Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

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milli1000
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Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von milli1000 »

Hallo zusammen,
ich schreibe jetzt hier in dieses Forum auf dem absoluten Tiefpunkt meines ganzen Lebens.

Ich bin 30 Jahre alt und habe Anfang Januar eine Tochter bekommen. Die Schwangerschaft war nicht geplant, die Geburt verlief ohne Komplikationen.

Direkt am Tag der Geburt spürte ich keine Liebe für mein Baby. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, dass das ganz normal ist und Mutterliebe erst „wachsen“ muss.

Jetzt - 2 Monate später - fühle ich mich so leer und unendlich traurig wie noch nie zuvor. Ich möchte mein Baby nicht mehr haben. Es soll „weg“ sein, damit es mir besser geht. Ich möchte mein altes Leben zurück, ohne Kind. Selbstverständlich habe ich die schlimmsten Schuldgefühle und wünsche mir nichts mehr für mein Kind als eine Mutter, die es liebt. Es zerreißt mich innerlich wirklich und die Gedanken hören nicht auf zu kreisen. Mittlerweile kann ich nicht mehr mit meinem Kind allein sein, nicht mehr schlafen und bin innerlich extrem unruhig.

Meinem Partner und meiner Familie habe ich mich anvertraut, sie sind sehr besorgt und befürworten eine stationäre Therapie.

Vor 2 Wochen war ich bereits in der Klinik, habe Tavor und Sertralin verschieben bekommen und man wollte mich stationär aufnehmen. Die Aufnahme habe ich dann im letzten Moment doch abgesagt und war felsenfest davon überzeugt, dass ich es alleine schaffe auf diesem Loch. Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem NICHTS mehr geht. Mir fehlt einfach die Kraft zum Leben. Es zerreißt mir das Herz, wie liebevoll sich mein Partner um seine Tochter kümmert, wie gut er sie mittlerweile kennt… ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst, es gibt keine Gefühle mehr außer dieser unendlichen Traurigkeit.
Ich gehe nicht mehr vor die Tür, weil mich ALLES an mein glückliches Leben vor der Geburt erinnert. Kann mir aus diesem Grund auch keine Fotos von früher mehr anschauen. Es macht mich zu traurig.
Weiß gar nicht, was mein Text hier genau bringen soll…
Meine Gedanken wechseln zwischen Suizid und dem Verlassen von meinem Partner und meiner Tochter. Beides würde ich niemals machen und doch kann ich die Gedanken nicht abstellen.
Meine Situation ist hoffnungslos und ich bin mir sicher, nie mehr glücklich zu werden. Manchmal habe ich das Gefühl, nicht atmen zu können vor lauter innerlichem „Schmerz“. Ich weiß nicht, wie es so weit kommen konnte…

In den letzten Tagen habe ich hier viel im Forum gelesen… es beruhigt mich, dass es auch anderen Frauen so geht. Auf der anderen Seite schockiert es mich, wie lang der Heilungsweg teilweise sein kann. Ich schaffe das nicht.
Vor der Geburt meines Kindes war ich glücklich, hatte noch nie Depressionen o.ä. und jetzt ist mein Leben wirklich ein einziger Scherbenhaufen.

Ich weiß, dass eine stationäre Aufnahme das beste wäre, aber es fällt mir so unglaublich schwer.

Vielleicht mag jemand seine Erfahrungen mit Sertralin teilen? Ich habe die Tabletten aus der Apotheke geholt, mich aber bislang nicht getraut, sie zu nehmen. Ich habe große Angst vor den Nebenwirkungen.

Wer bis hier hin gelesen hat: Vielen Dank schon mal!
katl0607
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von katl0607 »

Hallo Milli!

Es tut mir leid, dass es Dir so schlecht geht!
An so einem Punkt war ich auch mal!
Und ich verspreche dir, dass es wieder besser wird!
Du musst dafür tatsächlich Hilfe zulassen!

Lass dir bitte helfen! Und zwar von Fachleuten. Es gibt tatsächlich viele Chancen wieder gesund zu werden. Das mag für dich im Moment undenkbar sein. Es kann ein längerer Weg sein, doch du schaffst das! Da bin ich mir ganz sicher!

Sertralin nehme ich mittlerweile seid fast 8 Jahren. Unsere Tochter wurde 2014 geboren. Ein absolutes Wunschkind. Als ich nach längerer Zeit endlich schwanger war, war die Freude riesig!
Doch schon in der Schwangerschaft ging es mit meinen Depressionen und Ängsten wieder los. Ein paar Jahre zuvor hatte ich schon mal damit zu tun- ohne Schwangerschaft.
Somit wusste ich schon ungefähr, was mit mir los ist. Und trotzdem konnte ich es nicht aufhalten.
Es erwischte mit mit voller Breitseite...

Ich ging in eine Tagesklinik als unser Kind ca. ein gutes Jahr alt war. Es ging damals gar nix mehr. Ich konnte nicht mal mehr alleine mit dem Baby bleiben. Die Ängste beherrschten mein Leben.
Es wurde mir klar, dass ich es mit ambulanter Hilfe nicht raus schaffen werde.

Dann ging ich für 7 Wochen in die Tagesklinik. Es war meine Rettung.
Dort wurde ich langsam auf Sertralin eingestellt. Bekam für die Nacht Quetiapin zum Schlafen und als "Notfallmedikament" die Promethazin Tropfen.
Ab der 5. Woche in der Klinik spürte ich eine kontinuierliche Besserung. Es tat so gut.
Ich kann dir nur empfehlen in eine Klinik zu gehen. Mit oder ohne Kind- lass dir helfen.
Deine Situation ist nicht auswegslos.
Du bist einfach krank. Und diese Krankheit überschattet alles. Doch es wird dir wieder gut gehen!

Liebe Grüße
1. Kind geboren 7/14
Ab der Geburt schleichend Ängste und Panikattacken.
sertralin 100 mg
Promethazin Trpf bei Bedarf
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Marika
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Marika »

Auch von mir ein liebes Hallo!

Ich danke dir sehr für deine Offenheit, es ist ganz schwer über diese Hürde zu springen und zu sagen: ja, ich bin sehr krank und kann nicht mehr... ich liege am Boden und mag nicht mehr. Das ist unglaublich schmerzhaft, aber der erste Schritt um wieder gesund zu werden. Auch wenn du es jetzt nicht glauben kannst: du wirst gesund werden!!!

Einen weiteren wichtigen Schritt könntest du bereits heute jetzt sofort machen: geh in die Apotheke und hol dir das Sertralin und das Tavor. Durch Tavor wirst du keine großen Probleme mit etwaigen Nebenwirkungen die am Anfang mit dem Sertralin kommen können, haben. Auch ich hatte so eine ähnliche Kombi und das hat sehr gut funktioniert. Es dauert zwar ein bisschen bis das AD gut wirkt, aber diese Zeit kann eben das Tavor sehr gut überbrücken. Noch heute kann es dir wenn du Sertralin anfängst und Tavor so nimmst wie verordnet, um Welten besser gehen. Denn Tavor wirkt innerhalb von 20 bis 30 min. Es lässt dein gesamtes gestresstes und gequältes System endlich runter fahren.

Mir ging es vor 17 Jahren genau gleich, ich war am Ende, am Boden zerstört, ich dachte das wars. Ich wollte mein Kind meinen Eltern überlassen und war sicher für immer in eine psychiatrische Anstalt zu müssen. Ich bekam 3 Medikamente in Höchstdosis... ich bin nicht nur wieder gesund geworden, mir geht es heute besser den je. Und das wartet auch auf dich... das GESUND WERDEN...

Mach noch heute den nächsten wichtigen Schritt: geh in die Apotheke, hol die Medikamente und nimm sie so wie verordnet! Wir begleiten dich Schritt für Schritt dabei!!!
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
milli1000
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von milli1000 »

Guten Morgen ihr Lieben,

vielen Dank für eure Nachrichten! Das macht mir sehr viel Mut! Ich habe Tavor und Sertralin abgeholt und starte jetzt mit dem Sertralin. Schlimmer als jetzt kann es eigentlich nicht werden, ich habe also nichts zu verlieren.

Danke euch beiden!
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Marika
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Marika »

Das ist wirklich sehr gut und unheimlich stark von dir. Du bist eine Kämpferin, das merkt man. Hol dir dein Leben zurück. Die Medikamente werden dir helfen und wir stehen Seite an Seite mit dir.

Wie schaut die Dosierung aus?

Fühl dich gedrückt, wir sind hier und stehen das mit dir durch!
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
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milli1000
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von milli1000 »

Dankeschön Marika!

Also der Arzt sagte, mit 25 mg anfangen und dann Schritt für Schritt erhöhen, bis ich so auf 150 mg bin. Ist das die „normale“ Dosis zu Beginn? Ich hab etwas Angst vor den Nebenwirkungen, aber da muss ich jetzt einfach durch!!!
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Marika
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Marika »

Hallo!

Ja das ist so die übliche Vorgehensweise. Bei 50 mg kommt eine erste sanfte Wirkung, ab 100 mg sagt man ist eine wirklich gut spürbare Wirkung da. Man steigt meist mit 25 mg ein, um den Körper nicht zu überfordern. Wenn das gut geht, kann man höher gehen. Hat dein Arzt dir in etwa eine Zeitspanne angegeben, oder kannst du selber entscheiden?

Und Tavor? Sollst du es gleich nehmen, oder nach Bedarf?
Liebe Grüße von
Marika

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Marika
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Marika »

Und wegen der NW: das verstehe ich natürlich und es kann tatsächlich sein, dass es sich die ersten Tage schlimmer anfühlt als zuvor. Da hilft dann aber eben Tavor. Dafür ist dieses Medikament da.
Liebe Grüße von
Marika

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Jana
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Jana »

Liebe Milli,
dein Text hätte größtenteils genauso von mir sein können. Besonders die kreisenden Gedanken zwischen Suizid und Verlassen der Familie, das erinnere ich auch noch sehr gut.
Ich bin immer wieder entsetzt, wie viele Frauen durch diese Hölle gehen müssen, und dass ich davon nichts wusste, bis es mich selbst getroffen hat.
Mir ging es auch so, dass ich hier im Forum Trost gefunden habe, aber auch mir hat es sehr große Angst gemacht, von den langen Verläufen zu lesen. Wie du war ich mir sicher, das nicht zu schaffen und das hat die Suizidgedanken dann noch verstärkt.
Deshalb will ich jetzt meine Erfahrung mit dir teilen in der Hoffnung, dass es dir ein bisschen Mut macht:
Ich weiß noch, dass ich einen Beitrag in der Positiv Rubrik von einer Frau gelesen hab, bei der es insgesamt "nur" vier Monate gedauert hat und den hab ich mir dann immer wieder durchgelesen um mir Mut zu machen, auch wenn man Hoffnung ja leider nicht wirklich spüren kann so lange man noch nicht auf dem Weg der Besserung ist.
Bei mir war es so, dass es nach zwei Monaten ohne Medikamente einfach immer schlimmer geworden ist. Ich habe dann auch am absoluten Tiefpunkt angefangen, Sertralin (und etwas zum Schlafen) zu nehmen und das wurde ziemlich schnell hochdosiert. Ich hab mir von Medikamenten nichts erwartet, aber hatte auch das Gefühl ich hab nichts mehr zu verlieren und bin es meiner Familie schuldig, alles probiert zu haben.
Bei mir hat es dann tatsächlich ab Beginn der Medikamenteneinnahme nur etwas über zwei Monate gedauert und der Albtraum war einfach wieder vorbei. Anders als bei anderen hier im Forum gab es bei mir dann auch keine Schwankungen oder Tiefs mehr.
Der Leidensweg muss also nicht immer so lange dauern. Es ist sehr individuell. Das ist übrigens auch die Erfahrung meines Psychiaters, der schon viele Frauen mit Wochenbettdrepression behandelt hat.
Seit fast 7 Monaten lebe ich nun wieder mein Leben wie früher, nur schöner - weil ich es nicht mehr selbstverständlich finde.
Ich wünsche dir sehr, dass es dir bald besser geht. Die ersten Schritte bist du jetzt schon gegangen und eines ist ganz sicher, das zeigen alle Berichte hier: selbst wenn es länger dauert, du wirst wieder gesund!!
Zuletzt geändert von Jana am 20:03:2023 7:57, insgesamt 3-mal geändert.
Liebe Grüße von Jana

Beginn PPD 1. Kind Mai 22
Sertralin 100mg
Trimipramin 50 mg (inzwischen abgesetzt)

Stabil seit September 22
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Marika
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Marika »

Hallo Milli!

Wie geht's dir mit den Medikamenten?
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
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Michelle
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Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Michelle »

Hallo ihr Lieben,

Tatsächlich geht es langsam aufwärts. Da wirst du viel Geduld mitbringen müssen. Aber es wird. Mini Schritte , aber es wird

Und @jana, es freut mich für dich, dass es so"schnell“ ging, allerdings ist es meistens nicht die Realität. Weshalb es einigen Frauen oft Druck macht, es ganz schnell hinter sich bringen zu wollen. Aber es Dauert, oftmals Monate/ Jahre .

Ich möchte dir nichts absprechen dass es nicht schlimm bei dir war, aber es ist dennoch ungewöhnlich , dass nach zwei Monaten alles ist wie vorher . Wunschvorstellungen aller Frauen ;)

Habt einen schönen Abend !!
SaraGossa
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Registriert: 01:02:2023 11:33

Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von SaraGossa »

Michelle, finde es gut dass du das kurz angesprochen hast. Weil es wirklich so ist, dass man sich da keinen Druck machen soll...ist natürlich sehr schwer. Es wird bestimmt dauern ABER diese schreckliche Anfangszeit war aus meiner Erfahrung nach 3 bis 4 Monaten mit AD besser. Sodass man zwischendurch mal tolle Momente hat und die werden dann immer mehr. Geduld ist es was man am meisten braucht. Ich versuche mir immer zu sagen: Mein JETZT ist nicht mein FÜR IMMER. Und wenn es langsam weggeht vertraut man dann auch mehr drauf, dass es wirklich überstanden ist. Milli so viele tolle Frauen hier hatten sooo schlimme Verläufe und sind wieder gesund. Du schaffst das auch ♡
Wie geht es dir überhaupt?
Sehr traumatische Geburt meines 1. Sohnes Nov. 2021
Seit Januar 2022 PPD
Anfangs Mirtazapin, inzwischen abgesetzt
Seit Oktober 22 Vortioxetin 20mg
Januar 23 noch Duloxetin 120mg dazu

Aktuell ziemlich stabil🤞
Jana
Beiträge: 75
Registriert: 02:07:2022 14:16

Re: Große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit

Beitrag von Jana »

@millie1000 wie geht es dir?
Liebe Grüße von Jana

Beginn PPD 1. Kind Mai 22
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Stabil seit September 22
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