Innere Unruhe/ Anspannung/ Nervosität

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Asrai

Innere Unruhe/ Anspannung/ Nervosität

Beitrag von Asrai »

Hallo Ihr,

dieser Beitrag richtet sich an diejenigen unter Euch, die auch unter starker innerer Unruhe leiden oder litten.

Bei mir ist die innere Unruhe das Hauptsymptom der postpartalen Depression. Mittlerweile ist es die meiste Zeit erträglich, noch vor 3 Wochen hatte ich aber ganz extreme Zustände dieser inneren Unruhe. Es hat sich angefühlt, als würde ich verrückt werden.
Wenn ich diese Unruhe verspüre, fühle ich mich, wie wenn eine sehr wichtige Prüfung oder eine nicht zu bewältigende Aufgabe anstehen würde, nur dass es meist eben keinen Anlass für die Aufregung/Unruhe gibt. Je unruhiger ich innerlich werde, desto erstarrter werde ich äußerlich. In den schlimmen Zeiten hat dieser Zustand über mehrere Tage und Nächte hinweg angehalten, jetzt kommt und geht er und wird nicht mehr so extrem.
Los ging es bei mir 6 Tage nach der Geburt, wobei ich schon in der Schwangerschaft Angstzustände hatte. Habe mich sehr schnell in Behandlung begeben und nehme seit 4 Wochen bzw. 2 Wochen nach der Geburt Setralin 50mg und seit 3 Wochen zum Schlafen Mirtazapin 7,5mg. Die Psychiaterin meinte, dass es die innere Unruhe auch mit einem Progestornmangel zusammenhängen könnte. Da ich aber wegen einer anderen Erkrankung ein Medikament einnehmen musste, dass sich mit der Gabe von Progestoron wohl nicht verträgt, hat die Psychiaterin mir statt Progestoron eben die Antidepressiva empfohlen.

Meine Fragen: Kennen einige von Euch das auch, dass die innere Unruhe das Hauptsymptom ist? Was hat Euch geholfen? Habt Ihr Erfahrung mit Progestoronmangel - kann dadurch meine Symptomatik erklärt werden?

Viele Grüße,
Asrai
Graureiherin
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Re: Innere Unruhe/ Anspannung/ Nervosität

Beitrag von Graureiherin »

Hallo Du ,

genauso wie Du die innere Unruhe beschreibst, habe ich sie auch erlebt.

Ich selber habe auch kein wirklich lange erprobtes Mittel damit zurecht zu kommen. Bei mir hat das Escitalopram die Unruhe recht schnell behoben (auch nach dem Rückschlag vor ca. 1,5 Jahren). Jetzt nehme ich noch 10 mg und komme bisher recht gut damit zurecht. Bemerke schon, dass ich schneller auf Stress reagiere, mir eher Gedanken mache...

Meine Schwester lebt seit vielen Jahren mit immer wiederkehrenden Unruhezuständen. Sie darf aufgrund von Leberschäden keine Medikamente mehr nehmen. Sie sagt, dass sie über die Jahre gelernt hat mit der Unruhe zu leben. Sie macht in diesen Phasen weiterhin alles was sie sowieso tun würde. Vor allem Dinge die ihr Freude machen. Rausgehen hilft ihr die Unruhe zu lindern, manchmal aber auch nicht. Es gibt also auch bei ihr kein Patentrezept.

Eine Freundin von mir, die eine Angst und Panikstörung hat, macht viel Sport. Vor allem joggen hilft ihr, zusätzlich autogenes Training. Aber auch nicht immer.

Beide sagen allerdings, dass sie nach so vielen Jahren der inneren Unruhe, nicht mehr in die Gedankenspirale verfallen, dass sie verrückt werden, in die Klinik kommen, nie mehr gesund werden etc. etc. Eben solche zusätzlichen Gedanken verschlimmern den Unruhezustand ungemein.

Ich denke tatsächlich diese Akzeptanz zu üben und zu versuchen die negativen Gedanken rauszunehmen, einfach zu sagen: OK das ist jetzt so... es geht wieder vorbei...und dann kommt es wieder... und geht wieder... es ist einfach nur ein Symptom,... will mich evtl. sogar auf etwas hinweisen wo ich mehr auch mich achten sollte... das wäre für mich so was wie der Königsweg.

Schade, dass wenig antworten, die innere Unruhe kennen so viele.

mit lieben Grüßen
die Graureiherin
postpartale Zwangserkrankung 10/2012
Cipralex bis 2014
Rückschlag 2015, wieder Escitalopram bis 15mg
langsame Reduzierung auf 5 mg Escitalopram seit Juli 2017
Verhaltenstherapie beendet seit September 2017
lotte

Re: Innere Unruhe/ Anspannung/ Nervosität

Beitrag von lotte »

Hey Asrai,

ich hatte die innere Unruhe und Anspannung sehr lange. Letztenendes ist sie erst wirklich weggegangen, als mein Medi und die Therapie gegriffen haben. Das hat sicher ein halbes Jahr gedauert. In dieser Zeit habe ich auch sehr viel ausprobiert, Tipps von meinem Thera beherzigt, und bin am Ende bei Yoga, tiefem Atmen, eben Entspannungsmethoden angekommen, die mir sehr geholfen haben.

Einen Progesteronmangel habe ich auch (nehme dafür ein Gel), aber er ist sicher nicht als der alleinige Auslöser für die Unruhe zu sehen. Das wäre ja schön, ein wenig Gel oder Tabs einnehmen und schwupps ist alles weg.

Ich weiss nun nicht, ob Du vor der SS und Geburt schon Angstzustände hattest? Meistens signalisiert die Seele eben auf körperlicher Ebene, das was nicht stimmt: Überforderung, Stress, Angst vor der Verantwortung etc. Das sollte man dann in der Therapie aufarbeiten.

Und ansonsten im Akutfall: ausprobieren, was Dir gut tut. Nicht unter Druck setzen, als eine Phase annehmen.
Weiss das klingt so easy, aber es ist machbar :)

Alles Gute!
Lotte
Sanna
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Re: Innere Unruhe/ Anspannung/ Nervosität

Beitrag von Sanna »

Hallo!

Willkommen im Club! Ich hatte diese Unruhe ganz extrem. Verschwunden ist sie erst nach ca. 2,5 Jahren nach Ausbruch der Erkrankung. Für mich hat die progressive Muskelentspannung super geholfen. Gib das einfach bei YouTube ein, da findest du hunderte gute Anleitungen. Ich jab das täglich geübt und kann mittlerweile auf Knopfdruck entspannen. Mir hat auch Stricken sehr geholfen, das beruhigt mich ungemein. Wenn es ganz, ganz schlimm war, habe ich auch mal eine Tavor genommen. Das darf aber natürlich nicht einreißen.

Jeder hat für sich Wege damit umzugehen. Du musst deinen ganz eigenen Weg finden.

LG, Sanna
schwere PPD 2012, heute komplett symptomfrei
Kim89

Re: Innere Unruhe/ Anspannung/ Nervosität

Beitrag von Kim89 »

Hallo,
kenne diese innere Unruhe auch zu genüge.
Glaube echt das es das wichtigste ist nicht darauf einzusteigen.
Sich ablenken, die Gedanken in eine andere Richtung lenken und autogenes Training sind ganz gut.

Liege auch gerade mit der Unruhe im Bett und bringe den "großen" zum schlafen.

Durchhalten WIR SCHAFFEN DAS 8)
Asrai

Re: Innere Unruhe/ Anspannung/ Nervosität

Beitrag von Asrai »

Hallo Ihr,

ich danke Euch für Eure Beiträge!Ich wünsche diese Unruhe zwar wirklich keinem, es tut aber trotzdem gut zu hören, dass es anderen ähnlich geht.

Denke auch, dass die Akzeptanz der Unruhe sehr wichtig ist. Je mehr man dagegen ankämpft, um so schlimmer wird sie. Mir hilft oft spazieren gehen oder duschen. Künftig möchte ich außerdem wieder mehr Fahrrad fahren. Das alles hilft aber nur, wenn die Unruhe nicht extrem ist. Wenn's ganz schlimm ist, hilft mir bisher nur Mirtazapin. Zum Glück ist es aber nur noch selten ganz schlimm.

Eine der Ursachen für die Unruhe ist bei mir meine traumatische erste Geburt. Ich hatte so wahnsinnige Angst vor der zweiten Geburt, dass ich fast während der gesamten Schwangerschaft unter einer starken Anspannung stand. Die zweite Geburt lief dann zwar super, aber ich glaube mein Körper braucht noch eine Weile, bis er kapiert, dass die Gefahr vorbei ist (hatte die Sorge, während der Geburt sterben zu können). Jetzt sage ich mir oft: "Die Geburt ist vorbei. Dir ist nichts passiert und dein Baby ist gesund." Das hilft auch ein bisschen.

Viele Grüße und ruhige Zeiten,
Asrai
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