Angst!

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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zera

Angst!

Beitrag von zera »

Unseren sehnlichst erwünschten Nachzügler bekamen wir nach der Dritten ICSI im Dezember.
Es war ein geplanter Kaiserschnitt der beinahe zum Notfall wurde. Der Oberarzt gab schon Bescheid dass man mich für eine Vollnarkose vorbereiten soll. Um 8:08 setzte man den ersten Schnitt und erst 20 Minuten später konnte man mein Baby aus mir befreien. Alles war völlig vernarbt und man bekam ihn nicht raus. Meine Gebärmutter musste immer weiter aufgeschnitten werden und einer der Bauchmuskeln wurde durchtrennt.
Anfangs musste unser Baby beatmet werden. Als es dann endlich zu uns kam war mein erster Gedanke „ wie siehst du denn aus?“
Und gleichzeitig schämte ich mich für diesen Gedanken.
Ich hatte andere Erwartungen. Ein Baby mit vielen dunklen Haaren. Stattdessen war da ein Baby mit rotblonden Haaren.
Ist das meins? Ist das wirklich meins?
Ich hatte Angst das laut auszusprechen. Scham und Angst überkamen mich. Wochen trug ich das mit mir rum.
Ich verliebte mich umgehend in mein Baby. Auch wenn es mir erst völlig fremd war. Schon in der ersten Nacht konnte ich ihn nicht ablegen. Aus Angst ihm passiert was. Die ersten Wochen schlief ich mit Baby auf der Brust.
6 Wochen nach der Geburt schaffte ich es mit der hebamme drüber zu sprechen.
Über die Angst es wäre nicht meins und über die Angst das ihn jemand weg nimmt. Zudem die extreme Angst dass es stirbt und ich mein Wunder wieder verliere.
Die Angst geht so weit dass ich es vor mir sehe.
Ich male diverse Situationen aus in denen mein Kind stirbt oder jemand das Baby haben will. Ich fühle den Schmerz als wäre ich bereits in der Situation.

Was sich bereits bessert ist die Angst es wäre nicht mein Baby. Langsam kommt die Ähnlichkeit durch und sich die Haarfarbe kommt in der Familie vor. Der Opa war rotblond und mein Mann hat einige rote Haare im Bart.
Aber die starken Verlustängste sind da.
Denke ich an die Geburt und daran wie heikel es war bekomme ich Herzflattern.
Heute Nacht lag ich wieder Stunden wach. Hatte ihn bei mir und musste mich immer wieder vergewissern dass er atmet. Ich weinte und hatte Angst er stirbt. Als mein Mann wach wurde habe ich versucht mir nichts anmerken zu lassen. Es ist mir peinlich weil ich weiß wie irrational das teilweise ist.
zera

Re: Angst!

Beitrag von zera »

Sehr schade dass hier niemand antwortet und man doch allein bleibt mit seinen Gedanken und Gefühlen.
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Marika
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Re: Angst!

Beitrag von Marika »

Hallo Zera,

ja schade, dass noch niemanden geantwortet hat... manchmal rutscht ein Beitrag leider durch. Normalerweise wird hier niemand alleine gelassen und es ist mit Sicherheit nicht absichtlich geschehen.

Ich kann dir sagen, dass ich damals genau das gleiche von meinem Kind gedacht habe, als man mir meinen Sohn nach einem Notkaiserschnitt gezeigt hat. Es war ganz seltsam weil ich ihn mir bzw. auch das erste Kennenlernen ganz anders vorgestellt hatte. Übrigens berichten das ganz viele Frauen wenn man offen darüber redet. Auch die, die nie eine Wochenbettdepression oder ähnliches hatten.

Auch die Angst das Baby könnte plötzlich sterben und das ewige Nachschauen kenne ich und auch da sind wiederum viele Frauen betroffen unabhängig von einer PPD. Deine Ängste sind überhaupt nicht unrealistisch, sondern ich denke dass das von der Natur zum Teil schon so gewollt ist, damit dem Nachwuchs nichts passiert. Frische Mamas schlafen ja auch viel oberflächlicher ... man nennt das "Ammenschlaf"... man nimmt an, damit die Frau das Kind jederzeit hört. Forschungen und Studien belegen dass.

Ich denke, es würde dir sehr helfen, wenn du dich deinem Partner gegenüber öffnest und dich mit ihm austauschst. Warum denn nicht? Er ist dein Partner, der Vater eures Kindes... wer wenn nicht er ist dein Vertrauter wenn es um dich, um deine Gefühle und um euer Kind geht. Und es nimmt ganz viel Druck raus, wenn man mit belastenden Gedanken und Gefühlen nicht alleine ist. Trau dich!

Wie geht es dir denn mittlerweile?
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
zera

Re: Angst!

Beitrag von zera »

Mein Mann weiß inzwischen Bescheid. Kann
Ist aber nicht helfen sagt er. was aber gut tat war dass er die Angst dass unser Embryo vertauscht werden könnte ebenfalls hatte. Diese sei aber weg seit der Kleine da ist.

Die Ängste sind aber da. Beim Auto fahren. Beim stillen. Keiner darf das Baby zum spazieren mitnehmen. Wenn jemand das Baby hochnehmt werde ich wahnsinnig und greife teilweise hin.
Das kopfkino macht mir dabei so zu schaffen. Ich sehe mein Baby mit Verletzungen. Sehe es tot, im seh usw. Sehe mich zusammen brechen usw. Immer und immer wieder. Und dazu die Gefühle als wäre es real.

Oder ich denke an die Geburt. Das was wäre wenn. Was wenn die mich in Narkose gelegt hätten als es so brenzlig wurde und ich danach vom Tor meines Kindes erfahren hätte. Was wenn er weg wäre. Ich darf. Je wieder schwanger werden.
Das Baby wäre weg und ein neues würde es nie geben(ich weiß dass es nicht ersetzt aber die Gedanken sind nunmal da)

All das sitzt wie ein schwerer Stein auf meiner Brust und erdrückt mich an manchen Tagen mal mehr und mal weniger.
alibo79
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Re: Angst!

Beitrag von alibo79 »

Hallo zera, diese Angst um meine Kinder hatte ich auch, als sie Babys waren vor allem beim ersten Kind. Wahrscheinlich weil alles so neu ist und die Unsicherheit groß ist.
Beim zweiten Kind war es lange nicht mehr so doll, weil ich mehr vertrauen konnte.
Wenn ich mit anderen Müttern gesprochen habe, ging es ihnen auch so, und auch das mit den Träumen kenne ich auch zu gut. Die spiegelten meine Ängste wieder.
Ich glaube auch, dass es gut ist mit jemandem über die Ängste und Sorgen zu reden und zu merken dass man damit nicht alleine ist. Und auch zum verarbeiten.
Und wenn die Kinder größer werden, wird es glaube ich auch einfacher, weil man als Eltern dann mehr Sicherheit bekommt.
Liebe Grüße
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
Irene
Beiträge: 76
Registriert: 18:12:2020 8:22

Re: Angst!

Beitrag von Irene »

Hallo Zera,

ich kenne all diese Sorgen und Ängste zu gut. Bei meiner ersten Tochter war es ganz schlimm. Es war eine schwere Zeit aber ich habe sie überwunden. Bei meinem Sohn war alles anders. Ich war zuversichtlich und hatte viel Sicherheit durch meine Erfahrung mit meiner Tochter.
Bleib zuversichtlich, alles wird wieder gut. Es ist nur eine Momentaufnahme. Mir haben Medikamente und eine Therapie geholfen. Medikamente nehme ich seit vier Jahren.
Viele Grüße
agitierte Depression, Anpassungsstorung, PPD
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