Bin neu hier

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Jara62

Bin neu hier

Beitrag von Jara62 »

Hallo zusammen,
Ich freue mich hier zu sein und möchte mich auch kurz vorstellen.
Ich bin 36, verheiratet und Mutter eines 6 Monate alten Sohnes. Ich habe seit meinem 20. Lebensjahr mehrere depressive Episoden, die auch mit Medikamenten ( Sertralin und Mirtazapin) behandelt wurden. eigentlich dachte ich diese Phasen überwunden zu haben.
Schlaflosigkeit hatte ich jedoch immer noch phasenweise und habe bis zum Beginn meiner Schwangerschaft Mirtazapin (7,5mg) genommen und dann ausgeschlichen.
Es fing bereits kurz nach der Geburt an, dass ich einfach nicht mehr schlafen konnte und immer mehr Wut auf meinen Sohn entwickelt habe und mir so sehr mein altes Leben davor zurück gewünscht habe. Ich habe keinen Hauch von Glücksgefühlen gespürt , wie ich dachte dass es in meiner Situation sein sollte und konnte mein Kind gar nicht annehmen. Den ganzen Tag fühlte ich mich schlecht und dachte dass ich keine gute Mutter bin und mit meinen Emotionen meinem Kind schade, wodurch ich mich noch schlechter gefühlt habe.
Mittlerweile bin ich seit 2 Monaten in psychiatrischer Behandlung und nehme Amitryptilin (25mg) und Mirtazapin (15mg) am Abend. Seit einem Monat stille ich nicht mehr und mein Mann übernimmt die Nächte, trotz der Tatsache dass er arbeitet, wofür ich ihm sehr dankbar bin, seit dem kann ich auch besser zur Ruhe kommen.
Auch die negative Stimmung ist eindeutig besser geworden, jedoch halten sich einige Gedanken immer noch.

Ich beschäftige mich viel mit feministischerTheorie und beschäftige mich kritisch mit dem Begriff der Depression, da ich finde dass dadurch meine Erfahrung pathologisiert wird und zu meinem individuellen Leid gemacht wird. Ich glaube dass es jedoch viel mehr Mütter gibt denen es ähnlich geht, dass aber das gesellschaftliche Bild der liebenden und fürsorgenden Mutter dermaßen mächtig ist, dass es tabu ist über diese negativen Gefühle zu sprechen. Ich bin in den Mama-Kontexten, in denen ich unterwegs bin immer die einzige die auch mal negatives über die neue Mutterschaft sagt, und bekomme nichts als ein Schweigen zurück, so dass ich gar keine Lust mehr habe , an diesen teilzunehmen und mich auch schon stark zurückgezogen habe. Kurz, ich fühle mich total allein mit der Thematik und bin auf dieses Forum aufmerksam geworden, in der Hoffnung einen Raum zum Austausch zu finden.
Viele Grüße,
Jara
Christina

Re: Bin neu hier

Beitrag von Christina »

Hallo Jara,
Schön, dass du dich zu uns gesellt hast. Ich kann dich sehr gut verstehen. Von meinen Happy-Mama und Family Vostellungen von vor der Geburt ist auch nicht viel übrig geblieben. Für mich hat die Mutterschaft aktuell mehr negative Seiten als positive. Und auch wenn ich meine Tochter liebe, das Mutter sein finde ich eher eine Dauerbelastung. Die kleinen Glücksmomente im Alltag gleichen das für mich leider nicht aus. Fühl mich dadurch auch wie ein Sonderling, weil scheinbar andere Mütter das alles ganz toll finden. Also mich interessiert es sehr was du darüber denkst und welche Meinungen du hast. Hier kannst du dich gerne auslassen, weil für viele von uns Mutter sein bisher eher mit Krankheit und durch die Hölle gehen verbunden ist.
Zuletzt geändert von Christina am 10:12:2018 18:11, insgesamt 1-mal geändert.
Jara62

Re: Bin neu hier

Beitrag von Jara62 »

dauerbelastung...ja! Wie machen das Frauen mit mehreren Kindern? Warum bin ich so überfordert mit einem Kind, obwohl mein Mann eigentlich auch viel mehr übernimmt als ich? Ich hatte schon gegen Ende der Schwangerschaft das Gefühl von Panik, dass ich das alles nicht schaffe, und genau so ist es geworden. wenn ich die Wahl hätte , die Zeit zurückzudrehen, würde ich mich wohl gegen ein Kind entscheiden. das macht es noch schlimmer, der kleine liegt neben mir und ich habe solche Gedanken. Mich plagen solche Schuldgefühle.
und auf der anderen Seite bin uch traurig, nicht die nr1 für mein Kind zu sein. Er freut sich viel mehr wenn sein Papa ihn auf den Arm nimmt, das hat mittlerweile aucg schln meine Familie bemerkt. der kleine wird wohl ganz genau spüren , wie es mir geht und das tut mir auch so weh. ich habe selbst eine depressive Mutter, habe jahrelang eine Therapie nach der anderen gemacht, und nun bin ich selbst so...
Christina

Re: Bin neu hier

Beitrag von Christina »

Kann ich alles unterschreiben :( ich frage mich auch was ich eigentlich für ein loser bin, dass mich ein Kind so fertig macht. Ich frag mich auch, warum Leute nach einem Kind überhaupt noch mehr kriegen wollen...Ich wünschte auch ich könnte die Zeit zurückdrehen, ich vermisse mein altes Leben, in dem es mir einfach sehr gut ging. Ob ich eine gute oder schlechte Mutter bin, darüber denke ich nicht nach. Mir tut nur meine Tochter leid, dass sie nicht eine Mama erwischt hat, die sich vom ersten Tag an richtig über sie freut. Verdient hätte sie es. :cry:

Meine Mutter war auch depressiv und ich dachte auch immer mir kann das nicht passieren, ich bin doch so fröhlich, aktiv und positiv. Tja und jetzt hab ich fast 3 Monate in der Psychiatrie verbracht. Das ich mit der jetztigen Situation meinen Frieden finde, dass dauert wahrscheinlich noch lange.
Nelli
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Beiträge: 291
Registriert: 20:06:2018 1:55

Re: Bin neu hier

Beitrag von Nelli »

Ihr Lieben!

Ich kenne alle Eure Gefühle. Und glaubt mir: Inzwischen weiß ich, dass JEDE Mutter,
mehr oder weniger, auch an ihre Grenzen kommt. Aber die Scham ist zu groß,
man denkt, man würde als "Rabenmutter" bewertet. Zum Glück habe ich nur mit
Muttis zu tun, die offen und ehrlich sind, die KEINE Depression haben und
oft am Limit sind, die auch genervt von ihren Kindern sind etcetera.
Was uns, die wir durch eine Depression gehen müssen (denn sie wird aufhören!),
unterscheidet ist, dass wir davon überwältigt werden. Das hat sowohl körperliche,
als auch psychische Ursachen, z.B. hohe Sensibilität...
Ich weiß, ich bin auch genetisch vorbelastet. Das ist schade, aber andere haben dafür
andere Päckchen zu tragen. Ein Kind ist ein großes Geschenk, aber auch eine
WAhnsinnsaufgabe. Mir hilft es inzwischen, mir vorzustellen, für wen oder was sonst
ich all das tun würde: Dauerpräsenz! Schlafentzug! Ständige emotionale Forderung!
Antwort: Für Nichts und Niemanden, auch nicht für den Partner. Nur ein Kind verlangt das von einem ab!
Mein Kind ist jeden Tag, seit es 6 Wochen
alt ist, 6-8 Stunden bei der Tagesmutter. Mittlerweile stehe ich dazu, denn es ist das Beste,
was ich tun konnte und es ist gut so. Man findet wohl nirgends ein derart ausgeglichenes
Kind.
Noch was: Kennt ihr das von früher? Ihr bekommt mit, wie eine Mutter im Supermarkt ihr Kind
anschreit? Fand ich total assi. Mittlerweile denke ich: Wer weiß, wie allein gelassen diese Mutter ist.

Ihr steht das durch!!!

Nelli
Mel
power user
Beiträge: 554
Registriert: 25:11:2018 13:07

Re: Bin neu hier

Beitrag von Mel »

Hallo Jara,
ich kann mich dir anschliessen, in dem Wunsch, bestimmte Phänomene zu entpathologisieren. Ich habe das Glück, viele Mütter zu kennen, die nicht den schönen Schein aufrechterhalten, sondern offen zugeben, wie sehr sie das Mutter sein fordert und wie schwierig ihr Leben ist, seitdem sie Mutter sind. „Manchmal würde ich am Liebsten meine Sachen packen und abhauen“, sagte letztens eine völlig gesunde Mami zu mir! Ja, stimmt, wir erleben einfach viele Gefühle und Gedanken intensiver. Bei mir ist es so: Manchmal reicht es, dass ich gegen Morgen schlecht geträumt habe, oder es einer Frau aus meiner Selbsthilfegruppe gerade sehr schlecht geht. Dann sauge ich diese negativen Bilder und Gefühle förmlich auf und bekomme Angst davor, wie sich das ganze bei mir entwickeln wird.
Was mir hier und in der Selbsthilfegruppe auffällt: Es handelt sich anscheinend oft um gut ausgebildete Frauen, die vor dem Mutter sein ein ausgefülltes Leben hatten, privat und beruflich. Sind wir besonders gefährdet? Oder ist die „Dunkelziffer“ der Erkrankten sehr hoch, die sich nirgendwo Hilfe holen, vielleicht aus Unwissenheit oder Scham? Welche Erfahrung habt ihr gemacht?
Und Nelli und Christina: Ich finde, ihr bringt hier echt vieles auf den Punkt! Vielen Dank für eure Ehrlichkeit und die immer wieder aufbauenden Worte.
Jara, du wirst die Krankheit auch überwinden, denn du hast die Kraft, dich mit ihr, aber vor allem mit gesellschaftlichen Aspekten des Mutterseins auseinanderzusetzen. Das Wissen über die verschiedenen Aspekte unserer „Misere“ heilt uns zwar nicht, aber es hilft, vieles zu verstehen.
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Jara62

Re: Bin neu hier

Beitrag von Jara62 »

Danke für eure lieben Antworten! In den letzten Tagen bin ich sehr häufig hier, da ich mich wieder in einem absoluten Tief befinde und über einen stationären Aufenthalt nachdenke. Jedoch möchte ich nicht so lange getrennt von meinem Sohn sein, wo bei es momentan so ist, dass ich zwar rein körperlich in seiner Nähe bin, aber mich so weit entfernt, entfremdet von ihm und auch von mir selbst fühle . Mel, du schreibst dass du eine Selbsthilfegruppe besuchst. Weiss zufällig etwas von einer Gruppe im Raum Köln? Ich bin mir nicht sicher, ob es momentan gut wäre, aber ich denke dass Austausch mir gut tun würde. Leider habe ich in meinem sozialen Umfeld nicht so viele Möglichkeiten mich auszutauschen.
Erst wenn man jedoch anfängt darüber zu reden merkt man dass es ganz viele Frauen gibt denen es ähnlich geht. Jedenfalls bin ich sehr dankbar über eure Rückmeldungen! Das wollte ich nochmal loswerden.

Viele Grüße
Astrid

Re: Bin neu hier

Beitrag von Astrid »

Hallo Jara,

du kannst alle SHG in der Liste hier auf der Homepage von Schatten & Licht finden. In Bonn ist auf jeden Fall eine sehr gute SHG. Vielleicht ist die ja auch für dich erreichbar. Sonst kannst Du auch in der Betroffenenliste Frauen in deiner Umgebung finden, die du telefonisch kontaktieren kannst, falls dir das leichter fällt. Ich weiss, es ist nicht leicht. Aber es wird dir sicher gut tun mit jemandem zu reden, der nachvollziehen kann, wie es dir gerade geht. Meist haben die Frauen auch noch Tipps zu Ärzten, Therapeuten, oder anderen Dingen, die ihnen geholfen haben. Halte durch, es wird wieder gut... . Auch wenn es gerade nicht so aussieht und sich so anfühlt. Ganz liebe Grüße von Astrid
Mel
power user
Beiträge: 554
Registriert: 25:11:2018 13:07

Re: Bin neu hier

Beitrag von Mel »

Hallo Jara,
im Raum Köln gibt es sicherlich eine Selbsthilfegruppe! Wie Astrid bereits schrieb- schau einfach mal auf der Schatten und Licht Liste. Im Raum Wuppertal gibt es auf jeden Fall eine. Die Kontaktpersonen sind selbst betroffen (gewesen) und können dich meist gut beraten, auch wenn du an der Gruppe nicht teilnehmen willst. Wenn du Fragen oder Sorgen hast, schreib sie ruhig hier ins Forum. Es gibt übrigens auch Kliniken mit Mutter- Kind- Einheiten. Ich persönlich finde es auch immer wichtig, dass man so viel Kontakt wie möglich mit seinem Kind hat. Ich habe allerdings selber keine Erfahrung mit Kliniken...daher kann ich hier keine Empfehlung aussprechen. Wünsche dir alles, alles Gute!!
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
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