Depression und Angst seit 5 Monaten

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Jutschka

Depression und Angst seit 5 Monaten

Beitrag von Jutschka »

Hallo zusammen,

Nun habe ich mich doch hier angemeldet. Dabei hat mir das Lesen der verschiedenen Geschichten hier auch Angst eingejagt. Ich identifiziere mich sehr schnell mit anderen Schicksalen und übernehme den Kummer und das Leid, das dahinter steckt. Nun möchte ich aber lernen, das auch ich meine eigene Geschichte habe. Ich hoffe das aufschreiben hier hilft mir, die schweren Phasen zu verarbeiten. Auf einen empathischen Austausch mit euch freue ich mich.

Ich bin 31 Jahre alt und habe vor 5 Monaten eine wunderschöne Tochter geboren. Ich hatte erwartet, dass ich vor Glück zerspringen müsste, so wie es einem immer alle sagen. Aber das war nicht der Fall. Während die Schwangerschaft noch sehr glücklich verlief, versetzte mich die Geburt und der Moment in dem eine Tochter auf meinem Bauch lag in einen kleinen Schock. Sie war plötzlich so real, so warm, so lebendig, so schwer, so hilfsbedürftig. Ich war überwältigt und mit der Zeit entwickelte sich Angst, Angst vor der großen Verantwortung.

Ich habe bereits vor drei Jahren eine Angststörung überwunden. Damals war ich in einer Klinik und habe Medikamente genommen. Ich habe im Anschluss eine Tagesklinik besucht und dann zusätzlich eine ambulante Therapie über mehrere Monate erfolgreich abgeschlossen. Meine Medikamente konnte ich schon vor der Schwangerschaft reduzieren und in den ersten Schwangerschaftswochen erfolgreich ausschleichen.

Nun mit der Geburt beginnt alles von vorne. Ich habe Angstzu stände, zahllose schlaflose Nächte, während meine Tochter friedlich durchschläft, Stimmungsschwankungen, die mich sehr verunsichern und aggressive Zwangsgedanken gegen mein Kind, durch die ich mich wie ein Monstrum fühle.

Meine größte Sorge ist aber, dass das alles nicht mehr gut wird. Oder das ist zumindest noch ewig dauern wird, bis ich mich wieder normal fühle. Ich wollte diese Zeit mit meinem Kind doch so genießen. Und nun habe ich an manchen Tagen einfach Angst vor ihr, so fühlt es sich an. An anderen Tagen scheint auf einmal wieder alles gut zu sein. Dann spüre ich auch dieses heiß ersehnte Muttergefühl, das am Anfang einfach nicht aufflackern wollte. So heftige Stimmungsschwankungen hatte ich vor 3 Jahren nicht. Da überwog die Angst. Nun hat sich aber auch die Trauer dazu gesellt. Manchmal auch ein wenig Euphorie.

Ich stille mein Kind voll und habe große Bedenken Medikamente einzunehmen. Für den Bedarf habe ich Tavor und Quetiapin hier. Aber das hilft mir nicht wirklich. Ich fühle mich einfach viel zu schlecht, wenn ich eine Tablette genommen habe.
Zudem habe ich auch panische Angst vor Psychopharmaka. Das war auch einer der Gründe, warum ich damals in eine Klinik gegangen bin. Damit ich Ärzte um mich herum habe, falls irgendwas sein sollte.

Meinen Therapeutin besuche ich schon seit vier Monaten wieder regelmässig. Ich hatte auch schon eine Phase von 4 Wochen in der es schien, dass nun alles wieder gut werden würde. Dann kam aber wieder der Einbruch. Nun schwingt die Angst vor dem nächsten Einbruch stetig mit auch in den guten Phasen .

Die Zwangsgedanken gegen meine Tochter habe ich inzwischen wieder im Griff. Sie jagen mir nicht mehr so große Angst ein. Aber sie beziehen sich inzwischen er auf mich selbst. Ich habe große Angst vor den Suizidgedanken die aufkommen. Wenn ich in einem großen tief bin, möchte ich am liebsten in eine Klinik rennen mit meiner. Kleinen Maus. Ich weiß nur nicht ob das so gut für Sie und für mich wäre. Ich kenne den Effekt erst einmal geschützt unter einer Käseglocke zu stecken und dann Angst zu haben wieder raus zu gehen in die große weite Welt. Am liebsten will ich dies gleich in der großen weiten Welt schaffen.

Zur Zeit habe ich das Gefühl dass ich mich mit meiner Therapie im Kreis drehe. Den einen Tag ist alles gut und ich bin glücklich mit meinem Leben und in der nächsten Sekunde kann alles komplett umschlagen und ich bin wieder traurig. Dadurch habe ich irgendwie gar kein Vertrauen und mehr in mich selbst. Denke ich den einen Tag alles wird gut, denke ich den anderen Tag alles ist schlecht. Sage ich hier und jetzt ich würde gerne in die Klinik gehen, sage ich morgen dass ich es schaffe. Kennt ihr das?

Ich denke das reicht erstmal zu mir.

Viele Grüße
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Marika
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Re: Depression und Angst seit 5 Monaten

Beitrag von Marika »

Herzlich Willkommen hier bei uns!

Schön, dass du dich entschlossen hast, dich uns an zu schließen und zu deine eigene Geschichte zu sehen. Ich verstehe dass man zuerst erschreckt, wenn man sich ein bisschen einliest. Genau so ging es mir vor 13 Jahren, als sich bei mir eine schwere PPD mit Zwangsgedanken entwickelte. Trotzdem bin ich hier geblieben, weil ich irgendwie spürte, ich muss mich konfrontieren - ich muss mich mit MIR SELBST konfrontieren.

Es kommt recht häufig vor, dass nach einer Schnwangerschaft/Geburt ein psych. Leiden aus der Vergangenheit wieder aufbricht. Sehr gut auch, dass du wieder deine Therapeutin aufsuchst - ein wichtiger Schritt. Da du das Gefühl hast, du drehst dich im Kreis und gute bzw. schlechte Phasen wechseln sich ab, ist es absolut richtig, dass du weiter denkst. Was kann man noch tun, damit es dir wieder besser geht. Ein Faktor ist natürlich die Wiedereinnahme deines AD´s. Ich weiß jetzt nicht, welches AD du genommen hast, aber hier kannst du dich erkundigen, welche AD´s sehr gut stillverträglich sind:

www.embryotox.de

Für mich war die Kombi aus AD und Therapie der richtige Ansatz - ich musste in keine Klinik. Aber auch das wäre überlegenswert, wenn du dich da sicherer fühlst. Es gibt tolle Mutter-Kind-Kliniken. Auf unserer Startseite findest du eine Auflistung. Auf jeden Fall ist es wichtig, JETZT zu handeln. Denn das schlechste wäre, im Jetzt Zustand zu verharren. Deine Angst vor Medikamenten ist auf der einen Seite verständlich, auf der anderen musst du erkennen, dass sie ein Segen sind. Warum? Weil sie dich wieder gesund machen können - wie schon einmal. Bitte bedenke auch, dass wenn es dir schlecht geht auch eine eine Menge Stresshormone in die Muttermilch übergehen und durch das Stillen auch auf dein Kind. Studien belegen, dass dieser Umstand, ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. psych. Erkrankungen darstellen kann. Damit will ich dir keine Angst machen, sondern dir einfach die Fakten aufzeigen, damit du eine Entscheidung treffen kannst - zusammen mit deinen behandelnden Ärzten.

Liebe Jutschka, bitte handle JETZT. Verharre nicht in diesem Zustand, das tut niemandem gut. Es gibt Hilfe, das kannst du schaffen.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Jutschka

Re: Depression und Angst seit 5 Monaten

Beitrag von Jutschka »

Hallo Marika,

Erst einmal ganz lieben Dank für deine Antwort! Ich habe schon öfter Beiträge von dir gelesen und konnte dadurch viele wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Deshalb freue ich mich auch persönlich mit dir in den Austausch treten zu können.

Ich bin motiviert nun weiter am Ball zu bleiben! Ich habe mich nun entschlossen Tagebuch zu schreiben und speziell auch Sachen zu Tieren die positiv waren und für die ich dankbar bin. Ich hoffe das hilft mir.

Außerdem habe ich mich nun zu einer schlafkompression aufgerafft, weil die Schlafstörung bei mir sehr vordergründig bei den Beschwerden sind.

Ich denke auch über die Einnahme eines Medikaments nun wieder nach. Da hast du mir einen guten Denkanstoß gegeben. Damals habe ich Mirtazapin genommen. Es ist nicht das Medikament der ersten Wahl, aber wohl auch in der Stillzeit nicht völlig ausgeschlossen. Da bin ich noch sehr hin und hergerissen.

Ich habe ein Termin zu einem Vorgespräch in einer Klinik mit Mutter Kind Einheit ausgemacht. Am Montag werde ich meinen Therapeuten darüber informieren. Mal sehen was er von dieser Idee hält.

Bisher glaubt niemand in meinem Umfeld, dass ein Klinikaufenthalt nötig wäre. Jedoch bemerke ich an mir selbst, dass ich nach außen viel ausgeglichen erwirke als ich innerlich tatsächlich bin.

Ist schwingt bei mir immer die Angst mit dass es mir nie besser gehen wird oder das es immer wieder zu solchen Depressionen kommen wird.
Woran merke ich denn, dass ich auf dem Weg der Besserung bin und nicht stagniere? Bin ich einfach nur zu ungeduldig und mache schon alles richtig so wie ich es mache oder muss ich noch mehr tun? Woher weiß man das dann? Woher bekommt man diese Zuversicht? Woher bekommt man dieses Vertrauen in sich selbst? Muss ich geduldiger sein oder muss ich mehr tun? Ich weiß es einfach nicht. Ich habe gelesen dass diese Stimmungsschwankungen durchaus typisch sind und auch meine Psychiaterin meinte dass der Heilungsprozess meistens in Kurven und nicht geradlinig verläuft. Die Angst Komma dass es nicht voran geht, ist trotzdem da.

Ich habe gelesen, dass Rückfälle so häufig sind. Das macht mir große Angst. Ich bewundere jeden, der es schafft mit dieser Information umzugehen und trotzdem glücklich zu leben.

Ich arbeite weiter an mir und versuche nicht alles als Katastrophe zu sehen , sondern so realistisch wie möglich.


Bitte entschuldige eventuelle Rechtschreibfehler. Ich bin stark eingeschränkt in meiner Sehkraft. Daher arbeite ich mit einem Sprachprogramm auf meinem Handy, das nicht immer ganz gut funktioniert.


Liebe Grüße!
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Marika
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Beiträge: 9949
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Depression und Angst seit 5 Monaten

Beitrag von Marika »

Hallo,

ich finde es großartig, was du alles in die Wege geleitet hast. Das sind sehr gute Schritte und du kannst sehr, sehr stolz auf dich sein.

Deine Psychiaterin hat recht: Die Heilung verläuft in Kurven bzw. Wellen und braucht sehr viel Geduld - auch mit einem AD. Wenn die Hoch-Phasen mehr werden und die Tiefs abnehmen, dann stimmt die Richtung. Wenn es umgekehrt ist, muss man schauen was man noch tun kann.

Ich bin sehr gespannt, wie es bei dir weitergeht und würde mich total freuen, wenn du uns auf dem Laufendem hälst.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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