Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

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gregor84

Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

Beitrag von gregor84 »

Hallo.

Ich bin 37 und vor 2 Wochen Vater eines Sohnes geworden. Es ist ein absolutes Wunschkind gewesen. Ich habe mir schon lange eine Familie gewünscht, vor 5 Jahren eine tolle Frau gefunden und diese auch vor kurzem geheiratet.

Durch einen glücklichen Zufall können wir beide auch zusammen 12 Monate Elternzeit nehmen und haben auch Ersparnisse. Man müsste meinen, das wäre eine Luxus-Situation, aber wir sind total überfordert mit allem.

Meine Frau hat mit Kaiserschnitt entbunden, litt Tage lang unter unsagbaren schmerzen sowohl im Bauch als auch im Rücken durch Ischias-Beschwerden. 4 Tage lang war ich fast rund um die Uhr bei ihr, um ihr im Krankenhaus bei Seite zustehen. Es war traumatisierend für uns beide. Der Kleine wurde glücklicherweise vom Klinikpersonal versorgt (nach deren Möglichkeiten). Als wir am 5. Tag dann abreisten, waren wir total ausgemergelt, schwach und kaputt aber erstmal froh mit dem Kleinen nachhause zukommen..

Kurz nach der Ankunft aus dem Krankenhaus zu Hause. Fing es dann an. Ich fing an sehr sehr viele Dinge schlagartig zu realisieren.

* Dinge die schlecht vorbereitet waren und schnell korrigiert oder besorgt werden mussten (Panik-Einkäufe im Internet, Fahrten zu Drogerien).
* Wie sehr man auf Hilfe anderer angewiesen ist, und wie wenig wir unsere Familien in Anspruch nehmen können.
* Wie sehr meine Frau vom Kaiserschnitt angeschlagen ist (und noch weiterhin bleibt), und auch sonst körperliche Probleme während der SW entwickelt hat.
* Dass meine Frau nicht 100% das Baby versorgen kann, wenns drauf ankäme.
* Wie ungünstig wir wohnen (4. Stock ohne Fahrstuhl), und wie viel an mir hängt, selbst wenn meine Frau wieder fit wäre (Auto-Schlage, oder Baby-Schale tragen).
* Wie klein unser Auto ist.
* Wie schwer es ist, sich um ein Säugling zu kümmern, und gleichzeitig darum noch Haushalt, Essen und Schlaf zu organisieren.
* Wie unglaublich zeitaufwändig es ist, ein Säugling mit der Flasche zu füttern: trinken, Pause, Bäuerchen, Geduld, trinken, Pause.
* Wie unglaublich zeitaufwändig Windeln wechseln sein kein, wenn dabei was schief geht (z.B. selbst Anpinkeln).
* Wie schnell Baby-Hygieneprodukte zur neige gehen (Windeln, Tücher, etc.).
* Dass Ich und meine Frau gerade so eben funktionieren: ab und zu duschen, Fertig-TK-Essen, Lieferdienste, mit Glück zwischendurch schlafen.
* Wir haben weder Zeitgefühl, noch wissen wir, welcher Tag gerade heute ist.
* Dass ich den Schlafmangel total unterschätzt habe, und es sich wie Folter anfühlt.
* Das mein altes Leben nicht einfach nur große Einbußen hinnimmt (wovon ich Ausging), sondern zu 100% ersetzt worden ist, durch etwas ultimativ * anstrengendes.
* Vieles, vieles mehr was man aufzählen kann …

Wir müssten eigentlich:
* umziehen (undenkbar in einer Großstadt, und total überfordernd)
* ein neues Auto kaufen (allein die Auseinandersetzung damit ist für uns unsagbar komplex).
* uns irgendwie erholen (wie denn?)

Dazu gekommen sind:
* Albträume
* Ängste, dass irgendetwas kaputt geht: Waschmaschine, Auto, Internet, Handys, Bankkarten
* Ängste, dass ich nicht in der Lage bin ihn zum Kinderarzt zu fahren, dort die Nerven zu behalten, und ihn auch versorgen zu können (Flasche & Windeln).
* Ängste, zusammen zu klappen, weil meine Frau und ich so müde, und schlecht ernährt sind.
* Ängste mich hinter das Steuer zu setzen, weil ich so matschig in der Birne bin.
* Angst krank zu werden oder mich zu verletzen (Corona, oder irgend etwas anders)
* Angst, dass meine Frau krank wird.
* Angst, dass wenn es mal drauf ankommt, ich nicht für meine Familie da sein kann.
* Angst vor allem.

Danach setzte sich bei mir schnell eine Zustand, mit allen Symptomen einer Wochenbettdepression ein (hab den Selbsttest gemacht). Ich bin nicht mehr der frohe lebensfrohe Mensch selbstbewusste Mensch den jeder kennt, sondern nur noch ein wandelnde Hülle, mit fast keiner Emotion mehr. Außenstehende erkennen mich nicht mehr wieder). Das einzige was mir nur noch irgendwie Kraft gibt, ist, wenn meine Frau mich in der Arm nimmt, oder ich im Schlaf in Träumen kurz der Realität entfliehen kann.

Seit Tagen bin ich nur noch von der fixen Idee besessen. Dass ich/wir nie hätten Eltern werden sollen, und der kleine selbst in einer Pflegefamilie besser aufgehoben wäre. Wenn ich meiner Frau gegenüber solche Dinge sage, bricht es ihr natürlich das Herz, was mir wiederum das Herz bricht. Ich bin nervlich so am Ende, und kann einfach keine Zukunft mehr zu dritt sehen, wobei für meine Frau natürlich zu dritt dies der einzige Weg ist, da wir sonst zerbrechen. Ich kann meine Frau nicht einfach verlassen und Zigaretten holen gehen, dafür liebe ich sie einfach zu sehr. Dieses Chliche von Männern, die das tun, kann ich aber mittlerweile verstehen.

Alle, die das von der Seite oder direkt mitbekommen, sagen mir, ich solle mir dringend Hilfe suchen. Wenn man jedoch innerhalb weniger Tage schnell abstürzt, ein schreienden Säugling zu Hause hat, der Frau es selber nicht gut geht, und man auf Therapieplätze lange wartet, denkt man sich: Auf welchem Planeten lebt ihr denn.


Wir haben uns vor der SW immer gesagt, wenn die schlimmsten Asi-Familien ein oder mehrere Kinder irgendwie großziehen können, dann schaffen wir beide das schon irgendwie mit 12 Monaten gemeinsamer Elternzeit, trotz aller Probleme.

Trotz unseres Zustandes sagen alle: “ihr schafft das schon”, “guckt mal, der kleine sieht doch gut aus”. Trost spenden uns diese Aussagen nicht. Ich kann mir für meinen Teil zumindest nicht vorstellen, wie irgendwie jemand, in der Geschichte der Menschheit jemals für irgendein Kind gesorgt haben kann. “Eltern sein”, wirkt für mich wie Hexerei oder ein Märchen.

Zum kleinen schaffe ich es nicht eine Bindung aufzubauen. Lediglich Empathie, weil es ein Wesen ist, dass Schutz braucht. Wie ein Vater fühle ich mich nicht. Wenn meine Frau den kleinen hoch nimmt, gibt es ihr Kraft. Ich zittere hingegen derzeit schon innerlich vor seinem nächsten Schreien nach essen.

Alles erscheint total hoffnungslos. Daher schreibe ich euch, in der Hoffnung, dass es mir etwas Kraft oder Mut geben kann. Weil ich mir das Leben zu dritt immer noch Wünsche, nur nicht mehr vorstellen kann.
Anne 861
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Re: Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

Beitrag von Anne 861 »

Hallo Gregor, herzlich willkommen.
Ich glaube das kennen viele hier .Eine neue Verantwortung, alles ist neu und so überfordernd. Auch der Schlaf fehlt. Hast du mal darüber nachgedacht dir Hilfe beim Jugendamt zu holen ? Was sagt die hebamme ,habt ihr mal über eure Situation gesprochen ? Also ich kann nur von mir sprechen ,ich fiel nach beiden Kinder in Ängste usw ..alles war so neu und ich kam damit überhaupt nicht zurecht. Aber um so älter sie wurden und wieder der geregelte Alltag da war ,ging es auch mir besser .gönnt euch soviel Ruhe wie möglich ..dann bleibt halt mal was liegen .ja auch dieses füttern und dabei Geduld haben war für mich unerträglich. Bei mir kamen aber zg dazu aber nicht Gegen die Kinder. Ich konnte in der akutzeit nicht mehr schlafen ,nicht essen oder sonst was ..alles war ein Kampf aber ich kämpfte moch mit hilfe wieder zurück . Glaube mir ,es wird besser .vielleicht kann dir hier jemand mehr erfahrungen mitteilen. Lg
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Marika
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Re: Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

Beitrag von Marika »

Hallo Gregor, herzlich willkommen bei uns!

Schön, dass du da bist, wir werden versuchen euch zu helfen.

Eine Anlaufstelle wäre im Moment auch der Hausarzt auf die schnelle. Er kann eine Überweisung für einen Facharzt ausstellen, dann bekommst du schneller einen Termin. Eine Haushaltshilfe beantragen wäre auch eine Möglichkeit.

Wie geht's euch inzwischen?
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
gregor84

Re: Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

Beitrag von gregor84 »

Wir sind sehr müde, und kriegen wenig Schlaf. Meine Frau pendelt immer zwischen Glücksgefühlen und Verzweiflung. Ich hingehen zwischen Verzweiflung und Kampfgeist. Wobei letzterer von mangelnden Schlaf kaputt gemacht wird. Selbst für ein therapeutisches Gespräch hab ich gefühlt keine Kraft. Wenn der Kleine nachts weniger Geräusche machen würde, oder wir besser damit umgehen könnten, wären wir wacher, fitter und hätten Kraft etwas zu ändern. Daran versuchen wir derzeit zu arbeiten. Alles andere steht gerade hinten an.
Mamihochtief

Re: Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

Beitrag von Mamihochtief »

Hallo Gregor,
deine Beschreibungen erinnern mich total an die Zeit nach der Geburt unseres ersten Kindes.Gefühlt sind wir genauso überrannt wurden vom Alltag mit einem Säugling.
Ich würde folgendes versuchen:
- erstmal Hilfe organisieren von Freunden/Familie:
- Kann jemand für euch Einkaufen gehen?Ansonsten gibt es in der Stadt doch auch Lieferservices z.B. von Rewe.
- Kann jemand mit dem Baby im Kinderwagen ausschieben, wenn er frisch gefüttert und gewickelt wurde?Erfahrungsgemäß schlafen Babys draußen und bei Bewegung des Kinderwagens gut.In der Zeit könntet ihr am Tag mal schlafen.Ein bis Zwei Std. bewirken schon Wunder.Das Fläschen kann ja auch von Freunden (Vielleicht kennt ihr jm. mit Kindererfahrung?) gegeben werden.
- Kann jm. aus der Familie (Eltern/Schwiegereltern,Geschwister) kommen und euch im Haushalt unterstützen?Es scheint mir so,dass ihr im Moment dringend jemanden braucht,der den Haushalt und alles drum herum organisiert.
- Kann das Baby vielleicht nachts in einem anderen Raum schlafen?Z.B. im Stubenwagen im Nebenraum bei offener Schlafzimmertür?Man hört dann trotzdem genug,z.B. wenn er weint,aber nicht jedes Geräusch,drehen,rascheln etc.
- Gehe bitte unbedingt zum Hausarzt, deine Symptome hören sich sehr besorgniserregend an.Vielleicht kann er auch eine Haushaltshilfe verordnen.Wenn Ansonsten der Mann zuhause ist,stellt sich die Krankenkasse da blöd an.Wenn du aber auch krank bist, sind die Voraussetzungen gegeben.
Nimmt bitte alle Hilfe an,die ihr bekommen könnt und habt keine Scham Freunde direkt um Hilfe zu bitten!
gregor84

Re: Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

Beitrag von gregor84 »

Hallo!

Vielen Dank an alle die geantwortet haben! Unser Sohn ist nun 2 Monate alt, und ich habe die meisten Ängste und Sorgen nun im Griff. =)

Was mir geholfen hat war einfach los zu lassen, und blind darin zu vertrauen, dass alles besser werden wird mit der Zeit. Schließlich sagen das einem ja immer alle. Durch bessere Selbstorganisation, konnte ich nach mehreren Wochen sogar wieder für mich uns meine Frau kochen, und nach weiteren paar Wochen hab ich mich sogar getraut ab und zu die Playstation anzumachen, oder Netflix zu schauen. Gestern waren wir schließlich mit dem Kinderwagen in einem Café und haben es uns draußen in der Sonne gut gehen lassen. Da hab ich gemerkt, wie viel besser man sich fühl, sobald man sich wieder Normalität zurück erkämpft hat, auch wenn es nicht mehr soviel ist, wie vor der Geburt.

Super eingespielte Normalität haben wir noch nicht, aber es wird stätig besser, und wir finden jetzt auch die Ruhe um uns um vieles zu kümmern, was die letzten zwei Monate liegen blieb. Bin zuversichtlich, dass es in nochmal zwei Monaten noch viel besser laufen wird.
alibo79
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Re: Vater in Not mit vielen Ängsten und Problemen

Beitrag von alibo79 »

Hallo Gregor, schön dass es euch wieder besser geht und sich der Alltag mit Baby so langsam einpendelt. Das es mit einem ganz frischen Baby nicht immer einfach ist, und es mal schönere Tage gibt, aber auch sehr anstrengende , das wird wahrscheinlich auch so bleiben. Es ist gut, dass du das jetzt entspannter sehen kannst. Das macht es einfacher. Ich wünsche dir und deiner Familie, dass ihr richtig gut zusammen wachst und einer super eingespieltes Team werdet!!
Liebe Grüße
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
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