Ziemlich spät erkannte postpartale Depression
Verfasst: 19:06:2021 13:28
Huhu,
ich wurde auf diesen Verein und das Forum aufmerksam gemacht von einer Krisenhilfe, an die ich mich per Mail gewandt habe. Ich bin froh, dass es für das, was ich erlebe und fühle einen Namen gibt und ich nicht alleine bin. Auch, wenn ich niemandem wünsche, so etwas erleben zu müssen, beruhigt es mich dennoch, dass ich anscheinend nicht einfach nur ein wahnsinnig schlechter Mensch bin.
Ich bin (noch) nicht diagnostiziert, bin mir aber ziemlich sicher, dass es sich bei mir um eine PPD handelt und habe auch nach meiner Schilderung relativ schnell einen Termin in einer spezialisierten Psychologenpraxis bekommen.
Ich möchte meine Geschichte hier einmal schildern.
Ich wollte eigentlich nie Kinder. Ich hab auch erst relativ spät, da war ich schon Mitte 30, meinen jetzigen Partner kennengelernt. Diesen habe ich auch geheiratet, obwohl ich auch das nie wollte. Kurzum: Mit ihm war alles anders. Ich wollte auf einmal heiraten und konnte mir mit ihm auch auf einmal vorstellen, ein Kind zu bekommen. Wir wollten von vorn herein nur ein Kind. Ich wurde auch relativ schnell schwanger. Ich glaube, für mich war es gefühlt zu schnell, obwohl ich damals kaum abwarten konnte, endlich schwanger zu sein.
Meine Schwangerschaft war weitestgehend unkompliziert und ich habe mich auf das Kind gefreut. Am Ende jedoch habe ich eine Präeklampsie entwickelt und musste eingeleitet werden. Die Geburt war eine reine Katrastrophe. Details will ich gar nicht nennen, aber durch eine Verkettung von echt doofen Umständen und Fehlern des Kreißsaalpersonals endete die Geburt in einem für mich extrem traumatischen Notkaiserschnitt, bei dem ich fast mein Leben verloren hätte.
Da ich anschließend notoperiert werden musste, wurde meine Tochter zunächst meinem Mann übergeben, der alles im Kopf hatte, aber nicht, sich um das kleine Wesen angemessen zu kümmern. Er hatte dafür schlicht keine emotionalen Kapazitäten, denn er wusste auch während meiner gesamten Operationszeit nicht, ob ich das überlebe.
Seltsamerweise, trotz der widrigen Umstände, konnte ich sie sofort annehmen und habe mich nicht komisch mit ihr gefühlt.
Die ersten Monate waren schlimm für mich. Meine Tochter hat extrem viel geschrien und ich sehr, sehr viel geweint und damals schon oft gedacht, dass ich es bereue, überhaupt schwanger geworden zu sein. Das ganze erste Jahr war einfach nur ätzend.
Meine Tochter blieb einfach immer kompliziert, launisch, willensstark und eigensinnig. Nichts ist unkompliziert mit ihr. Es ist einfach immer ein Kampf. Egal was. Momentan ist sie 1,5 Jahre alt und ist extrem launisch. Zu Hause ist es kaum aushaltbar mit ihr. Draußen ist es besser. Aber ich habe das Gefühl, ich befinde mich den ganzen Tag auf der Flucht und bin immer nur angespannt. Ich renne ziellos draußen rum. Ich hab überhaupt keinen Bock, draußen rumzulaufen permanent. Man kann auch mit ihr nichts wirkliches machen. Sie übergibt sich beim Autofahren, also sind großartige Besuche bei der Familie nicht drin. Die wohnen alle recht weit entfernt. Ansonsten läuft sie überall weg und es gibt tatsächlich in der Großstadt, in der ich wohne, keinen einzigen ausbruchsicheren Spielplatz. Sie ist mit NICHTS zu beschäften was sie spannender findet als die Gegend SEHR weiträumig zu erkunden. Um an Plätze zu kommen, wo sie das gefahrlos könnte, müsste ich Auto fahren....
Ich habe zum Austausch nur eine Online-Muttigruppe. Ich erwische mich oft dabei, extrem neidisch zu sein. Ich sehe schöne Fotos aus dem Freibad, vom Spielplatz, aus dem Urlaub, sonstwo.. und immer muss ich dazu sagen: "Mit meiner Tochter wäre das nicht möglich". Möglich ist alles, ja.
Ich könnte auch in den Urlaub fahren. Wenn ich Lust habe auf ein kotzendes Kind im Auto und einen Aufenthalt am Urlaubsort, der mit nem weglaufenden Kind, die "Diskussion" darüber und den darauffolgenden Wutanfällen gefüllt werden soll.
Ich habe hier keine Freunde, die nicht arbeiten. So bin ich auch den ganzen Tag alleine mit dem Kind. Corona hat die Situation auch nicht besser gemacht.
Da ich erfolglos war in der Traumaaufarbeitung, weil ich wegen Corona keine Termine bekommen habe, war ich zwischendurch bei einer Familienberaterin, die quasi zu mir sagte: "Sie haben doch alles, einen unterstützenden Partner, eine unterstützende Familie, Sie sind gebildet, haben finanzielle Mittel.."
Heute frage ich mich, warum sie mich eigentlich nicht darauf aufmerksam gemacht hat, was los sein könnte.
Man mag es nicht glauben, aber ich liebe meine Tochter. Wirklich. Ich hasse nur alles, was mit meiner Mutterrolle zu tun hat. Ich bringe es nichtmal fertig zu anderen zu sagen: "Ich bin Mutter". Alleine das löst in mir wahnsinnige Beklemmungen aus. Ich vermisse meine Freiheiten extrem. Ich fühle mich einfach nur noch leer. Ich habe meine gesamte Leichtigkeit verloren. Ich bin den ganzen Tag nur noch angespannt.
Ich schaue mein Kind an und ich finde es wundervoll. Aber ich denke im selben Moment: "Ich hätte dich niemals bekommen dürfen, ich hab einen riesigen Fehler gemacht, diese Entscheidung hat mein Leben zerstört".
Diese Ambivalenz macht mich vollkommen fertig. Wie kann man ein so schlechter Mensch sein, sowas zu denken??
Ich weiß auch inzwischen, dass es nicht meine Tochter ist, die Schuld ist. ICH bin es. Sie ist halt anspruchsvoll. Das darf sie auch sein. Sicherlich hilft ihr das später auch mal weiter. Das Problem liegt bei mir. Ich habe es einfach nie geschafft, mich an diese Mutterrolle zu gewöhnen geschweige denn, sie zu mögen. Ich hasse einfach alles, was damit zu tun hat und will am liebsten mein altes Leben zurück.
Icch fühle mich so unglaublich schlecht, weil ich solche Gedanken habe. Ich weine oft. Obwohl ich eigentlich extrem weit weg vom Wasser gebaut bin. Oder war.. bevor ich in diesem Zustand war. Ich bin kein emotionaler Mensch und dennoch weine ich und bin oft tieftraurig und funktioniere nur.
Ich habe seit Jahren ein chronisches Schmerzsyndrom, was sich seit der Geburt dramatisch verschlimmert hat. Zusätzlich eine Schuppenflechte, die sich ebenfalls deutlich verschlechtert hat.
Und, für mich emotional am schlimmsten: Ich hab nach der Schwangerschaft noch 10kg mehr als vorher gehabt und dachte, dass ich die locker wieder verlieren kann, weil ich ein aktiver und sportlicher Mensch bin.. Nunja, ich hab bis jetzt noch zusätzliche weitere 15 Kilo zugenommen, weil ich ein Traurigkeitsesser bin. Ich hab also insgesamt 25kg mehr auf den Rippen und fühle mich entsetzlich. Und obwohl ich genau weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert, schaffe ich es nicht.. Weil mich meine Leere immer wieder einholt.
Ich habe einfach jeden Tag das Gefühl, dass ich bald platze und das nicht mehr lange aushalten kann.
Das war jetzt lang und beschreibt nichtmal annähernd alles, was gerade in meinem Kopf vor sich geht.
Danke an diejenigen, die das bis hier hin durchgelesen haben. Ich hoffe hier auf einen Austausch, damit ich weiß, dass ich nicht alleine bin.
Liebe Grüße
Erna
ich wurde auf diesen Verein und das Forum aufmerksam gemacht von einer Krisenhilfe, an die ich mich per Mail gewandt habe. Ich bin froh, dass es für das, was ich erlebe und fühle einen Namen gibt und ich nicht alleine bin. Auch, wenn ich niemandem wünsche, so etwas erleben zu müssen, beruhigt es mich dennoch, dass ich anscheinend nicht einfach nur ein wahnsinnig schlechter Mensch bin.
Ich bin (noch) nicht diagnostiziert, bin mir aber ziemlich sicher, dass es sich bei mir um eine PPD handelt und habe auch nach meiner Schilderung relativ schnell einen Termin in einer spezialisierten Psychologenpraxis bekommen.
Ich möchte meine Geschichte hier einmal schildern.
Ich wollte eigentlich nie Kinder. Ich hab auch erst relativ spät, da war ich schon Mitte 30, meinen jetzigen Partner kennengelernt. Diesen habe ich auch geheiratet, obwohl ich auch das nie wollte. Kurzum: Mit ihm war alles anders. Ich wollte auf einmal heiraten und konnte mir mit ihm auch auf einmal vorstellen, ein Kind zu bekommen. Wir wollten von vorn herein nur ein Kind. Ich wurde auch relativ schnell schwanger. Ich glaube, für mich war es gefühlt zu schnell, obwohl ich damals kaum abwarten konnte, endlich schwanger zu sein.
Meine Schwangerschaft war weitestgehend unkompliziert und ich habe mich auf das Kind gefreut. Am Ende jedoch habe ich eine Präeklampsie entwickelt und musste eingeleitet werden. Die Geburt war eine reine Katrastrophe. Details will ich gar nicht nennen, aber durch eine Verkettung von echt doofen Umständen und Fehlern des Kreißsaalpersonals endete die Geburt in einem für mich extrem traumatischen Notkaiserschnitt, bei dem ich fast mein Leben verloren hätte.
Da ich anschließend notoperiert werden musste, wurde meine Tochter zunächst meinem Mann übergeben, der alles im Kopf hatte, aber nicht, sich um das kleine Wesen angemessen zu kümmern. Er hatte dafür schlicht keine emotionalen Kapazitäten, denn er wusste auch während meiner gesamten Operationszeit nicht, ob ich das überlebe.
Seltsamerweise, trotz der widrigen Umstände, konnte ich sie sofort annehmen und habe mich nicht komisch mit ihr gefühlt.
Die ersten Monate waren schlimm für mich. Meine Tochter hat extrem viel geschrien und ich sehr, sehr viel geweint und damals schon oft gedacht, dass ich es bereue, überhaupt schwanger geworden zu sein. Das ganze erste Jahr war einfach nur ätzend.
Meine Tochter blieb einfach immer kompliziert, launisch, willensstark und eigensinnig. Nichts ist unkompliziert mit ihr. Es ist einfach immer ein Kampf. Egal was. Momentan ist sie 1,5 Jahre alt und ist extrem launisch. Zu Hause ist es kaum aushaltbar mit ihr. Draußen ist es besser. Aber ich habe das Gefühl, ich befinde mich den ganzen Tag auf der Flucht und bin immer nur angespannt. Ich renne ziellos draußen rum. Ich hab überhaupt keinen Bock, draußen rumzulaufen permanent. Man kann auch mit ihr nichts wirkliches machen. Sie übergibt sich beim Autofahren, also sind großartige Besuche bei der Familie nicht drin. Die wohnen alle recht weit entfernt. Ansonsten läuft sie überall weg und es gibt tatsächlich in der Großstadt, in der ich wohne, keinen einzigen ausbruchsicheren Spielplatz. Sie ist mit NICHTS zu beschäften was sie spannender findet als die Gegend SEHR weiträumig zu erkunden. Um an Plätze zu kommen, wo sie das gefahrlos könnte, müsste ich Auto fahren....
Ich habe zum Austausch nur eine Online-Muttigruppe. Ich erwische mich oft dabei, extrem neidisch zu sein. Ich sehe schöne Fotos aus dem Freibad, vom Spielplatz, aus dem Urlaub, sonstwo.. und immer muss ich dazu sagen: "Mit meiner Tochter wäre das nicht möglich". Möglich ist alles, ja.
Ich könnte auch in den Urlaub fahren. Wenn ich Lust habe auf ein kotzendes Kind im Auto und einen Aufenthalt am Urlaubsort, der mit nem weglaufenden Kind, die "Diskussion" darüber und den darauffolgenden Wutanfällen gefüllt werden soll.
Ich habe hier keine Freunde, die nicht arbeiten. So bin ich auch den ganzen Tag alleine mit dem Kind. Corona hat die Situation auch nicht besser gemacht.
Da ich erfolglos war in der Traumaaufarbeitung, weil ich wegen Corona keine Termine bekommen habe, war ich zwischendurch bei einer Familienberaterin, die quasi zu mir sagte: "Sie haben doch alles, einen unterstützenden Partner, eine unterstützende Familie, Sie sind gebildet, haben finanzielle Mittel.."
Heute frage ich mich, warum sie mich eigentlich nicht darauf aufmerksam gemacht hat, was los sein könnte.
Man mag es nicht glauben, aber ich liebe meine Tochter. Wirklich. Ich hasse nur alles, was mit meiner Mutterrolle zu tun hat. Ich bringe es nichtmal fertig zu anderen zu sagen: "Ich bin Mutter". Alleine das löst in mir wahnsinnige Beklemmungen aus. Ich vermisse meine Freiheiten extrem. Ich fühle mich einfach nur noch leer. Ich habe meine gesamte Leichtigkeit verloren. Ich bin den ganzen Tag nur noch angespannt.
Ich schaue mein Kind an und ich finde es wundervoll. Aber ich denke im selben Moment: "Ich hätte dich niemals bekommen dürfen, ich hab einen riesigen Fehler gemacht, diese Entscheidung hat mein Leben zerstört".
Diese Ambivalenz macht mich vollkommen fertig. Wie kann man ein so schlechter Mensch sein, sowas zu denken??
Ich weiß auch inzwischen, dass es nicht meine Tochter ist, die Schuld ist. ICH bin es. Sie ist halt anspruchsvoll. Das darf sie auch sein. Sicherlich hilft ihr das später auch mal weiter. Das Problem liegt bei mir. Ich habe es einfach nie geschafft, mich an diese Mutterrolle zu gewöhnen geschweige denn, sie zu mögen. Ich hasse einfach alles, was damit zu tun hat und will am liebsten mein altes Leben zurück.
Icch fühle mich so unglaublich schlecht, weil ich solche Gedanken habe. Ich weine oft. Obwohl ich eigentlich extrem weit weg vom Wasser gebaut bin. Oder war.. bevor ich in diesem Zustand war. Ich bin kein emotionaler Mensch und dennoch weine ich und bin oft tieftraurig und funktioniere nur.
Ich habe seit Jahren ein chronisches Schmerzsyndrom, was sich seit der Geburt dramatisch verschlimmert hat. Zusätzlich eine Schuppenflechte, die sich ebenfalls deutlich verschlechtert hat.
Und, für mich emotional am schlimmsten: Ich hab nach der Schwangerschaft noch 10kg mehr als vorher gehabt und dachte, dass ich die locker wieder verlieren kann, weil ich ein aktiver und sportlicher Mensch bin.. Nunja, ich hab bis jetzt noch zusätzliche weitere 15 Kilo zugenommen, weil ich ein Traurigkeitsesser bin. Ich hab also insgesamt 25kg mehr auf den Rippen und fühle mich entsetzlich. Und obwohl ich genau weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert, schaffe ich es nicht.. Weil mich meine Leere immer wieder einholt.
Ich habe einfach jeden Tag das Gefühl, dass ich bald platze und das nicht mehr lange aushalten kann.
Das war jetzt lang und beschreibt nichtmal annähernd alles, was gerade in meinem Kopf vor sich geht.
Danke an diejenigen, die das bis hier hin durchgelesen haben. Ich hoffe hier auf einen Austausch, damit ich weiß, dass ich nicht alleine bin.
Liebe Grüße
Erna