mich verstanden), war es danach, als wäre ein Knoten aufgegangen. Es hat so gut getan mal jemand anderem, auch professionellem, meine Sorgen zu erzählen, und dann tatsächlich Hilfe zu bekommen (Kontaktmöglichkeiten, Notfalltelefonnummer etc.).
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