Drei Kinder, zweimal PPD, dritte PPD?

Hier können sich unsere Mitglieder vorstellen

Moderator: Moderatoren

Antworten
Jari

Drei Kinder, zweimal PPD, dritte PPD?

Beitrag von Jari »

Hallo,

Ich bin schon länger im Forum, habe mich aber nie vorgestellt. Dafür ist mein Text nun umso länger ;-)

2010 habe ich mein erstes Kind bekommen. Nach einer langen, aber an sich schönen Geburt, die ich aber körperlich und psychisch wie einen "Bombeneinschlag" erlebt habe, hatte ich einen heftigen Babyblues, der nahtlos in eine PPD übergegangen ist. Ich habe viel geweint, war überfordert, unterfordert, ängstlich allgemein und auch mit meinem Kind. Habe diese Strukturlosigkeit kaum ausgehalten, war ständig mit dem Baby unterwegs.
Erst nach 8 Monaten bin ich zu einer Psychiaterin, habe mit Escitalopram begonnen. Die Ärztin kannte sich nicht gut aus, hat mir gesagt, ich müsse abstillen wegen des Escitaloprams. Mittlerweile bin ich bei einer anderen, tollen Psychiaterin, die sich spezialisiert hat auf Schwangere und Stillende. Seitdem weiß ich, dass ich ruhig hätte weiterstillen können...
Später habe ich mal eine zeitlang Venlafaxin genommen, dann wieder Escitalopram.
Ging mir nicht blendend, aber ok.

Zumindest so gut, dass ich mich getraut habe, mit einer kleinen Dosis Escitalopram 2013 wieder schwanger zu werden.

2014 kam dann mein zweites Kind zur Welt. In der Schwangerschaft ging es mir phasenweise psychisch nicht so gut, auf Anraten meiner Ärztin habe ich das Escitalopram etwas gesteigert.

Direkt nach der Geburt musste mein Baby aus dem Kreißsaal auf die Früh- und Neugeborenenstation verlegt werden, da es größere Anpassungsschwierigkeiten hatte.
Das war schrecklich für mich! Ich hatte diesmal so auf einen guten Start und ein schönes Wochenbett gehofft und dann kam alles anders und wir hatten so große Sorgen.
Ich habe viel geweint - aber alle Mamas mit Babys auf dieser Station haben viel geweint.
Nach 8 Tagen durften wir gemeinsam nach Hause. Alles schien gut.

Bereits nach kurzer Zeit war klar, dass mit meiner zweiten Tochter irgendetwas nicht stimmt. Sie hat sich kaum zum Trinken gemeldet. Ich wollte wieder stillen, hatte mehr als genug Milch, aber mein Baby einfach keinen Hunger. Wir sind wochenlang zu allen möglichen Ärzten, Osteopathen, Stillberaterin en, Kliniken, etc. gelaufen, keiner wusste so recht, was los ist.
Ich habe nach Absprache mit meiner Psychiaterin das Escitalopram schrittweise, aber Recht zügig abgesetzt, weil nur so der Verdacht, dass es daran liegt, ausgeschlossen werden konnte. In der Zeit habe ich abgepumpt, die Milch verworfen. aber auch danach und in der Zeit der Pre-Milch war es nicht besser mit dem Trinken.

Als mein Baby dann nicht mehr nur kaum zu-, sondern abgenommen hat, sind wir in der 10.Lebenswoche wieder stationär aufgenommen worden und mein Kind wurde von da an per Magensonde ernährt. Alle mögliche Diagnostik wurde gemacht, es kam nichts dabei raus.
Wir waren nach 3 Wochen kurz wieder Zuhause, dann wieder Klinik, wieder kurz Zuhause. Dann 7 Wochen Klinik in einer anderen Stadt.

Mir ging es zunehmend schlechter, die Trennung von meinem "großen" Kind (dals gerade 4) war unerträglich für mich. Zugleich konnte ich ja aber auch mein Baby nicht alleine lassen. Ich habe aufgehört, abzupumpen und die Muttermilch zu sondieren. Stattdessen gab es hochkalorische Spezialnahrung für mein Baby und wieder Escitalopram für mich.
Das war eine schreckliche Zeit.

Nach einer Woche in der Klinik in der anderen Stadt ging gar nichts mehr. Ich konnte nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, mein Baby nicht mehr sondieren. Ich habe mich dem Sterben näher gefühlt als dem Leben. Ganz im Ernst. Bei einem Spaziergang musste ich mich auf eine Parkbank legen, weil ich nicht mehr konnte.

In diesem Zustand bin ich dann in der anderen Stadt in eine psychiatrische Klinik gekommen. Mein Baby blieb in der Kinderklinik, mein Mann kam, blieb stationär bei unserer Tochter. Mein großes Kind wurde von meinem Schwiegereltern abgeholt und blieb eine Woche bei ihnen.

Es war ein Alptraum.

Mir ging es ab dem nächsten Tag in der Klinik gut. Ich konnte schlafen, essen, mein Baby besuchen. So bin ich nach einer Woche entlassen worden. Ist eh nix passiert in der Klinik außer Medikamente zum Schlafen und Erhöhung Escitalopram. KEIN EINZIGES ENTLASTENDES GESPRÄCH IN DER GANZEN WOCHE!!!

Ich bin erstmal heim und habe mein großes Kind wieder nach Hause geholt. Und schon am nächsten Morgen ging es mir wieder elend. Ich konnte kaum aufstehen, um das Telefon zu holen, um jemanden zu organisieren, der mein Kind versorgen kann. So ging es über Wochen. Habe mich mit Escitalopram, Krisengesprächen mit meiner Schatten und Licht-Beraterin (DANKE!!), Notfalls Tavor über Wasser gehalten.

Als mein Mann mit unserem Baby wieder aus der Klinik kam, hatte er noch zwei Wochen Urlaub und dann war ich mit vollsondiertem Baby plus Kleinkind wieder alleine.
Naja, irgendwie ging es mit der Zeit, den Medikamenten, einer Haushaltshilfe, etc. mit den Monaten wieder besser.
Nach 9 Monaten haben wir es geschafft, die Sonde loszuwerden. Insgesamt waren wir fast 17 Wochen stationär mit ihr in ihren ersten 1,5 Lebensjahren. Es bleibt bis heute mühsam mit dem Essen. Sie isst supergern, aber hat eine schwere Störung der Appetitregulation, ist extrem untergewichtig, hat noch ein paar andere "Baustellen". Aber sie entwickelt sich super, ist ein schlaues, fröhliches kleines Mädchen.

Tja und mich bzw. uns ließ der Gedanke an ein drittes Kind nicht los. Meine biologische Uhr tickte zunehmend hörbar...

Nach und nach konnte ich alle Medikamente ausschleichen und war knapp ein Jahr komplett medikamentenfrei als ich 2018 wieder gewollt schwanger wurde. Leider war das keine intakte Schwangerschaft, sondern eine Eileiterschwangerschaft. Ich musste nicht operiert werden, aber die ganze Zeit herrschte "Alarm", weil mein hcg nicht runter ging - aber auch nicht hoch genug war, um eine OP zu rechtfertigen. Es zog sich über Wochen hin, bis mein hcg-Wert endlich wieder bei 0 war.

Und schon im nächsten Zyklus war ich wieder schwanger! Mit über 40. Ich hab das als Zeichen gewertet, dass es so sein soll.
Eine Woche nach positivem Test kam ein schwerer psychischer Einbruch. Quasi über Nacht. Es ging mir hundeelend, wieder kein Schlaf, kein Appetit, unglaubliche Angstzustände, Erschöpfung.
Habe wieder begonnen, etwas Quetiapin zu nehmen. Das ließ sich gut mit der Schwangerschaft vereinen.

Bin sofort krankgeschrieben worden, dann nahtlos ins Beschäftigungsverbot. Ging dann wieder bergauf. Die Schwangerschaft war gut, aber anstrengend. Quetiapin habe ich auf Anraten meiner Ärztin durchgehend bis jetzt genommen.

Hatte bis kurz vor der Geburt mit Schwangerschaftsübelkeit zu tun (wie bei Nummer zwei auch schon). Zudem hatte mein Vater einen Unfall und war schwer verletzt und über Monate im Krankenhaus. Und meine Mutter (selbst depressiv, schon lange geschieden von meinem Vater) hat eine Alzheimer-Diagnose bekommen, eine Form von früh einsetzendem Alzheimer.

Das war alles sehr arbeits- und zeitintensiv.
Zumal ich ein sehr schwieriges Verhältnis zu meiner Mutter habe. Ich bin bei meinem Vater aufgewachsen, sie hat ihn und uns Kinder als wir noch sehr klein waren, verlassen.

Im Sommer 2019 habe ich nun also meine dritte Tochter bekommen. Die Geburt wurde vor Termin eingeleitet, weil einige Werte nicht mehr ok waren. Heftige, recht schnelle Geburt. Aber mein Baby durfte bei mir bleiben, wurde wegen des Quetiapins in der SS drei Tage am Pulsoxy überwacht, verspürt Hunger, ist zwar zart, aber gesund :-)

Bis jetzt lief alles soweit ok. Ich hatte im Wochenbett ein paar psychische Durchhänger und im Herbst Mal eine schwierige Phase mit viel Angst und Schlaf- und Appetitlosigkeit. Hatte das Quetiapin etwas erhöht und es ging mir wieder besser.

Und nun ist es seit einer knappen Woche wieder ganz schlimm. Furchtbare Ängste, Erschöpfung, Unruhe, getrieben sein, weinen, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Panik, Trauer, Angst, Angst, Angst,...

Ich mache seit Jahren eine Therapie, habe mich immer an den Rat der Psychiaterin wegen der Medikamente gehalten. Und doch scheint es mich wieder zu erwischen.

Meine Therapeutin hat heute meinem Mann angerufen und ihn gebeten, diese Woche Zuhause zu bleiben und sich um mich zu kümmern. Ich habe so ein schlechtes Gewissen deswegen!

Alles scheint damit zu tun zu haben, dass ich als Baby und Kind nicht von meiner Mutter versorgt wurde. Sie ist eine schwierige, sehr narzisstische Person. Ich habe schon viel verstanden, warum ich nun so bin, wie ich bin.

Aber ich will gesund sein und mich um meine bezaubernden Töchter kümmern können!!! Und diesen ganzen Scheiß hinter mir lassen.

Meine größte Angst hat, dass ich wieder ganz ausfalle und meine Kinder nicht mehr versorgen kann. Und dass ich auch bei meinem dritten Baby unfreiwillig abstillen muss.

Meine Psychiaterin hat mir heute geraten, unverändert das Quetiapin weiter zu nehmen und ab morgen per Tropfen wieder Escitalopram anzusetzen. Erst 2 Tropfen, dann drei, etc. Bis auf 5mg zunächst.
Mit dem Stillen sieht sie da gar kein Problem. Und sie hat sich wie gesagt auf die Behandlung schwangerer und stillender Frauen spezialisiert. Trotzdem fühlt es sich furchtbar an.

Ich bin verzweifelt und am Boden zerstört, nun hat es mich wohl dich wieder erwischt... :-(
Fühle mich schrecklich alleine mit all der Angst und den Sorgen...

Danke fürs Lesen!!!
Mel
power user
Beiträge: 554
Registriert: 25:11:2018 13:07

Re: Drei Kinder, zweimal PPD, dritte PPD?

Beitrag von Mel »

Hallo Jari,
da hast du ja schon jede Menge durchgemacht! Ich schreib dir gerne mal ausführlicher, aber heute bin ich so richtig kaputt. Daher nur ein kurzes herzlich Willkommen :-) und schön, dass du hier bist.
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Elisabeth

Re: Drei Kinder, zweimal PPD, dritte PPD?

Beitrag von Elisabeth »

Hallo Jari, mich hat deine Geschichte sehr berührt. Du hast soviel bewältigt, trägst soviel und hast zusätzlich mit der Erkrankung zu kämpfen. Ich habe grossen Respekt davor, was du leistest und schon geleistet hast.
Ich finde nicht, dass du ein schlechtes Gewissen gegenüber deinen Mann haben musst. Such dir jede Entlastung, die dir gut tut. Ich kann deine Ängste vor der (erneuten) Erkrankung sehr gut nachvollziehen, aber du hast schon sooo unheimlich viel geschafft. Du bist stärker als die Krankheit!
Jari

Re: Drei Kinder, zweimal PPD, dritte PPD?

Beitrag von Jari »

Liebe Mel, liebe Elisabeth,

vielen Dank für Eure Antworten!
Euer Zuspruch tut sehr gut, Dankeschön!

Nur Ihr, die das alles auch durchgemacht habt, wisst, wie sich das anfühlt und könnt es verstehen.

Ich schreibe noch mehr zu heute, passt aber eher zu "Depression" als hier in die Vorstellungsrunde.

Ich freue mich so, überhaupt Rückmeldungen bekommen zu haben :-)

Liebe Grüße,
Jari
Antworten