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Ich bin neu hier

Verfasst: 26:01:2019 22:24
von Oleta
Hallo zusammen,
ich stell mich mal kurz vor. Ich bin 35 und habe vor 11 Wochen mein erstes Kind bekommen. Die Kleine war eine Frühgeburt. Vorletztes Jahr hatte ich eine Fehlgeburt. Die Schwangerschaft war insgesamt sehr aufregend und anstrengend. (Schwangerschaftsdiabetes, Pränataldiagnostik, Infektion während der SS, Plazentainsuffienz...)
Ich habe schon seit einigen Jahren leichte Depressionen. Nach der Geburt hat sich daraus aber leider eine richtige Wochenbettdepression entwickelt.
diese äußerte sich vor allem wie folgt: ich wollte das Kind plötzlich nicht mehr haben; es sollte einfach weg, egal wie, damit alles so ist wie früher. Das ganze fühlte sich an wie(oder war) ein Nervenzusammenbruch. Ich selbst hatte auch immer wieder den Gedanken mich umzubringen. Allerdings wollte ich meinen Mann nicht einfach so zurücklassen. Zeiten weise kam der Gedanke: Hoffentlich passiert meinem Mann und meiner Tochter etwas, dann könnte ich mich auch umbringen.
Danach hat mein Mann die komplette Arbeit übernommen und ich lag 5 Tage und Nächte apathisch im Bett. Wir bekamen ein paar Tage später einen Termin bei einem ärztlichen Psychotherapeuten; durch Tabletten ging es mir oberflächlich etwas besser und wir dachten wir bekommen das Ganze so in den Griff.
Nach 2 Monaten Elternzeit musste mein Mann wieder arbeiten. Der erste Tag allein mit Baby stand also an. Ich wurde von Stunde zu Stunde nervöser und unglücklicher. Abends im Bett kam wieder ein totaler Zusammenbruch. Ich war todunglücklich und habe gesagt und gedacht, dass ich keinen einzigen Tag mehr mit diesem Kind verbringen will. Wenn ich noch einen Tag mit ihr verbringen müsste, würde ich mich umbringen. Diese Gefühle waren erschreckend und Angst einflößend und so intensiv wie nie zuvor. Die Angst und Nervosität breitete sich im Bauchraum aus und fraß sich durch meinen ganzen Körper. Ich habe mir schon ausgemalt, wie ich am nächsten Tag mit durchgeschnittenen Pulsadern in der Wanne liege.
Ich bestand darauf am nächsten Tag sofort in die Psychiatrische Ambulanz zu fahren. Dort wurde ich stationär aufgenommen und bin jetzt seit zweieinhalb Wochen hier. Mir gehts etwas besser und die Dosis/Zusammenstellung der Antidepressiva wurde angepasst.
Ich habe aber immer mehr Angst, dass ich mich emotional von meiner Tochter zu weit entferne und der Umgang mit ihr immer ungewohnter wird.
Ich möchte eigentlich nach Hause, weiß aber auch, dass ich noch nicht so weit bin. Ich habe unendlich Angst vor diesem Gefühl der Hilflosigkeit und Angst, die sich durch meinen Körper frisst sobald ich mit meiner Tochter alleine bin.
In den Gesprächen mit Ärzten und Psychologen konnte mir aber noch niemand so richtig dabei helfen, wie ich in dieser Notsituation handle und meine Angst überwinden kann. Ich weiß, dass ich meine Tochter alleine versorgen kann; so lang ich unter Leuten bin, ist alles okay. Nur wenn ich alleine bin überwiegt diese Panik und ich bin handlungsunfähig. Vielleicht kann mir hier jemand etwas weiterhelfen.
Viele liebe Grüße
Oleta

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 28:01:2019 13:50
von Sabrina
Hallo Oleta,

schön, dass du hierher gefunden hast.
Wie du siehst, bist du nicht die einzigste die Probleme nach der Geburt hat. Das du in der Klinik bist, ist gut. Sie werden dich medikamentös so einstellen, dass es dir bald besser geht. Was nimmst du denn an Medikamenten? Ist deine Tochter in der Klinik dabei?

LG
Sabrina

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 28:01:2019 16:38
von nad.be
Hallo und Willkommen im Forum.

Vieles von dir Geschriebene habe auch ich durchgemacht. Ich wollte mein Kind aufeinmal nicht mehr, hatte Suizidgedanken, Angst vor meinem eigenen Sohn und gleichzeitig ein total schlechtes Gewissen. Ich wollte nur noch weg.
Schließlich kam ich auch in eine psychiatrische Klinik, bekam Medikamente.
Ich hatte Angst, dass mein Sohn mich nicht mehr erkannt und habe ihn schrecklich vermisst.
Nach meiner Entlassung bekam ich eine Haushaltshilfe, speziell für die Versorgung vom Kind, falls es mir zu viel wird. Vllt wäre das ja auch etwas für dich, damit du nicht alleine zu Hause sein musst.
Ich brauchte diese Haushaltshilfe nur ca 3 Wochen. Es ging mir von Tag zu Tag besser, da ich mir von meiner Haushaltshilfe Sachen im Umgang mit meinem Sohn abgeguckt habe und dadurch viel sicherer wurde.

Heute, 2 Jahre später, geht es mir so gut, als wäre nie etwas gewesen. Ich liebe meinen Sohn überalles. Auch die Bindung dadurch hat nicht gelitten.
Und so wird es bei dir bald auch sein, auch, wenn du es dir gerade schwer vorstellen kannst. Es wird besser.

Gib dich nicht auf. Es lohnt sich.

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 28:01:2019 18:59
von Oleta
Vielen Dank für eure Antworten.
Ich bin leider alleine in der Klinik. So schnell einen Mutter-Kind Platz zu bekommen, war nicht möglich.
Ich nehme 300mg Elontril und fühle mich jetzt nach zweieinhalb Wochen schon viel besser. Nur bekomme ich immer noch dieses fiese Angstgefühl im Bauch, wenn ich daran denke den Tag mit meiner Tochter alleine zu gestalten. Seit heute passt eine Haushaltshilfe auf meine Tochter auf. Ich hatte auch schon quasi beschlossen nach Hause zu gehen und den Anfang mit der Haushaltshilfe zu schaffen.
Ich brauche nur noch eine "Soforthilfe" für den Fall, dass mich diese panische Angst wieder befällt.
Hat jemand noch Ideen? Hier in der Klinik haben viele einen Igelball; die Psychologin empfiehlt den "sicheren Ort".
Auf jeden Fall brauche ich eine feste Struktur für den Alltag. Vielleicht kann mir jemand mal ganz genau schreiben wie so ein Tag aussehen kann.
Liebe Grüße Oleta

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 29:01:2019 9:12
von nad.be
Mir hat es sehr gut getan das Kind in den Wagen zu packen und spazieren zu gehen. Oder eine Krabbelgruppe.
Und ganz wichtig auch mal Zeit für dich. Vllt Sonntags, wenn dein Mann zu Hause ist, ein Bad oder etwas das dir gut tut.

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 29:01:2019 9:13
von nad.be
Achja, kennst du die 54321 Regel? Die hat mir immer gut geholfen, wenn ich nervös war und Angst hatte.

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 29:01:2019 9:44
von Marika
Hallo ihr Lieben,

ich war zwar nicht in einer Klinik, aber durch meine starke PPD konnte ich die ersten Wochen mit meinem Sohn nicht alleine stemmen. Es war immer jemand bei mir - meine Familie hat sich so abgewechselt, dass ich max. 1/2 Stunde alleine mit dem Baby war. Anders wäre es unmöglich gewesen in den ersten 3 Monaten.

Ich habe in meiner Therapie dann wirklich gelernt, mir einen Tagesstruktur Plan zu machen - diese kam aber erste zur Anwendung, als es mir besser ging und ich wirklich schon halbe Tage alleine mit meinem Sohn sein konnte. In der Anfangszeit hat die Struktur jeweils die Person, die bei mir war, vorgegeben.

Hier ein Beispiel, meines Tagesplanes, als es mir etwas besser ging:

- 6:00 - 7:00 Uhr: Aufstehen, Baby füttern, anziehen-
- 7:00 - 8:00 Uhr: mich anziehen, fertig machen für die Stadt
- 8:00 Uhr: Verabredung in der Stadt zum Frühstück mit einer Freundin
- 10:00: Bummeln in der Stadt mit der Freundin
- 11:00 - 12:00 Uhr: heim gehen, kochen, Mann kommt zum Essen
- 13:00 - 15:00 Uhr: Mittagsschlaf mit Baby
- 15:30 Uhr: meine Mama kommt
- 15:30 - 17:00 Uhr: Kaffee mit Mama, mit Baby spielen,
- 17:30 - 18:00 Uhr: Baby baden und Bettfertig machen
- 19:00 Uhr: Mann kommt von der Arbeit

So in etwa hat das bei mir ausgesehen bzw. kann es aussehen. Je deailierter - umso leichter ist es, sich durch den Tag zu hangeln. Geh es langsam an, versuch nicht mit der Brechstange jetzt Stundenlang alleine mit deinem Kind zu bleiben.

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 29:01:2019 13:33
von Oleta
Hallo, die 54321 Regel kenn ich noch nicht.
Danke für die detaillierten Antworten, vorallem der Tagesplan. Ich war in der gesamten Schwangerschaft zu Hause und hatte keine Probleme mich zu beschäftigen. Dachte mit Kind schaff ich das genauso; habe mich so darauf gefreut die Tage mit Baby zu verbringen. Und jetzt ist es wie eine Blockade, wenn ich mit ihr zusammen bin. Habt ihr Erfahrungen mit EMDR?
LG

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 30:01:2019 8:56
von Marika
Hallo,

ich habe sehr gute Erfahrungen mit EMDR gemacht. Ich hatte glaube ich 3 Sitzungen - es fühlte sich danach immer an, als hätte sich ein weiterer Knoten gelöst!

Zur Wut rauslassen - wie ich das geschafft habe:

Ich bin anfangs einfach aus der Situation raus gegangen, in ein anderes Zimmer z.B. und sagte: ich bin jetzt wütend oder genervt und ich darf das auch sein. Das hat mir geholfen, dieses vermeintlich "negative Gefühl" an zu nehmen, mich rein zu fühlen und zu zulassen. Mit der Zeit wurde das besser und ich konnte Konflikte auch gleich an Ort und Stelle ausdiskutieren. Und ja - überfordert sind die Leute dann tatsächlich... aber nur, weil sie das von uns nicht gewöhnt sind. Aber glaub mir, die Menschen sind lernfähig... :lol: :lol: :lol: Wut und Zorn zu zulassen hat auch etwas mit Selbstbewusstsein zu tun, finde ich und nicht zuletzt mit Selbstliebe. Ich darf mir zugestehen, dass ich auch mal wütend bin und das zeigen darf...

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 30:01:2019 23:09
von Christina
Hallo Oleta,
Deine Geschichte erinnert mich sehr an mich. Ich wollte meine Tochter auch nur loswerden, weil ohne sie war ich gesund und glücklich. Ich war auch wie du allein in der Klinik und das war gut so. Ich war fast 6 Wochen dort, nur am Wochendene daheim zur „sozialen Belastungsprobe“. Das mit dem Alltag mit Kund hat mich auch in Panik versetzt. Ich hatte das Glück nach dem stationären Aufenthalt eine Mutter-Kind-Therapie machen zu können. Ich war dort 7 Wochen in der Tagesklinik. Dadurch wurde mir ein Alltag und auch der Kontakt „aufgezwungen“, was aber sehr gut war und mir enorm geholfen hat. Vielleicht gibt es sowas auch in deiner Nähe? Zu Hause hatte ich im Anschluss eine Haushaltshilfe und ich habe mir für jeden Tag einen Sportkurs mit Kind gebucht. Dadurch kam Beschäftigung und ein fester Ablauf in den Tag. Elontril/Buproprion nehme ich auch 300mg.

Ich denke du solltest dich nicht stressen und auch ruhig länger in der Klinik bleiben. Wenn es dir noch nicht gut geht, bist du zu Hause auch keine Hilfe. Kümmer dich erstmal um dich! Das Verhältnis zu deiner Tochter wird nicht leiden. In dem Alter sind die noch nicht so extrem fixiert. Keine Angst!

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 01:02:2019 15:36
von Oleta
@Christina: ist bei deinem ersten stationären Aufenthalt allein auch die Mutter Kind Beziehung mit einbezogen worden? Oder ging es da erstmal nur um dich?
In welcher MuKi Klinik warst du denn?

Ich würde gerne nach Herten, da ist aber ne längere Warteliste. welche Kliniken in NRW sind denn noch zu empfehlen?
LG

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 01:02:2019 19:41
von Nessi90
@Marika
Wann macht man eine EMDR Therapie? Wird die nur nach einem Trauma gemacht oder kann man das auch so machen?
Lg

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 02:02:2019 6:12
von Christina
@oleta: Ich war auf einer normalen Abteilung und auch die einzige mit Wochenbettdepression. Daher war voranging ich im Mittelpunkt. Aber das hat mich nicht gestört, ich war ja krank. Meine Tochter war damals erst 2-3 Monate alt und hat sich dann gut an Papa gewöhnt. Jetzt, ein Jahr später, gehts ständig „Mama, Mama...“ 😂 also kein Problem mit der Beziehung.

MuKi-Therapie war ich in Nürnberg, zu NRW kann ich leider nichts sagen. Hab da zum Glück schnell einen Platz bekommen und konnte nur 1,5 Wochen nach der stationären Therapie anfangen.

Re: Ich bin neu hier

Verfasst: 13:03:2019 10:29
von Tiny1991
@Christina
Ich bin momentan auch in einer Klinik, auch die einzige mit Wochenbettdepression und überlege, im Anschluss eine Mutter Kind Therapie in der Tagesklinik in Nürnberg zu machen. Hast du damit gute Erfahrungen gemacht? Und wie weit musstest du fahren? Ich müsste eine Stunde fahren, näher gibt es leider nichts und ich weiß nicht ob das nicht noch mehr Stress verursachen würde. Würde mich freuen wenn du mir ein bisschen was dazu erzählen könntest.