PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Antworten
Babyelefant

PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Babyelefant »

Ihr Lieben,
Nach der Entbindung meiner Tochter vor 9 Monaten hatte ich, wie ich heute stark vermute, eine PPD. Meine Symptome waren Appetitverlust, Gewichtsabnahme, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Bindungsproblem, Aggr ssion. Irgendwie ging es dann irgendwann von alleine besser. Geblieben sind aber die Bindungsprobleme und die Reizbarkeit.
Ersteres zeigt sich darin, dass ich nicht diese bedingungslose Liebe zu meinem Kind empfinde. Wenn ich ehrlich bin, empfinde ich..ja..keine Ahnung. Nichts? Also sie ist mir nicht egal, ich finde sie süß, goldig, lustig. Aber dieses warme, nicht bekannte Liebesgefühl kenne ich leider nicht. Weil mich das so belastet, war ich erst bei einer Psychiaterin. Laut ihr keine PPD, allerdings fragte sie auch nur nach Traurigkeit und nicht Reizbarkeit und Wut. Weil mich das Thema nicht los lässt und belastet war ich heute beim Hausarzt. Er verschieb mir Sertralin und meinte wir können das mal versuchen. Ich bin jetzt so zwigespalten. Nehme ich es? Warte ich auf meinen Termin bei einem zweiten Pyschiater Ende August?
Ich bin so unsicher ob die Reizbarkeit und diese Bindungsproblematik eine PPD - Diagnose rechtfertigen...😔
Nelli
power user
Beiträge: 291
Registriert: 20:06:2018 1:55

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Nelli »

Hallo Du!

Herrje, als ob deine Symptomatik nicht für eine PPD reichen würde... damit will ich nicht sagen, dass du auf jeden Fall eine hast, aber sie kann sich verschieden äußern und sogar erst 2 Jahre nach der Geburt ausbrechen. Hat sie dir denn die Ärztin zu irgend etwas geraten? Sie kann dich ja nicht einfach so im Regen stehen lassen. Aber egal, an erster Stelle steht zunächst mal, deine Symptomatik ernst zu nehmen. Sie nicht zu bagatellisieren oder auf Alltagsstress zu schieben. Ich finde den Vorschlag deines Arztes gut. Er handelt. Und du musst jetzt aufgefangen werden. Am besten auch psychotherapeutisch. Da die PPD ja oft tatsächlich mit Problemen im Transmitterbereich einhergeht, fände ich das Sertralin einen guten Anfang. Wenn es nichts für dich ist, setzt du es, in Absprache mit dem Arzt, wieder ab.
Ich finde es super und höchst verantwortungsvoll, dass du deine Gefühle ernst nimmst.
Natürlich geht es auch immer um die Bewertung. Richtige Hochgefühle konnte ich erst im zweiten Lebensjahr für mein Kind empfinden. Dennoch hatte ich eine Bindung zu ihr. Besonders gut verstehe ich deine Gefühle der Wut und Reizbarkeit. Ich kenne sie, wenn ich überfordert bin von meinem Kind, oder sagen wir: der Situation. Und das erste Jahr ist einfach wahnsinnig anstrengend, auch ohne PPD. Diese Gefühle sind meines Erachtens ein Signal deines Körpers und sie sind zunächst mal auch in Ordnung. Das bedeutet KEINESFALLS, dass du eine schlechte Mutter bist. Nichts fordert einen so heraus wie das eigene Kind, gerade WEIL es einem so nahe ist. Gefühle der Wut und Hilflosigkeit sind die Kehrseite der Medaille, der Liebe. Sie gehören, finde ich, zusammen. Und man kann lernen, mit ihnen umzugehen, wenn man stabiler ist.
Also, ich würde dir zuraten wollen. Das wäre, nach deiner Anmeldung hier und dem Besuch bei der Psychiaterin und deinem Arzt, schon der 4. Schritt, den du unternimmst! Das ist doch toll!
Bestimmt bekommst du noch mehr Rückmeldung hier.
Nelli
Ivonne

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Ivonne »

Hallo,

Ich glaube die Ärztin hat dich nicht ernst genug genommen oder sie kennt sich nicht gut mit ppd aus. Am besten wäre es, wenn es in deiner Nähe eine Ambulanz oder ähnliches gäbe , die spezialisiert auf Mutter Kind Themen sind. Ich war damals auch erst bei einer Psychiaterin. Sie hat mir auch Tipps gegeben bzgl. der Zwangsgedanken aber mehr geholfen hat mir die Überweisung in die Mutter Kind Tages Klinik, da sie dort viel mehr in die Tiefe gehen konnten und nicht nur so allgemein. Gerade was die Bindung angeht, sind sie da sehr spezialisiert. Ich finde Ende August für einen neuen Termin recht spät, da du ja die Schwierigkeiten auch schon länger mit dir herum trägst. Vielleicht findest du schon eher Unterstützung, die dir wirklich was bringt, egal ob mit Medikamenten oder ohne. Den ersten Schritt hast du ja bereits getan und dirHilfe gesucht und das ist der wichtigste Schritt. Ich hoffe du findest bald die passende Hilfe und Unterstützung für dich.

Lg Ivonne
Babyelefant

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Babyelefant »

Ihr Lieben,
Ich danke euch für eure Antworten.

@Nelli: die Psychiaterin riet mir dazu, in einer Therapie herauszufinden, woher meine Ansicht oder mein Wunsch kommt für mein Kind Muttergefühle (im Sinne von "nicht zu beschreibende liebe") haben zu wollen. Das halte ich mit Verlaub für völligen Blödsinn. Das wäre ein therapeutischen Hinterfragen, wieso mich die Symptomatik stört. Das ist ein sehr seltsamer Ansatz.
Eine Bindung zu ihr habe ich schon, sie ist mir nicht egal und ich würde sie auch nicht irgendwo aussetzen oder so. Aber ich merke halt, wie mich viele Situationen einfach anstrengend, wovon ich denke, dass sie mich weniger anstrengend würden, wenn da mehr spürbares Gefühl für sie wäre (Thema intrinsische Motivation...).
Ich glaube, ich hätte das Sertralin schon längst genommen, wenn ich nicht solche Angst vor Nebenwirkungen hätte oder davor, es nicht mehr ausschleichen zu können. Als Psychologin lernt man halt selbst auch eher in der eigenen Ausbildung, dass Tabletten nicht das wahre sind. Das blockiert mich glaube ich auch. Allerdings...falls die PPD wie vermutet auch durch die Abstilltabletten verursacht wurde, dann sollte das biochemische Gleichgewicht im Gehirn halt irgendwie auch wieder hergestellt werden. Und da braucht es glaube ich einfach ein AD.

@Ivonne: lustigerweise war das schon eine Spezialambulanz für PPD, in der ich vorstellig wurde. Ich hatte mir ehrlich gesagt davon auch mehr versprochen. Da hat mich mein Hausarzt sehr viel ernster genommen muss ich sagen.
Benutzeravatar
Marika
power user
Beiträge: 9984
Registriert: 04:06:2005 16:05

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Marika »

Hallo zusammen...
... ich möchte gerne einen weiteren Denkansatz in die Diskussion einbringen: Was ist Mutterliebe? Haben wir nicht - durch die Gesellschaft suggeriert - ein Mutterbild in uns, dass eigentlich unerfüllbar ist? Immer strahlend, lächelnd, immer geduldig, voller Energie und Hingabe... also so wie jeder Windel oder Säuglingsnahrungs Werbung... ist das realistisch?

Nein, die Realität ist: Schlafdefizit, 24 Stunden Bereitschaft, unser Körper gehört dem Kind beim Stillen, alle unsere Bedürfnisse und deren Erfüllung tendieren gegen Null. Und trotzdem lächeln wir, versuchen zu strahlen, nur damit niemand auf die Idee kommt, wir könnten "unzulänglich " sein. Somit haben wir eine viel zu hohe Moralische Vorstellung vom Mutter sein.

Schon alleine dass du die Hilfe wegen diesem vermeintlich fehlenden Gefühl geholt hast, zeigt dass es sehr wohl da ist, aber die Anstrengung im Alltag für deine Maus einfach sehr groß und anstrengend. Wie soll man da vor Liebe in jeder Sekunde überschäumen?

Das alles ist jetzt nicht die alleinige Lösung, für war diese Erkenntnis aber unwahrscheinlich wichtig.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Celeste

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Celeste »

Mal wieder schön geschrieben liebe Marika!
Babyelefant

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Babyelefant »

Liebe Marika,
Ein sehr schöner und sehr wahrer Denkansatz. Allerdings, ich verfolge dieses Ideal gar nicht. ich will und muss keine Pampers-Werbung-Mami sein. Ich gestehe es mir zu, genervt zu sein und Mal Ruhe zu wollen und auch nicht ständig vor Liebe überzuschäumen. Ich habe allerdings diese Muttergefühle seit 9 Monaten noch nie gespürt und das bereitet mir langsam Sorgen. Ich will ja gar nicht den ganzen Tag mit Herzchen km Auge rumlaufen, aber ab und an will ich diese unbeschreibliche Liebe, von der alle immer reden, auch Mal gerne spüren dürfen :(
Kikke

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Kikke »

Den Gedanken verstehe ich sehr gut. Er übermannt einen einfach und man empfindet es als extrem unfair. Außerdem will man wissen, wovon alle reden.

Manchmal habe ich mir gewünscht, dass jemand anderes in meinem Umfeld auch erkrankt, damit man mich verstehen kann. Ich hätte so gerne jemanden, mit dem ich mich wirklich austauschen kann. Natürlich wünsche ich es niemandem. Aber wenn Mütter mir davon erzählen, dass sie angestrengt sind oder auch, wie toll und super alles am Anfang ist, habe ich mich noch schlechter gefühlt. Entweder ich habe gedacht: stell dich nicht so an. Du weißt gar nicht, was wirklich anstrengend ist. Oder ich habe gedacht: meine Güte, das möchte ich auch gerne fühlen.

Ich habe mich dann immer schlecht gefühlt, weil ich so im Selbstmitleid versunken bin. Meine Therapeutin hat mir gesagt, ich soll das ganze nicht als Selbstmitleid, sondern als Selbstmitfühlen betrachten. Und das ist auch gut, man muss es nur schaffen, aus diesem Gefühl wieder herauszukommen. Und das wird immer leichter.

P. s. Falls es dir hilft: ich habe diese unbeschreibliche Liebe, von der alle wohl sprechen, irgendwann gefühlt. Aber einfach zu einem späteren Zeitpunkt.
Babyelefant

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Babyelefant »

Liebe Kikke,
Genau wie du beschreibst ist es für mich auch. Ich wünsche es auch niemanden, aber würde meinem Mann z.b. so gerne verständlich machen können, wie es ist. Meine Maus ist seine Prinzessin, er ist so vernarrt in sie..und ich als Mama, tja.

Darf ich fragen, wann du das Gefühl letztlich dann gespürt hast? Hast du Medikamente genommen?
Kikke

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Kikke »

Klar darfst du.
ich war zwei Monate lang in einer Psychiatrie und habe dort ein Antidepressivum genommen und zu Beginn auch tavor. Nach meiner Entlassung habe ich eine einjährige Verhaltenstherapie gemacht.
Als mein Sohn 1 Jahr alt wurde ging es mir besser. so richtig tiefe Liebe, dass ich ihn gar nicht mehr hergeben möchte und ihn am liebsten den ganzen Tag ansehe, habe ich seitdem er 2 ist. Er ist jetzt zweieinhalb Jahre alt.

Viele in meiner Umgebung mit gleich alten Kindern sagen, dass es immer anstrengender wird mit den Kindern. Das empfinde ich überhaupt nicht so. Das erste Jahr war die absolute Hölle. Alles was danach kommt ist für mich ein Kinderspiel. Selbst bei den schlimmsten Wutausbrüchem, bin ich sehr entspannt. Das hat die Krankheit mir geschenkt: das schöne in den kleinen Dingen zu sehen und zu wissen, was wirklich wichtig ist. Nämlich Gesundheit.

Jetzt bin ich manchmal an dem Punkt, dass andere Mütter mich nicht richtig verstehen können was die Gefühle angeht. Ich möchte auch nicht wieder arbeiten gehen oder Zeit für mich haben. Das hätte ich vor zwei Jahren nie für möglich gehalten.
Babyelefant

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Babyelefant »

Oh, das freut mich sehr für dich. Klasse, dass sich alles so zum Guten gewandt hat! Ich vermute auch, dass ich mit den kommenden Jahren besser klar kommen Erde, als mit dem ersten Babyjahr. Wenn ich vor der Schwangerschaft an das Leben mit Kind gedacht habe, waren es eigentlich immer Fantasien, wenn die Kleine schon 2 und aufwärts ist. Was zusammen unternehmen, die welt zeigen etc. Dennoch kommt natürlich gerne jetzt immer wieder die Angst hoch, dass ich niemals in Leben die richtigen Gefühle für sie haben werde, aber ich denke das ist vielleicht auch ein Symptom der PPD.

Ich habe nach Rücksprache mit meinem Mann beschlossen, am Freitag mit 12.5 Sertralin zu beginnen, also ganz niedrig. Ich würde es gerne versuchen und zwar noch bevor ich arbeiten gehen muss - falls mich die Nebenwirkungen umhauen. Bis Freitag habe ich dann hftl auch meine Blutwerte, die ich morgen abnehmen lassen und weiß, was mit meiner Schilddrüse los ist. Sollte da rauskommen, dass alles durcheinander ist, warte ich noch mit dem Sertralin, andernfalls werde ich dem AD denke ich eine Chance geben. Aber ich hab echt Angst davor...wie habt ihr es denn vertragen?
Mel
power user
Beiträge: 554
Registriert: 25:11:2018 13:07

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Mel »

Guten Morgen,
ich hatte am Anfang große Sorgen vor den NW und konnte auch schwer akzeptieren, dass ich krank bin und Medikamente brauche, aber das Einschleichen von Sertralin war unkompliziert. Das ist nicht bei jeder Frau so, aber selbst wenn es schwierig sein sollte, gibt es Hilfsmittel wie Tavor. Meist lassen die unangenehmen NW auch nach einigen Wochen nach und die Wirkung tritt langsam ein.
Lieben Gruß
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Babyelefant

Re: PPD oder vielleicht doch nicht? Sertralin ja oder nein?

Beitrag von Babyelefant »

Danke Mel für deine Antwort.

Hat jemand von euch Erfahrung damit, Sertralin mit 12.5 einzuschleichen statt mit 25mg?
Antworten