Liebe ich mein kind?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Antworten
Krümel86

Liebe ich mein kind?

Beitrag von Krümel86 »

Hallo ihr lieben,

ich habe mic hier im Forum schon lange nicht mehr gemeldet, sondern war eher stille mitleserin. Zudem ist es bei mir so, dass ich immer das Gefühl habe, wenn ich mich wieder mehr mit dem Thema zg beschäftige, dann kommen sie auch wieder mehr. Ich habe da so ein paar sachen, die ich nicht mehr tue, aus Angst, dass es da wieder mehr wird. Vielleicht kennt das noch jemand? Ich befinde mich wöchentlich in Therapie, was mir wirklich hilft. Die zg, dass ich meiner kleinen was tue sind so gut wie weg. Was ich aber einfach nicht „wegbekomme“ und was mich an den Rand der Verzweiflung ist, sind die ständigen Gedanken ob ich sie wirklich liebe. Bei uns im Freundeskreis ist es auch momentan so, dass ganz viele Babys bekommen haben und alle mamas die Welt bor Glück umarmen könnten. Bei mir ist es so nicht gewesen. Ich hatte sofort die frage „liebe ich dieses kleine wesen?“ sie ist ein absolutes wunschkind, ich war während der Schwangerschaft soooo happy und dann kam das. Ganz anders war alles nach der Geburt als ich es mir vorgestellt hatte. Und die Geburt ging super schnell, ich habe sie auch nicht als traumatisch in Erinnerung. Mir wird regelrecht schlecht wenn ich von frischgeborenen msmss lese wie glücklich sie sind und die Welt umarmen könnten. Ich habe was dass angeht auch schreckliche Angst vor einem 2. kind. Könnt ihr mir weiterhelfen? Ich möchte mich nicht ständig mehr fragen ob ich mein kind liebe m. Mein mann weiss seid kurzem bescheid von den zg, davor habe ich es 2 Jahre lang geheim gehalten aus scham und Angst er würde mich verlassen und die kleine mitnehmen, als ich ihm dass mit dem zweifel an der liebe erzählt hab, war er völlig geschockt wie ich nur ansatzweise daran zweifeln könnte so wie ich an unserer kleinen hänge und sie an mir. Aber ich sehe das so nicht. Das tut soooo weh, diese Zweifel ob man sein kind liebt. Als jetzt dieser kleine junge aus Spanien tot geborgen wurde aus dem Schacht war meine erste frage: „wie würde es dir gehen als Mutter“. Mein mann ist sofort zusammengezuckt und will daran nicht mal denken. Ich zb fühlte mich so starr. Ich hätte auch gerne diese „normale Reaktion“ wie er. Stattdessen grübel ich, ob ich traurig wäre, ob ich sie vermissen würde usw. Schrecklich!
Kennt das jemand?
Liebe Grüße
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9949
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: Liebe ich mein kind?

Beitrag von Marika »

Ja Hallo meine Liebe,

da staune ich aber, hier was von dir zu lesen!!! :D Ich wollte dir gerade privat antworten, aber ich tue es in dem Fall jetzt zuerst hier.

Ich glaube, dass du ein völlig übersteigertes Bild von "Liebe" hast. Du möchtest die Liebe zu deinem Kind in jeder Minute spüren. Aber das tut kein Mensch, so funktioniert "Liebe" nicht. Wenn du mal überlegst, gibt es sicher immer wieder kleine Momente, wo du vor Glück und Liebe zu deinem Kind zerpspringen könntest. Nach diesem Moment bist du noch kurz wie berauscht, dann flaut das ganze wieder ab und verschwindet. So ist das sicher auch mit deinem Mann. Man spürt Liebe nicht pausenlos 24 Stunden lang, sondern es kleine Moment wo man sie einen überflutet - dann verschwindet dieses Rauschgefühl wieder. Das heißt aber ja nicht, dass man die andere Zeit nicht liebt, es ist einem dann nur nicht bewusst, weil man ja auch andere Sachen zu tun bzw. zu denken hat. Würdest du 24 Stunden lieben, wüßtest du nicht was Liebe ist, weil es ein Normalzustand wäre. Liebe merkt eben daran, dass sich im Alltag plötzlich dieses "Sonnenfenster" auftut und man dahinschmilzt... aber dieses Fenster geht dann auch wieder zu... um sich später erneut zu öffnen.

Ganz viele Mamas haben dieses Glücksgefühl nach der Geburt nicht. Auch meine Freundin z.B. die keine PPD hatte, sah ihren Sohn damals an und dachte nur: Oh Gott, er hat rote Haare... Sie war sehr irritiert, weil sie sich ihr Kind so anders vorgestellt hatte. Glücksgefühl hatte sie keines, auch in den ersten Wochen nicht, sie empfand einfach alles als anstrengend und fremd. Aber die Liebe zu ihrem Sohn kam nach und nach und heute liebt sie ihn so sehr, dass es fast weh tut, sagt sie. Ihr Sohn ist 9 heute. Die Liebe kam also nach und nach, musste wachsen. In meinem Bekanntenkreis kenne ich mehr Mamas, die dieses Glücksgefühl nach der Geburt nicht hatten, als solche die sofort hin und weg waren.

Mir ging es ähnlich: Noah war ein Wunschkind, ich habe ich sooo auf ihn gefreut. Und dann kam er raus, ich sah ihn an und er war mir fremd. Kein Glücksgefühl, ich war ebenfalls irritiert weil ich ihn mir anders vorgestellt hatte. Liebe? Nein, war nicht da - eher das Gefühl, eine große Verantwortung jetzt zu tragen und dass ich ja nichts falsch machen darf. Erst als Noah 4 Monate alt war, öffnete sich zum ersten Mal dieses "Sonnenfenster" und spürte zum ersten Mal LIEBE!!! Es war überwältigend. Aber das Fenster schloß sich wieder... um sich später wieder zu öffnen. Mit der Zeit entwickelte ich so eine Art "Wissen" dass ich mein Kind liebe, ohne dieses Gefühl pausenlos zu fühlen. So ist es ja auch mit meinem Mann, da denke ich auch nicht 24 Stunden lang mit rosa Herzchen in den Augen an ihn.... :wink: :wink: :wink: Ich glaube, weil du Liebe wie jeder andere Mensch eben auch nicht ständig fühlst, denkst du, du liebst gar nicht. Das ist aber ein Denkfehler. Du interpretierst "Liebe" meiner Meinung nach falsch.

Die Geschichte mit Julen ist unendlich traurig, aber seltsamerweise nimmt sie mich nicht in dem Maße mit, wie andere Geschichten in der Vergangenheit. Auch ich habe mich gefragt, was wäre wenn meinem Kind das passiert wäre und habe ähnlich wie du nicht mit dem Entsetzen reagiert, wie auch schon früher bei anderen Situationen. Das ist völlig normal, menschlich. Wenn ich meinen Mann frage wie er das sieht sagt er: "ich denke sowas nicht, warum denn auch - es ist eine andere Familie, es ist traurig, hat aber mit mir nichts zu tun." Er bricht also nicht in Tränen aus, wenn er denkt, was wäre wenn unserem Sohn das passiert... er denkt das nicht mal... Aber er liebt unseren Sohn, mehr als sein Leben... Siehst du wie unterschiedlich das ist?

Ich glaube, Liebe lässt sich nicht mit "Angst um sein Kind" oder "Tränen um sein Kind" beweisen. Liebe sind "Sonnenfenster" die auf und zu gehen. Und schau mal: wenn es regnet weißt du trotzdem, dass die Sonne noch da ist und wieder kommt... :wink:
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
November17
power user
Beiträge: 357
Registriert: 11:10:2018 11:54

Re: Liebe ich mein kind?

Beitrag von November17 »

Guten Morgen zusammen,

der Vergleich mit den "Sonnenfenstern" ist ziemlich treffend und so habe ich es auch nie gesehen.

Ich verstehe das hinterfragen der Gefühle zum Kind. Ich vergleiche diese sogar zu meinem Mann, was manchmal auch nicht so gut ist zu tun.

Wenn man sich das bildlich mit dem Fenster vorstellt und auf manche Situationen zurückblickt, stimmt die Beschreibung mit dem Fenster. Es sind jedoch oft kurze Momente, die einen Rausch auslösen und schnell wieder weg sind noch bevor man den Moment achtsam erleben und wahrnehmen konnte. Und es gibt eigentlich vieler solcher Momente, aber vermutlich nehmen wir diese nicht so aktiv wahr, da man sich mit anderen Problemen schneller beschäftigt.

Von mir kann ich sagen, dass der extreme Unterschied zwischen Rausch und dann der Interpretation bzw dem Abfall prägnanter ist.

Deswegen danke für den Tipp mit dem Fenster, denn jetzt werde ich versuchen mir die Situationen so zu verinnerlichen.
sternschnuppe_

Re: Liebe ich mein kind?

Beitrag von sternschnuppe_ »

Ich finde Marika hat das richtig schön beschrieben. Man spürt ja nicht jede Sekunde diese Liebe bzw. diese Hochgefühle. Wir müssen uns ja auch auf andere Dinge im Leben konzentrieren können. Ich finde Liebe ist auch ein eher stilles Gefühl tief in einen drinnen.

Außerdem hab ich manchmal das Gefühl diese überglücklichen Mamas erfüllen auch nur ein vermeintlich gesellschaftliches Bild. Gerade, die die auch ständig was in ihrem Whatsapp-Status, Facebook oder Instagram posten. Ich hab immer das Gefühl, viele tun das auch aus Unsicherheit um nach außen hin das perfekte Bild abzugeben.
Ich kenne eine, die hat kurz nach der Geburt geschrieben, wie stolz sie auf ihren kleinen Sohn ist. Das hab ich nicht wirklich verstanden :lol: Viele schreiben auch so kitschig, dass ich nicht so richtig etwas damit anfangen kann. Kommt mir manchmal vor wie bei verliebten Teenagern. Ich glaub wirklich vieles kommt durch die sozialen Medien und eben nach außen hin immer perfekt wirken zu wollen. Sicherlich sind viele auch richtig glücklich, sicherlich aber auch nicht 24h am Tag.

Und wegen diesem kleinen Jungen, wäre mein Mann ähnlich wie Marikas. Er würde das auch nicht an sich ranlassen, weil es ihn nicht betrifft. Was aber nicht heißt, dass man die Menschen in seiner Umgebung nicht liebt. Ich versuche sowas auch nicht immer so an mich ranzulassen.

Lg
Antworten