Angststörung nach Geburt verstärkt

[Deer]

Hallo ihr lieben,

Ich stelle mich auch mal vor, bin ganz neu hier. Ich bin 29 Jahre alt und habe am 11.12.2021 meine kleine Tochter entbunden. Die Geburt war leider eine schlimme Erfahrung für mich, habe zudem einen Liter Blut verloren und musste anschließend in den OP um die Blutung zu stoppen.
Seit dem geht es mir nicht gut. Ich habe vor der Geburt schon an einer Angststörung gelitten, die sich immer auf meinen Körper bezog. Jetzt nach der Geburt kam sie heftig zurück. Ich bin extrem angespannt, mein Kiefer verkrampft sich, ich beisse feste zu (nachts trage ich eine knirschschiene), meine Beine kribbeln, ich habe ein Schwächegefühl auf der Brust und in den Armen.
Ich habe Angst, dass das nie mehr verschwindet. Meine psyche denkt sich jeden Tag was neues tolles für mich aus.

Ich nehme seit heute 60mg imipramin ein und erhoffe mir eine Linderung, nebenbei bin ich in therapeutischer Behandlung, dass war ich aber auch schon vor der Schwangerschaft. Ich stehe jeden Tag massiv unter Strom und bin mega angespannt.

Gibt es hier Erfahrungen damit und wird es wieder aufhören?

Liebe Grüße an euch und einen schönen Rutsch ins neue Jahr

[Löwenmutter]

Liebe Deer,

Willkommen hier im Forum und herzlichen Glückwunsch zur Geburt von deinem Baby.

Du klingst so reflektiert und strukturiert und obwohl die Geburt erst so kurz her ist, hast du dich schon so gut organisiert! Du hast ja wirklich schon ganz viel wichtiges gemacht. Hast du auch ein bisschen hilft mit dem Baby? Vom Papa oder deinen Eltern? Nach so einer heftigen Geburt, musst du dich ja auch körperlich erholen.

Das die Psyche sich jeden Tag was neues einfallen lässt, das kenne ich auch noch. Es fühlt sich so schlimm an und es macht so Angst. Ich kenne alle Symptome die du beschreibst. Das aufbeißen und das Schwächegefühl hatte ich auch so unerträglich stark.

Bei mit hat es sich 2-3 Wochen nach Behandlungsbeginn ( escitalopram und Gespräche) erstmals stabisiert.

Fühlst du dich gut betreut? Stillst du dein Baby?
Und JAAA, natürlich wird es wieder aufhören. Es wird vollständig weggehen und du wirst viel für dich daraus mitnehmen. Es klingt schwer nachzuvollziehen aber man lernt von der Krankheit. Bei den meisten Müttern dauert es ja nicht Mals besonders lange....

Alles gute und genieße so weit es möglich ist das einzige Baby. Ich bin gerade ganz wehmütig. Mein Baby no.4 wird schon 2

[Deer]

Dankeschön für deine Antwort :)
Ich fühle mich gar nicht so reflektiert wie ich für viele rüber komme.
Mein therapeut sagt auch, dass mich die Geburt wohl traumatisiert hat.
Ich habe in dem Sinne auch keine Depression, bei mir steht die Angststörung im Vordergrund und es fühlt sich so schrecklich an.
Abends geht es mir relativ gut und dann beginnt die Angst vor der Angst.
Die Angst besteht den ganzen Tag unterschwellig und nichts hilft, körperlich reagiert auch alles. Mein Blutdruck steigt dadurch und das macht mir wieder Angst. Dieses Gedankenkarussell ist nicht abzustellen.
Ich habe so angst, dass es nie mehr aufhören wird dieses quälende Gefühl.
Ich will doch nur für mein Kind dasein!

Ich rede da ganz offen drüber, mit meinem Partner, mit meiner Familie und mit Freunden.
Wenn ich über die Geburt rede breche ich immer in Tränen aus.
Mein Partner steht hinter mir und alle anderen auch.
Aktuell habe ich so große verlustängste. Mir wurde nach der Geburt das Kind weggenommen und man fuhr mich in den OP, weder ich noch mein Partner wussten was los ist.
Der letzte Blick war, mein Freund und das Kind blieben im Kreißsaal zurück und man fuhr mich weg. In dem Moment hatte ich reale Todesangst. Das war der Knackpunkt

[Löwenmutter]

Ich kann das alles gut verstehen...mir wurde ja auch mein Kind weggenommen. Für mich schien das auch wir ein unüberwindbares Drama. Diese massiven Angstzustände mit all den körperlichen Symptomen kenne ich auch. Wenn ich über die Geburt spreche Weine ich auch heute noch manchmal. Aber es ist jetzt eine Mischung aus der schlimmen Erinnerung und der Erleichterung,dass es vorbei und lange her ist. Geblieben ist eine kleine Narbe und ein wunderbares wildes Mädchen das mich jeden Tag glücklich macht.

[Deer]

Wie lange hat es bei dir gedauert bis es wieder normal war?
Ich liebe mein Kind und diese verlustängste sind so stark.
Mein Therapeut sagt, dass die Ärzte in dem Moment versagt haben, in meiner Akte stand Angststörung drin, die hätten es mir erklären müssen und mich nicht einfach unter Panik von meinem Kind wegreissen dürfen.
Ich habe im Wechsel einen guten und einen schlechten Tag.
Ich will doch nie wieder ganz normal sein dürfen.

[Löwenmutter]

Du wirst ganz sicher wieder ein normales Gefühlsleben haben.
Bei mir war die Symptomatik ja etwas anders als bei dir. Die Angst war nicht immer da, die kam zwar jeden Tag aber nicht durchgehend. Dafür hatte ich zusätzlich eine schwere Depression. Von der Depression müsste ich morgens nach dem Aufstehen ständig erbrechen, von der Angst am Abend. Es war so fürchterlich aber es ist unglaublicher weise fast vergessen. Ich kann mir kaum noch vorstellen dass es Mal so schlimm war. Wie lange es gedauert hat ist nicht ganz so leicht zu beantworten. Die ersten uneingeschränkt guten und fröhlichen Tage voller Hoffnung und Lebensfreude hatte ich nach ca 7 Monaten. Nach 12 Monaten habe ich gesagt, dass ich wieder gesund bin. Es fühlte sich da überstanden an. Schlechte Tage gab es nicht mehr, nur die Erinnerung war noch sehr frisch.
Nach gut 12 Monaten war ich aber ja ungeplant wieder schwanger. Das hat dann die neue, zarte Stabilität natürlich erschüttert. Im großen und ganzen ging es mir aber in der Schwangerschaft gut und nach der Entbindung hatte ich eine "Mini PPD". Es kam einiges hoch und ich glaube ich habe dadurch auch einiges verarbeiten können. Mein 4. Kind ist wie auch die ersten beiden Zuhause geboren. Im Kerzenschein in der Badewanne. Nach der traumatischen Notgeburt der 3. war das ein absoluter Segen...Ich konnte nach etwas aufreibenden 3 Monaten Baby No.4 genießen und fühle mich seitdem stark und gesund. Also seit 21 Monaten bin ich wieder die Alte oder die " neue Alte" .

Es ist schön, dass du dein Kind liebst. Das macht es so viel leichter. Habt ihr schon ein Kaiserbad genommen ? Das Baby warm, nackt und nass auf sich liegen zu haben kann einem etwas von der verlorenen Geburt zurück geben.

Bitte sei zuversichtlich, es wird ganz sicher alles gut.

Nora

[Löwenmutter]

Entschuldige ich hatte im Kopf dass ihr auch einen Kaiserschnitt hattet. Aber das war ja nicht so. Das Bad kann aber natürlich trotzdem gut tun. Es ist sanft und ruhig. Anders, als du die Geburt erlebt hast.

[Deer]

Bei mir steht ja die Angststörung im Vordergrund. Die depressive phase ist ein Symptom davon, ich meistere meinen Alltag und gern, wäre nicht alles von Angst überschattet.
Ich habe aus meiner Kindheit ein starkes komplexes Trauma mitgenommen und lebe seit meinem 18. Lebensjahr mit der Angststörung.
Mein Therapeut glaubt, dass die Hilflosigkeit und das "ausgeliefert sein" unter der Geburt vieles wieder aktiviert hat.

Ich freue mich so für dich, dass du nun alles wieder genießen kannst. Das hast du dir verdient.

[Löwenmutter]

Hast du ein Notfall Medikament? Ich hatte Lorazepam/ Tavor Zuhause. Habe es letztendlich selten genommen, in der ganzen Zeit ist die 20er Packung nicht leer geworden. Aber es hat mich beruhigt zu wissen, dass ich es nicht ertragen muss wenn es ganz schlimm wird.

[Deer]

Nein, habe nichts da zur akuten Beruhigung. Vllt auch ganz gut so, habe sonst angst, dass ich mich nur noch damit beruhigen kann