Histrionische Persönlichkeit

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Sanna
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Histrionische Persönlichkeit

Beitrag von Sanna »

Hallo, ihr Lieben!

Bei meinem Abschlussgespräch zur Entlassung aus der Tagesklinik, hat mir die behandelnde Therapeutin noch schnell um die Ohren gehauen, dass meine histrionische Persönlichkeit wohl zu meiner PPD beigetragen hat. Allerdings hat sie betont, dass es sich nicht um eine Persönlichkeitsstörung handelt, sondern eher um einen sehr ausgeprägten Charakterzug, der in der PPD hervortritt.

Histrionische Persönlichkeiten stehen gern im Mittelpunkt, dramatisieren gern und scheinen unter Depressionen besonders zu leiden. Die Therapeutin sagte auch, dass mein Mann im Familiengespräch ein ganz anderes Bild von mir gezeichnet hätte, aber es sei typisch, dass solche Merkmale in Krisen (wie PPDs) verstärkt auftreten und dann aber auch wieder abklingen.

Mich verunsichert diese 'Diagnose' sehr.

Es hörte sich so an, als würde ich extra leiden, damit alle auf mich schauen, aber mir wäre es ganz ehrlich lieber einfach wieder normal und in Ruhe mit meiner Familie zu leben. Außerdem hat die gleiche Therapeutin im gleichen Gespräch auch gesagt, dass die MuKi-Einheit in Herte wohl eine gute Idee sei und es sinnvoll wäre mich auf ein anderes Medikament einzustellen, denn dann würde es mir sicher bald besser gehen.

Hä? Für mich passt das alles irgendwie nicht zusammen. Oder doch?

Was sagt euer Blick von außen?

Liebe Grüße, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
lotte

Beitrag von lotte »

Hey Du,

willkommen im Club der Histrioniker ;) Früher nannte man sie auch Hysteriker. Ich habe "dadurch" - oder war der Wesenszug schon vorher da? - eine Angststörung entwickelt. Mit der ich aber heute sehr gut lebe. Ebenso wie mit dem ausgeprägten Charakterzug ;) Ja, ich stehe gerne im Mittelpunkt und man nennt mich auch liebevoll die "Dramaqueen".

Das machen wir nicht extra, damit andere auf uns schauen. Das ist vielmehr, so bei mir zumindest, ein Wesenszug, den ich von früher Kindheit aus entwickelt habe, damit ich nicht "übersehen" werde. Gerade meine Mutter hatte immer viel mit ihrer eigenen Angst zu tun, und ich musste quasi dramatisieren, damit sie mich wahrgenommen hat.

Mein Medi während der Angstzeit hat mich stabilisiert. Und mir erlaubt, richtig an mir zu arbeiten. Und dazu gehörte eben auch, diesen Wesenszug anzunehmen, mit ihm umgehen zu lernen.
Bist Du denn mit deinem jetzigen AD unzufrieden?

Fest steht, dass diese histrionische Eigenschaft wirklich "abklingen" kann, sobald es einem insgesamt besser geht. Ich bin heute wirklich sehr stabil und dramatisiere damit weitaus weniger als früher ;)

LG
Lotte
Sanna
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Beitrag von Sanna »

Liebe Lotte,

ich erkenne mich jetzt in der Erkrankung schon in den Wesenszügen der Histrioniker wieder, würde aber behaupten, dass dieser in gesunden Zeiten eher nicht auffällig ist. Was die Therapeutin ja auch gesagt hat.

Mein Medi hilft mir nicht wirklich weiter. Ich habe schon im Januar gesagt, dass ich keine Wirkung spüre, aber das wurde immer ignoriert. Nach dem Gespräch mit dem Arzt der MuKi-Station fühle ich mich bestätigt, denn der meinte, dass Mirtazapin nicht das Mittel erster Wahl ist um PPDs zu behandeln. Das würde wohl manchmal zusätzlich gegeben, damit man besser schlafen kann, aber andere ADs helfen wohl besser angstlösend und stimmungsverbessernd. Wir werden sehen.

Danke für deine lieben Worte. Ich fühlte mich ein bisschen überrumpelt, dass so etwas im Abschlussgespräch zwischen Tür und Angel "Achja, übrigens..." gesagt wird. Aber manchmal hilft schon ein Blickwinkel von außen, um der Sache die Brisanz zu nehmen.

Viele Grüße, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
lotte

Beitrag von lotte »

Liebe Sanna,

das ging mir genauso, als mein Thera mir das damals gesagt hat. Klang wie ne schlimme Krankheit. Solange es aber nur ein ausgeprägter Wesenszug und keine Persönlichkeitsstörung ist, sollte man sich davon nicht erschrecken lassen. Es gibt ja auch Choleriker, die nicht ständig rumschreien oder Melancholiker, die nicht permanent weinen.

Soweit ich weiss, ist Mirta ein älteres AD. Und es soll neuere, wirksamere geben.
Und wenn Du keine Wirkung merkst, solltest Du da wirklich dran bleiben mit einem eventuellen Wechsel.

LG
Lotte
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Sanna,

ich bin eine Zwänglerin! :wink: Wenn ich gesund bin, tritt dieser Wesenszug auch fast gar nicht hervor, als ich aber die PPD bekam, war er mein Hauptsymptom. Auch ich konnte durch die Stabilisierung des AD´s an mir arbeiten und diesen Wesenszug annehmen, genau wie Lotte schon sagte. Auch ich entwickelte diesen Wesenszug in der Kindheit um mir "Sicherheit" zu geben. Es ist eigentlich schon erstaunlich, wie wir schon als Kinder unsere "Überlebensstrategien" entwickelt haben.

Ob nun Zwänglerin oder Histrioniker (habe diese Ausdruck heute das erste Mal gehört) - beides sind keine Persönlickeitsstörungen und man kann sehr gut damit leben lernen. So wie andere Menschen mit ihrer Migräne lernen zu leben - verstehst du? Ich kann verstehen, dass du zuerst mal erschrocken bist - gerade wenn es so zwischen "Tür und Angel" war. Aber die Ärztin war eben überzeugt, dass es gar nix schlimmes ist und daher dann diese "Randbemerkung". Ärzte bedenken oft nicht, dass uns diverse "Diagnosen" extrem schocken, obwohl sie gar nicht schlimm sind.

Wegen dem Mirtazapin hab ich glaub ich eh schon mal erwähnt: Es ist ein älteres AD, das zwar eine sehr gute Beruhigende Wirkung hat, aber nur eine Mittelmässige Angst-und Depressionslindernde. Hauptzielgruppe dieses AD´s sind oft ältere Menschen die an Altersdepression leiden, nicht mehr essen und schlafen können. Bei uns ist es als Haupt-AD meist nicht zielführend, es wird in unseren Fällen oft als 2. AD vorübergehend gegeben, wenn eine Schlafproblem vorliegt.

Also - Kopf hoch, du mußt dich absolut nicht ängstigen wegen dem "Histrioniker", das sagt dir ganz ehrlich eine Zwänglerin.... :wink:
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
mama4

Beitrag von mama4 »

Hallo Sanna,

lass' dich von solchen Äußerungen bloß nicht verunsichern. Irgendein Psychologe/Psychiater (weiß nicht mehr genau wer) hat mal die verschiedenen Wesenszüge von Menschen in vier Kategorien eingeteilt: Hysteriker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker. Jeder dieser Bezeichnungen wurden dann wiederum verschiedene Persönlichkeitesmerkmale zugeordnet. Jeder Mensch besitzt dieser Theorie nach Eigenschaften aller vier Persönlichkeitstypen, wobei meistens ein Typ überwiegt. Je mehr die einzelnen Anteile sich jedoch im Gleichgewicht halten, umso ausgeglichener ist angeblich der betreffende Mensch.
Ganz ehrlich, ich fand diese Theorie schon in meinem Studium ziemlich bescheuert, presst sie doch menschliches Verhalten und die Einzigartigkeit eines jeden Individuums einfach in Schubladen.
Wahrscheinlich wollte die Therapeutin zum Abschluss nur nochmal etwas "Schlaues" loswerden und ihre Kompetenz unter Beweis stellen. Ich finde es nur immer wieder erschreckend, wie wenig sogenannte Fachleute abschätzen können, was solche unbedachten Äußerungen bei jemandem in unserer Lage auslösen können. Isnt mir leider auch schon ein paar Mal passiert. Ich würde an deiner Stelle versuchen, mir keinen Kopf mehr darüber zu machen (was ja manchmal nicht ganz so einfach ist).

Habe gelesen, dass es dir im Moment schon viel besser geht als in den vergangenen Wochen. Wünsche dir weiterhin gute Besserung.

GLG mama4
Vicky

Beitrag von Vicky »

Hallo Sanna,


dann sage ich auch mal willkommen!!!
Ich habe das bei mir auch zufällig im Arztbrief gelesen, daß ich histrionische Persönlichkeitszüge habe.
Ich war damals deswegen auch verunsichert, verletzt, traurig,... .

Aber man kann die meisten Menschen in irgendwas einteilen und für mich ist histrionisch inzwischen nicht das Schlechteste.

Wir haben diesen Charakterzug ohne es selbst zu merken veerstärkt ausgebildet, weil wir sonst gar nicht gesehen worden wären (siehe auch Loitte). Auf uns wurde eben nicht reagiert, wenn wir Dinge normal mitgeteilt haben.

Im übrigen sind histrionisch gestörte oft sehr unterhaltsame Menschen (viele werden auch Schauspieler) mit denen sich auch "normale" durchaus gern umgeben (dann ist ihr Alltag nicht so grau :-)) ).

Also kein Grund zur Verwirrung eigentlich.
Trotzdem, laß Dich gut mit Medikamenten behandeln und arbeite an deinen seelichen Verletzungen. Dann wird Dein Leiden geringer.
Versuche Du Dir selbst die Aufmerksamkeit zu schenken, die Dir früher vorenthalten wurde,

Liebe Grüße,
Vicky
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