Hallo an alle

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Marion

Hallo an alle

Beitrag von Marion »

Hallo,

ich bin Marion, 29 Jahre, meine Tochter ist 14 Wochen alt und mein Sohn zwei Jahre alt. Seit der letzten Geburt geht es mir sehr schlecht. Da ich selber Hebamme bin, bin ich mir eigentlich seit meine Tochter zwei Wochen alt war sicher, dass ich eine postpartale Depression habe. Ich habe dies aber die ganze Zeit verdrängt und mir eingeredet, dass ich nicht richtig liege und dass mein Zustand sich schon bessern wird, wenn ich mich zusammen reiße.
Ich bin oft niedergeschlagen, aggressiv gegen meinen Mann und auch gegen mich selbst (schlage mich), habe Angst, dass meine Kinder entführt und getötet werden und bin einfach grenzenlos traurig. Ich weine fast täglich. Manchmal geht es mir ein paar Tage lang recht gut und ich empfinde gelegentlich so etwas wie Glück, wenn auch nicht wie früher. Dann sage ich mir wieder, dass doch alles in Ordnung mit mir ist und ich mit meiner Vermutung falsch lag. Aber dann kommt meistens wieder der komplette Umschwung. Dann fällt mir alles schwer, ich bin voller Wut gegen mich und wäre am Liebsten gar nicht mehr da.
Meinem Umfeld spiele ich einen komplett anderen Zustand vor. Ich würde mich als perfektionistisch bezeichnen und das präsentiere ich auch nach außen hin. Für mich war es schon immer das Schlimmste auf der Welt, nicht gut genug oder eben perfekt zu sein. Ich sage immer, dass es mir gut geht wenn ich gefragt werde. Deshalb habe ich mich auch noch niemandem anvertraut. Doch ich merke, dass ich mittlerweile an einem Punkt bin, wo ich Hilfe brauche. Es geht mir immer schlechter, auch, wenn ich mir täglich einrede, dass es von alleine weg gehen wird. Meine Ehe leidet extrem und mein Mann steht hilflos da. Er merkt natürlich, dass bei mir so einiges nicht stimmt, aber ich denke, dass er überfordert ist. Es fiel vor einiger Zeit von ihm selbst das Wort Wochenbettdepression aber ich habe das abgestritten und ihn für verrückt erklärt und dann hat er auch aufgegeben.
Da ich meine Tochter sehr liebe, habe ich mir bis jetzt immer eingeredet, dass ich auf gar keinen Fall eine Wochenbettdepression haben kann, denn dafür müsste ich die Kleine ablehnen. Doch nun erkenne ich, dass all die anderen Symptome doch auf eine postpartale Depression zutreffen. Ich meistere meinen Alltag, aber nur weil ich muss. Am Liebsten würde ich gar nichts mehr tun. Es ist wie ein Zwang, dass alles erledigt werden muss und ich raste deswegen regelmäßig aus. Ständig stehe ich unter Strom. Klappt etwas nicht wie ich es möchte, dann brodelt es in mir und manchmal breche ich in Tränen aus oder zerstöre sogar Gegenstände vor lauter Wut. Einkäufe fallen mir schwer, ich habe Angst, mit meinem Sohn und der Kleinen auf den Spielplatz zu gehen und denke immer, dass etwas Schlimmes passieren wird. Am Liebsten bin ich zu Hause. Die Welt da draußen macht mir Angst und erdrückt mich.
Meine Kinder sind mein einziger Halt und ich liebe sie so sehr! Dennoch wünsche ich ihnen manchmal eine andere Mutter oder denke, dass sie in einer Pflegefamilie besser untergebracht wären. Ich kann leider gar keine Nähe mehr zu meinem Mann zulassen und küsse ihn auch fast gar nicht mehr. Das tut mir natürlich leid für ihn aber ich kann nicht anders. Ich empfinde auch keine Liebe mehr zu ihm, aber kann mir auch ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Es ist einfach schrecklich.
Mein Mann sagt, dass ich nicht mehr die bin, die ich mal war. Und ich kann langsam so auch nicht mehr weiter machen. Mir fehlt jede Lebensfreude. In diesem Forum schreibe ich das erste Mal über meine Gefühle. Ich sehne mich eigentlich nach einer Therapie, aber ich habe keinen Mut, mich bei einem Therapeuten zu melden. Ich schäme mich immer noch so sehr und wenn ich mir vorstelle, dass jemand heraus finden könnte, was mit mir los ist, dann schnürt sich mir alles zu. Ich weiß einfach nicht, wie ich vorgehen soll, aber es muss etwas passieren. Vielleicht schaffe ich es hier, etwas mehr Mut zu bekommen.
Danke fürs Lesen!

Liebe Grüße

Marion
katl0607
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Beiträge: 222
Registriert: 11:10:2015 14:39

Re: Hallo an alle

Beitrag von katl0607 »

finde es toll von dir, dass du hier im Forum deine Geschichte mit samt deinen Gefühlen niederschreibSt. Für mich war es damals auch sehr schwer hier rein zu schreiben... Doch im Nachhinein kann ich gar nicht sagen, wie oft mir "nur" das leSen hier im Forum über meine schlechten Gedanken und Ängste geholfen hat. Der Mut zum leben war weg. Ich konnte nicht verstehen wieso.
Ich würde dir raten, dich bei einem neurologen/Psychologen anzumelden. Den Termin wirst du wahrscheinlich erst in ein paar Tagen bekommen. Bis dahin kannst du dich ja schon auf das Gespräch vorbereiten.
Bei meinem ersten PsychologenKontakt sagte ich nur ein paar Stichworte und er sah mich an, wie ich heulend und gebückt vor ihm saß. Er stellte sehr schnell die Diagnose.
Ich bekam Tabletten und notfalltropfen und eine Überweisung zur Gesprächstherapie.
Langsam aber sicher wurde es besser.
In meiner akutphase zweifelte ich auch viel. Habe ich den richtigen Mann geheiratet? Fühle ich mich in meiner ehe eingesperrt? Wäre es besser, mich scheiden zu lassen? Liebe ich meinen Mann? War es richtig genau von ihm ein Kind zu bekommen?
Soviele grundlegende Dinge zweifelte ich massivst an.
Das du allen etwas vorspielt, kenn ich auch von mir.
Wobei ich das nicht immer verkehrt finde. Man muss ja nicht jedem erzählen, dass es einem Besch.... Geht.
Für mich war meine größte bezuhsperson in meiner GenesungsPhase mein mann. Als es mir langsam besser ging, sprach ich sehr viel über meine Gefühle und Ängste und Gedanken und Pläne mit ihm.
Dabei stellte ich immer wieder fest, wie sehr er mit mir mitlitt und auch belastet war.
Heute bin ich ihm mehr als dankbar.
Was ich wieder lerne musste, ist meine Bedürfnisse zu leben. Das heißt für mich z.b. unsre Tochter auch mal abzugeben an die grosseltern zum Beispiel.
Was für mich auch schon immer wieder positiv ist, ist das ich mir immer wieder bewusst mache, was ich on meiner Therapie oder meines klinik Aufenthaltes über mich gelernt habe.
Trau dich, dir helfen zu lassen- geh zum Arzt. Es kann auch durchaus dein Hausarzt eine weitere Behandlung ib die Wege leiten.
Sprich über deine Gefühle mit einer Vertrauensperson.
Und wenn du dich selber über deine Worte wunderst- du bist im Moment krank. Du bist im Moment nicht ganz du selbst. Das macht deine Krankheit aus.
Du kannst nix dafür.
Soviele Dinge spielen eine Rolle. .. Die Hormone, der selbstanspruch, die neue familiensituation, evtl. Erinnerungen an die eigene Kindheit, festgesetzte Ängste. ..
Vergiss nicht : alles wird wieder gut!
Es dauert halt seine zeit. Hab Geduld und lass dir helfen!
Jede 4. Frau erkrankt an einer psychischen Erkrankungen nach der Geburt eines Kindes.
Leider sprechen nur die wenigsten darüber. Das finde ich sehr schade.

Ich drück dir die Daumen
LG katl0607
1. Kind geboren 7/14
Ab der Geburt schleichend Ängste und Panikattacken.
sertralin 100 mg
Promethazin Trpf bei Bedarf
Marion

Re: Hallo an alle

Beitrag von Marion »

Vielen Dank für deine lange und ausführliche Antwort. Es tut gut, dass es jemanden gibt, dem es so ähnlich geht wie mir. Du hast ja auch schon recht lange zu kämpfen, wow. Fühlst du dich denn mittlerweile gesund? Wie ist das Leben mit deinem Kind? Ich weiß, dass ich mich irgend jemandem öffnen muss. Durch meinen Beruf kenne ich eine Psychologin, die sich speziell mit Frauen mit postpartalen Depressionen auskennt. Da möchte ich mal anrufen. Aber hui hui, das wird schwer.
Ich habe auch Angst vor der Aufarbeitung vieler Dinge. Mir ist schon bewusst, dass so einiges in meinem Leben schief gelaufen ist: Ich kenne meinen Vater nicht, habe ein zwiespaltiges Verhältnis zu meiner Mutter, war alles andere als ein gewünschtes Kind, wurde in der Schule massiv gemobbt, hatte in der Jugend mit Essproblemen zu tun und meine Schwiegermutter macht uns seit über vier Jahren das Leben zur Hölle. Auch sie lehnt mich extrem ab, somit habe ich ständig Ablehnung in meinem Leben erfahren und das muss ich wohl verarbeiten. Das wird richtig viel Arbeit.
Nochmal danke!

LG
katl0607
power user
Beiträge: 222
Registriert: 11:10:2015 14:39

Re: Hallo an alle

Beitrag von katl0607 »

Hallo!

Wie geht's dir denn? Warst du schon beim doc?
Ob ich mich gesund fühle?
Ich fühle mich immer mehr gesund. Über den Berg bin ich aber noch nicht.
Mein leben mit unsrer Tochter ist mittlerweile ein Geschenk für mich. Ich kann sie genießen. ICh lasse mich gerne von ihrer Lebensfreude und ihrer Neugierde auf das Leben anstecken.
Ich bin immer noch am üben, in meinem Haushalt über so manches hinweg zu sehen. Früher habe ich mich gegeiselt. .. Ich konnte nichts liegen lassen, oder auf morgen verschieben. Alles musste ich gleich erledigen.
Ich habe gleich nach meinem klinikAufenthalt angefangen, mit unsrer kleinen in die Mutter -kind- Gruppe zu gehen. Auch mit anderen Müttern treffe ich mich regelmäßig.
Was mir auch sehr gut tut, mich anzunehmen.
Auch wenn ich im Moment so dick, wie noch nie in meinem Leben bin, gehe ich gut mit mir um.
Früher hätte ich mich geschämt vor jedem.... Wenn ich mich früher zu dick gefühlt habe, ging ich ungern ausser haus. Und ich versuchte immer wieder, abzunehmen ... Nur dann fühlte ich mich liebenswert.
Mit meiner Kindheit Söhne ich mich auch aus... Erst nach 7 Jahren seid meiner ersten depression fühle ich, dass ich meinen Eltern vergebe. Sie erzogen mich nach bestem Wissen und Gewissen. Sie taten alles, was ihnen zu der Zeit möglich war.

Lg
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Marika
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Re: Hallo an alle

Beitrag von Marika »

Hallo Marion,

ich lese gerade erst jetzt deine Geschichte und würde mich freuen, wenn du dich wieder meldest.

Es ist unglaublich schwer, dieser Krankheit ins Gesicht zu sehen und zu sagen "ja, ich muss was tun". Das ging hier glaube ich allen so, wir kennen sie alle: die Scham, die Angst, den Perfektionismus und das Gefühl nicht zu genügen bzw. zu versagen. Den ersten Schritt - hier zu schreiben - hast du schon geschafft, jetzt versuch den zweiten. Du hast den riesen Vorteil, Fachperson zu kennen - das erspart dir den oft langatmigen Hürdenlauf von einem Arzt zum anderen und ewigen Wartezeiten. Nimm diese Möglichkeit war - es kann dir sehr gut geholfen werden und du kannst wieder ein glückliches Leben führen.

Alles was du schreibst an Symptomen kenne ich auch, bei mir dann aber der Zwang im Vordergrund. Übrigens ist es nicht so, dass man bei einer PPD sein immer Kind ablehnt, man kann es durchaus lieben und hat trotzdem schwere PPD Symptome.

Vielleicht magst du dich wirklich wieder melden - wir sind für dich da!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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