Nicht erkannte Depression, dann Psychose

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Jane

Nicht erkannte Depression, dann Psychose

Beitrag von Jane »

Hallo ihr lieben Leidensgenossinnen,

wie fange ich an...
Ich bin seit 1 Jahr in Behandlung und unter Medikation. Soweit bin ich stabil, mir geht es wieder richtig gut.

Angefangen hat alles mit der Geburt unseres Wunschkindes. Die SS war ein Traum, mit nur kleinen Wehwechen. Dann kam unser Baby und die Welt stand Kopf.
Am Anfang hab ich viel geweint, hatte ständig Angst mein Baby könnte aufhören zu atmen oder eine schlimme Krankheit haben. Außerdem hab ich kaum noch geschlafen. Ich fand einfach nicht in die Mutterrolle rein. Das erzählte ich meiner Hebamme und ich bekam homöopatische Mittel für die Nerven und zum Schlafen. Mehr vorerst nicht. Auch dachte ich, das wäre alles völlig normal. Von einem auf den nächsten Moment war ich wieder überglücklich, euphorisch, total aufgedreht und dann wieder todtraurig und überfordert.
Nach ca. 6 Wochen schlief ich immerhin wieder ein paar Stunden pro Nacht und andere Dinge waren wichtiger (großer Umzug). So fühlte ich mich ausgelaugt, traurig, unsicher, überfordert und hatte Ängste. Die Hebamme kam nur in der 1. Woche und dann nicht mehr wirklich. Rückblickend bin ich mir sicher, dass das eine postportale Depression PPD war.

Als mein Baby 4 Monate alt war, fing ich an davon überzeugt zu sein, das ihm etwas fehlt (eingeklemmter Nerv oder Bruch im Rücken). Wir gingen von Arzt zu Arzt, doch man fand nichts. Dann sogar im KH zu Untersuchungen, wieder nichts. Dann schlief ich tagelang nicht.

Und dann fing es an: Plötzlich sah ich komische Dinge, nahm Geräusche anders wahr, hatte Verschwörungstherorien, dachte ich tausche Persönlichkeiten, hatte die absolute Reizüberfutung, ich dachte alle starren mich an, sah in meinem Baby komische Dinge, hatte furchtbare Ängste und vieles mehr. Und das Schlimmste: Ich war so fest überzeugt davon. Ich war durch und durch gefangen in den Wahngedanken. War wie auf Drogen, jedenfalls stelle ich mir das so vor. Allerdings hatte ich auch Angst vor Ärzten und wollte deshalb zu keinem gehen.
Das Ende war eine Zwangseinweisung wegen Kindeswohlgefährdung mit Krankenwagen und Polizei in die Psychatrie. Endstation Irrenhaus: Meine gerechte Strafe - so dachte ich jedenfalls. Ich weigerte mich aus Angst 2-3 Tage lang Medis zu nehmen und so wurde mein Trip immer krasser. Das war ohne Übertreibung wie in einem schlechten Horrorfilm. Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte, versuchte das “Rätsel“ zu lösen. Völlige Manie wechselte mit absoluter Schwäche und Niedergeschlagenheit. Ich hatte panische Angst. Trotz Schlafmittel schlief ich nur wenige Stunden und schreckte dann schweißgebadet auf und das Gedankenkarussell begann von vorne. Dann irgendwann die Diagnose: postportale schizophrene Psychose PPP. Behandlung mit Tavor und hochdosiertem Olanzapin, als ich endlich völlig entkräftigt, verzweifelt, verwirrt und von meiner Family überredet aufgab und schluckte, was man mir gab.
Ich war augenblicklich wie sediert, schlief nur noch, erkannte kaum meine Besucher oder vergaß wer da war und wer was gesagt hatte. Konnte mich nicht mehr konzentrieren. Filmriss...

Mit den Medikamenten kam nicht nur der Schlaf zurück, sondern auch allmählich wieder klare Gedanken. Es folgten 9,5 Wochen Pschatrie. Nie wieder!!! Das war die schlimmste Zeit in meinem Leben: Ängste, Langeweile, steife Körperhaltung, Konzentrationsschwäche (selbst Lesen war ein Kampf), Ruhiggestellt sein, Trennung von Baby und restlicher Familie, Ekel vor sanitären Gemeinschaftsanlagen, 10 kg Gewichtszunahme, apruptes Abstillen, usw. Anschließend folgte ein 5-wöchiger Rehaaufenthalt mit Mann und Kind in dem ich immer noch sehr viel schlief.
Ich hatte einige Nebenwirkungen vom Olanzpin und nach einiger Reduktion wechselten sie das Medi nach ca. 6 Monaten auf Aripiprazol. Nehme nun davon aktuell 10 mg und 10 mg Escitalopram (es kamen nochmal depressive Verstimmungen hinzu). Mir geht es aber soweit wieder seeehr gut, bis auf das zusätzliche Gewicht, Unruhe und unruhige Nächte mit total “realen“ und schrägen Träumen.

Ich habe noch einen weiten Weg vor mir, aber ich bin glücklich (fast) wieder ich selbst sein zu dürfen.

Aktuell habe ich einen sehr großen Kinderwunsch nach einem 2. Kind, aber genauso große Angst vor einer erneuten Erkrankung.

Wem ging und geht es ähnlich?



1. Kind 03/15, PPD sofort, PPP 07/15

Medis
Aripiprazol 10 mg
Escitalopram 10 mg
Eule86

Re: Nicht erkannte Depression, dann Psychose

Beitrag von Eule86 »

Hey..

Wahnsinn! Du hast ja echt was mit machen müssen! Ganz fette Umarmung!
Und ganz ganz wunderbar, dass du heute sagen kannst, dass es dir viel besser geht!
Ich hab keine Psychose entwickelt, war aber nah dran und das lag auch am Schlafentzug! Ich wusste bis dato nicht, wie krass entscheidend Schlaf ist und dachte, dass ich schon irgendwann Schlafen werde. Nach fast einer Woche so gut wie ohne Schlaf fing das auch bei mir an .. alles was du so geschrieben hast. Ich wollte keine Schlafmittel nehmen, dachte, ich muss doch irgendwann Schlafen können, das kann doch nicht sein, dass man immer wach ist. Aber man kommt da echt irgendwann in eine sehr üble Spirale und tatsächlich hab ich dann irgendwann ein Mittel genommen und habe 12 Stunden auf mal gepennt und das war echt nen krasses Erlebnis, als ich dann wieder wach wurde. Als hätte jemand mal "Reset" gedrückt.
Heute merke ich das auch noch wie anders ich bin, wenn ich sehr übermüdet war und dann mal wieder lange Schlafen konnte.
Ich werde auch nie wieder so lange Warten etwas zu nehmen.. das war ein Lehre. Dir wahrscheinlich auch?!

Liebe Grüße!
Eine Leidesgenossin!
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Marika
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Re: Nicht erkannte Depression, dann Psychose

Beitrag von Marika »

Ein liebes Hallo!

Meine Güte - das hört sich wirklich schrecklich an und war es bestimmt auch. Schade, dass du lange mit den Medis zugewartet hast, vielleicht hätte man mit früherem Eingreifen Schlimmeres verhindern können. Das ist jetzt aber kein Vorwurf, nicht falsch verstehen. Es ist nur ein Aufzeigen auch für andere Frauen hier, wie wichtig es ist, sich schnell behandeln zu lassen.

Ich hatte zwar "nur" eine schwere PPD mit Hauptsymptom Zwangsgedanken, aber das reichte mir damals als Horror völlig aus. Nicht aus zu denken, was du mitmachen musstest. Manches habe ich auch erlebt mit den Medikamenten damals - ich hatte 3 - darunter auch Tavor: sofort sediert sein, ganz viel schlafen, ruhig gestellt - einfach Filmriss. Aber ich empfand es damals als Erlösung und mit der Zeit vergingen diese NW immer mehr und ich wurde wieder "ich".

Schön, dass es dir wieder so gut geht! Und deinen Kinderwunsch können hier ganz viele teilen, einige sind auch nach der Erkrankung (mit und ohne Medi) nochmal Mama geworden. Ich denke du bekommst sicher noch mehr Antworten in diese Richtung.

Bis bald! :-)
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Jane

Re: Nicht erkannte Depression, dann Psychose

Beitrag von Jane »

Hallo ihr Lieben,

danke für Eure Nachrichten und den Zuspruch.

Ich hab noch relativ schnell Medis genommen, die Akutphase der Psychose ging nur ca. 2 Wochen. Meine Familie hat ziemlich schnell gemerkt, dass etwas nicht stimmt (war auch offensichtlich ;-)) und hat zum Glück gehandelt. So ein tolles Unterstützungsnetzwerk wünsche ich jeder von euch.

In der ersten Phase nach der SS hätte man schon handeln müssen, dachte aber nicht an eine PPD, sondern daran, dass das völlig normal sei. Auch eine Hebamme fehlte, die hätte reagieren können. Sollte es mir je nochmal passieren, bin ich gewappnet. :-)

Alles Liebe!!!
Wednesday

Re: Nicht erkannte Depression, dann Psychose

Beitrag von Wednesday »

Willkommen im Forum,

hast PN.

Ich kann mir vorstellen wie das eingeschlagen sein muss so aus dem Nichts heraus, aber 2 Wochen sind wirklich nicht lang. Da hst du noch sehr gute Aussichten, das wieder besser wird.
Schlafmangel ist bei mir auch ein typisches Frühwarnzeichen. Der Klassiker eben :mrgreen:

Ein zweites Kind wäre ein schöner Altersabstand. Hätte auch gerne zwei, muss aber erst mal sehen ob mit einem alles klappt.
Sehe das bei mir aber vielleicht etwas zu kritisch manchmal. Trotzdem muss man sich natürlich schon selbst sehr sehr furchtlos und objektiv betrachten können und dann erst entscheiden.
Kommst Du zurecht wie jetzt alles ist?
Einer Psychose kann mit Medikamenten auch während der Schwangerschaft schon vorbeugen.
Ich werde sie wahrscheinlich durchnehmen und ab dem Tag der Geburt erhöhen.
Seroquel soll dem Kind da ja sehr wenig bis gar nicht schaden.

Gruss Dir
anjah6302

Re: Nicht erkannte Depression, dann Psychose

Beitrag von anjah6302 »

Hallo ich hatte auch eine Psychose nach der Geburt meiner Tochter im Mai 2015...Ja mit olanzapin und tavor wurde ich auch behandelt -War wie ein Zombie...Aktuell schleiche ich Amilsulprid aus...Bei dem erneuten Kinderwunsch bin ich hin und hergerissen einerseits ist der Wunsch da andererseits hab ich große Angst va möchte ich nie mehr so vollgepumpt mit Medis sein
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