Hallo auch von mir! ...und was mir geholfen hat

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Hope

Hallo auch von mir! ...und was mir geholfen hat

Beitrag von Hope »

Hallo zusammen,

ich möchte mich, meine Geschichte und vor allem, was mir geholfen hat, hier schildern. Schön hier zu sein (wo ich in 2014 viel Hilfreiches gelesen habe), ich hoffe auf einen guten Austausch und Kennenlernen, auch im Februar in Marburg :D
Ich hoffe, dem ein oder anderen Mut machen zu können und Anregung zu geben, wie Hilfe möglich ist.

Geburt
Entbunden hab ich unser Wunschkind nach einer unkomplizierten Schwangerschaft in Juni 2014. Er war von Tag 1 ein "Schreikind" und wir mit ihm sehr bald am Ende. Erschöpft, verzweifelt, müde, aggressiv, das beschreibt meinen damaligen Zustand gut. Schleichend rutschte ich in eine schwere Depression mit Angstzuständen und Suizid- und Zwangsgedanken. Erst als er fast ein Jahr alt war (und endlich nicht mehr schrie), nahm ich Hilfe in Anspruch und ich bereue es zutiefst, dass ich so lange gewartet habe und nicht eher den Mut hatte. Ein Appell an alle Betroffenen: Wartet nicht!!!

Was mir geholfen hat
- Erste Hilfe. Der erste Knoten war gelöst, als mein Frauenarzt auf meine Beschreibungen sehr verständnisvoll reagierte und mir sagte, was los ist und was ich als nächstes tun sollte. Da wusste ich, dass ich wirklich ein Problem hatte und dass ich das niemals alleine schaffe.

- Gesprächstherapie. Tiefenpsychologisch war gar nichts für mich. Die Verhaltenstherapie hat bei mir sehr gut angeschlagen und ich habe das große Glück, da an eine kompetente, menschliche und wirklich wunderbare Frau geraten zu sein. Ich kann nur unterstreichen, wie entscheidend wichtig es ist, bei dem/der Therapeutin ein gutes Gefühl zu haben! Durch die Therapie konnte ich auch meine Kindheit aufarbeiten und habe verstanden, dass ich mein Leben lang mit den Folgen mehrerer unverarbeiteter Traumata kämpfte und darunter litt, ohne es zu wissen. Heute weiß ich, dass auch das dazu beigetragen hat, dass unser Sohn so unruhig war (und bis heute ist) und ich an PPD erkrankte.

- Abstillen und Escitalopram. Nach ca. 6 Wochen Achterbahnfahrt setze die volle Wirkung endlich ein. Ich hatte vorher große Angst, da ich empfindlich auf Medikamente reagiere. Aber ich habe sie wirklich gut vertragen. Entscheidend war der knallharte Satz meiner Therapeutin, dass mein Sohn nicht immer so klein sein wird und ich damit einen großen Schritt dafür tun kann, unsere gestörte Bindung zu heilen. Abzustillen war schwer für mich ("Ich bin schon eine schlechte Mutter und dann auch noch so egoistisch abzustillen" - im Nachhinein ein wirklich kranker Gedanke) und tut mir bis heute manchmal weh. Aber ich bin überzeugt, dass es für mich das absolut richtige war.

- Marte Meo. Über die Frühen Hilfen habe ich eine Marte Meo "Therapie" vermittelt und finanziert bekommen. Dabei geht es um die Stärkung der Mutter-Kind-Bindung. Mir hat es geholfen und ich schöpfe bis heute daraus.

--Hochsensibelität. Durch unseren besonders sensiblen Sohn bin ich auf das Thema gestoßen und habe, je mehr ich darüber gelesen habe, mich selbst immer besser verstanden. Das war für mich und mein Leben ein sehr großer Schritt zu mir selbst. Endlich habe ich verstanden, was mich jahrelang belastet hat und ich lerne bis heute noch, immer besser damit umzugehen. Empfehlenswerter Link: zartbesaitet.net

- Ernährungsumstellung. Durch verschiedenes Probieren und Weglassen konnte ich einige Nahrungsmittel feststellen, die sich stark auf meine Psyche auswirken. Ich experimentiere auf diesem Gebiet heute noch und bin erstaunt, wie stark sich Ernährung auf das Wohlbefinden auswirken kann. Das kann ich jedem ans Herz legen, gerade weil man lernt, sich besser wahrzunehmen und wirklich Tag für Tag aktiv was Gutes für sich zu tun.

- Auf mich achten. Das ist etwas, was jedes Buch, jeder Arzt, jeder Therapeut und jede Betroffene sagt und doch, lange konnte ich es nicht zulassen, dass ich es "verdient" hätte, gut zu mir zu sein. Ich musste fast 30 werden und in eine existenzielle Krise geraten, um endlich meine Bedürfnisse ernst nehmen zu können. Bewegung, Tageslicht, Entspannung. "Was tut mir gut und welche schädlichen Einflüsse/Beziehungen/Gegebenheiten kann ich ändern/beenden?" diese Fragen stelle ich mir täglich.


Heute - 1,5 Jahre später- bin ich stabil und nicht mehr auf die Medikamente angewiesen. Die Gesprächstherapie besuche ich ca. alle drei Wochen und ziehe sehr viel daraus. Entscheidend dafür, dass es mir heute besser als je zuvor in meinem Leben geht, ist dass ich sehr auf mich aufpasse. Das klappt mal mehr, mal weniger gut und das ist okay so. Leben eben.

Ich kann wirklich sagen, dass ich mein Leben liebe! Und das obwohl ich in meinem Leben schon so einige Krisen durchstehen musste und diese Schwere in den Erinnerungen geht niemals weg. Aber ich habe gelernt, diese Dinge von den schönen und guten Seiten des Lebens zu trennen, sodass nicht jede Sorge und jeder Schicksalsschlag das komplette Denken über das Leben und dessen Sinn vergiftet. Ich kann sagen "das war ein sch** Tag/Situation/...aber deswegen ist nicht alles verloren!". Diese wahnsinnig schwere Zeit der Depression ist ein Teil von mir, und wird es ein Leben lang bleiben. Das muss man annehmen lernen. Aber es gibt immer ein Morgen, einen neuen Tag und eine neue Chance. Und ich die Einzige, die es in der Hand hat, wie ich die Dinge die kommen, beurteile und auf mich wirken lasse.

Ich will jedem, der in einer tiefen Depression oder anderen Krise steckt nur Mut machen! Es gibt IMMER einen Ausweg! Bleibt dran, gebt nicht auf, auch wenn es ein langer Weg ist! Man braucht einen langen Atem, viel Kraft und Mut, weiterzugehen, auch wenn man kein Ende und keine Veränderung sehen kann. Aber es lohnt sich! Ich bin mir sicher, dass alle, die das ebenfalls überstanden haben, das genauso sehen und gestärkt und verändert daraus hervor gehen!

Wenn jemand Fragen zu den Dingen die ich oben beschreiben habe hat, beantworte ich sie gerne. Und wenn jemand aus der Nähe ist und reden möchte, ich bin offen für ein persönliches Treffen!

Liebe Grüße und auf ein gutes neues Jahr 2017!
Hope
Graureiherin
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Registriert: 07:01:2015 12:57

Re: Hallo auch von mir! ...und was mir geholfen hat

Beitrag von Graureiherin »

Hallo hope,

ich wollte Dir nochmals für Deinen ausführlichen Beitrag danken. Ich finde solche Beiträge unendlich wertvoll. Sie machen Mut und geben Zuversicht und Kraft. Ich finde es unglaublich stark was Du alles für Dich geschafft hast. Kompliment!!!

Ich freue mich sehr für Dich und ziehe aus Deinem Beitrag auch wichtige Erkenntnisse für mich und meinen Weg!

weiterhin alles Gute Dir und lass wieder von Dir "lesen"
die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
Hope

Re: Hallo auch von mir! ...und was mir geholfen hat

Beitrag von Hope »

Hallo Graureiherin,

so liebe Worte, danke dir!!

Ich habe hier damals so viel ermutigendes gelesen, ich hoffe, dass auch meine Erfahrung irgendwen irgendwo irgendwann ermutigen kann :-)

Liebe Grüße
Hope
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Marika
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Re: Hallo auch von mir! ...und was mir geholfen hat

Beitrag von Marika »

Hallo Hope,

auch von mir vielen Dank, dass du uns von deinem Weg zur Gesundung teilhaben lässt. Das ist sooooooooooooooo wichtig für uns alle hier. Es gibt Mut und Hoffnung weiter zu machen, auch wenn man noch sehr tief in der Erkrankung drinnen steckt oder ein Tief aushalten muss.

Was mir auch sehr gefällt: Dein Weg zeigt wieder einmal, dass es VIELE Wege ans Ziel gibt, also verschiedenste Möglichkeiten, die jede Frau ganz persönlich für sich finden muss um gesund zu werden. Und es zeigt auch, dass Forschung nicht schläft, wie z.B. bei der Erkenntnis dass Ernährung ein weiterer wichtiger Baustein beim Thema "psych. Erkrankungen" sein kann. So langsam setzt sich dieser Ansatzpunkt auch in der breiten Bevölkerung immer mehr durch.

Vielen Dank für dein Engagement und viel Freude in Marburg. Irgendwann möchte ich auch mal wieder bei einem Treffen dabei sein. :D
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Hope

Re: Hallo auch von mir! ...und was mir geholfen hat

Beitrag von Hope »

Hallo Marika,

danke Dir! :-)
Als ich mich mit dem Thema Ernährung und was Essen mit uns macht auseinander gesetzt habe, wurde ich im Freundeskreis belächelt. Inzwischen werde ich um Rat gefragt 8) Schön dass es mehr und mehr durchdringt!

Liebe Grüße
Hope
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