Hallo aus der Hölle

[Jules_96]

Hallo Zusammen,

ich bin Julia, 27 und habe am 05.11. einen Sohn auf die Welt gebracht. Ein absolutes Wunschkind und auch im Großen und Ganzen ein „pflegeleichtes“ Baby. Trotzdem ging es mir in den darauffolgenden 3-4 Wochen schon nicht so gut aber ich hatte immer wieder gute Momente und es war einigermaßen erträglich. Dann ist es von einem auf den anderen Tag schlimmer geworden, ich hatte Panik und Angst mit meinem Sohn alleine zu sein, ich war todunglücklich und tieftraurig über mein neues Leben als Mutter, ich hatte pessimistische Zukunftsvorstellungen, ich war antriebslos und mir hat absolut nichts mehr Freude bereitet. Ich habe mir nach einigen Tagen in dem Zustand mit Unterstützung meiner Hebamme Hilfe gesucht, hatte Anfang Januar ein Erstgespräch bei einer Therapeutin (Diagnose: Schwere Postpartale Depression) und bin ab nächster Woche in ambulanter Behandlung in einer Mutter-Kind-Klinik. Zudem nehme ich seit 6 Tagen Sertralin und seitdem geht es mir noch schlechter, vor allem morgens. Ich hoffe das ist die Erstverschlimmerung. 

Seit heute geht mein Mann wieder arbeiten und ich bin sehr verzweifelt, jeder Tag ist eine Qual und ich kann mich emotional überhaupt nicht auf meinen Sohn einlassen, ich kann ihn versorgen aber es strengt mich mental sehr an, allein der der Gedanke ihn jetzt wickeln zu müssen erschöpft mich. Muttergefühle oder Liebe empfinde ich nicht, da ist nur diese Angst. Durch die Unterstützung von meinen Eltern und Schwiegereltern bin ich zum Glück die meiste Zeit nicht alleine aber so kann es nicht weitergehen.. wenn meine Eltern nicht wären würde ich wahrscheinlich den ganzen Tag nichts essen. Ich weiß einfach nicht wie ich die nächsten Tage überstehen soll, ich hab mich so auf die Elternzeit gefreut und jetzt ist es einfach nur die Hölle..

Ich hoffe, dass mir der Austausch mit anderen Betroffenen hilft den Mut nicht zu verlieren!

Liebe Grüße, Julia

[Mirabell]

Hallo Julia,

Ich kann dich zu 100 %verstehen. Bei mir gings im September los da war mein kleiner 2 Monaten alt.
Tiefe Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, antriebslos, null Gefühle für mein Kind... ich konnte gar nichts mehr die ersten zwei Monate versuchte ich es so durchzustehen und nahm Globuli. Dann bekam ich auch noch zwangsgedanken...
Als es gar nicht mehr ging ich stationär ins Krankenhaus...
Seitdem nehme ich sertralin (mittlerweile 100mg)
Seit ca. Zwei Wochen fühl ich mich zu 90% gut. Gefühle für mein Kind sind wieder zu 80%da.
Auch wenns gute und nicht ganz so gute Tage gibt.

Ich hab mir so oft gedacht ich komm aus diesem furchtbaren Zustand nie wieder raus.
Aber glaub mir es wird besser!!!!
Sertralin wird wirken auch wenns dauert leider
Bei mir hats nach 7 Wochen wirklich zu wirken begonnen auch wenn mein Umfeld meinte sie haben nach drei Wochen schon Verbesserungen gemerkt...
Also ich schick dir ganz viel Kraft!!!

[Jules_96]

Hallo Mirabell,

danke für deine Antwort! Tut mir sehr leid, dass du das auch durchmachen musst. Es ist schön zu lesen, dass es dir mittlerweile besser geht und das macht mir Hoffnung! Bist du zusätzlich auch noch in Therapie oder haben bei dir „nur“ die Medikamente ausgereicht?

[Marika]

Liebe Julia!

Ein liebes Hallo und ganz herzlich Willkommen bei uns. Deine Geschichte ähnelt auch meiner sehr. Es ging wie bei dir nach etwa 5 Wochen los, ein absolutes Wunschkind, nicht mehr essen, nur noch Angst, Panik.... glücklicherweise haben mir meine Eltern und Verwandten und mein Mann sehr geholfen.

Ich bin mir sehr sicher, dass du im Moment "nur" eine Erstverschlimmerung des ADs merkst, das lässt aber sehr bald nach und dann kommt die positive Wirkung durch. Es braucht auch mit dem Medikament Geduld. Sehr gut ist, dass du von deinem Umfeld so toll unterstützt wirst, war bei mir genau so. Die ersten 4 Monate war täglich jemand bei mir, dann haben wir begonnen langsam auch Stunden einzubauen, an denen ich alleine mit dem Baby war. E war aber immer jemand erreichbar, falls es nicht ging. So habe mich mich Stück für Stück zurück ins Leben gekämpft.

Ich habe neben dem AD auch noch eine Therapie gemacht, was mir sehr geholfen hat. Das nur zur Info, weil du gefragt hast. Sehr gut finde ich die ambulante Behandlung in der Mutter Kind Klinik. Da wird du sicher auch Gespräche haben.

Halte durch liebe Julia, du wirst bald Besserung merken. Wie hoch ist deine aktuelle Sertralin Dosis?

[Jules_96]

Hallo Marika,

vielen Dank für deine liebe Nachricht, das lässt mich auf eine positive Zukunft hoffen! Schön, dass du auch so viel Unterstützung von deiner Familie hattest, es ist so wichtig, wüsste gar nicht was ich ohne machen würde! Was genau war das für eine Therapie wenn ich fragen darf?

Ich habe Einzeltherapiestunden und auch die Möglichkeit an einer Gruppentherapie teilzunehmen, ich denke das werde ich machen falls da noch ein Platz frei ist. Ich nehme aktuell 50 mg, soll aber nach 2-3 Wochen auf 100 mg hoch gehen falls sich keine Besserung zeigt.

Bin so froh, dass es dieses Forum gibt, es gibt einem echt Kraft sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

[Marika]

Schön, dass du dich hier verstanden fühlt.

Ich habe eine Verhaltenstherapie gemacht, die in den ersten paar Stunden auch Anteile einer tiefenpsychologischen hatte um zu erkennen, woher das alles kommt. Danach haben wir aber Verhaltenstherapeutisch weitergemacht, da mein Hauptsymptom Zwangsgedanken waren. Und da greift diese Form besser.

Sehr gut, dass Einzel- und Gruppensitzungen angeboten werden. So kannst du schauen, was für dich gut passt.

[Mirabell]

Ich habe zusätzlich Psychotherapie und habe begonnen regelmäßig Yoga zu machen und spazieren oder laufen zu gehen.

Mir hat dieses Forum riesig geholfen vor allem die Beiträge von Marika!
Alles Gute für dich!!!

[Ivy]

Hallo liebe Julia,
auch ich möchte dir Antworten. Ich bin in der selben Situation wie du. Mein Sohn ist am 02.11.23 geboren. Die ersten 5 Wochen waren nicht gut aber auch nicht super schlecht bis ich dann in ein sehr tiefes Loch gefallen bin. Ich konnte mich nicht mal mehr um mein Kind kümmern, habe unglaubliche Ängste, Panikattacken, kann nichts essen und nicht schlafen. Auch ich habe viel Unterstützung von meiner Familie und der Familie meines Mannes. Nehme auch sertralin (ab morgen 100 mg) und zusätzlich noch zum schlafen Mirtazapin. Sogar ein sehr starkes Notfall Medikament habe ich bekommen. Ich habe gute Phasen und dann auch wieder sehr starke Tiefs. Aber ich habe hier gelernt das das normal ist und leider alles sehr viel Zeit braucht um sich einzupendeln. Gern kannst du unter meiner Vorstellung(ich will doch nur mein Baby genießen) die vielen tollen und hilfreichen antworten lesen.
Am Anfang der schlimmen Phase dachte ich mein Sohn ist der größte Fehler meines Lebens. Heute weiß ich das ich ihn über alles liebe und das nur von der Depression und den starken Ängsten überschattet wird. Nimm jede Unterstützung an die dir gut tut und dir den Rücken frei hält. Verbringe die guten Phasen mit deinem Kind um eine Bindung aufzubauen und schäme dich nicht wenn noch keine Muttergefühle da sind, das ist alles noch überschattet.
Du bist stark und schaffst das!
Du bist nicht alleine. Fühl dich gedrückt und liebe Grüße

[Jules_96]

Danke Mirabell und Marika für die Infos, habe noch gar keine Erfahrung mit Psychotherapien und bin sehr gespannt wie das ganze abläuft!

Hallo Yvi, danke für die liebe Nachricht! Habe deinen Beitrag schon entdeckt und mich da auch total drin wiedergefunden. So leid es mir tut, dass du auch durch diese Hölle gehen musst, so hat es trotzdem was tröstliches zu wissen, dass ich nicht alleine bin. Wir schaffen das gemeinsam!

[birdplane]

Hallo Julia.

Ich nehme auch sertralin. Es hat vier Wochen gebraucht, bis ich Besserung bemerkte. Im der Regel dauert es 4-6 Wochen, bis ein AD bemerkbar ist.

Versuch deine Worte zu ändern. Z.B. nicht „aus der Hölle“ schreiben. Ich glaube dir, dass du dich so fühlst.
Ich habe oft den Eindruck, eine andere, positivere oder wenigstens neutralere Wortwahl hilft schon ein wenig dabei sich zumindest nicht noch trauriger zu machen.

Man muss sich als Mutter immer bewusst sein, dass unsere moderne Lebensweise nicht Kinder- und nicht mütterfreundlich ist. Klar ausgedrückt: Uns fehlt die verwandtschaftliche Gemeinschaft. Deswegen entstehen viele Probleme und Schwierigkeiten, die zu Depressionen führen können.