Suizid wegen schwerer Wochenbettpsychose

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Annina

Suizid wegen schwerer Wochenbettpsychose

Beitrag von Annina »

Hallo zusammen,

heute, genau vor einem Jahr ist meine Nichte mit ihrem Sohn (3 1/2 Monate) wegen einer schweren Kindbettpsychose vor den ICE gesprungen. Beide tot, tot, tot.
Wir alle blicken jetzt noch ganz erstarrt auf das schlimme Unglück zurück.
Wir haben damals die Problematik erkannt aber dass es so schlimm wird, damit hat keiner gerechnet.
Dazu kam noch, dass sich ausgerechnet kurz vor Weihnachten alle Symtome sehr gesteigert haben und wir wirklich keinen kompetenten Fachmann mehr gefunden haben, der uns in diesem Abgrund begleiten hätte können. Alle waren in Weihnachtsurlaub, sogar im Bezirkskrankenhaus sagte man dem Ehemann noch in der letzten Woche, dass es ihnen lieber wäre, wenn er noch einige Tage warten würde, bis die ganze Mannschaft vom Weihnachtsurlaub zurück sei.
Schxxß Weihnachten, du Fest des "Friedens" Für mich gibt es jetzt keinen Gott mehr.
Ich kann jetzt schon wieder den Text nicht mehr lesen, weil ich schon wieder weinen muß
Als wenn für unsere liebe Doris sonst kein Bett frei gewesen wäre um sie wenigstens einige Tage in einen Dämmerschlaf zu legen.
Zuletzt geändert von Annina am 10:01:2011 18:26, insgesamt 2-mal geändert.
vergissmeinnicht

Beitrag von vergissmeinnicht »

Liebe Annina!

Oh mein Gott, es tut mir so leid für euch!!
Ich weiss gar nicht was ich sagen soll, bin schockiert, wollte dich aber nicht einfach wieder "wegklicken".

Ich denke ihr habt alles getan um ihr zu helfen, ihr habt die Problematik erkannt und nicht weggesehen.
Von daher macht euch bitte keine Vorwürfe, mach dir keine Vorwürfe!
Es ist immer wieder schrecklich wenn sogar geschulte Fachleute die Gefahr nicht erkennen und sehen...

Mensch du tust mir so leid, und auch Doris dass sie diesen Schritt gewählt hat, dass sie keinen anderen Ausweg sah...

Fühl dich gedrückt
VGMN
Annina

Beitrag von Annina »

Hallo zusammen,

Ich habe ihr am 2.1. letzten Jahres noch telefonisch geraten, dass sie im Internet nach einem Forum für derlei Probleme suchen sollte.
Leider habe ich selber keine weitere Maßnahme ergriffen, denn sie war Grundschullehererin und ich bin davon ausgegangen, dass sie so kompetent sein könnte.
Damals sagte sie mir, dass sie sowas nicht lesen möchte, denn es macht ihr noch mehr Angst.
Sie hatte anscheinend eine manische Phase und dazu noch tausend Ängste.
Sie war anscheinend in dieser Phase noch nicht mit Selbstmordgedanken behaftet.
vergissmeinnicht

Beitrag von vergissmeinnicht »

Annina, weisst du, ich kann sie irgendwie verstehen, ich weiss wie es sich anfühlt.
Ich bin mir sicher dass sie in diesen Moment einfach keinen Ausweg sah, ganz gleich ob sie gelesen hätte dass es anderen auch so geht..

Ich weiss wie sich diese Hoffnungslosigkeit anfühlt,man fühlt sich allein, auch wenn man es vielleicht nicht ist...

Selbstmordgedanken gehören leider zu unserer Krankheit.
Wenn man dann mal allein ist..und kein Mensch ist 24 Stunden am Tag "beaufsichtigt" dann ist das so schnell umgesetzt, vorallem weil das Leid so gross ist..

Ob es einen Gott gibt...hmm..ich frag mich das auch oft..wie kann er das Leid der Menschen mitansehen...wenn es einen gibt...ist er zufrieden mit seinem Werk?

Wie kannst du damit umgehen?
Machst du eine Therapie? Nimmst du hilfe an?
Es hört sich jetzt vielleicht blöd an aber gibst du auch auf dich acht?

Es gibt ja so Selbsthilfe Gruppen für Suizid Hinterbliebene, vielleicht würde dir das helfen?
Annina

Beitrag von Annina »

Hallo Vergißmeinnicht,

ja es war so,
an diesem Tag war sie mal etwa 2 Stunden allein und zuvor sagte sie zu ihrem Mann, dass sie noch weg muß zum Windelnkaufen.
Es war Freitag, ihre beiden älteren Kinder waren im Kindergarten und als sie nicht abgeholt wurden rief man vom KG aus an, was denn los sei.

Danach hätte sie keine einzige Gelegenheit mehr gehabt, ........... zumindestens vor diesen Zug zu springen, denn am Montag schon war der Termin in die Nervenklinik zu gehen, ausgemacht.
Sie hatte auf dem Computer nachgeschaut, wann der ICE kam. Dann ist sie an einen alten aufgelassenen Bahnhof gefahren, bei dem man schön bis an das Gleis fahren konnte. Da hatte sie dann alle Türen des Autos offen stehen lassen, den Kinderwagen sogar noch herausgestellt um den Sohn hinein zu legen, damit ihn beim Warten nicht friert.
Diesen Bahnhof hat die ...... nicht zu ersten mal angesteuert, sondern den hat sie sich wenigsten einmal zuvor angeschaut.

Es ist so entsetzlich, .... wo soll denn da ein alles lenkender Gott sein!?

Wenn man nur allein an diesen Tsunami in Thailand und an die Vulkanausbrüche in der letzten Zeit denkt. Auch die schlimmen Kriege in der Vergangenheit, wobei beim letzten Krieg allein schon 6 Millionen Menschen in den KZ umgekommen sind. Im Dreisigjährigen Krieg kamen über 30 Millionen Menschen ums Leben
Die christlichen Gemüter verbringen große Diskussionen über die pränatalen Untersuchungen .... ob sie von Gott erlaubt sind oder nicht. Ob eine Abtreibung eine Sünde sei usw.
Ich sage, es gibt gar keinen Gott, was schert sich der um einen Zellhaufen im Reagenzglas, wenn er dann zuläßt, dass zu einem anderen Zeitpunkt allein 200 000 Menschen jämmerlich durch eine große Meereswelle zugrundegehen.

Mit diesem Gedanken kann ich besser leben, denn wenn ich
mir auch noch sagen soll .... ja Gott hat es so gewollt ............ weil er sooooo mächtig ist.
Er ist gar nicht mächtig. Die Menschen haben diesen Gott nur erfunden um sich letztendlich alle ungelösten Fragen zu erklären in dem man sagt nur Gott weiß die Antwort .............

Es gibt keinen Gott, ... allein die Natur ist einerseits so stark und andererseits dann aber auch sehr oft so unzulänglich, sodass dann so eine Hormonstörung entstehen kann.
DarkSummer

Beitrag von DarkSummer »

ich kann mich da nur anschliessen mir fehln die worte
Markus

Beitrag von Markus »

Liebe Annina,

ich weiß gar nicht was ich schreiben soll, ich habe einen solchen Kloss im Hals, als ich deinen Beitrag las.
Mir fehlen die Worte, fühl dich gedrückt von mir.
Leuchtkäfer

Beitrag von Leuchtkäfer »

hallo Annina, auch mir tut es sehr, sehr leid, was Eurer familie widerfahren ist. das ist einfach nur schrecklich. ich finde es auch wichtig, daß du dir hilfe holst und hier u schreiben, ist der erste schritt. wir sind um glück alles noch am leben, aber vielleicht können wir dir helfen u verstehen, was in deiner nichte vorgegangen ist. so wie vergißmeinnicht es schon versucht hat. leuchtkäfer
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Liebe Annina,
puh, jetzt muss ich grad nach Worten ringen...und habe einen dicken Kloss im Hals.
Es tut mir auch schrecklich leid was da passiert ist.
Horror, das trifft es sicher am besten.
Es ist sicher ein längerer Prozess bis man darüber hinweg sein kann. Lass dir Zeit und mach dir nicht selber noch Druck. Und weinen ist wichtig, damit du es nicht in dich rein frisst.
Bitte gestatte mir eine Frage, es könnte kritisch rüber kommen, aber so ist es nicht gemeint.
Wie konnte es dazu kommen, dass sie überhaupt allein mit dem Baby unbemerkt da hin gehen konnte?
Es muss ihr ja wirklich so schlecht gegangen sein, dass man sie nicht hätte alleine lassen können.
Nochmal, es ist wirklich nicht böse gemeint und soll kein Vorwurf sein. Ich weiss, dass man niemanden 24h kontrollieren kann.
Es interessiert mich sehr und ich würd gern mehr darüber erfahren, wenn du noch etwas preisgeben magst.

Ganz liebe Grüsse und mein tiefes Mitgefühl

scara

P.S.: Wie geht es dem Ehemann und Vater heute?
smaugerl

Beitrag von smaugerl »

hallo Annina,

auch von mir ein herzliches Willkommen bei uns im Forum - fühl dich wohl bei uns.

lg
smaugerl
Annina

Beitrag von Annina »

Hallo zusammen,

Ich schätze, dass ihr Ehemann etwas sehr unbedarft mit dem ganzen Problem umgegangen ist. Ich hörte bereits, dass einen Tag zuvor ein stundenlanges Gespräch zwischen den zweien stattfand und kann nur ahnen, was da gesprochen wurde.
Schätze mal, dass auch zornige Worte gewechselt wurden und der Ehemann die Situation nicht mehr in Griff hatte.
An so ein Ende hat er bestimmt nicht gedacht.
Er hatte eh Urlaub genommen um sie zu unterstützen und war auch immer zur Mithilfe bereit. Das ganze Malheur hat ja schon schließlich über 3 Monate gedauert.
Wenn er nicht immer zur Stelle gewesen wäre, dann wäre sie vielleicht schon eher zusammengebrochen. Er hat mit seinen Eltern meisstens die Kinder versorgt.

Ich habe meine Nichte einige Tage vor der Tat noch angerufen und vorsichtig gefragt, ob sie denn recht viel weinen müsse und recht schwach sei. ------------ Aber nichts dergleichen, sie sagte, dass sie noch keine einzige Träne geweint habe aber das Herz klopft ihr immer bis zum Hals und sie habe eine sehr starke Hitze in sich. Schlafen war ein sehr großes Problem und auch habe sie überall Schmerzen.

Dann sagte sie noch zu mir, dass sie nicht soooo leben möchte.
scaramouch

Beitrag von scaramouch »

Hallo Annina
mensch, das ist so so tragisch, das man es fast nicht aushält darüber nachzudenken :(
Besonders schlimm ist, dass es nicht so hätte kommen müssen. Hat sie denn einen Brief hinterlassen?
Ich wünsche dir viel Kraft zur Verarbeitung und wir sind hier immer da mit einem offenen Ohr bzw. Auge.

Lg
scara
Annina

Beitrag von Annina »

Hallo zusammen

Sie hat auch einen Brief hinterlassen aber es waren nur einige, zwischen Tür und Angel dahingeschriebene Worte.
"Dass es ihr leid tut, es ihren Eltern und auch den Kindern und dem Ehemann das anzutun. Dass sie aber auch keine Chance mehr sieht, dass sich ihr Leben nochmal ändern könnte . Sie könne bestimmt nicht mehr in den Beruf zurück, was ihr eine ganz große Pein war, denn sie war mit Leib und Seele Lehrerin." ................. So ein Wahnsinn!

Sie war im letzten Drittel der Schwangerschaft schon komisch, weil sie einfach so rigoros war und direkt in einem Höhenflug dahingeglitten ist. Sogar zweimal ist sie noch mit ihrem Mann und den zwei Kindern nach Südtirol in Urlaub gefahren, weil die Familie dort eine Berghütte hatte.
Sogar an Sylvester hat sie sich noch 4 Gäste eingeladen und die anderen haben noch nichts bemerkt.
Abgemagert war sie zu diesem Zeitpunkt schon sehr deutlich und das hat sie mir auch zuvor bei einem Telefongespräch gesagt: "Sie könne nichts mehr essen"

Vor allem hatte sie immer Angst. Ich habe sie in der Zeit nach der Entbindung viermal angerufen und bereue es so sehr, dass ich sie nicht besucht habe. Der Kleine kam 4 Wochen zu früh zur Welt, was bestimmt auch schon zum ganzen Unglück gehörte und ich dachte immer es sei noch zu einem Besuch zu früh.
Sie war den ganzen Tag gehetzt vor lauter Angst,
sie glaubte, das sie in Zukunft nicht mehr schlafen könne,
sie glaubte, den Haushalt nie mehr auf die Reihe zu bekommen,
sie glaubte sogar, dass der Kleine behindert sei,
was aber in keinstem Falle zutraf.

Natürlich hatte sie Psychopharmaka,
zuerst Opipramol, dann Amitriptilyn und noch was zur Beruhigung aber ich glaube, dass sie dies alles gar nicht so oft genommen hat, wie wichtig gewesen wäre.
Die Mittel haben alle nicht gewirkt.
Sie war sehr homöopatisch ausgerichtet und die HP hat ihr zwar Mittel gegeben aber auch gesagt, dass sie sich auf alle Fälle zu einem Psychiater begeben muß.

Letztlich denke ich heute, dass sie das homöopathische Mittel Aurum gebraucht hätte, denn sie hatte zuvorderst Herzsymtome.
Ich sagte ihr zweimal am Telefon, dass sie zu den homöopatischen Globulis bitte auf alle Fälle auch die Tabletten nehmen muß.
Dauern hatte sie Angst, dass sie nie mehr von diesen Tabletten wegkommen würde, weil doch nie Tabletten nahm. Sie war 33 Jahre alt und eigentlich sehr gesund. Aus diesem Grund hatte sie auch keinen Hausarzt, denn mit ihrer privaten KV konnte sie zu jedem Arzt ohne Überweisung gehen.
Ich sagte ihr, dass sie dies dann auch ausnützen soll und wenigstens zu einem Endokrinologen gehen sollte, denn der hätte sie dann vielleicht eh nicht mehr weiterziehen lassen.

Hinter all dem kann kein guter Gott sein, der alles lenkt und dem Menschen beisteht .......................
Markus

Beitrag von Markus »

Oh Mann, ich kann dich sehr gut verstehen.
Ich habe schon so oft daran gezweifelt, ob es wirklich einen Gott gibt, der so was zu läßt.
Das er Menschen zu sich holt, die noch so jung sind oder Menschen so furchtbar leiden läßt, wie deine Nichte .
Die dann keinen anderen Ausweg mehr sehen, als sich etwas anzutun.
Fühl dich gedrückt!
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo zusammen,

auch von mir ein ganz aufrichtiges Beileid. Das ist eine unglaublich traurige Geschichte mit furchtbarem Ausgang. Er zeigt uns deutlich, was passieren kann, wenn Menschen und Umstände zusammen kommen, die fatal sind: Die Erkrankung selber, die Ärzte die sie nicht in die Klinik aufgenommen hatten an den Feiertagen (das ist in meinen Augen das hauptverantwortlichste für diese Tragödie) und dann deine Nichte selber, die die Medkamente abgelehnt hat und sie nicht genommen hat wie nötig. Daher konnten sie nicht wirken und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Und der Gedanke drängt sich mir auf: Ist es wirklich "Gott" der solche Dinge zuläst, oder sind es vielleicht wir Menschen selber.

Egal wie - es ist bleibt furchtbar, schrecklich, unfassbar und sollte uns allen eines klar zeigen: Die Medikamente nehmen und an die Ärzte: Nehmt uns endlich wichtig und ernst!!!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Gesperrt