PPD und wo ist Gott??

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Reni

PPD und wo ist Gott??

Beitrag von Reni »

Hallo!

Ich hätte mal eine Anfrage: Ich bin Christ, dass heisst meine Beziehung zu Gott spielt in meinem Leben die zentrale Rolle. Mein Mann ist Pastor und ich bin auch in einem christlichen ELternhaus aufgewachsen. In der PPD Zeit kamen mir immer wieder folgende Fragen: Warum lässt Gott das zu, dass ich so leiden muss? Was soll ich aus dieser Situation lernen?
Vielleicht gibt es unter euch FOrumfrauen ja auch andere Christen. ich würde mich über Kontakt freuen. Aber auch alle Atheisten, Buddhisten, Muslime o. anderes können mir gerne ihre Antwort schreiben, auf die oben gestellte Frage.
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Melanie W.
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Theodizee-Frage

Beitrag von Melanie W. »

Liebe Reni,

eine persönliche Antwort auf deine Frage kann ich dir leider nicht geben. Aber deine Frage hat mich sehr angesprochen, deshalb melde ich mich trotzdem kurz auf deinen Beitrag. Ich komme wie du aus einem christlichen Elternhaus und habe zwar keinen Pastor als Mann, dafür einen Religionslehrer als Papa. Von daher kann ich zumindest ein paar religionswissenschaftliche und philosophische Ansätze auf diese Frage beisteuern. Die Frage, wie Gott Böses oder Leiden in der Welt zulassen kann, ist wahrscheinlich so alt wie die Religionen selbst; sie wird als "Theodizee-Frage" bezeichnet. Eine gute Zusammenfassung dazu mit ganz verschiedenen Erklärungsansätzen findest du hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Theodizee

Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich nur so eine "nüchterne" Antwort auf deine Frage parat habe (die ja nicht mal eine eigene Antwort ist, sondern nur der Hinweis auf Gedanken, die sich viele andere vor uns zu dieser Frage gemacht haben). Es ist eine schwierige Frage. Ich bin selbst sehr gespannt, was du noch für Antworten (vielleicht ja auch persönliche) bekommst.

Liebe Grüße
Melanie
Milla

Beitrag von Milla »

Hallo Reni! :D

Ich bin auch Christ und habe mir diese Frage oft gestellt.

Vor ein paar Jahren sah ich eine Reportage über ein 7jähriges afrikanisches Mädchen,das brutal von 20 Soldaten vergewaltigt worden war.Sie lag im Krankenhaus mit einer völlig kaputten Vagina und einer Septicemie.Der Arzt sagte,er wußte nicht,ob das Mädchen überhaupt leben würde.

Immer wieder sind mir dann die Bilder dieser Vergewaltigung durch den Kopf gegangen,jahrelang, ich sah ihre Angst,stellte mir ihre wahnsinnigen Schmerzen vor.

Und die quälende Frage:warum lässt jemand, der so viel Macht hat,dieses sinnlose Leid zu?Er könnte dies verhindern,tut es aber offensichtlich nicht.

Mit dem Leid von Erwachsenen kann ich leben.Sie können sich meist verteidigen,haben Ressourcen,um ein Trauma zu überwältigen.

Aber Kinder?Sie sind doch der Gewalt,den Schmerzen völlig ausgeliefert.

Und vor Allem welchen Sinn hat dieses Leid?

Für mich absolut keins.Denn diese Männer werden durch ihre ungeheuere Tat nichts gelernt haben,das Mädchen hat gelernt,Angst vor Männern zu haben und wenn sie noch lebt,wird sie kein Leben als Frau leben können (ich meine Sexualität erleben und Kinder bekommen).

Ich weiß nicht.Ich zweifle oft,daß jemand da oben über meine Kinder wacht,wenn ich ihn um Schutz für sie biete.Trotzdem bete ich jeden Tag, daß sie vom ihm geschützt werden.

Was mich zutrifft:ich habe durch meine PDD gelernt,den Wert meines Lebens zu schätzen.Seitdem ich depressionsfrei bin (oder fast, da ich noch gelegentlich kurze Tiefs habe) geniesse ich JEDE SEKUNDE meines Lebens und habe in der Tat das Gefühl,ein wertvolles Geschenk bekommen zu haben,auf das ich sorgsam achten muß.Ich schätze einfach mehr als früher das Leben mit meinem Mann und meinen Kindern,ihr guter gesundheitlicher Zustand,ihre große Lebensfreude,ihr Lachen...ich bin einfach glücklich, mit ihnen leben zu dürfen,ich finde mein Leben einfach viel schöner,reicher als vorher.

Und ich bin sehr dankbar dafür,daß Gott mir die Kraft gegeben hat,meinem Selbstmorddrang zu widerstehen und so das endliche Leid eines Mannes und 2 kleiner Kinder vermieden zu haben.In diesen Momenten,wo ich so stark gelitten habe,daß ich mir wünschte,Gott möge mich so schnell wie möglich sterben zu lassen und der Versuchung erlag,selber ein Ende an dieses Leben zu setzen,habe ich immer wieder diese kleine Stimme in mir gehört:"Aber sie brauchen dich,sie lieben dich,sie brauchen ihre Mama,er braucht seine Frau, du kannst ihnen dieses Leid nicht antun!" und ich konnte dann gegen mich kämpfen,diesem Drang wiederstehen.Ich sage mir heute oft:"Vielleicht hat mir Gott dabei geholfen,am Leben trotz des Leidens zu bleiben?“

Durch dieses Leid bin ich außerdem aufmerksamer auf das Leid Anderer geworden.Es ist vielleicht der Sinn des Leides überhaupt:um Mitleid zu spüren und die Nächstenliebe anwenden zu können,muß man im Grunde selber schon gelitten haben (Mit-Leid=mit-leiden).Es ist vielleicht der Grund,warum Gott das Leid zulässt:damit die Menschen ihren Nächsten bemitleiden,helfen,lieben?

So, das war meine ganz persönliche Antwort.Vielleicht wirst du eines Tages auch den Sinn dieser persönlichen Krise sehen.Ich denke,als Erwachsene kann man daraus wachsen,reifen und irgenwie menschlicher,einfühlsamer werden.So fühle ich mich auf jeden Fall,also irgendwie stärker,glücklicher,reifer.
Christina

Beitrag von Christina »

Hallo Remi,

ich bin auch Christ und sehr gläubig. Ich meinem Leben spielt Gott und meine Engel eine sehr große Rolle. Ich weiß das wir als wir auf die Erde geschickt wurde eine Aufgabe bekommen habe die es gilt zu erledigen. Auch mit unserer Krankheit soll was bezweckt werden. Was das muss jeder für sich selbst rausfinden. Für mich hat es dazu beigetragen zu mir selbst zu finden. Ohne die Krankheit hätte ich nie angefangen an mir zu arbeiten und das Trauma der Kindheit zu erarbeiten. Das Erlebte von mir und meiner Familie zu beleuchten und zu verarbeiten. Meine Aufgabe besteht darin mir und meiner Familie Erleichterung zu verschaffen und alte Lasten die nicht zu uns gehören weg zu nehmen. Das alles habe ich mit Hilfe meiner Therapie geschafft. Mit Hilfe von Gott der mir immer den richtigen Weg gewiesen hat und meines Schutzengels der mit immer mit starker Hand zur Seite stand damit ich das alles durchstehe. Gott und mein Schutzengel stehen mir bei und helfen mir wenn ich darum bitte. Das weiß ich ganz genau. Ich fühle es immer wieder. Meine Bitten und Gebete werden immer erhört.
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Reni!

Ich glaube an eine höhere Macht - aber nicht unbedingt so, wie die Kirche sie lehrt. Trotzdem bezeichne ich mich als gläubig.

Warum läßt Gott schlimme Dinge zu? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber ich glaube ganz sicher, dass man aus negativen Erfahrungen - wie auch die PPD eine ist - ganz neue und positive Ansätze ziehen kann. So habe ich es erfahren.

Durch meine PPD habe ich gelernt, aktiv mein Leben zu gestalten und nicht passiv abzuwarten. Ich bin selbstbewußter geworden und lebe intensiver als je zuvor. Ich nehme jetzt Körper und Seele als eine Einheit war, was vorher nicht der Fall war. Ich bin sensibler für das Leiden von anderen Menschen geworden. Ich würde sagen, ich bin ein anderer Mensch geworden und habe eine enorme Entwicklung durch gemacht. Und die war nötig, um mein Seelenheil wieder herzustellen.

Bin bin fest überzeugt, dass nichts ohne Grund geschieht. Alles - auch das Schlimme auf dieser Welt - hat einen Grund auch wenn man den auf Anhieb nicht sieht.

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Jenny

Beitrag von Jenny »

Ich glaube an Karma und Wiedergeburt und daran, dass wir auf dieser Welt in dieser Form bestimmte Dinge lernen müssen.
Ich glaube, dass man nicht gelöste Aufgaben aus früheren Leben hier noch einmal "serviert" bekommt, in immer härterer Form und das so lange, bis man weiß, was man zu tun hat.

Was solche Greueltaten angeht - ich denke nicht, dass diese Vergewaltigung die "Strafe" des Mädchens für irgendwelche früheren "Sünden" aus anderen Leben war (obwohl es möglich wäre). Ich glaube vielmehr, dass sich sehr gereifte Seelen zur Verfügung stellen, um anderen Menschen an einem entscheidenden Wendepunkt ihres Lebens eine letzte Chance zu geben. Also ein unsagbares Verbrechen zu begehen - und dafür später, in diesem oder einem anderen Leben, die Konsequenzen daraus tragen zu müssen - oder eben doch noch das Ruder rumzureißen und "das Menschliche" in sich zu entdecken und deshalb eben NICHT mit den anderen Soldaten Greueltaten zu begehen, eben NICHT als brutaler, alkoholkranker Schläger ein Kind totzuschlagen usw.
So in der Art hat sich auch Jesus zur Verfügung gestellt. Seine Peiniger hätten zu jeder Zeit des Prozesses die Möglichkeit gehabt, Jesus zu begnadigen - das ist der freie Wille des Menschen.
Julia73

Beitrag von Julia73 »

Hallo ihr Lieben,

ich glaube nicht an Gott ... Das war in der schlimmsten Zeit der PPD vielleicht auch ein Problem, das ich nichts hatte, an das ich glauben konnte ...

Letztendlich habe ich es aber geschafft, immer mehr an mich selbst zu glauben. Auch wenn ich nicht an Gott glaube, glaube ich schon, dass alles seinen Sinn hat – ich glaube an Schicksal, im positiven Sinne.

Seit der Krise bin ich viel sensibler geworden und kann mich besser in andere Menschen reinversetzen, denen es schlecht geht. Das konnte ich früher nicht so gut ... weil ich eher so der "Macher-Typ" bin und immer nicht wirklich verstehen konnte, wie man sich so "gehen lassen" kann. Schlimm, das ist jetzt aber zum Glück ganz anders, weil ich selbst erfahren habe, handlungsunfähig zu sein.

Außerdem habe ich gelernt mir besser zuzuhören und das Leben mehr zu genießen und zu schätzen.

Das ist ein kleiner Einblick, in meine Sicht der Dinge :)
Julia
beka25

Beitrag von beka25 »

Hi!

Ich bin auch sehr christlich erzogen, habe jedoch im Laufe der Zeit etwas an meinem Glauben verloren. Seitdem das mit meiner Mutter passiert ist, ist s allerdings total vorbei mit Gott und alledem. Trotzdem und wahrscheinlich gerade deswegen, denke ich oft darüber nach.
Falle es etwas geben sollte, das unser Leben lenkt, bin ich mir sicher, daß wir aus der Krise etwas lernen sollen. Vielleicht nur, wie es ist, ganz am Boden zu sein und sich da wieder raus zu ziehen. Man lernt doch irgendwie besser, mit Krisen umzugehen und geht auch mit einer neuen Stärke heraus. Also zumindest habe ich einiges gelernt aus meiner PPD.

Liebe Grüße!
Condea

Beitrag von Condea »

Hallo,
mir geht es genauso wie Julia.
Ich bin weder christlich erzogen worden, noch glaube ich an Gott.
Manchmal, wenn es mir schlecht geht, dann beneide ich die Menschen, die sich sicher sind, daß es einen Gott gibt, sie können an ihn glauben.
Ich finde das sehr schön, aber wie schon gesagt, ich kann mich damit einfach nicht identifizieren.
Natürlich glaube auch ich an etwas, als erstes glaube ich an mich, dadurch bin ich nie untergegangen, habe mich immer wieder aufgerafft und habe somit immer noch gerade so die "Kurve" gekriegt.
LG, Anja
ubure

Beitrag von ubure »

Ich habe mich das eigentlich noch nie gefragt, also schon, warum es mir so gehen muss, habe das aber nicht mit Gott in Verbindung gebracht. Wenn es meine Stimmung zulässt betrachte ich es genauso, wie es unten in meiner Signatur steht, natürlich mit einem Augenzwinkern und nicht auf die Menschen bezogen, denen es weit schlechter geht als mir. Es gibt für mich zuviele Fragen in Bezug auf Gott, die ich nicht beantworten kann, und deshalb lasse ich es einfach, sonst werde ich noch kirre (noch mehr??). Fest steht nur, dass ich an Gott glaube und ich hoffe, ich kann das noch weitervertiefen, dann habe ich vielleicht eines Tages nicht mehr soviel Angst vor dem Sterben (obwohl ich so sehr glauben will, dass mein Papa auf mich wartet).

LG,
Inez
Butterblume

Beitrag von Butterblume »

In was für ner Kirche ist dein Mann denn Pastor?
Wie gehts dir heute??
LG
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Marika
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Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Hallo Butterblume,

ich fürchte du wirst auf deine Frage keine Antwort bekommen, weil die Anfangsschreiberin (so wie alle die darauf geantwortet haben), nicht mehr aktiv bei uns sind. Das siehst du daran, dass sie unter ihrem Namen das Wort "Gast" haben. Das bedeutet, dass ihr Account inaktiv ist bzw. gelöscht wurde. Die Beiträge bleiben aber trotzdem bestehen. Der Beitrag ist auch schon sehr alt - von 2006!

Keiner der Schreiberinnen ist noch aktiv bei uns.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Wally

Beitrag von Wally »

Jemand echt schlauer hat mal gesagt: es ist der freie Wille! Es passiert so viel schlechtes, nicht weil Gott es will oder nicht will, es ist unser freier Wille, der uns die moeglichkeit zum schlechten handeln oeffnet.

Oft tut man schlechtes weil einem selbst schlechtes passiert ist. Man kann es sich aussuchen, laesst man seinen freien Willen von Gram und Verbitterung treiben oder von Vergebung und dem wissen, dass dein leben endlich ist und fuer dich dann nur deine Taten zaehlen.

In Zusammenhang mit jeder hat sein Kreuz zu tragen, macht mir das zumindest ertraeglicher das leid der Welt zu sehen.

Dennoch leide ich sehr, und die Geschichte von dem maedchen empfinde ich ganz, ganz schrecklich.

Ich Versuch die Welt fuer mich immer ein bisschen besser zu machen... Vielleicht hilft das ja...
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