Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Rosmarin
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Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

Vorab: Sorry, für den langen Text :(

Hallo zusammen,

ich wende mich an dieses Forum, da ich mich seit der Geburt meiner Tochter im Dezember 2022 mit Zwangsgedanken und einem recht ausgeprägten Grübelzwang herumquäle und es raubt mir, wie ihr euch bestimmt vorstellen könnt, unheimlich viel Kraft und Lebensqualität. Über einen Austausch hier würde ich mich sehr freuen.

Alles fing ca. in der 2./3. Woche, also direkt zu Beginn des Wochenbetts an. Meine Tochter benötige zu Beginn eine Hüftschiene (meinem Gefühl nach war das Ding immer falsch eingestellt und die Kleine hat schlimm gebrüllt bei jedem Anlegen, hab es auch als sehr belastend empfunden) und dann hat sie leider auch generell abends sehr viel geweint und geschrien. Eine sichere Schlafumgebung zu finden, war sehr schwer. Die ersten Wochen konnte sie nur in meinen Armen schlafen. Ich habe dann immer heftig Panik geschoben, weil ich ja immer mit eingeschlafen bin. Hatte Angst, das was hätte passieren können und dann kamen Fragen auf, ob sie vielleicht kurzzeitig Atemnot/Sauerstoffmangel erlitt, weil sie sich irgendwie blöd ins Stillkissen gedreht haben könnte etc. Ich habe also den ganzen Tag gegrübelt, ob was passiert sein könnte nachts und ob sie jetzt einen Schaden davon getragen haben könnte…total irrational, aber ich war einfach so fertig. Irgendwann machten mir auch Dinge im Alltag Angst, zum Beispiel, ob beim Laufen zur Tür, wenn der Postbote klingelte und ich die Kleine auf dem Arm hatte, ihr Kopf zu stark geschüttelt wurde.

Tja, und hier wären wir jetzt bei meiner Hauptangst, die mich seit Monaten nicht loslässt: „Schütteln/Schütteltrauma“.

Der letzte Tropfen Öl fürs Befeuern der Angst und der Zwangsgedanken in meinem Fall war ein Flyer vom Kinderarzt nach der U3 zum Thema „Schreien und Schütteln“. Dieses Bild auf dem Flyer hat sich so eingebrannt und hat mich seitdem fest im Griff bzw. der Zwangsgedanken zu diesem Bild drängt sich mir ständig auf. Es ist aber weniger so, dass dieser Gedanke plötzlich, wenn ich z.B. gerade das Essen mache, aufkommt, sondern immer dann, wenn ich meine Kleine in den Arm nehmen möchte oder sie irgendwie umpositionieren möchte oder so. Es ist eine Zeit so schlimm gewesen, dass ich sie fast nicht mehr auf den Arm nehmen konnte. Mein Hauptproblem dabei ist: Meine Gedanken vermischen sich quasi mit der Realität und ein paar Minuten später denke ich, ich könnte sie geschüttelt haben. Das liegt wahrscheinlich an dem Grübeln hinterher: „Könnte nicht doch was passiert sein?“

Der Höhepunkt war im Juli erreicht. Ich bin dann fix und fertig zu meiner Kinderärztin, da ich echt dachte, ich habe in den vielen Monaten irgendwann meiner Tochter wirklich was angetan. Völlig irrsinnig, aber dieses Gedankenkarussell, was sich dann auftut, spuckt ja die schrägsten Sachen aus. Ich dachte, dass ich sie vielleicht in einem Blackout-Moment geschüttelt haben könnte und kann mich nun einfach nicht daran erinnern…
Meine Kinderärztin war richtig verständnisvoll und brachte das Thema postnatale Depression ins Gespräch. Sie untersuchte die Kleine und versicherte mir, dass sie kerngesund sei.

Ich habe mich in der Zwischenzeit um psychologische Hilfe bemüht (leider privat und gerade in Elternzeit eine finanzielle Belastung), habe mich auch selbst eingelesen und sowohl die Psychologin als auch ich sind zu dem Schluss gekommen, dass es Zwangsgedanken sind. Ich habe nicht das Gefühl, depressiv zu sein. Es ist wirklich diese überbordende Angst, die starken Zweifel (ist wirklich alles gut?) und diese schlimmen Gedanken vom Schütteln, die mir das Leben schwer machen.

Im August habe ich mit der Gesprächstherapie begonnen und es tut mir sehr gut. Ich habe vor einigen Tagen damit begonnen, was Angstlösendes zu nehmen. Ist ein pflanzliches Präparat, wollte es erst einmal damit probieren.
Manchmal habe ich Tage, da kann ich gut mit den Gedanken umgehen und ich weiß, dass nichts passiert ist. Heute zum Beispiel ist aber so ein Tag, da waren wieder 2-3 Situationen, die mich aus der Bahn geworfen haben. Vorhin saß ich auf dem Bett und hatte meine Tochter gestillt. Irgendwann wollte sie vom Stillkissen runterkrabbeln und war mit dem Rücken zu mir, da kam der Gedanke sie von hinten zu packen und zu schütteln. Dann war ich wieder erschrocken und habe mir gesagt, dass das einfach ein sich aufdrängender Gedanke ist, aber ein paar Momente später, war ich plötzlich davon überzeugt, dass ich das, was ich gedacht habe, wirklich getan habe. Ich habe mich beruhigt, dass sie dann doch geschrien hätte, sie wäre dann doch volle Pulle mit ihrem Kopf gegen mein Gesicht bzw in meinen Schoß gefallen. Das hat sie aber nicht…nur kommen diese Zweifel: „Ist sie wirklich nicht?“
Ich weiß es ist nicht förderlich, aber für Ende September habe ich mir erneut einen Termin bei meiner Ärztin geben lassen zum Durchchecken. Sie meinte, ich könne immer kommen. Natürlich möchte ich das eigentlich nicht. Mein Mann findet das auch nicht gut :(

Es ist echt zum Verrücktwerden.

Gibt es hier auch Mamas mit aggressiven Zwangsgedanken gegen das eigene Baby? Wo steht ihr aktuell im Prozess gegen diese schlimmen Gedanken? Was hat euch geholfen?
Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen <3

Liebe Grüße
Rosmarin
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Marika
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Marika »

Hallo Rosmarin!

Herzlich Willkommen bei uns!

Was du durchmachst habe ich 2005 erlebt, als mein Sohn auf die Welt kam. ZG gegen mein Kind waren das Hauptsymptom, dadurch wurde ich zusätzlich noch depressiv. Es war die Hölle auf Erden.

Ich habe dann glücklicherweise sehr schnell einen Psychiater gefunden, eine Therapie angefangen und wurde auch medikamentös eingestellt. Damit bin ich gesund geworden. Es war allerdings ein langer und sehr harter Weg von 2,5 Jahren. Aber es hat sich gelohnt, mir geht es heute besser als je zuvor... ich war schon immer latent zwanghaft und ängstlich. Mit der Geburt kam das Faß zum überlaufen.

Rückblickend muss ich ehrlich sagen, dass das Antidepressiva das wichtigste war um gesund zu werden. Aber auch die Therapie... da lernte ich aktiv wie ich mit den ZG umgehen muss. Ohne AD wäre es nicht gegangen.

Fühl dich wohl und verstanden bei uns.❤️
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
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Rosmarin
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

Liebe Marika,

ganz lieben Dank für deine Antwort und das herzliche willkommen. Es hilft so sehr, sich verstanden zu fühlen!!
Wie toll, dass du dich so gut wie nie zuvor fühlst. Ich sehe das jetzt auch als Chance an, zu wachsen. Für mich, aber vor allem für meine Tochter möchte ich diese alten Muster endlich durchbrechen. So wie du, bin auch ich schon immer latent ängstlich und zwanghaft gewesen, also ab der Pubertät ging das bei mir los.

Darf ich fragen, wie das bei Dir damals war? Hattest du auch manchmal das Gefühl, dass du wirklich deinem Sohn was angetan hast? Bei mir ist es halt nicht nur, dass ich Angst habe, ich könnte meiner Tochter was antun, sondern auch, dass ich ihr was angetan habe. Dass sie quietschfidel spielt, krabbelt, sich neuerdings an Möbeln hochzieht und brabbelt ohne Ende, beruhigt mich nicht.
Es ist wirklich die Hölle auf Erden.

Über die Einnahme eines AD habe ich auch nachgedacht. Dieser Gedanke macht mir aber gerade Angst und verursacht irgendwie viel Stress, weil ich nicht weiß, wie ich das mit dem Stillen machen soll. Ich weiß, dass es stillverträgliche ADs gibt, aber wie ich mich kenne, würde ich mir wieder tausend Vorwürfe machen :(

Ich lebe in einer nds. Kleinstadt und einen Psychologen zu finden, ist quasi unmöglich, deswegen bin ich jetzt bei einer, die eine Privatpraxis führt. Hatte bei der 116117 angerufen und der Herr war irgendwann bei 40km außerhalb der Stadt, in der ich lebe. Weiß nicht, wie es mit Psychiatern aussieht, wahrscheinlich ähnlich mies …
alibo79
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von alibo79 »

Hallo Rosmarin,
Ich hatte zwar keine ZG wie viele andere hier, dafür eine schwere Depression und ein starkes Symptom war dabei wie bei dir ein starker grübelzwang. Das war auch nicht zu aus eigenem Willen zu stoppen und es ging wirklich non stop ohne Unterbrechung immer wieder die gleichen Gedanken schleifen wurden in meinem kopf abgespielt. Gepaart war dieser grübelzwang mit starker innere unruhe und Anspannung. Mein Gehirn hatte sich da so verselbständigt, dass ich da mit Willenskraft nichts machen konnte. Ich habe dafür Medikamente bekommen, die das lindern sollten. Durch die Medikamente, viel Geduld, Therapie, starker Ablenkung und viel viel Training und Übung wurde dieser grübelzwang nach und nach besser. In schlechten Phasen kam es dann wieder, aber mit der Zeit konnte ich es viel besser selbst regulieren bzw wusste was zu tun ist oder konnte einfach abwarten, weil das grübeln wieder von selbst wegging wenn ich es nicht beachtet habe.
Medikamente sind oft sehr hilfreich in solchen Fällen und können starke Linderung bringen. Irgendwann ist man einfach an einem Punkt wo die verschaltung im Gehirn so durcheinander ist, da müssen dann Medikamente erstmal für Ordnung sorgen.

Melde dich gerne hier im Forum für Fragen, sorgen, Unsicherheiten oder alles andere was dir auf dem Herzen liegt.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
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Marika
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Marika »

Hallo!

Ich hatte dieses Gefühl, ich hätte vielleicht wirklich etwas gemacht, nur sehr kurz, da ich ja sehr schnell mit Medikamenten eingestellt wurde. So konnte wenigstens diese Facette des Zwangs eingebremst werden. Aber dieses Symptom gehört zu den ZG dazu und macht das ganze nochmal schlimmer weil man komplett verunsichert ist. Da wird auch die Kontrolle durch den Kinderarzt nichts ändern, diese "Versicherung" hält dann immer nur noch kürzer und facht die ZG eher an.

Ich kann verstehen, dass du da du stillst mit dem AD haderst. Ich habe damals abstillen müssen, da ich Anfangs mehrere Medikamente brauchte, mit denen Stillen nicht mehr ging. Hier ein Link, wo man sich jederzeit bzgl Stillen und Medikamente informieren kann: www.embryotox.de
Da sitzen die besten Fachleute zu diesem Thema.

Ich bin und möchte so wie immer an dieser Stelle ganz ehrlich sein: wenn man schon vor der PPD mit ZG zu tun hatte, ist die Prognose diese ohne AD zu bewältigen, nicht gut... leider. Mein Psychiater hat mir das damals ganz genau erklärt. Was auch wichtig ist, dass du lernst das zwanghafte Denken und Grübeln wieder zu verlernen. Das habe ich in einer Verhaltenstherapie gelernt. Ich nehme dazu auch heute noch eine kleine Erhaltungsdosis AD, weil ganz ohne kommen die ZG bei mir wieder. Das eben auch, weil ich schon immer diese Eigenheit in mir habe. Aber ich nehme das dankbar an, weil ich seither eine Lebensqualität habe, die ich vor der PPD nicht kannte.

Bei Zwängen und ZG ist es sehr wichtig, wirklich gut therapeutisch begleitet zu werden. Schön, dass dir deine Gesprächstherapie hilft. Trotzdem würde ich dir raten, weiter nach einem Psychiater zu schauen, um das ganze fachlich gut einzuorden. Auch ich war damals in einer Privatpraxis, weil es ebenfalls düster mit Plätzen ausgesehen hat. Mit hat damals mein Hausarzt diesen Platz vermittelt.

Auf unserer Startseite gibt es die Fachleute Liste, vielleicht magst du da mal reinschauen ob jemand in deiner Nähe dabei wäre. Weiters können auch diese Fachleute hier helfen: www.zwaenge.de
Auch wenn ZG harmlos sind und nie ausgeführt werden, so können so doch einen enormen Leidensdruck verursachen und die Lebensqualität komplett einschränken. Lass das nicht zu, wir helfen dir gerne dabei. ❤️
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

alibo79 hat geschrieben: 06:09:2023 9:14 Hallo Rosmarin,
Ich hatte zwar keine ZG wie viele andere hier, dafür eine schwere Depression und ein starkes Symptom war dabei wie bei dir ein starker grübelzwang. Das war auch nicht zu aus eigenem Willen zu stoppen und es ging wirklich non stop ohne Unterbrechung immer wieder die gleichen Gedanken schleifen wurden in meinem kopf abgespielt. Gepaart war dieser grübelzwang mit starker innere unruhe und Anspannung. Mein Gehirn hatte sich da so verselbständigt, dass ich da mit Willenskraft nichts machen konnte. Ich habe dafür Medikamente bekommen, die das lindern sollten. Durch die Medikamente, viel Geduld, Therapie, starker Ablenkung und viel viel Training und Übung wurde dieser grübelzwang nach und nach besser. In schlechten Phasen kam es dann wieder, aber mit der Zeit konnte ich es viel besser selbst regulieren bzw wusste was zu tun ist oder konnte einfach abwarten, weil das grübeln wieder von selbst wegging wenn ich es nicht beachtet habe.
Medikamente sind oft sehr hilfreich in solchen Fällen und können starke Linderung bringen. Irgendwann ist man einfach an einem Punkt wo die verschaltung im Gehirn so durcheinander ist, da müssen dann Medikamente erstmal für Ordnung sorgen.

Melde dich gerne hier im Forum für Fragen, sorgen, Unsicherheiten oder alles andere was dir auf dem Herzen liegt.
Vielen Dank für deine Antwort und das Teilen deiner Erfahrungen. Das finde ich wirklich sehr wertvoll!
Innere Unruhe, Anspannung und in meinem Fall auch Panik tauchen bei mir auch auf, wenn ich in dieses Grübeln verfalle.
Am Anfang des Wochenbetts habe ich den ganzen Tag durchanalysiert, welche bedrohlichen Situationen es gab.
Mittlerweile grübel ich halt über Situationen, in denen diese Schüttelbilder auftauchen und versuche mich gedanklich zu beruhigen, dass ich das doch niemals tun würde. Ich denke auch, dass Ablenkung sehr wichtig ist.
In meiner Therapie haben wir heute darüber gesprochen, ob die Zwangsgedanken eventuell ein Thema überlagern oder ersetzen, welches mich vor der Schwangerschaft sehr beschäftigt hat - Jobwechsel und Wohnort. Meine Therapeutin stellte mir heute die Frage, was wäre, wenn mir eine gute Fee heute die ZG wegzaubern würde. Wie würde mein Tag aussehen? Ich finde diese Frage sehr spannend, denn ehrlicherweise glaube ich nicht, dass ich den ganzen Tag super happy und ohne Zweifel durch die Gegend laufen würde.
alibo79
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von alibo79 »

Rosmarin, mir fällt gerade etwas zum grübeln ein, was ich mit meinem Psychiater besprochen habe, bzw was er mir als Anleitung gegeben hat.
Wenn das grübeln kommt und ich es merke, dann darf ich dem erstmal ruhig nachgeben und völlig hemmungslos grübeln. Überspitzt gesagt.
Aber dann mir auch sagen, so jetzt hatte ich meine Zeit zum grübeln, jetzt ist genug, jetzt gehe ich wieder zum Alltag über und versuche mich so gut es geht darauf zu konzentrieren was gerade zu tun ist.
Denn das grübeln zu unterdrücken geht schlecht, da dass Gehirn das einfach selbstständig macht wegen der Fehlfunktion. Und durch dad unterdrücken kommt es oft noch mehr durch. War bei mir jedenfalls so. Es hat mich dann noch mehr gestresst wenn ich gemerkt habe ich komme in die gedankenschleifen und will das eigentlich nicht und versuche nicht zu grübeln.
Es erfordert aber trotzdem viel Übung und Training um auf die Dauer die Gedanken umzulenken und fließen zu lassen.
Mein Arzt und ich haben also beschlossen, ich darf mir am tag eine zeit aussuchen wo ich mich hinsetze und mir zeit nehmen diese gedanken richtig zu denken und auch die Gefühle zu fühlen, die damit hochkommen, und dann mir zu sagen, so Gehirn jetzt hattest du Zeit zum nachdenken, jetzt gehe ich wäsche machen oder so.
Ich hoffe du verstehst wie ich das meine :D
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

Hallo ihr Lieben,

ich habe mich leider länger nicht angemeldet im Forum. Das tut mir sehr leid. Ich hoffe, ihr seid bisher gut durch die Feiertage gekommen, konntet etwas entspannen und die Zeit mit der Familie genießen.

Ich habe mich die letzten Wochen / Monate sehr mit dem doofen Zwangsgedanken gequält. Ich bin nicht nur müde aufgrund des Schlafmangels, sondern auch vom vielen Grübeln und Denken. Ihr kennt es ja bestimmt ☹️

Aber es gibt auch gute News: ich habe einen Therapieplatz ab Januar bei einem Psychiater. Ich bin sehr froh, dass es geklappt hat.

Meine Kleine ist nun ein Jahr alt und das erste Babyjahr ist somit vorbei. Kaum zu glauben, wie schnell es dann doch ging.

Ich hatte mich auch schon sehr auf die Feiertage gefreut und darüber, dass die Großeltern vorbei kommen, mein Mann Urlaub hat und mich mit der Kleinen mehr unterstützen kann- und dann kam es leider doch ganz anders.

Ich wollte das mit euch teilen und würde mich sehr über Einschätzungen eurerseits freuen. Und zwar war es so, dass mein Mann am 23.12. plötzlich starke Erkältungssymptome entwickelt hat und an Heiligabend morgens war der Corona Test positiv. Also alles absagen, Großeltern anrufen, all die Vorbereitungen und Einkäufe waren quasi umsonst und dann war da noch der Gedanke, dass ich die nächsten Tage wieder ganz alleine auf mich gestellt bin. Mein Mann lag 2-3 Tage mehr oder weniger flach. Das hat viel Stress und auch ein wenig Wut in mir ausgelöst ☹️

Als ich dann meine Mutter anrief um abzusagen, hatte ich die Kleine auf dem Arm und sie saß auf meinem Schoß. Mein linker Arm um ihre Hüfte oder den Oberkörper gelegt. Sie stieß dann mit dem Kopf gegen die Kante des Handys und fing zu weinen an. Ich war genervt, sie zappelte rum und plötzlich hatte ich den Gedanken, ob ich meinen linken Arm heftig vor und zurück bewegt haben könnte aus Genervtheit. Also es hat sich so ein Bild vor meinen Augen entwickelt, dass ich die Kleine vor und zurück gestoßen haben könnte als sie auf meinem Schoß saß. Typisch Zwangsgedanken, ich weiß ☹️

So und kommt meine eigentliche Angst:
Dumm wie ich bin, habe ich sie einige Stunden später auf den Schoß genommen und geschaut, ob ich sie so überhaupt hin und her bzw vor- und zurückbewegen kann. Beim ersten Mal hat sie sich selber immer zurück geworfen, weil sie runter wollte. Also sie hat sich paar Mal auch nach vorn gebeugt und ich habe sie mit einer Hand zurück nach hinten „gedrückt“. Beim zweiten Mal habe ich ihr ein Spielzeug in die Hand gedrückt. Sie war abgelenkt- ich habe meinen linken Arm um sie gelegt, die Hand unter ihre Achsel und nach vorn und hinten bewegt. Sie hat noch nicht mal aufgeschaut und hat mit dem Spielzeug gespielt. Es war ein leichtes Schaukeln ein paar Male, kein Vor und Zurückpeitschen. Jetzt habe ich aber dolle Schuldgefühle…wobei ich da ja nicht aggressiv war oder so. Aber mich treibt die Frage um: Habe ich dem Zwang nun nachgegeben???

Und noch schlimmer: Jetzt kommen die fiesen Gedanken: Warst du wirklich so sanft oder hast du nicht doch doller diese Armbewegung ausgeführt…??

Das ist irgendwie doof gelaufen. Ich versuche mich zu beruhigen, dass die Kleine quietschfidel ist, von Tag zu Tag ihr Laufen perfektioniert usw. Aber ihr kennt das ja…beruhigen tut es einen nicht wirklich.

Ich hoffe, dass sich in den nächsten Tagen die Angst ein wenig verflüchtigt…
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Marika
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Marika »

Hallo meine Liebe!

Nein, du hast keinen Zwangsgedanken ausgeführt! Das was du beschreibst, ist eine Art neutralisiernde Zwangshandlung. Damit versucht man, die Angst und den ZG der in einer Situation entstanden ist, zu entkräften... also zu "neutralisieren". Man kennt das auch, wenn jemand z.b. ständig wieder zurück muss um zu schauen, ob der Herd ausgeschaltet ist. Oder es gibt die Zwängler die ständig ihren Fahrtweg abfahren, weil sie denken sie hätten jemanden überfahren.

Das blöde ist nur: diese Zwangshandlungen bringen nicht den gewünschten Erfolg, nein.... die Angst und die ZG können sogar stärker werden. Daher gilt es aus diesem Kreislauf auszusteigen. Wenn der Drang nach dieser Handlung wieder kommen sollte, versuch nicht gleich nach zu geben, sondern sag z.b.: nein, erst in 15 min. Dieser Zeitraum wird dann immer mehr erweitert. Versuch in diesem Zeitraum deine normalen Tätigkeit nachzugehen.

Solche neutralisierenden Zwangshandlungen kommen gerne Hand in Hand mit ZG. Sie sind harmlos, bewirken aber fataler Weise eher eine Verstärkung der ZG. Daher sollte man an ihnen arbeiten.

Sehr gut, dass du bald Therapie hast!
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Anne 861 »

Rosmarin, wie schauts aus bei dir ?
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

Huhu!
Bitte entschuldigt, dass ich mich jetzt erst melde ☹️ das tut mir so leid!! Ich bin kurz nach meinem Post leider richtig krank geworden. Habe mir einen ziemlich hartnäckigen viralen Infekt zugezogen und so richtig auf dem Damm bin ich leider immer noch nicht.
Ich hoffe sehr, dass ihr den Jahreswechsel alle etwas schöner und vor allem gesund verbracht habt.

Mit den Zwangsgedanken ist es leider immer noch ein Auf und Ab. Sie haben mich nach wie vor noch sehr im Griff. Es gibt aber schon die ein oder andere Situation, in der ich mittlerweile deutlich gelassener reagiere und es gelingt mir auch öfter mal, Situationen, die mich sehr beschäftigen, loszulassen. Dann kommen aber wieder so Situationen, die mich total umhauen.
Bei mir ist das Thema der ZG ja „Schütteln und Schütteltrauma zufügen“. Also, wenn ich meine Tochter auf den Arm nehmen möchte oder so, kommen diese Gedanken und es ist leider immer noch so, dass ich manches Mal denke, ich könnte den Gedanken gerade echt ausgeführt haben. Ich traue meiner Wahrnehmung leider immer noch nicht ganz.

Meine erste Sitzung mit dem Psychiater wird im Februar beginnen. Aber ganz ehrlich…ich habe so Angst, dass ich das nie ganz ablegen werde.
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

Marika hat geschrieben: 30:12:2023 9:01 Hallo meine Liebe!

Nein, du hast keinen Zwangsgedanken ausgeführt! Das was du beschreibst, ist eine Art neutralisiernde Zwangshandlung. Damit versucht man, die Angst und den ZG der in einer Situation entstanden ist, zu entkräften... also zu "neutralisieren". Man kennt das auch, wenn jemand z.b. ständig wieder zurück muss um zu schauen, ob der Herd ausgeschaltet ist. Oder es gibt die Zwängler die ständig ihren Fahrtweg abfahren, weil sie denken sie hätten jemanden überfahren.
Liebe Marika,
GANZ GANZ lieben Dank für deine tolle und schnelle Antwort. Das hatte mir zu dem Zeitpunkt und auch jetzt so gut getan. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass das eine Art der Neutralisierung der ZG sein kann. Mir hat das wirklich sehr große Angst gemacht, da ich dachte, dass es nun soweit ist und der Zwang mich quasi „besiegt“ hat ☹️
Deine Erklärung half bzw hilft mir sehr, das alles besser einordnen zu können. Vielen Dank auch für den tollen Tip mit den 15 Minuten. Ich wende das mittlerweile auch fürs Grübeln an. Also, das ich mir sage: „Erst in 15 Minuten denke ich über Situation XYZ nach.“ Ich versuche dann auch, die Abstände zu vergrößern.

Es tut mir so leid, dass ich mich jetzt erst melde und fühle mich auch echt schlecht deswegen. Wie ich im vorherigen Post geschrieben habe, bin ich leider ziemlich krank geworden. Nun geht es mir zum Glück wieder besser.

Zwangstechnisch ist es leider nach wie vor schwierig. Die ZG haben immer noch eine große Macht. Was mich auch noch umhaut sind so Situationen, in denen ich denke „Alles gut, nichts ist passiert.“ Nur um mir dann wenige Augenblicke später den Kopf darüber zu zerbrechen, ob wirklich alles gut ist. Das ist auch typisch für ZG, nur hadere ich dennoch immer sehr mit mir.
Zum Beispiel hat sich meine Tochter vorhin sehr schwer getan, zu schlafen, weil sie noch sehr aufgedreht war. Sie turnte im Bett rum usw.
Mein Zwang taucht immer auf, wenn ich meine Kleine auf den Arm nehme oder einfach anfasse. Und dann war dann die Situation, dass ich aufpassen musste, dass sie nicht vom Bett fällt und während ich sie hielt, kam dieser schlimme Schüttel-Gedanke. In dem Moment habe ich mir noch gesagt, dass alles gut ist. Kurze Augenblicke später habe ich mir dann vorgestellt, wie ich meine Tochter da auf dem Bett schüttele und Zack habe ich dann gegrübelt, ob nicht doch was passiert sein konnte.
Ich habe dann auch so eine neutralisierende Handlung durchgeführt und mir ein Kissen geschnappt, mich auf die Matratze gesetzt und das Kissen vor- und zurückbewegt, um zu schauen, ob ich nicht umfallen würde, so wie ich das saß.

Ja, das sind so Situationen, die mir so doll Angst machen und wo ich dann wieder zweifle ☹️
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Marika »

Hallo!

Schön von dir zu hören und sehr gut, dass du bald den Psychiater Termin hast.

Ich möchte dir ehrlich die momentanen Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse zu Zwängen sagen. Ohne Medikament sind Zwänge sehr, sehr schwer langfristig in den Griff zu bekommen. Mit einer Medikamentösen Einstellung aber kann man absolut gesund und beschwerdefrei leben. Das trifft vor allem auf Menschen zu, die schon vor der Schwangerschaft mit Zwängen und Ängsten zu tun hatten.

Du kannst ganz gesund werden und das alles hinter dir lassen. Mit Therapie und Medikament würde das auf jeden Fall gelingen.
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

Huhu!

Ja, ich werde das Thema „Medikamente“ auf jeden Fall mit dem Psychiater besprechen. Habe einen enormen Respekt vor Antidepressiva &Co, aber ich möchte einfach unbedingt diesen Mist hinter mir lassen 😔
Rosmarin
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Re: Grübelzwang und Zwangsgedanken nach der Geburt

Beitrag von Rosmarin »

Hallo ihr Lieben,

könnt ihr mich bitte einmal kurz beruhigen oder virtuell in den Arm nehmen 🥺 diese Woche ist wieder echt hart. Hatte wieder mehrere blöde Situationen, in denen ich diese doofen Schüttelgedanken hatte als ich meine Tochter in den Armen hatte. Nur jetzt kommt noch so eine blöde Komponente hinzu. Und zwar ist es schlimmer, seitdem sie Wut-/Schreianfälle hat und da bin ich dann manchmal ja wirklich etwas genervt. Ich habe noch nicht auf die Kette bekommen, dass es ja auch normal ist und dazu gehört, dass man manches Mal genervt ist.
Jetzt war ich vorhin kurz duschen, währenddessen hat meine Tochter viel gebrüllt bzw. während ich mich schnell anziehen wollte. Dann hatte ich sie auf den Arm genommen und getröstet. Ich wollte sie absetzen, um mich fertig anzuziehen und beim Versuch des Absetzens wieder Gebrüll usw. Als ich in die Hocke ging, um sie abzusetzen kam der Gedanke „Jetzt kann ich sie ja schütteln. Sieht mich ja keiner!“
Oh Mann!!! Es ist so so furchtbar!!! Jetzt gehe ich gedanklich immer wieder die Situation durch, um mich zu beruhigen, dass ich sie ganz doll festgehalten habe und eben nicht geschüttelt. Je nett ich darüber nachdenke, desto überzeugter werde ich, dass ich sie geschüttelt haben könnte. Das war so ein schrecklicher Moment, weil es sich so angefühlt hat, als wäre ich echt kurz davor gewesen, weil ich genervt war.
Nächsten Montag bin ich wieder beim Kinderarzt zur Impfung und ich bin drauf und dran, da anzurufen und zu fragen, ob ich vorher vorbeikommen kann ☹️
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