Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Leandra

Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Leandra »

Hallo!

Ich habe mir nun endlich ein Herz gefasst und schreibe hier auch meine Geschichte, in der Hoffnung Hilfe oder Tipps zu finden.
Ich habe Ende letzten Jahres einen kleinen Sohn bekommen- mein absolutes Wunschkind.

Die Schwangerschaft verlief völlig ohne Komplikationen und einer natürlichen Geburt- die ich angestrebt hatte- stand nichts im Weg. In der 39. Woche setzten dann ganz normal die Wehen ein. Also auf ins Krankenhaus, Muttermund war bei 4 cm, alles super. Zwei Stunden später war der Muttermund bereits auf 6 cm und ich habe mich dann für eine PDA entschieden.
Mein Mann wartete im Kreißsaal auf mich.

Der Anästhesist war gerade fertig mit dem Setzen der PDA und ich war fertig verkabelt, da schlug das CTG Alarm. Auf einmal wurden es immer mehr Leute im Raum und es wurde sehr hektisch. Dann wurde versucht das Kind noch von außen zu wenden, was sehr schmerzhaft und gewaltsam war. Der Muttermund wurde von mehreren Leuten getastet und es wurde diskutiert, wie weit dieser auf ist. Es waren zu diesem Zeitpunkt 8 cm. Dann wurde mir hektisch die Unterhose ausgezogen und die Fruchtblase aufgestochen, ich wurde aufgefordert auf eine Liege zu steigen und mir wurde- auf meine Nachfrage hin was den gerade passiert- noch gesagt, das jetzt ein Kaiserschnitt gemacht wird. Das grüne Fruchtwasser schwappte immer wieder aus mir heraus während der Fahrt. Innerhalb weniger Minuten lag ich im OP, eine Maske wurde mir aufs Gesicht gedrückt, die Arme rechts und links festgeschnallt, der Bauch eingepinselt- dann war ich weg. Das alles passierte in wenigen Minuten. Das sind im Wesentlichen die Sachen, an die ich mich erinnere.

Dann wurde ich wieder wach und versuchte mich aufzusetzen und habe festgestellt, dass meine Beine taub sind. Ich dachte erst, ich hätte einen Unfall gehabt und sei jetzt querschnittsgelähmt, habe versucht mich zu erinnern, was passiert ist. Dann ist mir wieder eingefallen, dass ich ein Kind bekommen habe und es Komplikationen gab. Ich habe ein paar Momente gebraucht, um nach meinem Kind zu fragen, weil ich Angst vor der Antwort hatte.

Zum Glück ging und geht es ihm gut.

Es gab zwei Tage später ein sehr kurzes Gespräch mit der Ärztin, die den Kaiserschnitt gemacht hat, dass er die Nabelschnur abgedrückt hatte und es sehr schnell gehen musste und am Tag danach wurden wir entlassen.

Ich dachte eigentlich, dass ich das Erlebte mit der Zeit für wegstecken würde. Der erste Schreck ist auch vorbei. Was aber blieb, ist die Schwierigkeit eine Bindung aufzubauen zu meinem Kind. Was ich fühle, lässt sich nur sehr schwer beschreiben. Ich bin ganz verliebt in ihn, der Gedanke daran, dass ihm etwas passieren könnte macht mich krank, ich verbringe (meistens) gerne Zeit mit ihm und doch ist da eine Leere, die nichts füllen kann.

Ich habe eine Nachsorgehebamme, der ich auch von meinem Gefühl erzählt habe und auch konkret davon, dass ich glaube eine Depression zu haben.
Zu der Sache mit dem Kaiserschnitt meinte sie, ich müsse halt viel darüber reden. Leider gab es bisher genau eine Person, die sich meine Geschichte wirklich mal angehört hat und Verständnis für mich hat. Alle anderen, sei es mein Partner oder restliches Umfeld sagen alle, Hauptsache dem Kind geht's gut. Das stimmt ja auch und ich bin auch unendlich dankbar, dass er lebt.

Zum Thema Wochenbettdepression gab sie mir einen Tipp, wo ich mich hin wenden kann, aber ich wurde von dort aus nur hin und her vermittelt, jetzt schon über einige Wochen und bisher erfolglos. Ich habe einige Stellen angeschrieben, alles was mir so einfiel, habe von den einen den Tipp zum anderen bekommen, aber niemand ist akut zuständig für ein Geburtstrauma inklusive Wochenbettdepression.
Dennoch geht's mir richtig mies.
Ich fühle mich schlecht, weil ich diese erste Wochenbettzeit nicht genießen konnte und auch heute das Mutter- Sein nicht genießen kann. Obwohl er so süß ist und es verdient hat eine gute Mutter zu haben. Ich tue wirklich alles für ihn, damit es ihm gut geht, daran fehlt es nicht. Aber ich habe eine anhaltende Traurigkeit und Leere in mir.
Es gibt einzelne Tage an denen es mir besser geht, wo ich dann wieder Hoffnung habe, dass sich bald wieder alles zum Guten wendet. Dann geht's wieder bergab.

Corona und die damit verbundenen Einschränkungen in allen Bereichen macht die Sache nun nicht besser. Ebenfalls tut der ewige Regen sein Übriges dazu. Ich gehe raus, sobald es einigermaßen trocken ist, dann geht's mir auch immer etwas besser. Aber ich habe inzwischen auch gemerkt, dass das nicht das Heilmittel ist auf Dauer.

Erstmal vielen Dank an jeden, der sich das hier durchgelesen hat und vielleicht gibt's ja hier jemanden, dem es ähnlich ergangen ist und der mir vielleicht noch einen Tipp geben kann.
Ich brauche Hilfe und zwar dringend und nicht erst in einem halben Jahr.

Vielen Dank!
Nic
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Re: Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Nic »

Hallo Leandra,

Gibt es in Deiner Nähe nicht eine Psychiatrische Notfallambulanz oder so etwas ähnliches, wo Du DIch mal vorstellen könntest?

Das war so meine erste Idee dazu.

Ich wünsche Dir alles Gute.

N.
Leandra

Re: Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Leandra »

Ich habe diverse Stellen bereits abgeklappert in und bin mit meinem Latein am Ende 🤷
Ich werde mir jetzt einen Termin zum Erstgespräch holen in der Ambulanz, aber das dauert noch ein halbes Jahr... Das ist echt lang und mir geht's echt beschissen.
Löwenmutter

Re: Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Löwenmutter »

Hallo! Fühl dich gedrückt. Ich verstehe das so sehr! Ich hatte auch nach 2 Hausgeburten einen Notkaiserschnitt und das wegen lebensgefährlicher Fehler... Es fühlt sich unerträglich an. Und trotzdem, glaube mir der Schmerz verblasst. Es dauert und es wird bestimmt nie eine schöne Erinnerungen sein. Aber es ist irgendwann in Ordnung so. Und auch mit den Gefühlen zum Kind ging es mir genau so. Ich habe die Kröte geliebt, das war mir sehr klar. Aber fühlen könnte ich nichts.
Versuche ganz dringend jemanden zu finden der dir zuhört, der dir hilft diese Geburt zu verarbeiten. Ich habe unsere Geschichte unendlich oft erzählt und geweint und geweint und geweint.
Geblieben ist eine kleine Narbe am Bauch, ein ganz blasser Schmerz, eine neue innere Stärke und meine Tochter. Sie und ich, wir sind trotz der Geburt Mama und Kind. Gestillt, getragen, nur eben nicht Zuhause geboren....

Es gibt ja auch Selbsthilfe Gruppen für Mutter mit traumatischer Geburtserfahrung. Vielleicht wäre das noch ein Ort zum Reden an dem du viel Verständnis erfährst?
Chrisla

Re: Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Chrisla »

Hallo Leandra!
Ich hatte zwar keinen Notkaiserschnitt, leide aber auch unter einem Geburtstrauma. Meine Tochter war ein Sternengucker, ich hatte eine Wehenschwäche, Geburtsstillstand, letzter Versuch Saugglocke hat dann geklappt (ohne Presswehen), danach gar keine Wehen mehr, Plazenta sollte unter Narkose raus geholt werden. Diese ist aber an der Gebärmutter angewachsen und die Gebärmutter hat sich nicht mehr zusammengezogen, weshalb ich 2-3 Liter Blut verloren habe und auf der Intensivstation aufgewacht bin. Ich kann gut nachvollziehen, wie du dich fühlst! Ich bin aktuell beim Osteopathen/Heilpraktiker in Behandlung und fand das Buch „es ist vorbei, ich weiß es nur noch nicht“ diesbezüglich hilfreich! Ich weiß noch nicht, ob es ohne „Therapie“ funktionieren wird, aber mir hilft es zumindest zur Überbrückung und oft darüber sprechen finde ich auch hilfreich und mir hat es geholfen, meine Gedanken und sorgen dazu aufzuschreiben.
Viele Grüße
Mamihochtief

Re: Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Mamihochtief »

Hallo Leandra,
deine Geburt war wirklich traumatisch.Ich selber hatte zum Glück nie so eine schwere Geburt mit Komplikationen aber ich kenne aus anderer Erfahrung posttraumatische Belastungsstörungen.Ich bin 2018 als Ersthelferin auf einen schweren Unfall zugekommen.Leider kam jede Hilfe zu spät.Mein Umfeld hat mich damals auch nicht so verstanden.Mich hatte das lange verfolgt und ich hatte immer die Bilder vor Augen.Ich war damals wegen meiner PPD in Behandlung beim Psychologen und konnte auch dieses Erlebnis mit ihm aufarbeiten.Seine Aussage war auch,dass man viel darüber sprechen sollte und wenn es verarbeitet ist,werden die Bilder verschwinden.So war es auch.
Deine Geburtserlebnisse haben mich sehr berührt.Besonders dieses verunsichernde Schweigen der Ärzte und die Hektik.Natürlich war es in der Situation 5 vor 12.Das hat bestimmt viel bei dir ausgelöst.Und auch die Nachsorge war sehr unsensibel.Das ist ein allgemeines Problem mit Ärzten.Sie sehen oft nur das Körperliche und nicht was die Seele erlebt.Bei uns gibt es die Diakonie,darüber habe ich damals meine Ersthilfe in Sachen PPD erhalten.Kann deine Situation nicht genau beurteilen,schätze eher es ist eine posttraumatische Belastungsstörung durch die Geburt.Aber ein halbes Jahr auf einen Termin zu warten ist definitiv zu lang.Vielleicht hilft dir zunächst auch ein Gespräch mit einem Pastor etc.weiter oder es können dir darüber Kontaktadressen vermittelt werden.
Liebe Grüße und melde dich gerne wenn du Zuhörer brauchst.
Leandra

Re: Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Leandra »

Hallo!

Ich habe inzwischen einen Termin für ein Erstgespräch bekommen bei einem Therapeuten.
Ich hoffe, dass es das Richtige für mich ist und mir helfen wird.
Mamihochtief

Re: Geburtstrauma Notkaiserschnitt

Beitrag von Mamihochtief »

Das ist sehr gut.Ich hoffe es wird dir helfen!
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