Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt…

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Flitzpiepe

Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt…

Beitrag von Flitzpiepe »

Hallo zusammen!

Ich dachte, ich stelle mich mal vor.

Ich bin 28 Jahre alt, meine Tochter bald 13 Monate.

Sie ist wundervoll; sehr sozial, wissbegierig, neugierig, aufmerksam, verschmust und unglaublich lustig.
Aber sie ist auch ein sehr intensives Kind.
Schon im Krankenhaus konnte ich sie nicht ablegen. Seit ihrer Geburt schläft sie auf mir oder direkt neben mir, bis heute. Am liebsten mit der Brust im Mund. Jeden einzelnen Tagschlaf, bis heute, macht sie in meinen Armen oder in der Trage.
Man durfte sie nie ablegen. Sie hat es gehasst, auf dem Rücken zu liegen. Seitdem sie sitzen kann, geht es, aber mehr als 10 Sekunden beschäftigt sie sich nicht alleine, bevor sie wieder hochgenommen werden will. Ich „darf“ nicht auf Toilette, ich darf mir nicht die Hände waschen, an Kochen ist nicht zu denken.

Das größte Problem aber sind unsere Nächte. In den schlimmsten Phasen (bis sie ca. 9 Monate alt war) ist sie 10-15 mal die Nacht aufgewacht. Seitdem wir ihr Zungenbändchen haben Lasern lassen, wacht sie in guten Nächten nur 5-8 mal auf, nuckelt dann aber eine halbe Ewigkeit, sodass ich nicht wieder einschlafen kann. In schlechten Nächten ist sie mehrmals die Stunde wach, oder schläft ewig nicht wieder ein. Sie weint bei jedem Aufwachen, obwohl ich direkt neben ihr liege. Ich kann mich abends nicht rausschleichen, bleibe durchgängig bei ihr liegen. Noch dazu ist sie ein Frühaufsteher. 5 Uhr ist die Norm, aber ab 4 Uhr muss sie die Brust im Mund haben, sonst wird sie da schon wach.

Jede Mutter hat mal eine schlechte Nacht, eine schwierige Phase. Aber die schwierige Phase läuft bei uns irgendwie seit ihrer Geburt. Wir haben es eher umgekehrt: ab und zu gibt es mal Phasen, hier und da mal eine Woche oder zwei, in der die Nächte erträglich sind.

Das häufige Aufwachen hat meinen Schlafrhythmus so zerstört, dass ich nicht mal mehr schlafen kann, wenn sie denn mal pennt. Ich liege stundenlang wach, steigere mich rein, habe Herzrasen. Überlege, einfach abzuhauen, will einfach nur tot sein. Manchmal will ich ihr wehtun, meistens aber mir. Will meinen Kopf gegen die Wand schlagen, einfach nur weg sein.

Irgendwie hatte ich mir das alles anders vorgestellt. Ich wusste, dass Kinder anstrengend sind, aber SO?! Ich sehe andere Mütter mit Kinderwagen beim Kaffeetrinken. Ich sehe Babys, die in der Krabbelgruppe einfach so auf dem Schoß einschlafen. Und dann schaue ich mein Kind an, dem das Schließen eines Still-BHS schon zu laut ist, und frage mich, „wieso ich?“.

Ich höre von allen Seiten immer wieder, dass es besser wird. Wenn der nächste Sprung vorbei ist. Wenn der nächste Zahn draußen ist. Bla bla. Die Zeit um den Geburtstag herum ist immer schwierig. Bla bla.
Es ist ein warten und warten und warten, aber nie ist es jemals besser geworden.
Mein Alltag dreht sich nur noch um Schlaf. Ich sehe andere Menschen an und frage mich, wie viel die nachts schlafen dürfen. Ich bin aggressiv und ungeduldig und gereizt und frage mich, wie man so dumm sein kann, Kinder zu bekommen.
Das klingt jetzt hart, aber ich hoffe, hier ist ein Ort, an dem ich das aussprechen kann…

Ich liebe meine Tochter, natürlich tue ich das, mehr als alles andere auf der Welt. Sonst hätte ich das gar nicht so lang ausgehalten.
Aber jeden Tag frage ich mich, was aus meinem Leben geworden ist und wie ich das alles überleben soll.

Keine Ahnung, was ich mir hiervon erhoffe - vielleicht den Austausch mit anderen Mamas, bei denen es auch nicht so läuft, wie man sich das so vorstellt…bei denen man sagen kann, dass ein Lächeln des Kindes garantiert nicht alles wieder gut macht und nein, dass es sich nicht immer „lohnt“ und nein, dass man sich an den Schlafentzug nie gewöhnt.

Liebe Grüße
Flitzpiepe

P.S.: vielleicht noch ein paar Worte zu unserer Anfangszeit. Meine Tochter kam per geplantem Kaiserschnitt und ich habe die Geburt absolut positiv erlebt. Die ersten 6-8 Wochen waren psychisch sehr schwierig, da ich panische Angst vor dem plötzlichen Kindstod hatte. Ich habe wochenlang jeden Abend geweint, war völlig funktionsunfähig.
Laut meiner Hebamme ist das völlig normal, aber die Dauer und die Intensität kam mir doch recht stark vor, der klassische „Baby Blues“ geht meines Wissens nach eher wenige Tage…
alibo79
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Re: Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt…

Beitrag von alibo79 »

Hey, herzlich willkommen hier im Forum.
Ich kann dich gut verstehen, meine grosse Tochter war als Baby auch sehr bedürftig gewesen.
Beim schlafen, essen, spielen usw.
Ich habe das lange Zeit mitgemacht, bis ich erkannte, dass auch ich Bedürfnisse habe, die erfüllt werden müssen, damit es mir gut geht und ich wiederum so für meine Kinder da sein kann. Zb ausreichend Schlaf. Ich habe versucht die Nächte nicht mehr so viel zu stillen, dass hat bisschen gedauert, aber dann wurde es besser und ich habe wieder mehr schlaf bekommen. Womit es mir deutlich besser ging.
Ich habe immer angenommen, dass ich alle Bedürfnisse von meinen Kindern erfüllen muss, ich habe das mit meinem Therapeuten besprochen und er sagte, dass das für Kinder überhaupt nicht gut wäre, denn sie müssen auch Frust sozusagen lernen und auch Grenzen, damit sie etwas haben, woran sie sich orientieren können
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
alibo79
power user
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Re: Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt…

Beitrag von alibo79 »

Meine Tochter war auch immer wahnsinnig früh wach, das ist mit der Zeit aber besser geworden bzw, aber als die Kinder älter waren durften sie dann bisschen Fernsehen, so konnte ich noch Pause machen.
Hast du schon andere Schlaf Möglichkeiten ausprobiert, ob etwas anderes besser klappt? Und beim Kinderarzt das mal besprochen?

Und eins kann ich dir sagen, Kinder zu haben ist wahnsinnig anstrengend, und so manches Mal wollte ich mein altes Leben zurück.
Wenn Sie großer werden geht es aber einfacher, natürlich gibt es auch sorgen und Zeit brauchen sie auch zb für Schule oder Freizeit, aber trotzdem habe ich jetzt wieder mehr Freiräume für mich, was mir sehr gut gefällt 😆😆
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
Mayte
Beiträge: 33
Registriert: 15:09:2021 14:55

Re: Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt…

Beitrag von Mayte »

Hallo du!

Ich würde dir gerne was antworten, dir gerne bestätigen, das klingt sehr sehr anstrengend. Meine Tochter ließ sich auch die ersten Monate kaum ablegen, ich dachte zwischendurch irgendwie ich bin blöd, weil Andere das gar nicht verstehen konnten oder mir das Gefühl gaben ich klammere zu sehr. Es hat sehr gut getan in Kontakt mit Expert*innen zukommen, die mir bestätigt haben, das manche Kinder sensibler sind, die körperliche Nähe mehr brauchen, mehr Koregulation, sie mehr mitbekommen und zu verarbeiten haben oder was weiß ich. Jedenfalls kann ich sagen, dass eine Phase schlimmer Nächte mich in eine totale Schlaflosigkeit gekegelt hat und das war der Anfang meiner Krise. Und für mich war das auch der erste Schritt, an der Stelle was zu ändern, damit es mir besser gehen konnte. Denn ohne Schlaf geht einfach nix mehr, egal wieviel Liebe. Ich hab damals eine schlafberatung gemacht (KEIN schlaftraining), das war sehr hilfreich, um in kleinen Schritten mehr Ruhe in die Sache reinzubringen. Mir haben aber vor allem Medikamente geholfen, um mich wieder zu regulieren und dann auch schlafen zu können, wenn es möglich ist. Alles ging schrittchenweise, nicht von heute auf morgen, aber trotzdem stringent in die richtige Richtung. Ich hoffe das hilft ein bisschen, liebe Grüße.
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