Warum vergesellschaften sich ZG?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Kuni
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Warum vergesellschaften sich ZG?

Beitrag von Kuni »

Hallo zusammen,
woran liegt es eigentlich, dass sich, wenn man sich mit dem einen ZG angefreundt hat, sich recht schnell ein neuer ZG meldet. Bei mir ist es zur Zeit so, dass ich dank meiner AD-Erhöhung ganz gut mit solchen Gedanken klar komme, sie meist recht schnell erkenne und sie "annehme" (so gut es geht). Aber auch ZG, die ich in meinen PPD vor knapp 6 J. hatte, melden sich zur Zeit wieder, obwohl ich dachte, ich hätte sie hintermir gelassen (damit meine ich, dass sie mir keine große Angst mehr machen). Oder ganz neue blöde Gedanken kommen auf (ich weiß nicht ,ob man sie als ZG bezeichnen kann, denn durch die VT erkenne ich solche Gedanken einfach auch schneller und sie lösen keine große Angst mehr aus.)
Wirklich Angst machen wir die Gedanken zur Zeit nicht, es ist eher eine große Unsicherheit, die in mir Zweifel weckt bzw. aufrecht erhält (liebe ich meine Kinder wirklich? Könnte es sein, dass ich sie irgendwann nicht mehr liebe? Werde ich doch irgendwann wahnsinnig?..) laut so ein Zeug, von dem ich eigentlich tief im Innern weiß, dass es Quatsch ist.
Eigentlich geht es mit wieder recht gut. Ich lebe einen recht erfüllten Leben mit meiner Familie und Freunden, gehe wieder gerne Arbeiten, genieße Dinge... Vieles was ich mir vor einigen Wochen noch nich vorstellen konnte, geht wieder ganz gut. Dann denke ich mir, wieso beschäftigen mich diese ZG bzw. das Beschäftigen mit dieser Erkrankung noch so viel? Das hab ich doch schon vor Jahren alles in der VT bearbeitet. Das hatte ich doch schon alles hinter mir gelassen. Da "müsste" es doch jetzt viel schnell gehen.

Ich würde mich auf eure Meinung und Erfahrung freuen.
VG Kuni
sternschnuppe_

Re: Warum vergesellschaften sich ZG?

Beitrag von sternschnuppe_ »

Hallo,

leider kann ich dir da auch keine richtige Antwort darauf geben.
Aber ich weiß zumindest genau, was du meinst und finde die Frage auch sehr interessant.

Ich kenne es auch, dass nach einer Art von Zwangsgedanken, die einen nicht mehr so viel Angst macht, plötzlich wieder andere sich melden.

Vielleicht bemerken wir die einfach häufiger? Wir sind wahrscheinlich so sensibilisiert drauf, dass die uns häufiger auffallen. Das wäre jetzt so meine Idee. Oder es steht doch noch irgendwo die Angst dahinter, dass wir solche blöden Gedanken keineswegs haben wollen.

Ich bin mal gespannt, was die anderen Zwangsexpertinnen antworten.

Lg
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Marika
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Re: Warum vergesellschaften sich ZG?

Beitrag von Marika »

Hallo ihr,

ich würde sagen, dass liegt daran, weil es nicht um den Gedankeninhalt geht, sondern rein um das Zwanghafte. Die Gedanken die einem sich im Rahmen von ZG aufdrängen, sind ja NORMAL, jeder Mensch denkt sie, nur die "Gesunden" merken sie nicht, da funktioniert das Ausfiltern problemlos. Ich glaube, dass das Zwanhafte bei vielen von uns ein bissl zum speziellen Wesen dazughört, zu unserer Persönlichkeitsstruktur so zu sagen. Das heißt, es kann immer mal im Leben zu zwanghaftem Verhalten kommen.

Sind wir einen ZG gewöhnt (ja, es spielt tatsächlich auch eine Art "Gewöhnunseffekt" mit), ist der INHALT zwar langweilig, aber der Zwang an sich arbeitet weiter und setzt sich auf einen anderen Gedankeninhalt. Daran erkennt man auch wieder genau, dass es niemals um die Gedanken geht, sondern immer um den Zwang an sich - an dem muss man arbeiten.

Auch bei mir ist der Zwang von Gedanke zu Gedanke gehüpft und das hat mich fast zur Verweiflung gebracht. Aber: nicht aufgeben, immer weiter arbeiten - aber am Zwang, die Gedanken sind normal!!!!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Kuni
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Re: Warum vergesellschaften sich ZG?

Beitrag von Kuni »

Hallo
Danke für die gut verständliche Erklärung. Ich denke auch, dass eine gewisse Zwanghaftigkeit einfach zu unserem Wesen dazu gehört.
Und ich denke durch die Erkrankung und das Gelernte in der VT ist man viel sensibler als andere Menschen bzgl. allem was mit Zwängen und neg. Gedanken zu tun hat. Marika: Wie würde man denn nach der Definition sagen, man ist "gesund" bzw man hat seine ZG gut im Griff?? Du sagst ja die Gedanken an sich sind normal, aber ich habe mir des öfteren schon den Kopf daran zerbrochen wann sind es ZG, wann sind es Erinnerungen (wenn man z.B. Gegenstände wahrnimmt, die einem in der Vergangenheit übelste ZG beschert hat). Die Erinnerung bleibt ja und die Gefühle, die sie ausgelöst haben. Oder kann man sich als symtonfrei bezeichnen , wenn man im Alltag einen gewissen Abstand zu den Gedanken hat, egal ob oder wie oft man sie hat.
Ich hoffe meine Frage ist deutlich geworden. Es ist manchmal schwierig es in Worte zu fassen.
Vg
Kuni
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Re: Warum vergesellschaften sich ZG?

Beitrag von Kuni »

Nachtrag
Ich meine das so, dass wenn jemand der z.B. sich vor Dreck o.ä. ekelt und ggf. einen Waschzwang hat. Der wird sich doch wahrscheinlich auch nach der Therapie nicht über Dreck freuen, sondern dies weiterhin nicht unbedingt mögen.
Ist vielleicht ein blödes Beispiel, aber vielleicht wird meine vorherige Frage dadurch deutlicher :-)
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Marika
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Re: Warum vergesellschaften sich ZG?

Beitrag von Marika »

Also bei mir ist es so, dass ich sehr selten noch vielleicht mal einen Gedanken länger und kritsich wahrnehme, der mich früher in Angst und Panik versetzt hätte und dann zum ZG geworden ist. Der Unterschied ist heute, dass ich nicht mehr in diese Spirale falle, sondern sofort merke - ah ha, dieser Gedanke ist mir jetzt aufgefallen, ist aber unnötig, weil es ebenfalls ein normaler Gedanke ist. So verschwindet er wieder und wird erst gar nicht mehr zwanghaft belegt. Das selbe ist es mit Gegenständen: auch diese rufen die meiste Zeit nicht mal mehr Erinnerungen hervor, nur sehr, sehr selten. Dann aber merke ich es ebenfalls sofort, bewerte aber nicht negativ wie früher und die Erinnerung zieht vorbei.

Es geht als um das BEWERTEN. Sobald man gewisse Gedanken und/oder Gegenstände nicht mehr negativ bewertet, verliert der Zwang an Dynamik. So kommen auch die Gedanken nicht ständig, bzw. dringen erst gar nicht in dein Bewusstsein vor. Das heißt, du bemerkst ganz viele Gedanken nicht mehr, weil das Gehirn gelernt hat - Gedanken unwichtig, aussortieren.

Das alles ist Übungssache und geht leider nicht von heute auf morgen. Aber mit der Zeit kann man das Gehirn tatsächlich dahin gehend trainieren, anders zu bewerten.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
sternschnuppe_

Re: Warum vergesellschaften sich ZG?

Beitrag von sternschnuppe_ »

Danke Marika für deine Beiträge, sie sind immer schön ausführlich, geben viele Infos und vor allem machen Hoffnung :-)

Es ist leider ein längerer Prozess, dass man lernt die Dinge und Gedanken nicht mehr negativ zu bewerten oder?
Manchmal wünschte ich, man würde am liebsten alles sofort lernen.

Ich merke oft, dass ich in der Theorie sehr viel darüber weiß aber diese Zweifel, Zwang heftet sich trotzdem in bestimmten Phasen immer wieder gern an. "Würdest du wirklich sowas nie tun?" "Wie kannst du sicher sein?" "Sind diese Art von Gedanken wirklich unwichtig?"

Oft wünschte ich mir, es würde diese blöden Gedanken gar nicht geben und man hätte einfach ein schönes Leben ohne diesen Mist. Dabei weiß ich ja, dass die Gedanken ansich nicht das Problem sind, weil sie so gut wie alle Menschen auf der Welt haben. Aber dieser blöde Zwang ist so hartnäckig :roll:

Lg
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