Gedanken an den Tod

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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nudlz1983

Gedanken an den Tod

Beitrag von nudlz1983 »

Hallo.

Leider muss ich mich gerade immer wieder gedanklich mit dem Tod und damit auch mit dem Sinn des Lebens befassen. Es ist wie ein Zwang.
Wenn ich daran denke dass alles irgendwann vorbei ist krieg ich Panik und Angstzustände. Vor allem weil ich den Verlust meiner geliebten Familie so fürchte. Und das ist ja unausweichlich.
Ich kann nicht mehr aufhören mich damit fertig zu machen. Das ist auch der Grund für meine Depression.
Ich weiß nicht mehr warum ich lieben soll, Erfahrungen sammeln soll, Menschen kennen lernen soll, wenn doch alles irgendwann vergessen sein wird. Das ist nicht zum aushalten.

Wird das unter dem Sertralin besser? Nehme ich jetzt seit zwei Tagen.

Wie geht ihr damit um? Was ist euer Sinn?
ubure

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von ubure »

Hallo,

leider wird das Medi noch eine Weile brauchen, bis es wirkt.
Mal anders herum gefragt: wann hörst Du auch, an Tod& Co. zu denken? Oder läuft das 24/7? Wie sieht Dein Tagesablauf aus?

Ich hatte früher auch diese Gedanken, schon als Kind. Mittlerweile sehe ich Leben und Sterben völlig anders, aber das würde jetzt zu weit führen. ich sag es mal ganz kurz: der Sinn ist, Freude zu haben.
Du bist jetzt nicht anders als früher, da deckt nur etwas Dein früheres Selbst ab, das kann man aber wieder abnehmen, vertrau mir :wink: .

Auch hier gilt: wenn Du diese Gedanken denkst, dann kannst Du Dich durchaus auch mal zwingen, was anderes zu denken oder etwas zu tun wie Wäsche aufhängen etc. und das dann ganz bewusst zu tun. Und wenn Du nur eine Minute bewusst diese Tätigkeit ausgeführt hats und die anderen gedanken gestoppt hast, dann siehst Du, dass Du das selbst in der Hand hast (ich weiß, ist am Anfang schwierig, aber versuch's trotzdem immer wieder, egal, wie eklig Du Dich dabei fühlst, das wird schnell besser.

LG,
ubure
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Marika
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Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von Marika »

Hallo,

solche Gedanken kennen fast alle hier, gerade am Anfang. Man sieht keinen Sinn mehr, weiß nicht warum es sich lohnen sollte, weiter zu machen. Wie Ubure schreibt: Im Moment verdeckt die Krankheit dein "Ich", all die Freude, Gelassenheit, Lebensmut. Aber all das ist immer noch da, du musst dich allerdings Schritt für Schritt "freischaufeln". Das AD wird dir dabei helfen - aber auch therapeutische Hilfe ist sehr wichtig.

Ein erster Schritt wäre das, was Ubure beschrieben hat. Ein weiter - ganz einfacher - habe gerade gestern wieder gelesen und schon öfter auch hier geschrieben: ein Gummiband ums Handgelenk legen und bei jedem solchen Gedanken das Band schnippen lassen. So erkennst du zum einen den "negativen" Gedanken und zum zweiten ist das Schnippen ein Art kleiner Unterbruch. Es ist ganz wichtig, diese negativ Spirale immer wieder zu unterbrechen. Das ist natürlich am Anfang schwer und erfordert auch viel Energie. Trotzdem - versuch es. Das sind so Übungen die man in einer Verhaltenstherapie z.B. lernt.

Bist du in Therapie?
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
nudlz1983

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von nudlz1983 »

Hallo

Ja ich bin in Therapie.
Mich würde interessieren wie ihr mit der Tatsache umgeht dass ihr irgendwann alles was ihr besitzt loslassen müsst, dass ihr eure Lieben, besonders eure Kinder verlieren werdet. Dass alles in Vergessenheit gerät.
Ich komme einfach nicht damit zu recht. Es quält mich zur Zeit den ganzen Tag.
kadisha

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von kadisha »

oh ja!

genau diese Gedanken kenne ich! könnte glatt von mir stammen was du geschrieben hast

frage mich auch wie die menschen damit umgehen, dass alles vergänglich ist.
das die liebsten irgendwann weg ist und man sie nie wieder sehen wird, oder vielleicht doch?
frage nach einem Gott...

oder auch warum man überhaupt arbeitet. ist doch vergeudete zeit. man muss sterben, warum also
nicht jede Sekunden irgendwie geniessen.

doch was heisst geniessen, ist doch eh alles sinnlos da endlich ...
ubure

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von ubure »

dann wollt Ihr jetzt alle zitternd und verzweifelt hinwarten, bis ihr endlich in die Grube fallt, oder?

Seid Ihr vielleicht schon mal auf die Idee gekommen, dass man evtl. selber für den Sinn des lebens verantwortlich sein könnte? Glück muss von außen kommen, Zufriedenheit muss von außen kommen, und möglichst eine lebenslange Garantie für das alles. Aber so läuft das nicht. Jeder trägt das Potential zum Glücklichsein in sich, man muss es nur aufwecken und pflegen, nähren, streicheln, sich anfreunden. Ihr habt Kinder und somit eine Aufgabe: die Kinder bestmöglich in ihr eigenes Leben schicken. Wenn Ihr schon nicht das Leben genießen könnt, wie sollen es Eure Kinder lernen?

Eine solche Einstellung trägt auch ziemlich viel Egoismus in sich: ich will alles behalten, was mir gehört. Aber nichts davon gehört Euch. Das mögt Ihr vielleicht nicht verstehen können, aber im Grunde ist es so. Ihr denkt pausenlos an eine Zukunft, die es noch gar nciht gibt und verschenkt das einzige, was Ihr wirklich habt, das Jetzt. Warum also nicht genießen? Wem schadet das denn, wenn man lacht, sich freut, glücklich ist? Und auf der anderen Seite: was bringt es mir, vor der Zukunft Angst zu haben, außer dass Ihr noch mehr Therapie machen und nochmehr Tabletten schlucken müsst. Aber was, wenn ich die schönen Dinge einfach annehme? Das Glück wird weiter zunehmen. Und Eure Kinder werden es Euch danken.

Das ist im Grunde eine philosophische Fragestellung und man kann mir jetzt vorwerfen, ich würde das alles zu leicht nehmen. Aber dann frag ich Euch: warum nicht? wenn die Alternative so unattraktiv ist? Ist in jedem Fall gesünder und spaßiger.

Ich hatte früher immer das Gefühl, ich hätte es nicht verdient, glücklich zu sein. Schließlich hatte ich ja diese und jene probleme und darüber hat man in Gottes Namen zu grübeln und zu brüten, aber sich bestimmt keine Freude zu gönnen. Bullshit (excusez-moi).

(kadisha, bei Dir hat sich in all den Jahren auch nichts verändert?)
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Marika
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Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von Marika »

Hallo,

ich kenne diese Gedanken auch von früher, sogar noch vor der PPD fühlte ich so.

Kurz gesagt habe ich über all die Jahre gelernt "das Hier und Jetzt" zu sehen, es zu fühlen, es zu leben und selbst aus zu füllen. Ein Patentrezept wie man da zu kommt, kann ich leider nicht nennen, denn es war ein ständiger Prozess und Wandel in mir. Sehr viel hat meine Therapie beigetragen, aber auch das selbständige lernen und Umsetzen von Dingen die ich mir selbst angelesen habe.

Natürlich weiß ich auch heute noch, dass das Leben endlich ist, aber es macht mir keine Angst mehr. Es ist eine Art Gelassenheit eingetreten. Ich denke eine Vorstufe von dieser könnte die Achtsamkeit sein, von der Ubure sehr viel in den letzten Tag geschrieben hat - bitte mich zu korrigieren, wenn ich falsch liege. :wink: Wenn man diese übt, wird man sich des "Hier und Jetzt" bewusst.

ob euch das jetzt helfen kann, weiß ich nicht, aber vielleicht ist ein Ansatz dabei!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
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Kieksmibi

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von Kieksmibi »

Hallo Mädels,

ich kenne diese Gedanken auch - aus einer Zeit, als es mir sehr schlecht ging.
Ein wunderbares Buch, das mir sehr geholfen hat:
Eckhart Tolle "Jetzt! Die Kraft der Gegenwart"
Die Lektüre war Medizin für mich - Ich habe mir für's Auto auch die Hörbuch-Fassung besorgt, höre es immer noch hin & wieder und erfahre immer wieder Neues - auch bei der 4. Wiederholung ;-)

Alles Gute Euch, liebe Grüße,
Kieks

Das Gestern ist fort, das Morgen nicht da, leb also heute.
(Pythagoras von Samos)
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Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von Marika »

Super Tipp - Wahnsinn, was hier im Moment alles zusammen getragen wird! :D
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
nudlz1983

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von nudlz1983 »

Ja, ich weiß letztendlich dass es eine Einstellungssache ist. Im Moment drängen sich aber diese Gedanken in jeglichen Situationen auf so sehr ich auchversuche mich abzulenken.

Ich weiß auch nicht warum mir mein eigener Tod so eine Angst macht im Moment. Früher habe ich mir da einfach gesagt dass ich das ja dann einfach nicht mehr mitkriege.

Aber seit der Geburt ist alles anders.
nudlz1983

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von nudlz1983 »

Ja, dieses Buch zu lesen ist bestimmt eine gute Idee. :D
ubure

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von ubure »

Es stimmt, Marika, was Du schreibst!

Das Buch von Tolle ist auch über Achtsamkeit. Lest irgendein Buch über dieses Thema, man kann nciht viel falsch machen bei der Auswahl, aber lest! das eröffnet einem neue perspektiven.

ich weiß, dass es gerad ein akuten Situationen schwer fällt, überhaupt was anzunehmen, aber da bin ich wieder bei dem Thema, das ich in den letzten Tagen x-mal beschrieben habe: die Annahme, dass die Gedanken (Plural!) sich aufdrängen, ist falsch. Das alles hängt an einem einzigen Eindruck, einem einzigen gefühl, einem einzigen gedanken, an den ihr dann selber (da kommt nichts von allein, das seid ihr selber) eine Reihe "passender" gedanken anfügt, dazu kommen dann die entsprechenden Gefühle (das übernimmt das limbische System, schließlich kriegt es von Euch den Auftrag dazu), und so kannes dann fröhlich endlos weitergehen.

Wie lange eine Panikattacke, eine Gedankenschliefe dauert, könnt Ihr selber bestimmen. man muss sich das einfach mal ganz deutlich klar machen, immer wieder sehen, was das alles eigentlich ist.
framboise

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von framboise »

Hallo,


ich schliesse mich allen anderen an. Ich kenne die Gedanken auch zu gut und bin so frei zu behaupten, dass deine Depression nicht durch sie kommt, sondern genau andersrum - die Gedanken sind ein Ergebnis der Depression.
Ich würde dir auch nur vorschlagen, deine Gedankenspirale versuchen zu unterbrechen. Ja, wir werden alle sterben. Ja, es macht eigentlich alles keinen Sinn. Aber den Sinn können wir uns kreieren und dadurch wachsen.
Ich glaube an Gott. Und so weiss ich, dass ich nach dem Tod meine Lieben nicht verlieren werde. Ich werde sie wiedersehen. Und ich glaube, Gott hat sich schon was dabei gedacht, als er mir das Leben geschenkt hat. Das ist für mich der Sinn!
Aber das muss ja jeder für sich herausfinden.
Wichtig ist, dass du bewusst gegen dieses schwarze Loch steuerst.

Ich muss sehr sehr oft an den Satz meines Mannes denken, den er mir in den schlimmsten Zeiten mal gesagt hat. Er meinte, man muss es lernen, mit den Unsicherheiten des Lebens zu leben. Und das Lernen ist ja ein Prozess.... :)


Ich wünsche dir viel Kraft und viel Geduld. Es wird wieder besser!


P.S. Die Gedanken und Auseinandersetzungen mit dem Leben, Geburt und Tod ist bei jungen Müttern etwas ganz normales. Es ändert sich einfach alles... Aber es wird alles wieder seinen Platz finden und du wirst stärker davonkommen!!
ubure

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von ubure »

framboise, da sind sehr gute Gedanken! Ich möchte Dich aber etwas fragen: was ist denn dann die Depression?
framboise

Re: Gedanken an den Tod

Beitrag von framboise »

liebe ubure,


ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten, bei mir war das so, dass es in der Schwangerschaft einen klick gemacht hat und es ging auf einmal bergab. ganz rasch, ohne dass ich überhaupt verstanden habe, was da los war... es hatte bei mir definitiv mit der hormonellen Veränderungen zu tun, es fing körperlich an, ich habe eine starke Unruhe gehabt, Zitteranfälle am ganzen Körper, Sehstörungen u.v.m., das alles hat mir eine Riesenangst eingejagt und als ich dann schon ganz unten war, fing ich an diese Gedanken über den Sinn, Leben und Tod zu entwickeln... Und auch Suizidgedanken kommen ja meist erst dann, wenn der Mensch von der Depression überwältigt wird und keine Chance mehr sieht... aber natürlich steht alles im direkten Zusammenhang. Ich denke, man kann schlecht sagen, was zuerst der Auslöser ist - die Botenstoffe oder der Gedanke... das sind so komplexe Themen... und der Forschungsstand ist noch relativ mager..


Gruß
framboise
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