Wie soll es weitergehen ?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

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Wibke

Wie soll es weitergehen ?

Beitrag von Wibke »

Hallo,

bin auf dieses Forum gestossen und habe die Hoffnung Ratschläge oder Hilfe zu bekommen.
Habe vor 8 Wochen meine Tochter bekommen und wusste schon bei der Geburt nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll. Man sieht überall im Fernsehen, dass Mütter sofort, nachdem das Kind raus kommt, sich gleich auf ihr Kind stürzen, doch das war bei mir nicht so. Mein erster Gedanke war schon: Gott sei Dank, die Schmerzen sind vorbei. Die Hebamme legte sie mir auf den Bauch, doch ich konnte dabei kein Glück empfinden. Ich habe nach 5 Minuten meinen Mann gebeten, die Kleine zu nehmen. Irgendwie war das schon der erste Moment, in dem ich "Angst" bekam. Die Zeit im Krankenhaus war recht angenehm, denn die Kleine hatte nur geschlafen und nachts habe ich sie an die Nachtschwestern abgegeben (stille nicht!). Doch als wir nach Hause kamen, ging es mir schlagartig schlechter. Klar, einen neue Situation und ich wusste nicht, wie die Kleine wann reagiert. Mittlerweile, 8 Wochen danach, weiss ich schon in etwa, was los ist, doch bei jedem Quiecken könnte ich anfangen zu weinen. Ich grüble wie oft nach, wie ich die Kleine am Besten losbekomme und so mein "altes" Leben wieder bekomme. Ich fühle mich Zuhause eingeschlossen und nicht mehr als "ich". Muttergefühle gegenüber ihr zu entwickeln verstand ich die ganze Zeit (vor der Schwangerschaft) als ganz natürlich eintretender Zustand, doch bei mir will sich sowas nicht einstellen. Ich mag die Kleine, so wie andere kleine Babies, doch Liebe empfinde ich nicht. Ich schäme mich für meine Gedanken, dass ich die Kleine loswerden will und sie nicht liebe, doch was soll ich tun. An manchen Tagen trinke ich mir abends einen kleinen Schwips an, um die depressive Situation besser beheben zu können.
Meine Familie ist für mich da, doch ich versuche ihnen zu erklären, dass das von mir innen ausgeht, und das sie mir mit ihrer Hilfe (mal die Kleine nehmen) nicht helfen. Versuche meine Einstellung ihr gegenüber krampfhaft zu ändern. doch das bewirkt eher das Gegenteil. Zwinge mich fast täglich, sie zu liebkosen und funktioniere eigentlich meines Erachtens nur als "Futtermaschine". Kann keine Liebe geben und mir fällt es auch schwer mittlerweile meinen Mann zu lieben. Ich habe das Gefühl, dass meine ganze Gefühlswelt zusammenbricht und ich schuld bin, das mein Kind vielleicht irgendwann gestört ist. Überall liest man, dass man ein Kind lieb haben muss, aber das Rezept dazu steht niergendwo. Bin momentan wieder allein mit ihr und sie nervt mich total. Bei jedem Aufschreien schiessen mir die Tränen in die Augen.
Wie soll ich das ändern. Will doch auch eine gute Mutter sein und keine Mutter, die nie Liebe geben kann, und das noch nicht mal ihrem eigenen Kind. Was ssoll bzw. kann ich tun ?
Traue mich nicht mit Fremden (zB. Hebamme) darüber zu reden, obwohl ich denke, dass sie das wohl zur Genüge kennt. Schäme mich so sehr.

Bitte helft mir.

Wibke
BirgitM

Beitrag von BirgitM »

Liebe Wibke,

die Mutterliebe kommt auch nicht von heute auf morgen sie muss genauso wachsen. Bei mir war sie auch nicht gleich da, bzw. sie war da und verschwand wieder!!
Ich denke das du auch in einer Depri steckst und du umbedingt Hilfe benötigst!! sprich mit deinem hausarzt oder gehe gleich zu einem Psychologen aber da ist es immer sehr schwierig Termine zu bekommen.
Habe keine Angst davor du bist nicht die einzige die so denkt, es ist die Krankheit die einfach keine Liebe zu lässt!!
Und du musst denken für dich hat sich alles geändert, nicht mehr arbeiten, ein Kind das dich 24 Stunden braucht. Jeden Beruf muss man 2-3 Jahre erlernen und Mutter sein sollte innerhalb von Stunden passieren....
du musst dich erst mal mit der Situation abfinden / auseinander setzen... und wenn du wieder gesund bist Liebst du dein Kind über alles und du kannst es gar nicht verstehen wie du so denken konntest.
Ich rate dir nur suche dir schnell Hilfe.... um so schneller kann man dir helfen.
Schau doch auf der S+L Seite nach ob es eine Selbsthilfegruppe in Deiner Nähe gibt!! Oder telefoniere mit Betroffenen oder Selbsthilfegruppenleiter... du bist nicht allein

Ich hoffe ich konnte dir ein bischen helfen
und gib nicht auf

alles Liebe
gruß
Birgit
Wibke

Beitrag von Wibke »

Hallo Birgit,

vielen Dank für Deine Antwort.
Bin mir unsicher zu einem Psychologen oder dergleichen zu gehen, da dieser Zustand ja nicht jeden Tag ist. Es gibt ein paar Tage zwischendrin, an denen es mir gut geht und mich keine großen Zweifel plagen. Dann gibt es aber die Tage, an denen ich mich verkriechen könnte und die Welt hinter mir lassen möchte. Frage mich deshalb, ob es sich dabei wirklich um etwas "krankhaftes" handelt oder ob ich einfach nur zu "verpienst" bin oder zu lasch, um mit der Situation umzugehen. Komisch ist, dass ich beruflich sehr stark bin, in Verhandlungen oder dergleichen nicht unterzukriegen bin. Genau dies bringt mich zu so großen Selbstzweifeln, denn warum ausgerechnet bei dieser Situation. Vielleicht weil ich mir den Druck selbst mache bzw. der Druck von innen kommt und nicht von aussen.
Wie war das bei Dir ?

Danke

Wibke
Sas

Beitrag von Sas »

Hallo Wibke, wie Birgit schon sagte, Du bist nicht alleine damit.
Irgendwie haben wir uns wohl alle falsche Idealvorstellungen von Kinderkriegen gemacht.
Meine Tochter kam letzten Juli zur Welt. Ich konnte kurz nach der Geburt schon etwas für sie empfinden, aber das ging dann wieder weg. Ich realisierte dann erst, was es tatsächlich bedeutet, ein Kind zu haben, dass das ein 24-Stunden Job ist, der nur an mir hängt. Ich wollte das nicht, wollte auf Biegen und Brechen wieder arbeiten, habe mich so reingesteigert, dass ich fast psychotisch war. Ich dachte, mein Kind sei "böse", ich müßte ihr was antun,habe aber unendlich unter diesen Gedanken gelitten und hätte das auch nie getan.
Aber jedenfalls kenne ich auch diesen Wunsch, mein altes Leben wieder haben zu dürfen. Bin auch noch immer in Behandlung.
Aber ich kann Dir aus eigener Erfahrung sagen: die Liebe wächst langsam. Du mußt Dir Zeit lassen. Ich habe auch versucht, alles zu erzwingen, um meinen Idealen gerecht zu werden. Aber Druck verschlimmert das Ganze nur noch.
Du mußt lernen, Deinem Leben eine neue Struktur zu geben und vielleich mit Deinem Kind was unternehmen. Gibt es bei Dir irgendwelche Mütterzentren, Krabbelgruppen oder vielleicht eine Elternschule im Krankenhaus?
Die bieten normalerweise verschiedenste Sachen an, auch für Mamas mit kleinen Babys. Mir hat zum Beispiel die harmonische Babymassage sehr beim Aufbau einer Bindung geholfen.
Und wenn Du Verwandte hast, die Dir das Kind mal abnehmen-perfekt!! Nimm das in Anspruch und versuche, die Zeit mit etwas zu verbringen, was Dir früher auch Spaß gemacht hat.
Ich gehe z.B. einmal pro Woche abends in meinen Italienischkurs oder treffe mich mit Freunden.
Birgit hat Dir auch schon geraten, einen Arzt aufzusuchen. Das wäre jetzt erstmal das wichtigste, denke ich. Du mußt Dich nicht schämen, es geht vielen so wie Dir.
Es ist ein langer Weg, aber diese Krankheit heilt aus.

Liebe Grüße, Saskia
BirgitM

Beitrag von BirgitM »

Hallo Wibke,

diese Krankheit ist auch sehr schwankend!! Manchmal meinst du du könntest Bäume ausreisen und am nächsten Tag würdest du dich am liebsten nur verkriechen.
Ich bin eigentlich ein sehr lebensfroher Mensch. habe mich (im nachhinein gesehen) schon immer gerne von Verantwortung gedrückt.
Und nun war ich verantwortlich für mein Kind, ich fand meine Weg nicht fragte bei tausend Müttern nach wie sie es machen und war total verzweifelt weil ich nicht wusste wie ich es am besten machen sollte.
Mittlerer Weile ziehe ich mein Ding durch so wie ich meine und es ist richtig so. Ich muss aber selber noch sehr viel lernen, ich darf mich nicht so oft mit anderen vergleichen und muss das schätzen was ich habe. Es ist ein langer Weg aber er ist zu schaffen.
Und du schaffst es auch, ganz bestimmt!!
Nimm aber bitte Hilfe in anspruch, denn es glaubt niemand das gerade "ICH" Depri bin.

Alles liebe
meld dich
Gruß
Birgit
Anke
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Wohnort: Ostfildern

Beitrag von Anke »

Hallo Wibke,
als ich Deinen Beitrag gelesen habe, habe ich mich sehr auch an meine damalige Situation erinnert.

Ich konnte schon kurze Zeit nach der Geburt keine Liebe für meinen Sohn empfinden. Wie Du bereits erwähnt hast, habe ich ihn auch "nur" gewickelt, gestillt und mit ihm schmusen "müssen", da das doch fast mit das Wichtigste für ein Baby ist. Richtige liebevolle Gefühle ihm gegenüber hatte ich nicht, im Gegenteil: auf der einen Seite wollte ich ihn nicht mehr haben, andererseits "sollte" ich ihm doch Liebe geben, wozu ich damals leider nicht in der Lage war.

Genauso kenne ich sehr gut und auch sehr lange das Gefühl, nicht krank zu sein, sondern ich dachte immer, auch als ich dann in der Klinik war, ich bin nicht krank, sondern möchte "nur" mein Kind nicht haben.

Seit 4 Jahren bin ich nun wieder ganz gesund und möchte Dir nahelegen, schnell zu einem Facharzt oder zuerst zu Deinem Hausarzt zu gehen. Er kann Dir auf jeden Fall helfen! Ich meine (nicht nur unbedingt) mit Medizin - diese ist aber sehr hilfreich und schmerzlindernd - sondern auch mit Gesprächstherapie und/oder anderen Hilfsangeboten (z. B. Haushaltshilfe, Selbsthilfegruppe...)

Es ist toll, wie Deine Familie zu Dir steht und dass Du so offen mit ihnen sprechen kannst, auch wenn sie nicht alle Deiner Gedanken (s. u.) nachvollziehen können - das kann kaum ein gesunder Mensch (das sage ich auch erst, seit ich wieder gesund bin). Sie können Dich allerdings unterstützen und Dir viel Verständnis und Liebe entgegenbringen, was sehr wichtig ist. Es wäre gut, wenn vielleicht Deine Mutter/Schwester/Freundin bei Dir tagsüber bleiben könnte, damit Du nicht allein mit dem Baby bist.

Es ist überhaupt nicht schlimm, solche Gedanken (Kind weggeben zu wollen, zwiespältige Gefühle, sich "anstrengen zu wollen, es besser zu machen" usw.) zu haben und Du brauchst Dich nicht zu schämen. Diese Symptome sind fast bei jeder PPD-erkrankten Frau zu finden. Wichtig ist nur, dass Du schnell etwas gegen die Krankheit tust bzw. Dir dabei helfen lässt. Du bist krank und kannst deshalb nicht wie eine gesunde Mutter reagieren bzw. fühlen, auch wenn Du es momentan nicht glauben kannst/möchtest.

Eines ist aber ganz sicher: Du wirst wieder ganz gesund, ganz gleich, wie lange es dauert.

Ich wünsche Dir und Deine Familie aller erdenklich Gute und viel Kraft, die schlimme Krankheit schnell in Griff zu bekommen!

Schreib wieder, wenn Du magst.
Viele Grüße von Anke

"Die Zeit heilt alle Wunden..."
Jappelmama

Beitrag von Jappelmama »

Hallo Wibke,

mir ging es nach der Geburt meines Sohnes auch ungefähr so wie Dir.
Ich konnte ihn einfach nicht in mein Leben einordnen und so richtige Mutterliebe, wie ich es jetzt empfinde, war nicht vorhanden. Am liebsten war er mir, wenn er schlief. Und wenn er mal bei meinen Eltern war, hatte ich aber ein schlechtes Gewissen,weil ich innerlich froh darüber war, meine Ruhe zu haben. Mir war immer bewusst, daß ich es schaffen muss, Marco irgendwie in mein Leben zu intergrieren, aber wie das wusste ich nicht!!
Mir fehlte meine Unabhängkeit, mein Job, mein altes Leben!!! Alles war auf einmal nicht mehr da! Ich konnte irgendwann nicht mehr schlafen und das machte alles noch schlimmer!
Zwischendurch konnte ich nur noch mit Schlaftabletten oder Beruhigungsmitteln mich durchkämpfen.
Mittlerweile geht es mir aber wieder supergut! Marco ist jetzt 18 Monate alt.
Ich denke, die Gewöhnung an ein Kind dauert einfach. Viele Mütter schaffen das sofort, andere brauchen einfach lange dafür. Ich habe mich mit meiner Situation viel auseinander gesetzt und viel darüber geredet mit meiner Mutter, Freundin, Hebamme. Eine Psychologin habe ich auch getestet, aber das war für mich der falsche Weg. Ich wollte kein Psychopharmaka nehmen, auch wenn es hilft. Wichitg ist, daß du dir helfen lässt, egal welcher Weg für dich richtig ist. Rede darüber!!!! Es ist nicht schlimm und du brauchst dich dafür nicht zu schämen!!!! Guck, daß du nicht viel alleine bist, das macht es nur noch schlimmer!
Ich bin sicher, irgendwann macht es auch bei Dir Klack und deine Tochter wird"alles" für dich sein. Das ganze ist halt ein Prozess in vielen kleinen Schritten. Lass dir Zeit und zwinge dich nicht zur Mutterliebe!
Ich wünsche dir alles Gute!
Moni
Wibke

Danke

Beitrag von Wibke »

Hallo,

möchte mich bei Euch recht herzlich für die lieben Antworten und Hilfestellungen bedanken.
Ich weiss nicht, ob eine Besserung aufgrund eurer Aufmunterungen eingetreten ist, aber mir geht es die letzten Tage gut. Die Kleine schläft die komplette Nacht durch (von 9:30 Uhr bis morgens 9:30 Uhr) und das mit 9 Wochen. Sie ist zwar den ganzen Tag wach, aber meistens relativ erträglich. Klar fühle ich mich noch überfordert, aber habe es in den letzten Tagen geschafft die Fassung zu bewahren.
Vielleicht war es ja auch die Erkenntnis, dass ich nicht alleine mit diesem Problem bin und es anderen viiieeel schlechter geht wie mir.
Möchte euch auf diesem Wege nochmals danken und ich finde es toll, dass einem völlig fremde Menschen auf diesem Wege soo lieb und nett helfen und diese Hilfe auch funktioniert.
Danke


Wibke
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