Mit Leni kam der Zwang zurück

Hier können sich unsere Mitglieder vorstellen

Moderator: Moderatoren

Antworten
lenismama

Mit Leni kam der Zwang zurück

Beitrag von lenismama »

Guten Morgen, ich möchte euch gerne meine Geschichte erzählen.

Ich bin 34 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern (beide haben unterschiedliche Väter). Vor ca. 4 Jahren habe ich mich wegen einer Zwangsstörung mit Depressionen in eine Therapie begeben und konnte dank der Verhaltenstherapie und Fluoxetin eine komplette Genesung verzeichnen.

Vor drei Jahren habe ich meinen Mann kennengelernt und nach einer Fehlgeburt im November 2014 , haben wir uns sehr über eine erneute Schwangerschaft im April 2015 gefreut.
Die Schwangerschaft war für mich nicht sehr schön. Ständig hatte ich Angst, dass der Frauenarzt bei der nächsten Untersuchung keine Herzaktivität mehr feststellt. Gegen Ende der Schwangerschaft musste ich enger überwacht werden, weil die Herztöne des Kindes immer sehr hoch waren.
Letzten Endes kam am 15.12.2015 unsere Leni durch einen vorzeitigen Blasensprung auf die Welt.
Die ersten 3Monate waren sehr anstrengend. Leni war ein Schreikind und das ist keine Übertreibung. Gegen Abend , meistens 18.00 Uhr ging es los und im schlechtesten Fall bis morgens um 4.00 Uhr. In dieser Zeit muß der Zwang wieder einen Schlupfwinkel gefunden haben. Zur Zeit habe ich einen Zwangsgedanken, der so penetrant ist, daß ich ihn nicht mehr alleine wegbekomme. Ich habe nie auch nur einmal schlecht über Leni gedacht, auch nicht in den schwersten Nächten. Ich habe sie stets in den Arm gehalten und ihr Wärme und Liebe gegeben. Und auf einmal,ist der Gedanke da. Ich habe Angst, ich könnte meinem Baby Wäschetrocknerwasser geben. Es klingt verrückt, aber ich bekomme richtig beklemmende Angst wenn ich den Kondentrockner ausleere. Ich habe richtig doll Angst, dass Wasser in die Warmhaltethermoskanne zu geben und damit das Fläschchen zuzubereiten :roll:

Ich leide zum Glück grad nur an einem Zwangsgedanken. Ich habe meinen Freunden und Familienangehörigen direkt gesagt so und so ist es, ich habe diese Angst. Seit letzter Woche habe ich einen Therapieplatz, denn ich denke es ist besser das Problem gleich anzugehen. Und ich leere trotzdem weiterhin den Trockner aus und lasse mich von dem nicht kleinkriegen :D

An manchen Tagen bin ich aber auch sehr traurig und wünschte ich hätte anstatt der Zwangserkrankung eine andere Erkrankung. Ich möchte das Großwerden meiner Tochter genießen, aber leider kommt mir dann manchmal der Gedanke "Hoffentlich habe ich sie bis Dahin nicht mit Wäschetrocknerwasser vergiftet".

Ich freue mich auf jeden Fall sehr euch und eure Geschichten kennenzulernen. Vielleicht habt ihr ja auch Tipps wie ich dem Zwang beikommen kann.

Vorerst liebe Grüße an euch
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9985
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Mit Leni kam der Zwang zurück

Beitrag von Marika »

Herzlich Willkommen bei uns!

Du machst im Moment eine nicht gerade schöne Phase durch - aber du hast einen RIESEN Vorteil: Du weißt bereits von früher was da in deinem Kopf rumspuckt und wie man dem beikommen kann. Super, dass du bereits einen Therapieplatz hast. Ich bin mir sehr sicher, dass es dir bald besser gehen wird - eben weil du bereits von früher weißt, dass von den ZG keine Gefahr ausgeht. Halte dir das immer fest vor Augen! Und sehr gut, dass du trotzdem das Kondenswasser aus dem Trockner rausnimmst. Das ist genau richtig: Sich der angstmachenden Situation stellen.

Ich muss sagen, dein Zwang ist schon sehr einfallsreich - dieser ZG ist schon ein recht "lustiger" .... :lol: ... für dich natürlich nicht, das ist mir klar. Aber ich musste doch gerade ein bissl schmunzeln. :wink: Ich hatte ja auch massivste ZG als mein Baby vor fast 11 Jahren endlich auf der Welt war - von daher weiß ich, dass es nichts gibt, was der Zwang sich nicht ausdenken kann. In dem Fall auch das "Kondenswasser".... :wink:
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
lenismama

Re: Mit Leni kam der Zwang zurück

Beitrag von lenismama »

Ich freue mich auch endlich auf Frauen zu stoßen, die ähnliche Probleme haben. Manchmal denke ich , daß es gemein ist, daß solche Erkrankungen grad nach der Geburt kommen. Freud und Leid liegen manchmal wirklich sehr dicht beieinander.
Mein Mann hat schon oft gesagt, daß ich mich doch einfach freuen soll. Er versteht mich gar nicht, denkt ich wäre nicht glücklich.

Ja ich habe einen sehr phantasievollen Zwang. Zuerst wollte er sich mit dem Gedanken anstatt Milchpulver Waschmittel zu nehmen einnisten. Aber das hat nicht geklappt weil wir eins mit rosa Kugeln haben :lol:
lotte

Re: Mit Leni kam der Zwang zurück

Beitrag von lotte »

Hey Du,

ich hatte zwar nie ZGs, dafür aber Ängste. Und wie bei Dir sind diese mit der Geburt meiner 2. Tochter noch einmal voll ausgebrochen, obwohl ich sie Jahre vorher nicht mehr gespürt und gut therapiert hatte.

Heute bin ich meiner 2. Tochter fast "dankbar", dass mit ihr quasi die Ängste noch mal zurückkamen, denn da war doch noch jede Menge unverarbeitet und/oder auch neu an Herausforderungen mit 2 Kids, denen ich mich stellen musste. Als erwachsene Frau und nicht als "kleines Mädchen", das ich aufgrund meiner Erziehung lange geblieben bin.

Insofern, ja Freud und Leid dicht beieinander, aber letztendlich auch eine Chance, was draus zu machen für sich selbst ;)
Wovon wiederum alle etwas haben.

Mein Partner konnte das auch nie so richtig verstehen, ist aber auch schwer, wenn man das selbst nie erlebt hat.
Das mit dem "freu Dich doch einfach" kommt dann so rüber, als würde man einem Blinden sagen: "jetzt schau doch mal genauer hin". Aber die Freude wird auch bei Dir wiederkommen, ganz sicher!

LGL
Graureiherin
power user
Beiträge: 530
Registriert: 07:01:2015 12:57

Re: Mit Leni kam der Zwang zurück

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du,

bei mir kam auch mit der Geburt meiner Tochter der Zwang wieder zum Vorschein. Allerdings hatte ich bis dahin keine gezielte Therapie bei Zwängen gemacht.

Von dem her, hast Du tatsächlich gute (erneute) Startbedingungen. Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass Du dem Zwang bald wieder seine Schranken zugeordnet hast und er sich dann wieder dort befindet wo er hingehört. In sein stilles, kleines Kämmerle im "Oberstüble" aus dem er zwar kurz rausspickeln darf, aber mehr eben nicht.

Ich wünsche mir auch oft mit einer anderen Erkrankung ausgestattet zu sein. Doch dann wieder rum bin ich froh, dass ich keine ernsthaft, lebensbedrohliche, körperliche Erkrankung habe. Aber das geht Dir sicherlich genauso.

Außerdem meine ich Humor bei Dir zu bemerken. Ich mache auch viel mit Humor, das tut mir gut , nimmt die Tragik und meinem Zwang die Ernsthaftigkeit. Hartnäckig und schwer ist der Umgang mit dem Zwang natürlich trotzdem.

Wäre schön, wenn Du Deine Erfahrungen und Deinen weiteren Verlauf hier im Forum mit einfließen lassen könntest. Das hilft hier vielen.

mit lieben Grüßen
die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
lenismama

Re: Mit Leni kam der Zwang zurück

Beitrag von lenismama »

Guten Morgen,

die letzten Tage verliefen ziemlich ruhig. Die Sonne in den letzten Tagen und die Gespräche mit meinen Freundinnen und meiner Therapeutin helfen sehr. Ich habe auch ziemlich viel hier im Forum gestöbert und finde immer wieder tolle Sätze und Aussagen, die ich mir in eine art "Zwangstagebuch" schreiben werde. So habe ich sie griffbereit. Es sind so Sätze wie " Von dir geht keine Gefahr aus, " Beispielsweise.

Ich versuche meinen Zwang mit Humor zu begegnen. Ich bin auch ganz offen damit, denn irgendwie ist verstellen nicht mein Ding. Meine Freundinnen finden das auch nicht komisch. Sie vertrauen mir und haben keine Angst. Es tut auch gut, daß man weiß, daß man nicht alleine ist. Ich habe durch mein erzählen auch irgendwie meine Last weitergegeben. Mein Umfeld weiß Bescheid und für mich fühlt sich das gut an. Sollte ich dennoch meiner Tochter Wäschetrocknerwasser geben, dann liegt es an meinem Umfeld mich in die Psychatrie zu bringen. Denn dann bin ich eine Gefahr für meine Mitmenschen und gehöre in eine Anstalt. Komisch so zu denken, aber mir hilft es.

Liebe Grüße

Jessica
Antworten