Seit einem Jahr PPD

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Time

Seit einem Jahr PPD

Beitrag von Time »

Hallo Leute!

Ich bin inzwischen 26 Jahr alt, verheiratet und habe eine 18 Monate alte kleine Tochter.

Bei mir begann es vor etwas mehr als einem Jahr, als wir in unser Haus aufs Land gezogen sind. Unsere Kleine war ca. 6 Monate und ich wollte
langsam abstillen. Die SS war schon nicht ganz unproblematisch verlaufen: Im 3 Monat wurde mir verkündet, das mein Kind behindert sein könnte(Downsyndrom), was sich später als total übertriebene Reaktion meiner damaligen Frauenärztin rausstellte, aber sie schlug uns zu Beginn sogar eine Fruchtwasseruntersuchung vor, die mir allerdings ein Freund, ein angehender Arzt, Gott sei Dank sofort wieder ausredete. (Ich war damals erst 24 Jahre alt.) Desweiteren kamen noch ein Verkehrsunfall im letzten Schwangerschaftdrittel und angeblich extrem schlechte CTGs, die ich daraufhin alle 2(!) Tage wiederholen musste und ein weicher Muttermund hinzu. Andauernd wurde an meine Bauch gerüttelt und es interessiert NULL wie sich mein Kind oder ich mich dabei fühlten. Es war sogar egal, dass ich sagte das sie immer zwischen 11.00 Uhr-12.00 Uhr schlief. Im Gegenteil, ich wurde nur milde belächelt. Davor musste ich überigens mehrere Tage in die Klinik wegen einer möglichen Frühgeburt und bekam diese Lungenreifungsspitzen. Zur gleichen Zeit pochte der ehemalige Besitzer(natürlich kinderlos) dieses, nun unserem, Haus darauf den Vertrag zu unterschreiben. (Wohlgemerkt wurde 1-2 Wochen später normal unterschrieben, weil der Notar sich weigerte
ins Krankenhaus zu fahren..darauf wollte der Vorbesitzer pochen und setzte uns tierisch unter Druck) Kaum Draussen dann der Autounfall, wieder CTGs über Wochen. Ich war da bereits nervlich total am Ende. Irgendwann musste ich wg. einer angeblichen Schwangerschaftsvergiftung ins Krankenhaus, was sich aber abermals als Fehler rausstellte. (Überigens konnte mir im Nachhinein keiner erklären was die ganzen CTGs sollten, denn die Werte waren gar nicht so schlecht wie erst behauptet. Ich bin Privatzusatzversichert, meine Kasse vermutete einfach nur
Abzocke, aber damit rechnet man ja als Mutter erst einmal nicht.) Eine Woche vor der Geburt meiner Kleinen war meine Oma noch überraschend gestorben. Ich hatte eine besondere Beziehung zu ihr, denn ihr zweiten Mann (bereits vor einigen Jahren gestorben)hatte mich im Kindesalter sexuell missbraucht, wir (meine Familie und ich)
es ihr aber bis zu ihrem Tod NICHT gesagt haben, weil sie uns eh nicht
gelaubt hätte, und ich konnte nicht einmal zur Beerdigung anreisen um meiner Mutter beizustehen, weil meine Eltern ca. 250 km entfernt wohnen.

Im KH nahm mich auch keiner für voll als sich am Tag vor meiner eigentlich Entlassung wg. der falsch vermuteten Vergiftung sagte ich hätte starke Schmerzen im Rücken. Im Gegenteil, da das CTG nichts anzeigte wurde mir noch gesagt ich solle mich "nicht so anstellen". Nachts konnte ich es dann doch nicht mehr aushalten und bin
nochmal in den Kreissaal, CTG zeigte wieder nichts, aber der Muttermund war schon fast ganz offen. Ich hatte also den ganzen Tag Wehen gehabt. keine 4 Std. später bekam ich dann meine Tochter mit PDA, da die Rückenschmerzen wirklich schlimm waren und ich logischerweise total verkrampft war. Mir wurde gesagt ich würde ein absolut ruhiges, vermutlich krankes und zu kleines Kind bekommen. Und was war?! Sie war gesund(das GUTE), etwas dünn aber lang, ist sie heute noch.
Sie hat die ersten 6 Monate eigentlich NUR gebrüllt. Vermutlich musste
ihre ganze Wut raus. Keiner im KH zeigte mir den Umgang mit ihr. Den
Kassenpatienten schon, aber ich wurde immer in eine Warteschleife gehangen. Erst dachte ich, es läge an mir und ich würde zuviel erwarten, doch am Entlassungstag bestätigte mir mein Mann, dass ich wirklich schlechter behandelt worden war von den Schwestern.

Von Anfang an wollte ich meine Tochter auch nicht loslassen um wenigstens jetzt die perfekte Mutter zu sein. Ich war eigentlich nur noch zu Hause und wenn draussen NUR mit dem Kind. Ich hab sogar während einer Brustentzündung weitergestillt, weil wir Angst hatten sie könnte uns sonst "die Hölle heiss machen", da sie sich
schlecht an neue Umstände gewöhnte. Ich habe 8 Monate voll gestillt und fühlte mich manchmal nur wie eine Milchbar. Zuneigung gab es bei ihr auch nicht, sobald man mit ihr kuscheln wollte, fing sie an zu brüllen und stiess einen (auch meinen Mann)weg, das ist manchmal heute noch so.

Kaum waren wir im neuen Haus und ich musste nicht NUR noch "funktionieren" und die Kleine wurde dank eines eigenen Zimmers viel ruhiger-und ich plötzlich total hibbelig. Ich hatte schon immer durch meine Vorgeschichte Albträume und früher auch Suizidgedanken und ich fühlte mich öfters überfordert mit Situationen und hatten einen unregelmässigen Schlafrythmus, aber plötzlich hatte ich zusätzlich Gedanken, das ich meinen Mann und meinem Kind was antun könnte. Panikattacken, Schweissausbrüche, ich konnte kaum noch sitzen, mich auf nichts mehr konzentieren, tageweise nicht einmal mehr die Küche betreten in der Angst dort ein Messer zu sehen und dann wieder
diese Bilder zu haben. Immer die Angst im Nacken vielleicht passiert
wirklich mal irgendwas. Irgendwann haben wir mit meinen Eltern darüber
gesprochen und meien Mutter holte sich Rat bei meiner Tante, die Psychologie ist. Auf ihr Anraten sind wir zu unserem neuen Hausarzt, denn wir sind hier in eine ganz andere sehr einsame Region gezogen, und der stellte sofort PPD fest und gab mir erst einmal Beruhigungstabletten. Ich war total fertig, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass das erst 6 Monate nach einer Geburt passieren kann und unter Depressionen verstand ich keine Aggressionen. (Ich war noch nie aggressiv.) Bei einem Bluttest kam raus das meine Schilddrüse eine Überfunktion hatte, entzündet und fleckig war. Inzwischen ist sie "ausgebrannt"(so nannte es mein Hausarzt) und ich stehe fast an der Schwelle zu einer Unterfunktion. Ich habe mir dann kurzfristig Hilfe bei einer Therapeutin gesucht, was auch kurzweilig half, ausserdem suchte ich mir Aktivitäten für mich alleine und ging/gehe auch Abends mal raus. Trotzdem kommt es immer wieder wellenförmig und ich fühle mich schuldig. Zu meiner Kleinen hab ich immer noch ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis: Manchmal bin ich richtig stolz und hab sie lieb, dann genervt und hab diese krassen Gedanken, dann fühl ich mich schuldig, dann fühl ich wieder gar nichts. Körperlich kann ich meinen Mann kaum an mich ranlassen. Auch ihm gegenüber, weil er mir versucht zu helfen und mir auch was abnimmt fühle ich mich schuldig.
Trotz Sport etc. kam es in diesem Winter wieder richtig durch und es ging
mir vor einigen Tagen richtig schlecht und ich musste wieder Beruhigungsmittel nehmen. z.Z. nehm ich Johanniskraut ein und hoffe das es etwas bringt. Nächste Woche lasse ich mir nochmal Blut abnehmen wegen der Schilddrüse und allgemein und ich will noch einmal einen Hormonspiegel machen lassen(mir fehlt seit einigen Jahren ein Eierstock).

Mich macht fertig das ich jetzt, mal schlechter mal besser, seit über 1 Jahr
damit kämpfe. Ist das denn noch normal? Ich werd noch einmal mit meinem Hausarzt reden, dass er mir eine Mutter-Kind Kur verschreibt und hoffe da, dass sie mir das Grübbeln austreiben können. Und neben meinem Job von zu Hause aus, will ich, wenn ich wieder belastbarer bin und die Kleine bald in den Kindergarten geht, halbtags arbeiten gehen. Aber das Wichtigste was ich will, ist wieder normal zu sein und endlich meine Kleine richtig zu lieben. Und ich will aufhören mich gedanklich im Kreis zu drehen und mich in alles reinzusteigern. Ich fühl mich wie auf einem Laufband. Kaum denkt man, man ist im Rythmus, schon ist man wieder ganz hinten und fällt was runter.

Ich freue mich auf den Austausch mit euch. Und sorry für den langen Text, gehört aber alles irgendwie dazu.


LG
Time
Red-headed-woman

Beitrag von Red-headed-woman »

Hallo Time,

erstmal herzlich Willkommen hier in diesem Forum.

Du hast hier den richtigen Ort zum Austausch gefunden!

Deine "Lebens-/ Leidensgeschichte" ließt sich wie ein aufwühlender Thriller.

Vielen Frauen ist Ähnliches widerfahren wie dir....beim Lesen und Mitreden wirst du viele Antworten auf Fragen finden, die du nicht von deinen Ärzten, Psychiatern, Therapeuten oder Familielnangehörigen bekommen kannst oder wirst.

Ich wünsche dir hier eine schöne Zeit....ebenfalls, dass du deine innere Ruhe finden wirst und somit den Weg zu deiner Tochter....

Greetz RED
Patricia

Beitrag von Patricia »

Huhu,

bitte nimms mir nicht krumm, ich hab den text nur überflogen.. ich fühl mich im Moment nicht so gut und da zeiht mich alles runter. Deswegen kann ich Dir gar nicht richtig antworten aber eines möchte ich auf jeden Fall sagen:

HERZLICH WILLKOMMEN HIER IM FORUM!

Hier bist Du garantiert richtig! Du wrist Dich bestimmt wohl fühlen, hier sind eigentlihc nur sehr nette Frauen!!

LG

Patricia
brini

Beitrag von brini »

Hallo time,
auch von mir ein herzliches Willkommen.
Meine erlebnisse damals im Krankenhaus waren auch so furchtbar das ich noch lange daran zu knacken hatte, selbst heute würde ich alles daran setzten niemals mehr ins KH zu müssen.
So wie es sich anhört hast du in Kindestagen schon so einiges furchtbares erlebt, hattest du diesbezüglich schon mal Therapeutische hilfe?
Ich habe ide erfahrung gemacht das ich doch einiges nach der Geburt meines Sohnes vieles neu überdenken mußte, was auch meine vergangenheit betraf.
Ich habe mit 23Jahren meinen Sohn bekommen, war bereits verheiratet und alles war eigentlich schön geplant, NUR DIE PPD nicht.
Vieles hat sich geändert vor allem meine einstellung zu mir selbst und meinen Erwartungen.
Mein sohn ist im Januar 3 Jahre alt geworden und ich lerne immer noch dazu.
Ich bin Gesund aber trotzdem bin ich auch mal traurig, komme aber viel besser damit klar und Katastrophiere nicht wieder sofort alles.
Eine Kur kann ich dir nur empfehlen, die hat mir im letzten Jahr die nötige Stärke gegeben die mir noch fehlte.
Ganz liebe grüße Brinja
kathrin

Beitrag von kathrin »

hallo time,
ich denke auch das du hier richtig bist,bin auch erst seit kurzem hier,kann dir aber jetzt schon sagen,das ich hier schon viel hilfe erhalten habe und allein das austauschen mit anderen leidensgenossinnen mir schon viel hilft.
Also ein herzliches willkommen auch von mir,schön,das du da bist.
lg kathrin
Time

Danke das ihr mich also so lieb aufnehmt

Beitrag von Time »

Hallo Leute!

Ich finds echt superlieb, dass ihr mich also so nett aufnehmt und ich denke auch, dass ich hier ganz richtig bin. Das Blöde an einer PPD ist, dass man sich immer so alleine fühlt. Selbst wenn sich, wie in meinem Falle, der Partner, Familie und Freunde bemühen, so können sie es alle nur teilweise verstehen. Sagt mal, wie lange kann sich dieser"Mist" eigentlich noch hinziehen? Geht das je wieder weg? :-/

@Red-headed-woman : Thriller..jaa manchmal schon, aber ich denke es hätte noch viel schlimmer kommen können: Das mir niemand glaubt und mich niemand ernst nimmt. Mein Leben ist gemessen an anderen Ü(Überlebenden von sexuellen Missbrauchs) noch ganz gut gelaufen. Ich freue mich auf jeden Fall auf den Austausch und werd auch hier, wie in meinem Stammchat für Üs noch öfters mal vorbeischauen, selbst wenn es mir mal wieder besser geht.(Manchmal zweifle ich ja da dran..ja, ich weiss ist Blödsinn, aber ich denke, diesen Gedankengang hatte jeder mit PPD mal.)

@Patricia : Mein HA hat was sehr interessantes gesagt und ich denke er hat nicht unrecht, dass hat mich sehr aufgebaut: "Jeder Mensch reagiert anders auf solchen Depressionen oder wie in ihrem Fall teilweise Agressionen. Manche gehen ja vielleicht einfach so nach Albträumen etc. zur Tagesordnung über, aber ist das normal?! Def. Sie NORMAL! " Ich denke, dass jede Frau die hier ist, dagegen ankämpft, DAS erleben muss und musste eigentlich NUR nett sein kann! Und falls du mal reden willst, kannst du mich gerne anquatschen...

@brini : KH hab ich vorher schon gehasst. Mit 3 wurden mir Darmpolypen entfernt, mit 5 hatten ich eine Blinddarmentzündung, wo auch im ersten KH gefuscht wurde und mit 17 hatte ich so viele Zysten im Unterleib, das sie mir einen Leibschnitt verpasst haben. Wenn ich nur jemanden im KH besuchen muss, schnürrt es mir die Luft ab. Alleine die Luft da, diese langen sterilen Gänge. *daimmerbeklämmungenbekommt* Zu deiner Frage: Ja, hab ich schon. Ich bin wie gesagt auch in einem Chat aktiv, gehe deswegen aber zur keiner Theraphie mehr(hab aber früher viel gemacht, auch aktiv in einer Mädchengruppe). Das wird auch jetzt vermutlich mein grösstes Problem. Ich bin bis jetzt meist auf Theras getroffen, die mit sich selber meist schon viel zu tun hatten. Selbst meine Tante, eine Psychologin denkt nicht wirklich durchgängig gut von ihren Kollegen etc. Tja, das mit dem schön planen kenn ich, vor allem, wenn man den Richtigen gefunden hat, aber irgendwas ist dann doch immer und die eigenen Erwartungen sind höher als die Realität. Mein grösster Wunsch bleibt, egal ob PPD, Ü usw. das ich IRGENDWANN auch mal nicht mehr mich in alles so reinsteigere, mal abschalten kann. Wenn mir da mal jemand(Thera etc.) helfen könnte, wäre ich der glücklichste Mensch auf Welt. Mit der Kur wird noch interessant. Ich denke mein HA wird mir helfen, aber ob das die KK auch so sieht?! hab ja hier im Forum schon gelesen was so abgeht(Erst einmal pauschal ablehnen). Ich will mit der Kleinen an die Ostsee, hoffentlich klappt das! Ausserdem muss ich denen von der KK schreiben was ich alles schon unternommen habe, wie die Beschwerden so sind. Kenn ich noch aus Ü-Zeiten und das macht mich so wütend! Du machst dich da vor einem Sachbearbeiter seelisch "nackig". Gestern die Tussi am Tele war auch so komisch so a la, wie sie wollen ihr Kind mitnehmen und unterschwällig kam wieder dieses"Ach guck mal, wieder so eine überforderte Mutter". OK man ist dünnhäutig aber die Gesellschaft kann manchmal auch echt Kacke sein.

@kathrin : Ja, wegen dem Austausch bin ich auch hier. Ich hab bei meiner Vorgeschichte gemerkt, dass es mir manchmal mehr bringt als zu einem Thera zu gehen. Die Leute, die selber betroffen sind, verstehen eher was in einem vorgeht.
Melherm

Beitrag von Melherm »

Hallo Time,

bin auf deinen Bericht jetzt erst gestoßen. Ich bin 25 Jahre alt. Mein Mann ist damals auch sexuell mißbraucht worden, von seiner Tante. Er war in der Psychiatrie und in der Tagesklinik. Dazu muss ich sagen, dass das erst letztes Jahr ans Licht gekommen. Auf jeden Fall hat er in der TK sein Trauma mehr oder weniger überwunden und zwar durch EMDR http://www.aufrecht.net/utu/emdr.html. Er muss jetzt noch eine VT machen, da er aufgrund des Traumas Zwangsgedanken hat. Gib unter Google einfach mal EMDR ein. Vielleicht ist das auch was für dich.
Man kann soweit ich weiß auch Angstzustände damit behandeln.

Viele Grüße
Melissa
Antworten