PPD? Stress?

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Blue

PPD? Stress?

Beitrag von Blue »

Hallo,

Ich wollte mich mal kurz vorstellen und hoffe hier einige Antworten zu finden. Sorry lang und danke fürs lesen. :wink:

Zu unserer Situation:

Im Oktober kam unsere Tochter zur Welt. Die Geburt war nicht einfach und sehr schnell (Beckenendlage, spontan Geburt nach Einleitung, anschließender OP, weil die Plazenta nicht kam). Kaiserschnitt wollte ich nicht, weil ich Angst hatte, dass durch die Trennung die Bindung verloren geht. Durch die OP hatte ich dann doch eine 2 stündige Trennung nach der Geburt und im Nachhinein wusste ich überhaupt nichts mit ihr anzufangen als ich dann endlich zu ihr durfte. Ich kann mich auch kaum daran erinnern, dass sie bei mir war für einen kurzen Moment.

Sie ist ein Wunschkind und in der Schwangerschaft hatte ich bereits ständig Angst, Angst dass ihr was zustösst, aber auch Angst, dass ich keine Bindung zu ihr aufbauen kann, weil mir das in der Schwangerschaft bereits sehr schwer viel. Ich hatte auf die Zeit nach der Geburt gehofft, aber so richtig kommt da nichts: keine überschwängliche Liebe von der man so hört.

Im krankenhaus wollte sie dann nicht wirklich trinken und schrie mich immer an bis sie dann ein Fläschchen bekam. Ansonsten schlief sie viel. Die Geburt war wohl sehr anstrengend für sie. Im Wochenbett kamen dann weitere Probleme hinzu: starke körperliche Schwäche meinerseits plus extrem Probleme beim stillen: später Milcheinschuss, starke Schmerzen und das Gefühl alles falsch zu machen. Ich hatte so starke Schmerzen, dass ich nur noch weinte und hoffte, dass sie noch ein bisschen weiterschläft, damit ich nicht stillen musste. Oft entwich mir auch lautstark ein Schmerzensschrei. Sie wurde dadurch zunehmend nervöser und dadurch auch anstrengender. Nach 3 Monaten bat ich eine Stillberaterin um Hilfe, die mir anfänglich helfen konnte und mir Zuversicht schenkte. Die Schmerzen kamen aber schnell wieder: meine Frauenärztin konnte oder wollte mir nicht helfen, meine Hebamme hielt die Schmerzen für normal. Die Lösung kam in Form einer Creme, die ich mir selbst verordnete.

Ich hoffte, dass nun alles besser werden würde, die Anspannung und der Stress verfliegen würden, aber leider passierte das nicht. Sie ist wirklich ein liebes und süßes Kind und lacht auch viel und eigentlich gibt es gar keinen Grund für mein Verhalten.

Ich verzweifle regelrecht, wenn sie wieder mal nicht schlafen will und mich stattdessen freudestrahlend anlächelt, wenn sie nachts Stunden wach liegt, weil das einschlafen nicht klappt, weil mein Mann und der Hund nicht geräuscharm schlafen können (inzwischen ausquartiert). Ich werde dann extrem wütend auf die Situation und ungerecht. Oft schnappe ich sie mir energisch und „brülle“ sie an, um sie dann wieder energisch zurückzulegen. Meist lacht sie dann und hält es für ein Spiel, was mich noch wütender macht und ich dann den Raum verlassen muss. Ich liege selbst stundenlang wach, weil ich grüble, weine oder wütend bin. Oft alles gleichzeitig.
Ich werde wütend, wenn sie mich nicht auf Toilette gehen lässt oder wenn ich kurz in die Küche gehen will, um ihr Essen zu machen. An duschen ist gar nicht zu denken. Wenn sie beim Essen rumspielt und alles einsaut. Wenn sie dann lacht, weil ich schimpfe und sie es gar nicht versteht.

Meist bin ich hinterher dann furchtbar traurig und hasse mich selbst für meine Wut und denke ständig, dass ich das alles nicht kann und falsch mache, dass sie mich nicht verdient hat. Dass sie mich bestimmt nicht mag. Ich frage mich warum das bei allen anderen so leicht klingt und aussieht. Warum es mir so schwer fällt ihr Schreien und meckern zu ertragen. Ich traue mich kaum raus, weil ich Angst habe, dass sie dann schreit und alle Augen auf mich gerichtet sind während ich versuche sie zu beruhigen. Wieso kann ich nicht einfach in jeder Situation Verständnis für sie haben?

Ich weiß, dass ich extrem gestresst bin und vorher auch schon war. Arbeit, Corona und daraus resultierende Isolation, selbstständigkeit von meinem Mann und finanzielle sowieso körperliche Sorgen (Schmerzende Brüste, Inkontinenz, Haarausfall und noch ein paar andere Sachen, die ich abklären muss). Daher weiß ich nicht, ob es einfach nur Stress und Schlafmangel sind, die mich so zweifeln und verzweifeln lassen oder ob da mehr dahinter steckt. Hinzukommt, dass ich glaube ich geistig unterfordert bin. Vorher musste ich sehr viel durch meinen Kopf jagen und jetzt gucke ich ihr den ganzen Tag zu wie sie Löffel auf den Tisch klopft oder zu krabbeln versucht. Gleichzeitig kann ich aber auch nichts anderes machen. :cry:

Ich will so nicht mit ihr umgehen, ich will nicht wütend werden und sie anbrüllen, ich will ihr nicht den Leistungsdruck aufbürden, der auf mir liegt. Ich will auch meinen Mann nicht so behandeln. Er tut so viel wie er kann, aber ist oft und lange arbeiten und wenn er frei hat, muss er für eine Prüfung lernen. Unterstützung hält sich in Grenzen und ist auch in Zukunft nicht in Sicht.

Wie soll das weitergehen, wenn sie dann wirklich mal anstrengend werden sollte? Wir wollten eigentlich noch ein zweites Kind, aber wie soll das gehen? Ich denke, dass ich sie im Grunde liebe, aber die Gefühle sind irgendwo verbuddelt oder blockiert. Meine Angst, dass ihr was zustößt ist über die Maßen groß, also muss es so sein, oder?

Ich hoffe im Forum darauf mich erstmal anonym austauschen zu können und zu gucken, ob es wirklich eine Depression sein könnte, oder ob ich einfach wirklich nur schlechte Charaktereigenschaften habe. Ich möchte das alles nicht für meine Tochter und kann mich inzwischen oft zusammenreißen, aber eben nicht immer. Ich möchte ihr nicht weh tun oder seelisch verletzen. Sie soll behütet und fröhlich aufwachsen können!!

LG Blue
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Marika
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Re: PPD? Stress?

Beitrag von Marika »

Liebe Blue - herzliche Willkommen!

Es tut mir leid, dass sich noch niemand gemeldet hat - aber im Sommer dauert es öfter mal etwas mit einer Antwort. :wink:

Also eines bin ich mir sicher: du hast keinen schlechten Charakter, du bist einfach überlastet. Du hast viel mitgemacht - bei der Geburt, beim Stillen und dann auch dass man dich gerade beim Stillen ziemlich alleine gelassen hat. Der Stress den dein Mann als Selbständiger hat kann ich sehr gut nachvollziehen - bei uns war das auch genau so. Und dieser Stress überträgt sich auf uns Frauen, oft hat man das Gefühl total alleine mit dem Kind da zu stehen. Man kann gar nichts mehr tun - wie du schreibst nicht mal mehr alleine auf die Toilette gehen.

Deine Frage "warum kann ich nicht in jeder Situation Verständnis für sie haben" ist leicht zu beantworten: weil das nicht möglich ist - wir sind Menschen und keine Maschinen. Keine Mutter und kein Vater der Welt sind immer verständnisvoll und handeln pädagogisch wertvoll. Das ist eine total überzogene Moralische Vorstellung an der man nur scheitern kann.

Für mich hört es sich so an, dass du so gut wie keine Auszeiten für dich alleine hast. Ist das so? Wenn nein, dann ist das ein ganz wichtiger Faktor an dem du unbedingt was ändern solltest. Du brauchst ZEIT FÜR DICH ALLEINE - ohne Kind. Kannst du deine Kleine auch mal abgeben? Mit Freunden etwas unternehmen? Mit deinem Mann alleine mal weg gehen? Klar es war jetzt Corona da sind viele Dinge nicht möglich gewesen. Trotzdem brauchst du Auszeiten. Wie sieht es das aus?

Es ist wichtig und richtig, dass du deine körperlichen Symptome abklären lässt. Im Zuge dessen könntest du auch deine psychische Verfassung ansprechen. Evtl. steckt auch die Schilddrüse hinter einigen Symptomen.

Ich hoffe, es melden sich noch weitere Frauen - schon der Austausch hier kann viel helfen! Fühl dich auf jeden Fall wohl und verstanden hier.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Mel
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Re: PPD? Stress?

Beitrag von Mel »

Hallo Blue,
Wie schön, dass du hierher gefunden hast.
Natürlich hast du keinen schlechten Charakter!
Es ist gut, dass du alles abklären lässt- letzendlich ist ganz egal ob und welche Diagnose, Hauptsache dir wird geholfen. Mach dir bitte keine Selbstvorwürfe! Du bemerkst und reflektierst dein Verhalten und deine Gefühle, das ist ein großer erster Schritt. Weißt du, meine Cousine hat mich vor ein paar Tagen mit ihrem Baby besucht. Sie ist ganz gesund, aber sie sagt, die ersten Monate waren für sie wirklich schwierig- durch Corona, aber auch durch die Situation alleine zu Hause, da ihr Mann zurzeit durch sein Studium sehr eingespannt ist. Und Eltern zu werden ist ein besonderes Lebensereignis, das viel Veränderung ins Leben bringt. Alles muss sich neu finden, und für viele Eltern ist alleine diese riesige Veränderung ein Umbruch und somit auch manchmal ein Trauma oder eine Krise. Ich würde eher sagen, die Krise ist der Normalfall und es ist eher die Ausnahme, wenn ALLES rund läuft.
Was ich nicht so ganz heraus gelesen habe: Wie alt ist deine Tochter jetzt?
Und ja, das mit der geistigen Unterforderung habe ich auch empfunden und sicherlich viele andere Eltern in den ersten Lebensjahren ebenso.
Viele liebe Grüße
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Blue

Re: PPD? Stress?

Beitrag von Blue »

Hallo ihr lieben!!

Vielen Dank schon mal für euren Zuspruch!!!

Das mit der Schilddrüse hab ich auch schon mal in Erwägung gezogen. Vielleicht kann ich mich zu einem Blutbild durchringen, zum Arzt zu gehen war noch nie leicht für mich.

Ich weiß natürlich, dass es auch bei anderen nicht immer rund läuft, aber gerade meine Wut macht mir unendlich Angst. Auch weiß ich eben nicht wie ich gefühlsmäßig ihr gegenüber überhaupt drauf bin. :( Sie ist im übrigen 8 Monate alt.
Ich denke, dass sicherlich einfach auch unglaublich viele Faktoren zusammenlaufen, daher bin ich mir ja so unsicher. Ich weiß aber auch, dass ich an nichts mehr Spaß habe und generell meine Gefühlswelt eher in Richtung Leere und Kaltherzigkeit tendiert. Je länger ich darüber nachdenke, frage ich mich, ob ich vorher eigentlich anders war und ob das jetzt einfach nur deutlicher wird. Ist irgendwie schwer zu beschreiben. Ich denke, dass ich, wenn die Schilddrüse nichts ergibt, nicht um eine professionelle Meinung drum herum komme.

Ich bin auch extrem perfektionistisch veranlagt und bin es gewohnt viele Dinge zu kontrollieren und zu bestimmen. Das spielt sicher auch alles eine Rolle. Die kleine Maus ist da mein Gegenspieler :roll:

Fakt ist: so wie es jetzt ist, geht es mir/uns nicht gut. Ich sitze so oft abends weinend an ihrem Bett oder auf der Couch. Es ist irgendwie ein winzig kleines Ventil für die permanente Anspannung. Oft kann ich gar nicht sagen, warum eigentlich.

Zeit für mich oder uns gibt es im Grunde gar nicht. Ich versuche es immer wieder, aber es klappt nicht. Da ich auch noch stille, kann man mir bestimmte Dinge auch einfach nicht abnehmen. Auch lässt sie sich in der Regel nur von mir beruhigen, mein Mann wird nur angebrüllt :P ist aber auch klar, er war einfach zu selten bisher da und konnte nicht helfen. Die nächtliche räumliche trennung (die aber derzeit echt notwendig ist, damit nicht alles eskaliert) belastet mich auch enorm. Denn dadurch bin ich ja nicht mehr nur tagsüber alleine, sondern auch nachts. :!:

Ab und an kann ich zu meinen Schwiegereltern, aber in der Vergangenheit war das eher anstrengend als hilfreich. In letzter Zeit wird das allerdings besser und ich auch etwas entspannter in der Situation. Hat gar nichts mit ihnen zu tun, sondern nur mit mir.

Es ist auf jeden Fall schön sich einfach auch mal
Mitteilen zu können und nicht auf taube Ohren zu stoßen. Von anderen hört man da recht schnell, dass man sich doch einfach mal entspannen soll und was für ein liebes Kind sie doch ist (was ich natürlich weiß). Hilft so gar nicht, denn entspannen schaffe ich nicht, egal wie oft mir das jemand sagt. Bei der Charakterfrage habt ihr hoffentlich recht!!

Ich versuche jetzt mal zu schlafen. ist schon wieder viel zu spät geworden heute.

Lg an euch

Blue
Blue

Re: PPD? Stress?

Beitrag von Blue »

Kleines Update: ich hab inzwischen alles checken lassen. Blutwerte waren alle in Ordung. Durch Kontakte konnte ich zudem mit einem Psychologen sprechen. Diagnose: atypische Depression. Was das jetzt bedeutet für mich werd ich dann sehen müssen. Aber erstmal hat das Kind einen Namen. Ich hoffe, dass es von nun an bergauf geht. Liebe Grüße, Blue.
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