Ich glaubs nicht...(sorry, laaaang)

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Agnes24

Ich glaubs nicht...(sorry, laaaang)

Beitrag von Agnes24 »

...ich leide seit 14 Monaten und jetzt erst stoße ich auf diese Seite. Ich habe eine Postpartale Depression.
Oh Gott, ich habe das total ausgeschlossen, da ich dachte, dass sich diese direkt nach der Geburt einstellt.
Bei mir fing erst alles an, als mein Sohn 6 Monate alt wurde. Und zwar genau in der Woche in der ich abstillte (relativ abrupt) kamen die ersten Zwangsgedanken, die sich gegen mich und gegen meinen Sohn richteten. Ich wußte gar nicht, was los ist, da ich meinen Sohn doch über alles liebe. Ich hatte auf einmal den Gedanken ich könnte zum Messer greifen oder ihn würgen oder ihn aus dem Fenster werfen und den Kinderwagen auf die Straße stoßen. Ich mußte allerdings auch immer mir vorstellen, selbst aus dem Fenster zu springen. Ausserdem war ich kaum mehr in der Lage eine Autofahrsituation durchzustehen, da ich dachte, dass ich mich abschnallen könnte und rausspringe. Der totale Horror.
Dazu kam ein unglaublicher Weltschmerz. Ich war nicht in der Lage Nachrichten zu hören, zu sehen oder Zeitung zu lesen. Ich fühlte mich hoffnungslos. Ich war ständig in erwartung, dass etwas ganz schlimmes passieren wird und hatte einfach nur schreckliche Angst.
All das ist übrigens nach wie vor da und unverändert!

Ich bin relativ schnell zu meinem Hausarzt gegangen. Der hat bei mir eine Depression diagnostiziert und hat mir ein Psychopharmaka verschrieben und Punkt. Er hat mich zu einem Kolegen weiter überwiesen, der mich durchcheckte und mir wiederum die Adresse meiner damaligen Therapeutin gegeben hat. Das war eine unglaublich stumpfsinnige schubladendenkende Frau, die wirklich nicht erkannt hat, wie schlecht es mir geht und bei der ich immerhin 10 Monate verplemmpert habe. Entschuldigt, ich bin sauer auf sie und auf mich, die nicht zeitig die Flucht ergriffen hat). War in dieser Zeit übrigens auch beim Psychiater, der mir weitere drei Medis verschrieben hat, da ich mit keinem so recht zurecht kam. Ende des LIedes ich nahm und nehme nichts ein. Es stellte sich dann im Juni eine Derealisierungsstörung ein, die bis heute non stop anhält - jede Sekunde am Tag ist dieses Gefühl da. ( Wer eine Beschreibung für dieses Phänomen braucht, fragt mich bitte noch mal extra, das würde sonst zu lang werden-oder googelt "derealisierung".

Ich war ausserdem im letzten Jahr bei einem Homeopathen und einer Kinesiologin. Das war jeweils beides sehr interessant und hat mich viel lernen lassen, allerdings ging es mir immer nur schlechter. Anfang diesen
Jahres wurde mir dann irgendwann klar, dass ich etwas stationär machen muß. Habe vor allem erst mal meine Therapeutin in den Wind geschossen, die mir noch nicht einmal richtig zugehört hat. Ich bin dann zu einer privaten antoprosophischen Psychologin gegangen und habe mich beraten lassen. Über die habe ich Kur-Klinik-Vorschläge bekommen. Für mich stand eins fest, ich mache nichts ohne meinen Max... also Mutter-Kind-Klinik. Die Kasse hat dann allerdings eine andere Klinik für mich gewählt, als mir vorher empfohlen wurde. Reinerzau Klinik in Schömberg im Schwarzwald! Da war ich dann auch für 9 Wochen noch bis vor 4 Wochen. Hat mir gut getan, da ich dort eine sehr einfühlsame Psychologin hatte, viel Sport getrieben habe und mir mein Sohn auch täglich für wenige Stunden mal abgenommen wurde. War allerdings einzige Mutter mit "solch" einem Problem. Ich konnte in der Zeit meinen Perfektionismus zumindest etwas runterfahren, der mich quält, wenn ich mit meinem Sohn zusammen bin. Ich möchte einfach eine gute Mutter sein und alles richtig machen, was ja auch erst mal völlig normal ist, oder? Und das schlechte Gewissen nagt an mir, das alles so ist, wie es ist. Da hat es schon gutgetan, dass mir viel gesagt wurde, dass ich eine gute Mutter bin (was auch immer das sein soll).

Eigentlich hat mein Mann mir einen neuen Therapeuten für zu Hause organisiert. Eine Empfehlung von meinem Nachbarn, der Neurologe ist und auf diesen schwört. Mir ist also die Abreise nicht ganz so schwer gefallen, da ich ja dachte, dass es weiter geht. Pustekuchen, dieser hat einen Termin mit mir dann gemacht und mir mit dem Händeschütteln erklärt, dass er mich als Patient nicht übernehmen kann, da er die Stadt verläßt. Suuuuper!!!! Ich wußte ja sowieso nicht mehr genau ob ich nur noch Zwangsgedanken hatte oder schon wirkliche Suizidgedanken. Totale Verzweiflung. Nichts bringt mich wirklich auf einen grünen Zweig. Ich weiß nicht mehr weiter. ..
Nun habe ich eine feste neue tiefenpsychologisch fundierte Therapeutin. War bislang zwei mal bei Ihr. Sie macht auf mich einen kompetenten Eindruck, aber ich bin vorsichtig geworden.
Ich will aus diesem Alptraum wieder aufwachen, wird das wirklich irgendwann der Fall sein? Wie lange dauert so etwas an?

Liebe Grüße und danke fürs Lesen, Agnes
Micha

An Agnes

Beitrag von Micha »

Liebe Agnes,

es ist wirklich unglaublich was man durchmachen muß, wenn man eine PPD hat.

Ich bin auch von Arzt zu Arzt gerannt, anfangs natürlich auch weil ich dachte ich hätte was anderes nur keine Depression. Ich wünsche ja niemanden etwas schlechtes aber alle Neurologen un Psychiater sollten selbst erst mal eine Depri haben um zu wissen wie der Patient leidet.

Ich war dann in einer richtigen psychiatrischen Klinik und wurde da mit Tabletten eingestellt. Ohne diesen Aufenthalt und ohne Medikamente hätte ich es nicht geschafft aus diesem Elend rauszukommen.

Nun ist es ja so, dass es einige Zeit dauert, bis die richtigen Medikamente oder die richtige Therapie gefunden ist. Hab ein bisschen Geduld auch wenn alles sinnlos erscheint. Ich habe mittlerweile auch zweimal den Arzt gewechselt weil ich bei den beiden ersten Ärzten nicht weiterkam. Ich bin jetzt bei dem Arzt in meiner Klinik.

Gruss Micha
Sas

Hallo Agnes,

Beitrag von Sas »

was Du da schilderst ist ja wirklich der totale Horrortrip!
Aber ich bin sicher: Du bist eine gute Mutter! Du machst Dir 100% ig mehr Gedanken um Dein Kind als sonst wer.Bloß leider wahrscheinlich auch viel mehr, als nötig sind.
Ich war auch in einer Klinik, und genau wie Micha, hat die mir sehr geholfen. Ohne den stationären Aufenthalt und ohne Medikamente hätte ich es nie geschafft.
Ich hatte, neben den Zwangsgedanken, der Traurigkeit, der Angst und den psychotischen Symptomen auch diesen Perfektionismus, dass ich DIE Supermama sein müßte. Wenn meiner Tochter der Schnuller auf den Boden gefallen ist, habe ich ihn sofort sterilisiert. Sie könnte ja sonst durch meine Schuld krank werden. Wenn sie mal irgendwo - wohlgemerkt ohne den kleinsten blauen Fleck - runtergefallen ist oder sich den Kopf gestossen hat.... für mich eine Katastrophe!!! Es endete fast immer mit Heulattacken und Schuldgefühlen meinerseits.
Wenn ich den Fernseher eingeschaltet habe und es kam was über Kinderschänder, Krieg oder sonstwas...KRISE!!!
Und diese Zwngsgedanken sind wirklich ätzend. Ich hatte auch schon Messer und andere Dinge in der Hand und dachte, ich könnte sie damit erstechen, erwürgen usw.
Diese gedanken haben sich auch auf andere Leute ausgeweitet. es war der Alptraum überhaupt.
Aber, Agnes, es geht vorbei!! Wirklich!!! Bei mir wurde es besser, als ich aufgehört habe auf eine Besserung zu warten. Leider kann Dir niemand sagen, wie lange es noch dauert.

Liebe Grüße,

Saskia
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