Verlauf meiner 2. PPD

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Löwenmutter

Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Löwenmutter »

Hallo Ihr lieben,
ich wollte mal von mir berichten. Im Januar ist ja mein 4. Kind geboren, zuhause, in einer Traumgeburt in der Badewanne. So kannte ich es, denn ich bin so schon 2 mal glückliche Mutter geworden, beim ersten und beim 2. Kind.
Kind 3 war ein Notkaiserschnitt und mit ihr erlebte ich auch diese schwere PPD 2018. Die 1. PPD war gerade soweit im gröbsten überstanden, ich hatte mein Lebensglück wieder gefunden, als ich ungeplant ein 4. mal schwanger wurde. Nach einigen negativen Gefühlen am Anfang ging es mir ab der 13.SSW sehr gut. Ich habe mich aufs Baby gefreut und war auch zuversichtlich eine dritte schöne Geburt zu erleben. Die Schwangerschaft verlief soweit sehr gut, ohne Komplikationen und zur 28.ssw hatte ich mein escitalopram ausgeschlichen. Das war Vorraussetzung für die Hausgeburt. Ich habe über 4 Monate von 15mg auf 0 reduziert.
Ab der 33. SSW bekam ich diffuse Ängste vor nichts, immer Abends zu beginn der Dämmerung. Keine Ahnung warum...Es ging mir aber ansonsten noch weitestgehend gut, und ich habe versucht, ruhig zu bleiben und positiv zu denken.

Dann endlich kam im Januar, 11 Tage nach dem ET mein Baby zur Welt. Zuhause, so wie ich es mir gewünscht hatte. Und er war so süß und warm und wunderbar. Ein 4. Kind und trotzdem ein Unbeschreibliches Wunder. In der Badewanne bei Kerzenschein ist nicht nur mein Baby geboren sondern die Narbe in meiner Seele geheilt. Diese Geburt hat den Kaiserschnitt wiedergut machen können. Wir haben uns nackig zusammen gekuschelt und ich war so verzaubert, dass ich mich überhaupt nicht mehr erinnern kann was die Hebamme und der Rest der Familie so gemacht hat. Stillen war von beginn an super und ich habe glückduselig in meinem Bett gesessen, mein Baby angeschaut und Butterbrot gefuttert. Das Glück hielt 2 Tage....

Als erstes kam die Übelkeit und das Gefühl die Raumtemperatur nicht wahrnehmen zu können (das hatte ich immer in der Depression). Am nächsten Tag begann ich zu zittern, die Gedanken fingen an zu kreisen und starke Angst stellte ich ein. Dazu ein Gefühl der leere und Hoffnungslosigkeit. Mein Baby, das kurz vorher noch mein Himmel auf Erden gewesen ist war plötzlich so schwer, dass ich Angst hatte es fallen zu lassen. Am 3. Tag konnte ich schon kaum noch essen. Aus meinem Leben war plötzlich wieder ein fremdes, anderes geworden.
Leider war Samstag aber ich hatte so eine Angst, dass mein Mann mit mir in die Notaufnahme ins Krankenhaus gefahren ist. Der behandelnde Arzt, ein selten dämlicher typ, meinte nur: " Hautsache dem Kind geht es gut, stillen sie ab und kleben sie sich Östogenpflaster auf, dann passt das wieder" ...

Naja, ich habe dann meine Psychiaterin kontaktiert und sie riet mir das Wochenbett abzuwarten. Wenn es nach 8 Wochen nicht besser ist sollte ich ein AD nehmen. Die Wochen sind dann so vergangen und ich habe mich freudlos und unfassbar gestresst gefühlt. Jeder morgen begann mit viel zu frühem Erwachen vor Angst, Zittern, Erbrechen und Bauchkrämpfen. Nach 8 Wochen war es nicht besser,im Gegenteil, der Corona lockdown hat mir den Rest gegeben. Es ging gar nichts mehr, ich war völlig fertig und total depressiv mit 4 Kindern alleine zuhause und keiner hat mir geholfen, war ja Corona....Also habe ich dann begonnen das escitalopram zu nehmen. Bei der Eindosierung habe ich 3 mal eine Tavor genommen weil ich die Unruhe nicht aushalten konnte. Begonnen habe ich mit 5 mg, nach einer Woche habe ich auf 10 mg erhöht. Genau 12 Tage nach der Erhöhung fing es an besser zu werden. Ich war nicht mehr so gestresst, konnte am Morgen sogar noch etwas im Bett liegen bleiben. Und genau 3 Monate nach der Geburt war ich symptomfrei. Die PPD war weg. Ganz und vollständig ohne Reste ohne Einschränkung. Mein Zwerg ist jetzt 5 1/2 Monate alt und ich hatte jetzt seit über 2 Monaten keinen einzigen schlechten Tag. Die Art und Weise wie ich mein Glück spüre und wie ich mein Glück und meine Gefühle überhaupt zu schätzen weiß hätte ich ohne die PPD vermutlich nie erlebt.

Meine große und auch meine kleine PPD waren so schreckliche Erlebnisse... aber dass ich das nie vergessen werde, hat daher neben der schlechten Seite, auch eine gute Seite. Die Krankheit hat mich dankbarer und tolleranter gemacht. Sie hat in gewisser Weise meinen Horizont erweitert. Dankbar bin ich vor all den Menschen die mich in meiner PPD unterstütz haben, meine Freunde und meine Familie und mein Mann der wirklich immer da war.

Zum Schluss noch etwas lustiges. Ich bin jetzt gesund nämlich eine sehr nervige Mama. Ich schnuppere stängig am Baby, und sage ihm, und auch allen anderen wie gut er doch riecht. Dann schaue ich ihn an, und sage allen wie süß er doch ist. Dabei Frage ich auch immer "ist er nicht süß?" Das muss dann natürlich beantwortet werden und dann wiederhole ich nochmal, wie süß er ist, und wie gut er riecht, und wie sehr schön er sich anfühlt. Mein Mann findet, es muss mir verziehen werden weil ich so viel durch gemacht habe. Meine Kinder sagen immer Mama du spinnst. Aber wenn ich am Abend auf dem Sofa ab Babys Hemdchen schnüffel dann hab ich eine gut Ausrede. Es wird nämlich in der Pharmaindustrie untersucht ob Babyduft gegen depressionen hilft.

Also, bleibt tapfer, kämpft weiter, ALLES WIRD GUT, ES GEHT VORBEI!
Mat1977

Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Mat1977 »

Ich wollte dir unbedingt antworten, ich bin aber durch dein Schreiben so überwältigt, dass ich nicht weiß was 😳. DANKE!
Zuletzt geändert von Mat1977 am 02:07:2020 16:36, insgesamt 1-mal geändert.
Mel
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Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Mel »

Das ist so schön zu lesen! Wunderschön 😊
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Löwenmutter

Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Löwenmutter »

Danke ihr beiden. Man würde, wenn es einem gut geht,immer so gerne allen versichern, dass es wieder gut wird. Das Problem an dieser scheiß Krankheit ist halt, dass man Hoffnung und zu Zuversicht nicht fühlen kann. Aber positive Berichte haben mir in der Zeit wirklich oft einen kleinen Hoffnungsschimmer gegeben und ich hoffe, dass ich das mit meinem Beitrag auch der ein oder anderen geben könnte.
Maria2020

Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Maria2020 »

Hallo Löwenmutter,
es ist immer wieder schön sowas zu lesen. Ich selber stecke seit ein paar Tagen in meiner 2. PPD und nehme seit heute 6 Tropfen Escitalopram. Bei meiner 1. PPD ging es mir auch mit rechtzeitiger Hilfe von Escitalopram ziemlich schnell besser, so dass ich das Medikament nach 3 Monaten schon ausschleichen konnte.
Nimmst du denn jetzt immer noch Escitalopram? Da ich nach der ersten Schwangerschaft an PMS mit Stimmungsschwankungen und depressiven Verstimmungen kurz vor meiner Periode leide, überlege ich tatsächlich diesmal das Escitalopram einfach weiter zu nehmen.
Löwenmutter

Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Löwenmutter »

Hallo Maria,
Ja ich nehme das escitalopram noch. Es sind ja nur 10 mg und es gibt mir Sicherheit. Da ich nun, nach Kind 4 definitiv nie mehr schwanger werde habe ich persönlich keine Eile es auszuschleichen. Nebenwirkungen hab ich auch kaum... mal sehen was meine Psychiaterin dazu sagen wird.
Ich kann dich sehr gut verstehen wenn du sagst du willst es länger nehmen. Auch die paar Tage pms können bei depressiver Symptomatik zur Strapaze werden...
für deine 2. ppd wünsche ich dir alles gute. Sicherlich bekommst du es auch diesmal schnell in den Griff.
Tina-Fr

Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Tina-Fr »

Liebe Löwenmutter,

Deine Zeilen lesen sich wunderbar-du bist eine echte Löwenmutter,eine echte Kämpferin.
Es gehört viel dazu,auch beim 2. Mal schnell Hilfe in Anspruch zu nehmen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken.Hut ab!
Ich empfinde es wie du,man lernt auch durch die Krankheit,nämlich wirklich alles viel mehr zu schätzen und auch für vorher selbstverständliche Dinge dankbar zu sein.
Genieße die Zeit mit deinen Kids,ich bin ganz sicher,du bist eine unglaublich tolle Mama für sie!
Krümmelchensmama

Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Krümmelchensmama »

Liebe Löwenmutter
Es tut so gut solche Berichte wie deinen zu lesen.
Mein Entbindungstermin ist schon in 2 Wochen und langsam steigt meine Nervosität und Angst vor einer neuerlichen PPD.
Berichte wie deiner machen soviel Mut, weil man sieht auch wenn ein Rückfall kommt, geht es wieder aufwärts ☺️
Es freut mich so für dich, dass du dein Baby jetzt so richtig genießen kannst ☺️☺️☺️

Danke für deinen Bericht
Jari

Re: Verlauf meiner 2. PPD

Beitrag von Jari »

Liebe Löwenmutter,

Danke für Deinen Bericht! Es ist toll, wie Du das Ganze angegangen bist und dass Du beherzt eine Entscheidung zur Behandlung treffen konntest.
Ich freue mich sehr für Dich, dass es Dir wieder gut geht!
So schön, wie Du beschreibst, wie Du Dein Baby genießt :-)

Liebe Grüße,
Jari
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