Hallo zusammen
Verfasst: 27:02:2021 12:37
Hallo alle miteinander,
ich freue mich nun Mitglied in der Runde zu sein, wenn auch der Anlass natürlich nicht so schön ist. Ich habe seit einiger Zeit schon viel im Forum gestöbert. Das hat oft geholfen, ehrlicherweise aber manchmal auch verunsichert ("bei mir ist alles ganz anders, schlimmer... Etc.).
Ich stelle mich mal kurz mit meiner Geschichte vor.
Seit der Geburt meines Sohnes Ende letzten Jahres ging es mir eigentlich nicht mehr richtig gut/war ich nicht mehr ich selbst. Die Geburt selbst war für mich schon sehr schwer zu ertragen, da ich generell ein eher ängstlicher Mensch bin und es kam unter der Geburt zeitweise zu einer Verschlechterung der Herztöne, weil die PDA leider falsch gesetzt wurde und ich dadurch vorübergehend bis einschließlich der Arme gelähmt war und der Kleine zu schnell zu tief ins Becken gerutscht ist. Ich musste auch kreislaufstabilisierende Medikamente gespritzt bekommen, da der Blutdruck in den Keller getauscht ist. Dann bestand bis eine Stunde vor Geburt die Gefahr eines Kaiserschnittes. Als er da war, war ich erstmal erleichtert und froh. Ich kann aber nicht sagen, dass ich ein unfassbares Glücksgefühl empfunden habe. Er ist ein Wunschkind und in der Schwangerschaft habe ich mich auch auf ihn gefreut, wobei oft auch ein mulmiges Gefühl da war, wie das so werden wird, was bestimmt die meisten mal haben.
Ich war dann noch zwei Tage in der Klinik, wo ich dann bis mein Verlobter zu Besuch kam, nicht wirklich viel machen konnte außer stillen. Aufs Klo, essen, schlafen ging nicht weil der Kleine sofort unruhig wurde, was mich total verunsichert hat. Habe dann quasi 48h nicht geschlafen und bin sehr erschöpft nach Hause gekommen. Auf der Fahrt gingen die höllischen Kopfschmerzen los (durch die Fehllage der PDA), die fünf Tage anhielten. Danach dann endlich mal keine Schmerzen, jetzt kann man anfangen zu genießen. Stattdessen empfand ich irgendwie nichts und fühlte mich einfach nur komisch in meiner Haut.
Dazu kam eine Episode sehr großer Anspannung, die sich anfühlte wie meine erste Depression 2019. Damals war ich stationär und nach zwei Wochen ging es mir schon deutlich besser. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich die permanente Befürchtung, es käme wieder. Ich bin gut angebunden und habe sofort die Therapeutin kontaktiert. Wir haben engmaschig Sitzungen vereinbart. Trotzdem eskalierte der Zustand immer weiter. In meinem Umfeld stimmt alles, Mann, Job, Wohnung, Mutter in der Nähe, Hebamme, seit einem guten Jahr erfolgreiche Verhaltenstherapie..
Ich war von jeder kleinen Entscheidung überfordert: erst wickeln dann stillen? Po mit Feuchttuch abwischen oder Waschlappen? Habe unfassbar viel nachgelesen... Das ganze Mutter sein war für mich gefühlt extrem anstrengend und stressig. Ich weiß nicht, ob ich da schon in der Depression war, oder ob ich das im gesunden Zustand nicht ebenso empfunden hätte und es nicht sogar normal ist so zu fühlen am Anfang. Rational konnte ich mir immer sagen, dass es kein Hexenwerk ist, aber gefühlt habe ich es anders. Dazu kamen dann diese Episoden der Depersonalisation und Derealisation, ich fühlte mich komplett neben mir stehend, wie in Watte, habe unscharf gesehen, war gleichgültig, habe nur funktioniert. Diese Gefühllosigkeit meinem Kind gegenüber war und ist so schlimm. Es gab auch schöne Momente vor allem abends, in denen ich gemerkt habe, dass ich doch etwas empfinde, ich es teilweise genießen konnte, mich gefreut habe und zuversichtlich war, dass es schon werden wird. Aber leider hat das Schlechte zusehends überwogen. Ich bin bereits in allen möglichen Techniken geschult, Gedankenstop, Umstrukturierung, Achtsamkeit, Entspannungsübungen, Ablenkung durch angenehme Aktivitäten. Das habe ich alles versucht...aber die Angst war stärker. Letztlich war es vermutlich eine selbsterfüllende Prophezeiung. Die Angst, dass meine Erkrankung wieder kommt zusammen mit dieser speziellen Situation nach der Geburt haben es eskalieren lassen, bis ich im Ausnahmezustand war. Nichts ging mehr. Um meinen Sohn konnte ich mich nicht kümmern. Durch den Stress ließ auch die Milchbildung nach, was weiteren Stress gemacht hat. Ich saß am Ende nur noch stillschweigend da, voller Panik, in meinen Gedankenkreisen. Kein ein noch aus. Ich muss in die Psychiatrie, aber wie soll das gehen. Ich kann mein Kind nicht alleine lassen... Es gibt keine Lösung.
Dann bin ich in die Psychiatrie gegangen, alleine. Den Koffer zu packen habe ich fast nicht geschafft. Es war komplett überfordernd. Mein Mann musste mir sagen was ich einpacken solle. Er hat auch Mutter Kind Kliniken kontaktiert und Vorgespräche vereinbart.
Jetzt bin ich seit drei Wochen hier. Letzte Woche war es ganz gut. Dann wurde über Entlassung gesprochen. Sodass ich zu Hause wäre bis ein Platz in der MuKi Klinik frei wird. Ich habe mich gefreut. Dann aber kam der Absturz. Seit dieser Woche ist alles wieder da trotz Medikation (150mg Sertralin, seit letzter Woche Montag in dieser Dosis, 75-25-100mg pregabalin, olanzapin 5mg zur Nacht). Ich zweifle an allem...Und bin jetzt eigentlich überzeugt, dass es meine Gedanken sind, die alles aufrecht erhalten. Ich mache mir so viel Druck, dass es schnell besser werden muss und schaffe es nicht diesen Druck abzubauen. Auch die Therapien, meine eigenen Bemühungen, dieser kognitiven Kampf den ich führe, nichts hilft. Mittlerweile denke ich, dass ich diese Krankheit haben will, um mich nicht den kommenden Herausforderungen zu stellen. Oder dass ich so bleiben werde, dass es mein neues Ich ist und wie soll das so überleben? Selbst ein Einkauf im DM scheint unmöglich. Mitte der Woche kam dann die Nachricht, dass ich einen Platz in Wiesloch habe für kommende Woche. Was eigentlich ein Grund zur Freude wäre, war und ist für mich jetzt weiter Stress, dass ich fit sein muss, weil ich mich dort ja um mein Kind allein kümmern muss. Alles ist nur noch Stress. Ich lebe in einer permanenten Panikattacke, die mich komisch werden lässt. Ich rede komisch, bewege mich komisch... Von außen merkt man es aber nicht. Ich wirke funktional und bin doch von jeder Kleinigkeit überfordert. Essen ist auch fast unmöglich. Meine körperlichen Bedürfnisse nehme ich nur selten wahr...
Dieser Zustand ist derselbe meiner letzten Episode. Nur die Rahmenbedingungen sind andere. Der Auslöser damals war der anstehende Berufseinstieg, dieser Umbruch im Leben. Ich konnte damals alles einfach verschieben und erstmal gesund werden. Jetzt geht das ja nicht. Ich bin Mutter, ich muss Mutter sein...Natürlich hatte meine Therapeutin im Vorfeld gefragt, weil es ja wieder ein Umbruch sei. Aber ich fühlte mich bereit und hatte wenig Sorge. Jetzt denke ich, dass ich einfach keine Ahnung hatte, was auf mich zukommt.
Ja, das ist meine Situation. Ich will es so sehr schaffen in der MuKi Klinik, traue es mir aber nicht zu...in der Akutpsychiatrie hier sehe ich aber auch kein Weiterkommen. Wieder so aussichtslos alles und ich kann bald nicht mehr. Es ist so anstrengend.
Es ist ein sehr langer Text geworden. Ich hoffe, jemand nimmt sich die Zeit, ihn zu lesen und hat ein paar aufmunternde Worte für mich. Danke!
Liebe Grüße
Judith
ich freue mich nun Mitglied in der Runde zu sein, wenn auch der Anlass natürlich nicht so schön ist. Ich habe seit einiger Zeit schon viel im Forum gestöbert. Das hat oft geholfen, ehrlicherweise aber manchmal auch verunsichert ("bei mir ist alles ganz anders, schlimmer... Etc.).
Ich stelle mich mal kurz mit meiner Geschichte vor.
Seit der Geburt meines Sohnes Ende letzten Jahres ging es mir eigentlich nicht mehr richtig gut/war ich nicht mehr ich selbst. Die Geburt selbst war für mich schon sehr schwer zu ertragen, da ich generell ein eher ängstlicher Mensch bin und es kam unter der Geburt zeitweise zu einer Verschlechterung der Herztöne, weil die PDA leider falsch gesetzt wurde und ich dadurch vorübergehend bis einschließlich der Arme gelähmt war und der Kleine zu schnell zu tief ins Becken gerutscht ist. Ich musste auch kreislaufstabilisierende Medikamente gespritzt bekommen, da der Blutdruck in den Keller getauscht ist. Dann bestand bis eine Stunde vor Geburt die Gefahr eines Kaiserschnittes. Als er da war, war ich erstmal erleichtert und froh. Ich kann aber nicht sagen, dass ich ein unfassbares Glücksgefühl empfunden habe. Er ist ein Wunschkind und in der Schwangerschaft habe ich mich auch auf ihn gefreut, wobei oft auch ein mulmiges Gefühl da war, wie das so werden wird, was bestimmt die meisten mal haben.
Ich war dann noch zwei Tage in der Klinik, wo ich dann bis mein Verlobter zu Besuch kam, nicht wirklich viel machen konnte außer stillen. Aufs Klo, essen, schlafen ging nicht weil der Kleine sofort unruhig wurde, was mich total verunsichert hat. Habe dann quasi 48h nicht geschlafen und bin sehr erschöpft nach Hause gekommen. Auf der Fahrt gingen die höllischen Kopfschmerzen los (durch die Fehllage der PDA), die fünf Tage anhielten. Danach dann endlich mal keine Schmerzen, jetzt kann man anfangen zu genießen. Stattdessen empfand ich irgendwie nichts und fühlte mich einfach nur komisch in meiner Haut.
Dazu kam eine Episode sehr großer Anspannung, die sich anfühlte wie meine erste Depression 2019. Damals war ich stationär und nach zwei Wochen ging es mir schon deutlich besser. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich die permanente Befürchtung, es käme wieder. Ich bin gut angebunden und habe sofort die Therapeutin kontaktiert. Wir haben engmaschig Sitzungen vereinbart. Trotzdem eskalierte der Zustand immer weiter. In meinem Umfeld stimmt alles, Mann, Job, Wohnung, Mutter in der Nähe, Hebamme, seit einem guten Jahr erfolgreiche Verhaltenstherapie..
Ich war von jeder kleinen Entscheidung überfordert: erst wickeln dann stillen? Po mit Feuchttuch abwischen oder Waschlappen? Habe unfassbar viel nachgelesen... Das ganze Mutter sein war für mich gefühlt extrem anstrengend und stressig. Ich weiß nicht, ob ich da schon in der Depression war, oder ob ich das im gesunden Zustand nicht ebenso empfunden hätte und es nicht sogar normal ist so zu fühlen am Anfang. Rational konnte ich mir immer sagen, dass es kein Hexenwerk ist, aber gefühlt habe ich es anders. Dazu kamen dann diese Episoden der Depersonalisation und Derealisation, ich fühlte mich komplett neben mir stehend, wie in Watte, habe unscharf gesehen, war gleichgültig, habe nur funktioniert. Diese Gefühllosigkeit meinem Kind gegenüber war und ist so schlimm. Es gab auch schöne Momente vor allem abends, in denen ich gemerkt habe, dass ich doch etwas empfinde, ich es teilweise genießen konnte, mich gefreut habe und zuversichtlich war, dass es schon werden wird. Aber leider hat das Schlechte zusehends überwogen. Ich bin bereits in allen möglichen Techniken geschult, Gedankenstop, Umstrukturierung, Achtsamkeit, Entspannungsübungen, Ablenkung durch angenehme Aktivitäten. Das habe ich alles versucht...aber die Angst war stärker. Letztlich war es vermutlich eine selbsterfüllende Prophezeiung. Die Angst, dass meine Erkrankung wieder kommt zusammen mit dieser speziellen Situation nach der Geburt haben es eskalieren lassen, bis ich im Ausnahmezustand war. Nichts ging mehr. Um meinen Sohn konnte ich mich nicht kümmern. Durch den Stress ließ auch die Milchbildung nach, was weiteren Stress gemacht hat. Ich saß am Ende nur noch stillschweigend da, voller Panik, in meinen Gedankenkreisen. Kein ein noch aus. Ich muss in die Psychiatrie, aber wie soll das gehen. Ich kann mein Kind nicht alleine lassen... Es gibt keine Lösung.
Dann bin ich in die Psychiatrie gegangen, alleine. Den Koffer zu packen habe ich fast nicht geschafft. Es war komplett überfordernd. Mein Mann musste mir sagen was ich einpacken solle. Er hat auch Mutter Kind Kliniken kontaktiert und Vorgespräche vereinbart.
Jetzt bin ich seit drei Wochen hier. Letzte Woche war es ganz gut. Dann wurde über Entlassung gesprochen. Sodass ich zu Hause wäre bis ein Platz in der MuKi Klinik frei wird. Ich habe mich gefreut. Dann aber kam der Absturz. Seit dieser Woche ist alles wieder da trotz Medikation (150mg Sertralin, seit letzter Woche Montag in dieser Dosis, 75-25-100mg pregabalin, olanzapin 5mg zur Nacht). Ich zweifle an allem...Und bin jetzt eigentlich überzeugt, dass es meine Gedanken sind, die alles aufrecht erhalten. Ich mache mir so viel Druck, dass es schnell besser werden muss und schaffe es nicht diesen Druck abzubauen. Auch die Therapien, meine eigenen Bemühungen, dieser kognitiven Kampf den ich führe, nichts hilft. Mittlerweile denke ich, dass ich diese Krankheit haben will, um mich nicht den kommenden Herausforderungen zu stellen. Oder dass ich so bleiben werde, dass es mein neues Ich ist und wie soll das so überleben? Selbst ein Einkauf im DM scheint unmöglich. Mitte der Woche kam dann die Nachricht, dass ich einen Platz in Wiesloch habe für kommende Woche. Was eigentlich ein Grund zur Freude wäre, war und ist für mich jetzt weiter Stress, dass ich fit sein muss, weil ich mich dort ja um mein Kind allein kümmern muss. Alles ist nur noch Stress. Ich lebe in einer permanenten Panikattacke, die mich komisch werden lässt. Ich rede komisch, bewege mich komisch... Von außen merkt man es aber nicht. Ich wirke funktional und bin doch von jeder Kleinigkeit überfordert. Essen ist auch fast unmöglich. Meine körperlichen Bedürfnisse nehme ich nur selten wahr...
Dieser Zustand ist derselbe meiner letzten Episode. Nur die Rahmenbedingungen sind andere. Der Auslöser damals war der anstehende Berufseinstieg, dieser Umbruch im Leben. Ich konnte damals alles einfach verschieben und erstmal gesund werden. Jetzt geht das ja nicht. Ich bin Mutter, ich muss Mutter sein...Natürlich hatte meine Therapeutin im Vorfeld gefragt, weil es ja wieder ein Umbruch sei. Aber ich fühlte mich bereit und hatte wenig Sorge. Jetzt denke ich, dass ich einfach keine Ahnung hatte, was auf mich zukommt.
Ja, das ist meine Situation. Ich will es so sehr schaffen in der MuKi Klinik, traue es mir aber nicht zu...in der Akutpsychiatrie hier sehe ich aber auch kein Weiterkommen. Wieder so aussichtslos alles und ich kann bald nicht mehr. Es ist so anstrengend.
Es ist ein sehr langer Text geworden. Ich hoffe, jemand nimmt sich die Zeit, ihn zu lesen und hat ein paar aufmunternde Worte für mich. Danke!
Liebe Grüße
Judith