Tiefpunkt

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Nox

Tiefpunkt

Beitrag von Nox »

Hallo ihr,

Hatte gestern endlich meinen lang ersehnten Termin beim Psychiater. Ich habe Escitalopram verordnet bekommen und telefoniere gleich mit meiner Hebamme, um mich zu erkundigen, wie man abstillt.

Ich bin soooo verzweifelt und hoffnungslos. Im Moment denke ich nur noch daran, dass nichts mehr wieder gut wird. Das ich zum Monster werde.

Ich habe den ganzen Tag diese fiesen Gedanken gegenüber meinem Sohn..den ganzen Tag Angst, den ganzen Tag diese Hoffnungslosigkeit.

Bin nun schon morgens bei meiner Mutter, weil ich es allein vor Angst nicht aushalte.

Ich suche ständig nach der Liebe zu meinem Sohn und finde nur Leere.. wie furchtbar ist das denn?
Graureiherin
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Re: Tiefpunkt

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du Arme,

komm lass Dich mal virtuell drücken.

Dein Zustand wird mit Einnahme des Escitalopram, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, besser werden. Escitalopram wirkt sehr gut bei Zwängen (auch bei Ängsten). Ich nehme es auch seit fast vier Jahren. Allerdings muss man sich am Anfang gedulden, denn es dauert einige Zeit bis die Wirkung einsetzt. Wichtig ist, dass Du das Medi baldmöglichst nimmst und bis zum Wirkeintritt durchhälst. Ich weiß, das ist extrem schwer, man denkt die Zeit geht nie vorüber.

Versuche irgendwie die Tage von einem Termin zum Anderen durchzustrukturieren.

Lese hier im Forum, lese Bücher (falls das konzentrationsmäßig geht), lies ermutigende Texte/Gedichte, rede viel mit vertrauten Menschen, mach Puzzle (ich wurde echte Meisterin) , löse Rätsel aller Art etc. etc. etc. Die akute Zeit ist scheußlich, aber es kommt wirklich der Zeitpunkt ab dem es besser geht und dann bist Du auch wieder kräftiger, stabiler und besser therapiefähig.

mit lieben Gruß
die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
Sanna
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Re: Tiefpunkt

Beitrag von Sanna »

Hey!

Auch ich drück dich. Weißt du, was das Gute am Tiefpunkt ist? Tiefer geht's nicht mehr!! Ab jetzt wird es aufwärts gehen, vor allem mit Medikament. Es wird ein bisschen schwierig am Anfang, weil man da zuerst die Nebenwirkungen spürt, bevor die richtige Wirkung einsetzt. Bei mir hat es acht Wochen (!!!) gedauert, bis ich einen deutlichen Aufwärtstrend gespürt habe. Das ist natürlich ewig, wenn es einem nicht gut geht. Aber diese akute Phase geht vorbei. Halte durch!

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Inga
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Re: Tiefpunkt

Beitrag von Inga »

Auch ich drücke dich ganz doll!!!

Du machst alles richtig und ich denke es ist eine gute Entscheidung ein Medikament zu nehmen.
Ich nehme auch Escitalopram ein und ich denke dein Arzt hat da eine gute Entscheidung getroffen dir dieses Medikament zu verschreiben.
Mir hat es gut geholfen und es hilft mir auch immer noch.
Ich habe überhaupt keine Nebenwirkungen.
Beim einschleichen hatte ich schon ein paar Nebenwirkungen aber es war wirklich auszuhalten. Zu der Zeit War auch meine Mama bei uns und hat auch bei uns übernachtet.
Es hat mir einfach irgendwie Sicherheit gegeben, da mein Mann unter der Woche kaum Zuhause ist.

Gib dem Medikament Zeit und bei Zwängen kann es durchaus sein,dass das Medi höher dosiert werden muss. Ich habe über zwei Jahre 30mg eingenommen.

Ich hatte immer das Gefühl, das es mein Zwangsgedanken etwas abfedert. Sie kamen nicht mehr so häufig und hatten nicht mehr so eine Intensität.

Erst dann War ich in der Lage in der Therapie an den Zwangsgedanken zu arbeiten, vorher War es bei mir gar nicht möglich Ich bestand nur noch aus Angst und Panik und schrecklichen Bildern vor meinem inneren Auge.

Die Verhaltenstherapie spielt allerdings auch eine große Rolle. Ich musste lernen mit den Gedanken umzugehen.
Ich hatte z. B. immer schreckliche Dinge mit einem Messer vor meinem Auge.
Einmal musste ich ein riesiges Messer mit zur Therapie bringen und es meinem Therapeuten an den Hals halten....das nennt sich Kofrontationstherapie bzw. Expositionstherapie.

Ich musste auch Geschichten schreiben und meine schrecklichsten Zwangsgedanken ganz ausführlich aufschreiben uns meinem Therapeuten immer und immer wieder vorlesen bis die Angst nach gelassen hatte.

Es War wirklich sehr harte Arbeit aber es hat sich gelohnt.

Du bist auf dem richtigen Weg...erwarte nicht zu viel von dir und schaue immer wieder auf die kleine Fortschritte.

Halte uns auf dem laufenden...
Du bist auf einem guten Weg...und du bist nicht allein...leider gibt es sehr viele Betroffene.

Alles Liebe
Inga
Diagnose:
10/2012 erstes Kind
schwere PPD mit massiven ZG
09/2017 zweites Kind
gesund und glücklich
Nox

Re: Tiefpunkt

Beitrag von Nox »

Uuaahh, ich habe so viel geschrieben, und nun ist es weg.. :?

Nochmal:

Hallo ihr Lieben,

Ach, ich bin so eine Memme, wirklich. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe drei Optionen :

1. Citalopram einnehmen und weiter stillen ( habe Angst , die Bindung zu meinem Kind komplett zu verlieren, wenn ich abstille)

2. Escitalopram einnehmen und Abstillen ( Furchtbare Angst vor den Nebenwirkungen, dass ich dann erst recht die Kontrolle über mich verliere )

3. Die harte Tour fahren und keine Medikamente nehmen ( wieder Angst vor Kontrollverlust)

Angst, Angst, Angst... Wahnsinn, echt.

Hat es jemals eine auch schon mal ohne Medikamente geschafft, gesund zu werden?

Sitze hier mit zwei Rezepten und einer Milchpumpe..
engelchen2012

Re: Tiefpunkt

Beitrag von engelchen2012 »

Hey!

Lass dich mal ganz fest drücken!!

Ich kann dir zwar nicht sagen, welches AD du nehmen sollst, aber nr. 3 war für mich persönlich irgendwann keine option mehr. Als es mir dann endlich besser ging, war rückblickend jeder tag ohne medi ein verlorener tag.
Und egal, welches medi du nun nimmst, für dich und dein kind ist es ganz wichtig, dass es dir bald besser geht. Ob du nun weiter stillst oder nicht (und ich bin grds immer für stillen), die bindung zwischen euch wird mit jedem tag, an dem es dir besser geht, enger!!

Warte bitte nicht zu lange, fang am besten morgen schon an!! Und melde dich jederzeit hier, wenn du magst.

Lg
Anke
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Re: Tiefpunkt

Beitrag von Anke »

Hallo Nox,

die meisten von uns kennen nur zu gut diesen Tiefpunkt, an dem man glaubt, es wird nie wieder gut.

Deshalb würde ich mich an Deiner Stelle zuerst fragen: will ich weiterstillen? Geht es MIR beim Stillen gut? Ist es schön/angenehm für MICH? Klappt das Stillen an sich?

Wenn Du diese Punkte (oder die meisten) mit Ja beantwortest: stille weiter.

Wenn Du lieber abstillen möchtest (aus welchen Gründen auch immer) - und dadurch wird sich Deine Bindung zum Kind nicht verschlechtern (die Mutter-Kind-Bindung hängt nicht nur vom Stillen ab) - würde ich das tun.

Ich würde die Medikamentenverordnung ganz klar davon abhängig machen, ob Du weiterstillen (Citalopram) möchtest oder nicht (Escitalopram).

Keinesfalls würde ich die "harte Tour" fahren und keins der Medikamente nehmen. Und zwar aus dem Grund, da DU schreibst, dass Du Dich auf dem Tiefpunkt befindest.
Es kann nur besser werden, wenn Du Medizin nimmst (und parallel Therapie machst).
"Die Kontrolle" wirst Du nicht verlieren, wenn Du Medizin nimmst. Im Gegenteil, es bringt Dich ein gutes Stück weiter in Richung gesund werden.

Nebenwirkungen gehören (vor allem in der Anfangszeit) in gewissem Maße dazu und später setzt die positive Wirkung der Medizin ein.
Ich sage immer, lieber akzeptiere ich geringe Nebenwirkungen, als dass ich mir die gute Wirkung des Medikaments nehmen lasse.

Letztendlich entscheidest natürlich Du - wenn es Dir etwas hilft, gib Dir noch ein / zwei Tage Bedenkzeit. Länger würde ich aber nicht warten, denn der Arzt hat Dir die Medizin nicht umsonst verschrieben und Du schreibst ja selber, dass Du am Tiefpunkt angelangt bist.
Es gilt natürlich auch noch zu berücksichtigen, dass jedes Antidepressivum erst nach ca. 3 Wochen anfangen kann zu wirken. Diese Zeit musst Du dann sowieso noch durchstehen.

Bei einer schweren Depression ist Medizin unumgänglich und meistens sogar lebensrettend.

Alles Gute weiterhin!
Viele Grüße von Anke

"Die Zeit heilt alle Wunden..."
Sabrina

Re: Tiefpunkt

Beitrag von Sabrina »

Ich würde auch nicht zu der harten Tour raten. Meiner Meinung nach schafft man es nicht ohne die Medis:-(
Ein Diabetiker schafft es auch nicht ohne Insulin.

Ein Antidepressivum macht nicht anhängig. Hab keine Angst davor es einzunehmen. Ein AD gehört zu den meisten verschriebenen Arzneimittel in Deutschland.
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Marika
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Re: Tiefpunkt

Beitrag von Marika »

Hallo Nox,

ich würde auch deine Nr. 3 auf keinen Fall versuchen. Und zwar weil du an einem Tiefpunkt angekommen bist. Da ohne Medi heraus zu kommen, ist unendlich schwer und beeinflusst deine Bindung zu deinem Kind sicherlich viel eher negativ, als wenn du z.B. zu Gunsten eines Medis abstillst.

Wie Anke schon schreibt - das Stillen alleine ist nicht für die Bindung zuständig. Ich nehme ebenfalls Escitalopram und habe damals abgestillt. Es war die beste Entscheidung meines Lebens - die Bindung zu meinem Sohn wurde ab da endlich inniger und noch enger. Einfach weil das AD gewirkt hat, weil die ZG deutlich besser wurden und ich entspannter. Die Liebe zu meinem Kind kam endlich durch und die Angst und ZG schwanden. Das Fläschchen geben war ebenfalls sehr, sehr schön für uns, wir haben uns tief in die Augen dabei geschaut, er hat meine Hand die die Flasche hielt gehalten - ich hätte nie gedacht, dass Flasche geben so schön sein kann.

Solltest du dich für das abstillen entscheiden, dann am besten "natürlich" , also nicht mit Abstilltabletten. Diese können ebenfalls negativ zu einer Depression beitragen. Es geht auch anders: Homöopathie usw... Wenn du dazu fragen hast, kann ich dir gerne meine Erfahrung mitteilen.

Es gibt hier aber auch etliche Frauen die mit AD gestillt haben - ohne Probleme!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Nox

Re: Tiefpunkt

Beitrag von Nox »

Entscheidung ist gefallen.. zugunsten des Escitaloprams.. Ich kann nicht mehr. Ich stille heute zum letzten Mal. Meine Hebamme unterstützt mich dabei, hat mir schon Salbeitee und Globuli besorgt. Milchpumpe habe ich auch. Meine Hebamme ist auch strikt gegen ein Abstillmedikament.

Hätte nie gedacht, wie sehr man leiden kann...

Danke für eure Unterstützung, ihr seid super
Astrid77

Re: Tiefpunkt

Beitrag von Astrid77 »

Mach dir keinen Kopf wegen des Stillens. Ich habs in einem anderen Thread schonmal geschrieben - das Stillen ist für manche Frauen ein riesen Thema, sogar noch Jahre später machen sie sich Vorwürfe darüber, warum sie nicht soundso lang gestillt haben. Abschied vom Stillen ist aber für jede Mutter schwer, ob du nun 3 Monate oder 1 Jahr voll gestillt hast, es ist immer etwas traurig. Die Trauer kannst du ruhig zulassen, aber Vorwürfe brauchst du dir wirklich nicht machen, denn du hast ja gestillt und es erlebt wie es ist, und deinem Baby so viel Gutes damit gegeben. Meine Bekannte hat 4 Kinder und sie meinte, bei jedem Kind ist es anders, mal hat sie 1 Jahr gestillt, mal nur 2 Monate. Du siehst also, es klappt auch bei Gesunden nicht immer gleichbleibend gut, und das ist auch voll ok.
Ich hab auch abgestillt wegen Medikamenten, schon nach 2 Monaten. Im ersten Monat war ich voll dabei, hatte den Dreh raus mit dem Stillen (war beim ersten Kind gar nicht so), doch dann hat mir die PPD auch nen Strich durch die Rechnung gemacht, aber ich hab lieber das Medikament zugelassen. Ich hatte damals keine gute Bindung zum Baby, jedenfalls habe ich es so empfunden bei der PPD (vorher hab ich mir darbüber garkeine Gedanken gemacht), und das Fläschchen hat es nicht verschlechtert. Habe gekuschelt und Fläschchen gegeben, das ist für das baby fast das selbe.
Es ist ja nicht so dass man sein Kind irgendwo hinlegt und es trinkt dann mutterseelenalleine. Leider wird das alles sehr dogmatisiert, so dass auch wir, die wir ja doch echt versuchen alles richtig zu machen, ein schlechtes Gewissen haben.
Ich hoffe das Medikament hilft dir schnell! Ich habe übrigens lange zeit ohne Medikament herumprobiert und bin da irgendwie stagniert. Man dümpelt so vor sich hin, es wird nicht besser... also lieber etwas ausprobieren, anstatt gar nichts zu tun, das ist rein psychologisch für dich schon besser - dass du weißt, jetzt kann es echt sein, dass es dir bald besser geht!
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Marika
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Re: Tiefpunkt

Beitrag von Marika »

Hey meine Liebe,

sehr gut, dass deine Hebamme dich so unterstützt. Genau so wie ihr es vorhabt, habe ich auch abgestillt - ohne Probleme.

Du wirst sicher bald eine deutliche Entlastung mit dem AD merken, Escitalopram hilft gerade bei ZG sehr, sehr gut!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Nox

Re: Tiefpunkt

Beitrag von Nox »

Ich hoffe sooooooo sehr, dass ihr recht habt. Danke nochmal.
Sanna
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Re: Tiefpunkt

Beitrag von Sanna »

Hallo!

Du hast eine gute Entscheidung getroffen. Ich habe beide Kinder überhaupt nicht gestillt (es kam nie Milch, NIE!) und ich habe zu beiden eine sehr gesunde Mutter-Kind-Bindung. Auch nachdem ich an PD erkrankt war, hat sich die Bindung zu beiden Kindern wieder normalisiert, als ich gesund wurde. Mit jedem Schritt, den es mir besser ging, spürte ich mehr Liebe und Bindung zu meinen Kindern. Das Escitalopram ist ein sehr gutes Medikament. Du hast große Chancen, dass es dir damit deutlich besser gehen kann. Nochmal: Du brauchst jetzt Geduld. Ich habe erst nach acht Wochen einen deutlichen Aufwärtstrend erlebt. Also nicht zu schnell aufgeben!

Viel Glück!

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Nox

Re: Tiefpunkt

Beitrag von Nox »

Ihr Lieben,

Habe die erste Fläschennacht hinter mir. Bin zwar noch immer etwas traurig, aber auch froh, dass ich mit dem Escitalopram begonnen habe..endlich eine Entscheidung getroffen und ich hoffe, dass es in den nächsten Wochen aufwärts geht. Sind ja auch erst 5mg zum Einschleichen.. wird erst nächste Woche erhöht auf 10mg.

Ich will die Liebe zu meinem Kind fühlen, unbedingt..
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