Meine Geschichte

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Kalisi

Meine Geschichte

Beitrag von Kalisi »

Hallo,
Bei mir ist erst in diesem Herbst, nachdem meine Tochter fast drei war, klar geworden ist, dass ich wohl eine PPD hatte/habe.
Mir ist sehr schnell nach der Geburt meiner Tochter klar geworden, dass etwas nicht stimmt. Mir ging es schlecht, ich war unglücklich, von meiner Tochter überfordert, wusste nicht, was ich tun soll, wenn sie schreit. Das Schlimmste waren für mich die Tage allein mit ihr. Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte, habe stundenlang mit ihr auf dem Sofa gesessen und nichts anderes auf die Reihe bekommen und darauf gewartet, dass mein Mann heimkommt. Ich habe mich total im Stich gelassen gefühlt, allein mit dem, was mir doch das Liebste und Wichtigste sein sollte und habe mich für die schlechteste Mutter der Welt gehalten. Ich habe zwar schon daran gedacht, eine PPD zu haben, wusste auch von einer Tagesklinik, die darauf spezialisiert ist, aber habe dann immer wieder gedacht, nein, dass muss auch so gehen, du musst es eben besser machen. Ich war völlig überfordert, am Ende meiner Kräfte und habe aber immer gemeint, funktionieren zu müssen, habe mir viel zu wenig Ruhe gegönnt und war im Grunde total erschöpft. Es ging mir immer halbwegs gut, wenn jemand bei mir war, aber dieses Alleinsein hat mich fertig gemacht. Leider kam auch eine mächtige Wut dazu, ein unglaublicher Hass, weil sie mich so gefordert hat, weil ich das Gefühl hatte, sie frisst mich auf, ich habe keine Rechte, bin ihre Sklavin, aber ich muss das alles aushalten, weil ich ihre Mutter bin. Ich habe nicht ertragen, dass sie ihren Willen geäußert hat, wo ich mich doch verbogen habe bis zum letzten um zu funktionieren. Ich merke manchmal noch, dass ich will, dass sie sich genauso klein macht, wie ich es tue, dass sie nicht stärker sein soll als ich.
Ich habe dann, als meine Tochter drei Monate alt war, einen Arzt aufgesucht, der Frauenarzt und Psychologe war und habe dann von meiner Wut erzählt, woraus er schloss, ich hätte keine PPD. Das wars dann, er hat mich wieder heimgeschickt und ich war so enttäuscht. Als meine Tochter 9 Monate war, habe ich dann einen ersten Therapieversuch
gemacht, den ich im Nachhinein aber als gescheitert beurteilen würde. Es fiel kein einziges Mal das Wort PPD ich kam mir überhaupt nicht verstanden vor und meine Situation hat sich in dieser Zeit auch nicht wesentlich gebessert.
Einige Monate später sind wir in eine andere Stadt umgezogen und ich habe dafür alle Reserven zusammengenommen, endlich die Chance auf eine Veränderung! Ich habe hier dann schnell zu einem Mütterzentrum Kontakt gefunden und hatte das erste Mal das Gefühl, gut aufgehoben und willkommen zu sein. Allein das hat die Situation deutlich verbessert, dazu habe ich mir eine Tagesmutter gesucht, wodurch ich auch etwas Entlastung hatte. Aber leider gab es immer wieder Rückfälle, immer wieder Situationen, in denen ich wegen Kleinigkeiten völlig überfordert war und auch meine Tochter geschlagen habe, nicht als Erziehungsmittel, sondern aus vollkommener Verzweiflung.
Nach so einer Situation habe ich dann in diesem Frühjahr eine Erziehungsberatung aufgesucht, wo mir dann zu einer Therapie geraten wurde, die ich inzwischen auch angefangen habe. Bei der neuen Therapeutin fühle ich mich auch sehr wohl und es wurde eben das erste Mal klar, dass es wohl doch eine PPD ist, mit der ich immer noch kämpfe, trotz dieser Wut, die in mir ist. Ich habe in der Therapie mal gesagt: "Wenn ich mir erlaubt hätte, zusammenzubrechen, hätten alle gesagt, es ist eine Wochenbettdepression, aber ich habe es mir nicht erlaubt und deswegen war es keine". Ich habe das immer noch in mir, dass ich funktionieren muss, koste es, was es wolle und das ich mich nicht abgrenzen darf, weil ich dann schlecht bin. Mir ist inzwischen aber auch klar geworden, dass mich das Thema Depression schon seit meiner frühen Jugend verfolgt, für mich war dieser depressiv gefärbte Zustand schon normal, konnte mir gar nicht mehr vorstellen, dass man sich auch anders fühlen kann.
Inzwischen ist die Situation deutlich entspannter, sicher auch, weil meine Tochter inzwischen in den Kindergarten geht, aber ich lerne allmählich, mir zuzugestehen, Bedürfnisse zu haben und eigene Ziele zu entwickeln. Ich bin sicher noch nicht am Ende meines Weges - und womit ich immer leben muss sind die Schuldgefühle, weil ich meine Tochter geschlagen habe. Ich kann mir noch nicht verzeihen und habe Angst, meine Tochter emotional geschädigt zu haben, wobei es bisher nicht so aussieht, zum Glück. Ich hoffe, ich kann ihr eines Tages erzählen, was passiert ist und mich entschuldigen. Ich tröste mich damit, dass ich früh Hilfe gesucht habe, leider ohne Erfolg, aber es quält mich, dass nach drei Jahren alles immer noch nicht vorbei ist und ich mich nicht als "normale" Mutter fühlen kann.

Viele Grüße
Katrin
augenstern

Beitrag von augenstern »

Hallo Kalisi,

ich bin auch neu hier und deine Geschichte hat mich zum Weinen gebracht. Meine Tochter ist erst ein paar Wochen alt, aber der Beginn deiner Geschichte sieht bei mir auch so aus.

Ich hatte jetzt eine Phase, in der alles so toll war und seit ein paar Tagen geht es mir wieder so schlecht.

Ich hoffe, dass ich das in den Griff bekomme. Will auch mit niemandem so direkt darüber reden, weil ich das Gefühl habe, alle damit zu belasten. Und ich wollte doch so eine gute Mutter sein und liebe die Kleine auch sehr. Nur in meinem Kopf herrscht das totale Durcheinander und ich fühle mich nur unglücklich, traurig, überfordert und unfähig.

Ich drücke dir jedenfalls die Daumen und bin mir sicher, dass deine Tochter irgendwann einmal versteht, was mit dir los war. Dein Engagement ist doch schon Grund genug, dass sie dich dafür mal liebt.

Liebe Grüße
*augenstern*
sevcan

Beitrag von sevcan »

liebe katrin!!!

beim lesen deine bericht liefen mir die tränen,mir gehts auch so und das seit 7 mon.ich versuche auch alles mögliche zu machen damit ich mein kind lieben,fühlen kann.
aber leider nein.ich hasse mich selber,komme mir so unfähig vor,denn die kinder können nichts dafür wir haben sie ohne denen zu fragen auf die welt gebracht.
ich weis auch nicht wie lange ich das noch aushalten kann,aber ich sehe auch die ander menschen haben das auch also sind wir nicht alleine,ich wüsche vom ganzen herzen das es für uns allen bald eine genesung eintrifft.ich denke an dich


sevcan
sonrisa2

Re: Meine Geschichte

Beitrag von sonrisa2 »

hui, noch jemand neues! schön!

herzlich willkommen!

alles liebe,
s.
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Marika
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Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Liebe Kathrin,

schön, dass du dich uns angeschlossen hast - und vielen Dank für deine Geschichte!!!

Auch mich hat deine Geschichte sehr bewegt und dein Leid spricht aus jeder Zeile. Die PPD hat so viele grausame Facetten, dass ich doch sehr oft wütend auf diese Krankheit bin... auch wenn ich meine "persönliche PPD" aus heutiger Sicht als ganz große Chance ansehen und annehmen kann und ausgestanden habe.

Ich freue mich sehr, dass du mittlerweile endlich Hilfe bekommen hast. Es ist wirklich schlimm, dass es immer noch Ärzte gibt, die einen einfach wieder wegschicken und die Frau mit ihrem Leid alleine lassen. Ich bin mir sicher, dass du in deiner jetztigen Therapie sehr viel aufarbeiten kannst und schlußendlich auch deine Schuldgefühle deiner Tochter gegenüber ablegen kannst. Du wirst lernen, das Geschehene anzunehmen, es ab zu haken und nur noch nach vorne zu schauen. Wir werden dir dabei helfen!

Ganz liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Kalisi

Danke für die lieben Antworten

Beitrag von Kalisi »

Hallo,
jetzt sitze ich auch mit Tränen in den Augen vorm PC, weil ich so lieb begrüßt worden bin. :cry: Es tut so gut, sich das mal von der Seele schreiben zu können, auch wenn es "nur" virtuell ist und zu wissen, dass es anderen auch so geht. Es wird wirklich Zeit, dieses dunkle Kapitel wirklich zu verarbeiten und dann hoffentlich auch zu beenden - zum Glück ist ja vieles schon so viel besser geworden und die Momente, in denen ich über meine Tochter einfach nur glücklich bin gibt es immer häufiger, aber es sind schon noch viele Spannungen zwischen uns und ich habe Angst, dass sie mit dem Gefühl aufwächst, sie wäre mir lästig. Gestern war Weihnachtsfeier im Kinderladen, die Kinder haben "Hänsel und Gretel" aufgeführt und meine Tochter hat die böse Stiefmutter gespielt, freiwillig, sie war das einzige Kind, dass die Rolle wollte und da hat es mir schon einen Stich gegeben, warum sie genau das spielen wollte, vielleicht wollte sie auch mal "böse" sein dürfen, ich weiß es nicht. Es kamen natürlich auch ein paar scherzhafte Bemerkungen von den Erzieherinnen und ich hab mir nur gedacht - wenn ihr wüsstet. Aber heute hat sie mir gesagt, dass ich lieb bin, das hat mich dann auch gerührt und wir kuscheln auch gerne und viel und ich bin trotz aller Spannungen, die, zu der sie in schwierigen Situationen will, es ist also auch viel gutes zwischen uns.
Ach mann, jetzt ist es doch wieder lang geworden, da ist wirklich noch viel was verarbeitet werden muss...
Viele liebe Grüße und nochmal danke!
Katrin
Jean

Beitrag von Jean »

Hallo,
das ist auch eine traurige Geschichte.
Mein Verhältnis zu meinem ältesten Sohn ist auch nicht so gut. Er ist ein reines Papakind, er hat wohl auch mitbekommen dass es mir nicht gut ging und hat sich deshalb total am Papa orientiert.
Ich drück Dich mal ganz fest.
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