Aktueller Stand bei mir

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Asrai

Aktueller Stand bei mir

Beitrag von Asrai »

Hallo Ihr,

meine aktuelle depressive Phase dauert nun fast 6 Wochen. Seit 5 Wochen nehme ich wieder Sertralin. Ich habe das Sertralin schrittweise gesteigert, seit einer Woche bin ich bei 100mg. Mein Hausarzt meinte, dass er nicht höher gehen würde, weil ich ziemlich klein und leicht untergewichtig bin (habe in der Depression ungewollt einige Kilo verloren). Zusätzlich nehme ich zum schlafen Mirtazapin, zunächst 7,5mg, dann auf Empfehlung meiner Psychiaterin 15mg, um das Morgentief besser abfangen zu können. Die letzten beiden Abende habe ich aber wieder nur 7,5mg genommen (in Rücksprache mit meinem Hausarzt), weil ich mich vormittags oft irgendwie neben mir stand und der Arzt meinte, das könnte von den 15mg Mirtazapin kommen.

Insgesamt würde ich schon sagen, dass eine erste Verbesserung eingetreten ist. Die richtig unerträglichen Zustände sind seltener geworden. Ich war nun auch schon wieder mit meinen Kindern alleine, was eigentlich ganz gut geklappt hat (meine Mutter war/ ist aktuell sonst oft bei mir, um mich zu unterstützen). Gestern war ich ganz stolz auf mich, weil ich es nach langer Zeit wieder geschafft habe, mich zum Fahrradfahren aufzuraffen und eine richtig lange Tour gefahren bin. Ich hatte zwar nicht so viel Spaß wie früher, aber es ging mir auch nicht schlecht dabei.
Ich fühle mich aber trotz dieser ersten positiven Schritte noch weit von "normal" entfernt. Das Morgentief ist oft noch richtig hart, heute zum Beispiel. Ich wache auf, brauche 5 Sekunden, mich zu orientieren und zack, schlägt die Angst zu. Es ist das Gefühl der totalen Überforderung und der panischen Angst, dass es nie wieder gut werden wird. Fürchterlich. Im Lauf des Tages wird es dann meistens besser, am Abend fühle ich mich oft ganz ok. Zwischendrin kann ich auch mal kurz fröhlich sein. Ansonsten grübele ich extrem viel, vor allem darüber, wie es soweit kommen konnte und was ich tun kann, um da wieder raus zu kommen. Das bringt mich natürlich nicht weiter, im Gegenteil. Die Angst, dass es nie wieder besser wird ist so groß und beherrscht mich richtig. Ich vergleiche dann meine aktuelle Situation mit meinen vorangegangenen beiden depressiven Phasen, die jeweils nach 4 Wochen deutlich besser waren, so dass ich meinen Alltag ohne größere Beeinträchtigungen wieder leben konnte. Damals bin ich mit 50mg Setralin ausgekommen, diesmal bin ich schon bei 100 und es dauert viel länger mit der deutlichen Besserung (falls sie überhaupt noch kommt).
Ich kann mit gerade auch noch gar nicht vorstellen, wieder arbeiten zu gehen, obwohl ich sonst meine Arbeit eigentlich ganz gern mache. Gleichzeitig habe ich Angst, dass - je länger ich draußen bin - desto schwerer der Wiedereinstieg wird. Ich mache mir auch Gedanken darüber, dass sicher über ich geredet und vermutet wird, dass es etwas psychisches ist. Das ist mir sehr unangenehm. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich die einzige in meinem Umfeld bin, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegt.

Meint Ihr, dass das Sertralin noch Besserung bringen kann? Oder sollte ich mir vielleicht Gedanken über einen Medikamentenwechsel machen? Wie kann ich es schaffen, die Hoffnung nicht zu verlieren? Hat eine von Euch Erfahrungen damit, nach längerer krankheitsbedingter Pause erfolgreich wieder in die Arbeit eingestiegen zu sein?

Liebe Grüße,
Asrai
Mel
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Re: Aktueller Stand bei mir

Beitrag von Mel »

Liebe Asrai,
das ist wirklich schwer zu beantworten- da wäre dein Psychiater gefragt.
Ich kann dir nur von mir berichten, dass ich meine PPD schon lange habe und dass ich gerade auch vor der Entscheidung stehe, wieder arbeiten zu gehen und es verunsichert mich extrem, da es schon einmal nicht geklappt hat. Ich habe halt immer noch Symtome...
Trotzdem muss ich sagen, dass Sertralin bei mir in Höchstdosis gut hilft. Die extremen Tiefs sind deutlich weniger, ich kann essen und schlafen und habe sogar gelegentlich wieder das Gefühl von Normalität bzw. Freude, Motivation etc. Medis und Therapie helfen auf dem Weg der Gesundung, aber sie machen dich nicht gesund- es kann ja niemand zaubern. Vergleiche deine PPD nicht mit den kurzen depressiven Phasen davor, damit setzt du dich nur unter Druck. Ich weiß, das ist alles leichter gesagt als getan...
Ich denke, dein Psychiater wird zunächst einige Wochen abwarten bevor er überhaupt einen Medi-Wechsel in Betracht zieht. Und- das ist die gute Nachricht- du spürst erste kleine Verbesserungen. Das ist doch ein sehr gutes Zeichen, oder?
Zu allem anderen kann ich dir nur sagen, diese Ängste und Gefühle kennen hier nahezu alle, ich habe sie auch gerade wieder ganz stark. Dass es nie wieder normal wird, dass die Krankheit für immer bleibt etc. Ein ganz ganz typisches und häufiges Symptom. Aber es ist ein Symptom- das bist eigentlich nicht du!!
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Mel
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Re: Aktueller Stand bei mir

Beitrag von Mel »

Ach entschuldige, liebe Asrai,
Habe gerade deine Vorstellung nochmal gelesen- du hast ja gar kein Baby mehr , sondern schon zwei ältere Kinder!
Also, die Depression holt dich bei großen Belastungen immer mal wieder ein, habe ich das richtig verstanden?
Da bist du schon weiter als ich, denn es ging dir zwischenzeitlich schon ziemlich gut, oder? Also du hast dich weitstgehend gesund gefühlt?
Du wirst es auch dieses Mal wieder schaffen!!
Leider, oder zum Glück zeigt uns die Depression immer wieder unsere Grenzen und Baustellen im Leben auf- eigentlich etwas Gutes. Nur blöd, dass es sich so schrecklich anfühlt!
Ich fühle mit dir....
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Asrai

Re: Aktueller Stand bei mir

Beitrag von Asrai »

Liebe Mel,
ich danke Dir für Deine Antwort! Dein Mitgefühl tut gut.
Meine Kinder sind schon im Kindergarten- und Schulalter :) Wie alt sind Deine?
Ich hatte zwischen meinen depressiven Phasen ziemlich beschwerdefreie Zeiten. Nur meine Grübelneigung, leichte Entscheidungsschwierigkeiten und leichte Selbstwertzweifel waren nie ganz weg. Es ließ sich aber damit gut leben, und ich bin trotz mancher nicht ganz einfacher Lebensumstände gut zurecht gekommen, hatte sogar Freude am Leben.
Die depressiven Phasen erwischen mich tatsächlich in Zeiten besonderer Belastung (einmal rund um Schwangerschaft und Geburt, zweimal nach einer Trennung). Das ist halt besonders hart, weil es ja schon schwer genug ist, diese Ereignisse zu verdauen. Wenn sich dann noch die Depression oben drauf setzt zu den ganz konkreten Schwierigkeiten, mit denen man sich rumschlägt, wird's einfach zu viel.
Es ist zwar nicht mehr ganz so akut, eine erste Besserung ist bereits eingetreten. Und ich habe heute auch ein Lob von meiner Therapeutin bekommen, dass ich die Herausforderungen, die die Depression mit sich bringt sehr gut meistere. Trotzdem ist es nicht leicht... Aber wem sage ich das...
Wie geht's Dir denn heute? Was sind Deine Pläne bezüglich Arbeit?
Viele liebe Grüße,
Asrai
Mel
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Beiträge: 554
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Re: Aktueller Stand bei mir

Beitrag von Mel »

Hallo Asrai,
ich finde, das klingt alles wirklich gut bei dir.
Dass du beschwerdefreie Zeiten hattest, ist doch wirklich toll... diese Grübelneigung und leichte Selbstzweifel hatte ich auch schon immer- sind bestimmt Faktoren, die förderlich für eine Depression sind :?
Ich habe einen dreijährigen Sohn, der meinen Mann und mich auch ordentlich fordert. Er ist ein ganz besonders aufgeweckter und liebenswerter Kerl, stellt von morgen bis abends Fragen, hat Energie für zwei. Ein ganz normales Kindergartenkind also :lol:
Naja, mit der Arbeit bin ich zwiegespalten. Ich merke einfach, dass ich nicht wirklich belastbar bin... zwei Stunden am Tag würden mir reichen. Wenn ich mir zu viel vornehme, bin ich meist ab 13Uhr völlig platt. Man muss ja auch sehen, dass berufstätige Mütter eine Doppelbelastung haben. Neben dem Beruf haben wir ja fast den Vollzeitjob Haushalt, Einkaufen, Kinderbetreuung/ Freizeitbeschäftigung, Termine fürs Kind und und und. Dann kommen die eigenen Termine, wie PsychiaterIn und Therapie etc. ja noch oben drauf. Da würden mir 8 Stunden Arbeit pro Woche voll und ganz reichen. Nur, wie ich das hinbekomme, ohne gravierende Renteneinbußen, mit der Eingliederung (bin mit meinem Arbeitgeber nicht mehr so wirklich zufrieden), das weiß ich noch nicht :wink:
Berichte mal, wie es dir so ergeht mit dem Sertralin. Bist du zurzeit krank geschrieben?
Liebe Grüße
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Asrai

Re: Aktueller Stand bei mir

Beitrag von Asrai »

... hab Dir eine PN geschrieben, Mel :)
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