Ziemlich spät erkannte postpartale Depression

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Erna

Ziemlich spät erkannte postpartale Depression

Beitrag von Erna »

Huhu,

ich wurde auf diesen Verein und das Forum aufmerksam gemacht von einer Krisenhilfe, an die ich mich per Mail gewandt habe. Ich bin froh, dass es für das, was ich erlebe und fühle einen Namen gibt und ich nicht alleine bin. Auch, wenn ich niemandem wünsche, so etwas erleben zu müssen, beruhigt es mich dennoch, dass ich anscheinend nicht einfach nur ein wahnsinnig schlechter Mensch bin.

Ich bin (noch) nicht diagnostiziert, bin mir aber ziemlich sicher, dass es sich bei mir um eine PPD handelt und habe auch nach meiner Schilderung relativ schnell einen Termin in einer spezialisierten Psychologenpraxis bekommen.

Ich möchte meine Geschichte hier einmal schildern.

Ich wollte eigentlich nie Kinder. Ich hab auch erst relativ spät, da war ich schon Mitte 30, meinen jetzigen Partner kennengelernt. Diesen habe ich auch geheiratet, obwohl ich auch das nie wollte. Kurzum: Mit ihm war alles anders. Ich wollte auf einmal heiraten und konnte mir mit ihm auch auf einmal vorstellen, ein Kind zu bekommen. Wir wollten von vorn herein nur ein Kind. Ich wurde auch relativ schnell schwanger. Ich glaube, für mich war es gefühlt zu schnell, obwohl ich damals kaum abwarten konnte, endlich schwanger zu sein.

Meine Schwangerschaft war weitestgehend unkompliziert und ich habe mich auf das Kind gefreut. Am Ende jedoch habe ich eine Präeklampsie entwickelt und musste eingeleitet werden. Die Geburt war eine reine Katrastrophe. Details will ich gar nicht nennen, aber durch eine Verkettung von echt doofen Umständen und Fehlern des Kreißsaalpersonals endete die Geburt in einem für mich extrem traumatischen Notkaiserschnitt, bei dem ich fast mein Leben verloren hätte.
Da ich anschließend notoperiert werden musste, wurde meine Tochter zunächst meinem Mann übergeben, der alles im Kopf hatte, aber nicht, sich um das kleine Wesen angemessen zu kümmern. Er hatte dafür schlicht keine emotionalen Kapazitäten, denn er wusste auch während meiner gesamten Operationszeit nicht, ob ich das überlebe.
Seltsamerweise, trotz der widrigen Umstände, konnte ich sie sofort annehmen und habe mich nicht komisch mit ihr gefühlt.

Die ersten Monate waren schlimm für mich. Meine Tochter hat extrem viel geschrien und ich sehr, sehr viel geweint und damals schon oft gedacht, dass ich es bereue, überhaupt schwanger geworden zu sein. Das ganze erste Jahr war einfach nur ätzend.
Meine Tochter blieb einfach immer kompliziert, launisch, willensstark und eigensinnig. Nichts ist unkompliziert mit ihr. Es ist einfach immer ein Kampf. Egal was. Momentan ist sie 1,5 Jahre alt und ist extrem launisch. Zu Hause ist es kaum aushaltbar mit ihr. Draußen ist es besser. Aber ich habe das Gefühl, ich befinde mich den ganzen Tag auf der Flucht und bin immer nur angespannt. Ich renne ziellos draußen rum. Ich hab überhaupt keinen Bock, draußen rumzulaufen permanent. Man kann auch mit ihr nichts wirkliches machen. Sie übergibt sich beim Autofahren, also sind großartige Besuche bei der Familie nicht drin. Die wohnen alle recht weit entfernt. Ansonsten läuft sie überall weg und es gibt tatsächlich in der Großstadt, in der ich wohne, keinen einzigen ausbruchsicheren Spielplatz. Sie ist mit NICHTS zu beschäften was sie spannender findet als die Gegend SEHR weiträumig zu erkunden. Um an Plätze zu kommen, wo sie das gefahrlos könnte, müsste ich Auto fahren....

Ich habe zum Austausch nur eine Online-Muttigruppe. Ich erwische mich oft dabei, extrem neidisch zu sein. Ich sehe schöne Fotos aus dem Freibad, vom Spielplatz, aus dem Urlaub, sonstwo.. und immer muss ich dazu sagen: "Mit meiner Tochter wäre das nicht möglich". Möglich ist alles, ja.
Ich könnte auch in den Urlaub fahren. Wenn ich Lust habe auf ein kotzendes Kind im Auto und einen Aufenthalt am Urlaubsort, der mit nem weglaufenden Kind, die "Diskussion" darüber und den darauffolgenden Wutanfällen gefüllt werden soll.
Ich habe hier keine Freunde, die nicht arbeiten. So bin ich auch den ganzen Tag alleine mit dem Kind. Corona hat die Situation auch nicht besser gemacht.

Da ich erfolglos war in der Traumaaufarbeitung, weil ich wegen Corona keine Termine bekommen habe, war ich zwischendurch bei einer Familienberaterin, die quasi zu mir sagte: "Sie haben doch alles, einen unterstützenden Partner, eine unterstützende Familie, Sie sind gebildet, haben finanzielle Mittel.."
Heute frage ich mich, warum sie mich eigentlich nicht darauf aufmerksam gemacht hat, was los sein könnte.

Man mag es nicht glauben, aber ich liebe meine Tochter. Wirklich. Ich hasse nur alles, was mit meiner Mutterrolle zu tun hat. Ich bringe es nichtmal fertig zu anderen zu sagen: "Ich bin Mutter". Alleine das löst in mir wahnsinnige Beklemmungen aus. Ich vermisse meine Freiheiten extrem. Ich fühle mich einfach nur noch leer. Ich habe meine gesamte Leichtigkeit verloren. Ich bin den ganzen Tag nur noch angespannt.
Ich schaue mein Kind an und ich finde es wundervoll. Aber ich denke im selben Moment: "Ich hätte dich niemals bekommen dürfen, ich hab einen riesigen Fehler gemacht, diese Entscheidung hat mein Leben zerstört".
Diese Ambivalenz macht mich vollkommen fertig. Wie kann man ein so schlechter Mensch sein, sowas zu denken??
Ich weiß auch inzwischen, dass es nicht meine Tochter ist, die Schuld ist. ICH bin es. Sie ist halt anspruchsvoll. Das darf sie auch sein. Sicherlich hilft ihr das später auch mal weiter. Das Problem liegt bei mir. Ich habe es einfach nie geschafft, mich an diese Mutterrolle zu gewöhnen geschweige denn, sie zu mögen. Ich hasse einfach alles, was damit zu tun hat und will am liebsten mein altes Leben zurück.
Icch fühle mich so unglaublich schlecht, weil ich solche Gedanken habe. Ich weine oft. Obwohl ich eigentlich extrem weit weg vom Wasser gebaut bin. Oder war.. bevor ich in diesem Zustand war. Ich bin kein emotionaler Mensch und dennoch weine ich und bin oft tieftraurig und funktioniere nur.

Ich habe seit Jahren ein chronisches Schmerzsyndrom, was sich seit der Geburt dramatisch verschlimmert hat. Zusätzlich eine Schuppenflechte, die sich ebenfalls deutlich verschlechtert hat.
Und, für mich emotional am schlimmsten: Ich hab nach der Schwangerschaft noch 10kg mehr als vorher gehabt und dachte, dass ich die locker wieder verlieren kann, weil ich ein aktiver und sportlicher Mensch bin.. Nunja, ich hab bis jetzt noch zusätzliche weitere 15 Kilo zugenommen, weil ich ein Traurigkeitsesser bin. Ich hab also insgesamt 25kg mehr auf den Rippen und fühle mich entsetzlich. Und obwohl ich genau weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert, schaffe ich es nicht.. Weil mich meine Leere immer wieder einholt.

Ich habe einfach jeden Tag das Gefühl, dass ich bald platze und das nicht mehr lange aushalten kann.

Das war jetzt lang und beschreibt nichtmal annähernd alles, was gerade in meinem Kopf vor sich geht.
Danke an diejenigen, die das bis hier hin durchgelesen haben. Ich hoffe hier auf einen Austausch, damit ich weiß, dass ich nicht alleine bin.

Liebe Grüße
Erna
Irene
Beiträge: 76
Registriert: 18:12:2020 8:22

Re: Ziemlich spät erkannte postpartale Depression

Beitrag von Irene »

Liebe Erna,

ich bin eigentlich meistens nur stille Mitleserin, aber ich möchte dich gern im Forum begrüßen. Schön, dass du den Weg hergefunden hast und dich uns anvertraust. Ich kann viele Gefühle die du hast nachempfinden, denn ich habe sie manchmal auch. Nicht bei meinem ersten Kind, aber bei meinem zweiten. Ich vermisse die Zweisamkeit mit meiner Großen oft so sehr, dass ich gern die Zeit zurückdrehen möchte, als wir noch zu dritt waren. Aber das sind immer nur Momentaufnahmen. An einem anderen Tag denke uns fühle ich nicht so. Diagnostiziert wurde die Depression vor vier Jahren, da war meine Tochter 2,5 Jahren. Seit dem nehme ich ein Medikament welches mir hilft stabil zu bleiben. Sobald ich es absetzte, kommen die Symptome zurück. Ich habe auch zwei Jahre Therapie gemacht und war gefühlt wieder die Alte aber mit der Geburt meines Sohnes kam es zurück und damit die gedanken. Mittlerweile hab ich es wieder gut im griff. Verurteile deine Gedanken nicht. Es sind nur Gedanken und auch sie brauchen Raum. Das du den Weg der Therapie suchst, ist perfekt. Das wird dir helfen. Und vielleicht entscheideat du dich als Unterstützung ein Medikament zu nehmen. Du findest hier sicher einige erfahrungsberichte zu dem Thema. Du hast ein Recht darauf glücklich zu sein und das wirst du auch wieder. Die ersten drei Jahre mit Kleinkind sind einfach wahnsinnig fordernd!! Aber alles wird wieder gut/ besser! Fühl dich umarmt!
agitierte Depression, Anpassungsstorung, PPD
Hallo123
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Re: Ziemlich spät erkannte postpartale Depression

Beitrag von Hallo123 »

Hallo und herzlich Willkommen im Forum von mir.

Du wirst hier auf viele Frauen treffen, die dich verstehen und Ähnliches durchgemacht haben. Mir hat das sehr geholfen.ivh fühlte mich dann nicht mehr wie eine Aussetzige.

Zu aller erst möchte ich erwähnen, dass du keine schlechte Mutter bist.
Ich vermute einfach, dass die ganzen Umstände (traumatische Geburt, Schreikind,Schmerzen) und der Hormonumschwung zu der PPD geführt haben. Erst wenn du innerlich zur Ruhe kommst, wirst du das Muttersein genießen können. Derzeit ist dein Körper wohl immernoch in Alarmbereitschaft/ Fluchtmodus aufgrund der Umstände. Mein Kind war auch ein Schreikind. Zur Ruhe kam ich erst später und erst jetzt kann ich das Muttersein mit 2 Kindern langsam langsam annehmen und genießen. Mein Kind wird jetzt 2 Jahre alt.

Weißt du...als ich mein 1. Kind bekam war für mich die Mutterrolle eine Erfüllung. Ich fühlte mich wie Supermutti. Alles war einfach und absolut nicht anstrengend, selbst wenn meine Tochter mal krank war oder bockig.
Beim 2. Kind war alles anders...
Ich wünschte mir die Zeit zu 3. Zurück.
Innerlich war ich ständig angespannt. Meine Knie wurden ständig weich. Panikattacken und Schlafmangel haben mich fertig gemacht.
Und den Schlafmangel mit dem schreienden anstrengenden Kind gehen an die Substanz. Man ist eigentlich nur noch wie ein Roboter, der tut,was er soll, Mehr aber auch nicht. So empfand ich das. Wie bleibt da Zeit etwas zu genießen? Wenn man ständig angespannt ist?
Man darf auch Mal meckern, denn mit einem Kind ist die Welt nicht immer rosarot. Das weiß ich jetzt auch.

Meine Kinder rennen auch weg und schreien und werfen sich auf den Boden. Aber keiner spricht darüber ! Vergiss nicht, dass diese Fotos nur Momentaufnahmen sind. Wahrscheinlich haben die Kinder nach den Aufnahme ihre Eltern zur Weißglut gebracht ;) das ist wie bei Instagram, niemand macht ein Foto davon,wenn das Kind bockig ist oder weint
Ich verstehe jedoch deinen Neid. Den fühlte ich auch sooo extrem. Wir konnten nie etwas unternehmen, was etwas weiter weg war. Ich war selbst auch einfach nicht in der Lage dazu.

Es hat dich leider getroffen und das ist schade.
Aber... Du hast den ersten Schritt schon unternommen und hast dir Hilfe bzw. Einen Termin beim Arzt geholt. Das ist super

Und was richtig toll ist,dass du dein Kind trotz der schlimmen Geburtserfahrung annehmen konntest. Ich kann dir von mir sagen, dass es wirklich ein Segen ist.

Es wird besser, sobald die Hilfe da ist und du eventuell medikamentöse und psychologische Hilfe hast. Das ist der erste Schritt zum Gesundwerden.

Übrigens mit meinem 2. Kind ist es auch alles viel anstrengender und komplizierter gewesen, aber das lag auch an meiner Verfassung. Ich könnte die schönen Dinge einfach nicht sehen und fühlen und habe aufgrund meiner innerlichen Unruhe alles nur negativ in Erinnerung. Erst als ich mir Videos und Fotos anschaute von damals, sah ich, dass mein Kind ja doch Mal süß und ruhig gewesen ist. Ich es aber so damals nicht wahrgenommen habe.

Ich weiß nur, dass es nicht unsere Schuld ist! Es hat uns getroffen. Niemand wünscht sich das oder Rechnet mit so etwas. So vieles kann zu einer PPD führen und dafür kann die Mutter einfach nicht dafür.
Wir haben uns das nicht ausgesucht.

Hast du Unterstützung um Mal etwas für dich zu tun? Kann dir jemand das Kind Mal abnehmen?
Zeit für sich zunehmen, ist wirklich wichtig um Mal wieder den Energietank aufzuladen.
Selbst ein Mittagsschlaf ist viel wert :)

Liebe Grüße
1. Kind: keine PPD, glücklich
2. Kind: PPD seit Geburt

Medikamente:

- Escitalopram 15 mg (ca 1,5 Jahre) -
》 Erhaltungsdosis heute bei 5 Trpf.
- Progesteron

Schilddrüsenmedikament - abgesetzt
Mirtazapin 7,5 - 15 mg - abgesetzt
Erna

Re: Ziemlich spät erkannte postpartale Depression

Beitrag von Erna »

Hallo ihr Lieben!

Danke für die Antworten und für den lieben Zuspruch!

Ja, ich habe Hilfe. Ich habe relativ gut erkannt, dass mir alles zu viel ist und ich mehr Zeit für mich brauche. Ich bin recht gut darin, meine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu benennen und auch einzufordern. Ich wusste also, dass es mir nicht gut geht. Ich wusste nur nicht warum.
Dementsprechend haben wir feste Papanachmittage, unterstützende Großeltern und einen Babysitter.
Die Nächte werden inzwischen fast ausschließlich von meinem Mann übernommen, da wir gemerkt haben, dass er 1. ohnehin weniger Schlaf braucht als ich und 2. deutlich besser wieder einschlafen kann.
Ich habe tatsächlich eine richtige Schlafstörung entwickelt, weil ich immer mit einem Ohr bei meiner Tochter war und super schlecht einschlafen konnte, weil ich immer dachte: "sie wacht gleich wieder auf".
Seitdem geht es mir auch deutlich besser, auch wenn ich selbst diese freie Zeit als zu wenig empfinde.

Was aber immer bleibt ist der Gedanke, dass ich dieses Kind nicht hätte bekommen sollen. Ich liebe sie, sie ist toll, sie wird sicher mal ein sehr selbstbewusster erwachsener Mensch. Und dennoch möchte ich einfach nicht Mutter sein. Ich würde sie vergöttern, wenn sie ein Kind einer Freundin wäre. Aber diese Verpflichtung, mich jetzt ein Leben lang um sie kümmern zu müssen, diese Einschränkungen hinnehmen zu müssen, nicht mehr einfach nur ich selbst sein zu können.. das macht mich fertig.
Ich war noch nie ein sehr mütterlicher Typ, daher wollte ich auch keine Kinder. Alle haben immer gesagt, dass sich das ändert, wenn man Kinder bekommt. NEIN, tut es nicht. Zumindest bei mir nicht.
Natürlich bekommt sie dennoch alles, was sie braucht. Auch Zuneigung. Sie kann ja nichts dafür. Aber ich FÜHLE einfach, dass ich mir selbst damit keinen Gefallen getan habe.

Und ich vermute, eins meiner größten Probleme ist, dass mein Kopf zwar weiß, dass das alles besser wird mit den Jahren, ich das aber nicht FÜHLE. Für mich fühlt es sich so an, als würde ich dieses Leben, was ich heute lebe, jetzt einfach für immer fühlen. Das kann mir noch so logisch erscheinen, dass ich irgendwann naturgegeben wieder mehr Freiräume habe. Es kommt bei mir nicht an. Es fühlt sich einfach an, als würde ich in 50 Jahren noch Windeln wechseln, nachts aufstehen müssen, immer auf Abruf bereit stehen, nicht einfach mal auf der Couch ne Runde netflixen können..
Das ist natürlich totaler Quatsch. Aber ich glaube, das ist wohl (bei mir?) Teil der Krankheit. Dass die Seele das nicht kapiert.

In einer Woche ist mein Termin. Mal sehen, was dabei raus kommt. Es scheint mir nciht ganz einfach zu sein, an so einen Termin zu kommen. Daher hoffe ich einfach das Beste.
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