an alle mit zg

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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manjamami

an alle mit zg

Beitrag von manjamami »

wie ich ja schon in meiner vorstellung geschrieben habe, habe ich wohl auch zg.

ich habe immer angst ich könnte meiner tochter was antun, und mir kommen da zig verschiedene methoden in den kopf. einfach schrecklich diese gedanken.

mich würde einfach mal interessieren wie es überhaupt zu solchen zg kommt und wie man davor angst haben kann?

wenn mir so ein gedanke kommt, bin ich sehr oft starr vor angst und kann nicht verstehen WIESO ich sowas überhaupt denke.

wieso kann man da nicht einfach sagen, "so ein quatsch, das machst du doch nicht." oder sowas in der art und gut ist, aber nein sie kommen immer wieder obwohl ich das ja gar nicht will.

und an diejenigen die keine mehr haben, wie habt ihr es geschafft keine mehr zu haben???

ich bin dadurch manchmal so am ende, dass ich mir echt nicht vorstellen kann, dass es nochmal besser wird.

lg manja
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo liebe Manja!

Hier schreibt dir eine ehemals ZG - geplagte Mami! Gerne möchte ich dir helfen zu verstehen, wie und warum dieser Gedankenmüll in unseren Köpfen ensteht! 8)

Ich kann dich total verstehen. Nicht anders habe ich die Zeit mit den ZG
damals erlebt. Es gab Phasen, da ging es gut und ich hatte fast keine ZG, dann kam es aber wieder doppelt so schlimm hoch und ich dachte wirklich, ich tue gleich was schlimmes. Das ist das Grausame und Schreckliche an den ZG - ich weiß sooo gut, wie du dich fühlst. Ich kenne diese Angst und diese Scham und das schreckliche Gefüh, wirklich "irre" zu sein. Diese tiefe Verzweiflung und diese lähmende Angst ist so Vernichtend, dass ich mir oft gewünscht habe, mein Herz solle einfach aufhören zu schlagen - dann wäre mein Kind von mir erlöst und ich von diesen Qualen.

ABER: Genau das - nämlich "irre" bist du NICHT!!! Das wird dir jeder Arzt bzw. Therapeut bestättigen, der sich mit Zwangserkrankungen auskennt.
So schrecklich sich das alles anfühlt - genauso HARMLOS ist es in Wirklichkeit. Diese Gedanken sind ganz normale Gedankengänge die jeder Mensch hin und wieder hat, das hat mir mein Psychiater immer und immer wieder gesagt. Nur wir bleiben an diesen Gedanken hängen, kontrollieren und bewerten sie, befinden sie für "abnormal und krank" und wollen sie nicht haben - wir versuchen also instiktiv sie zu unterdrücken. Aber genau das ist der Schuß nach hinten - durch das Unterdrücken kommen sie dann in noch geballterer Ladung wieder. Und der Zwang ist somit geboren.

Bei ZG spielt der "orbitofrontale Kortex" (= Gehirnareal hinter der Stirn) eine sehr große Rolle. Dieses Gehirnareal ist für das Ausfiltern und Bewerten von jedem unserer Gedankengänge zuständig. Wir denken ja in jeder Sekunde viel mehr Gedanken, als dass uns wirklich bewußt ist. Denn normaler Weise wird eben jeder aufkommende Gedankengang von diesem Gehirnareal kurz auf "Wichtig oder Unwichtig" geprüft und dann entweder ins Bewußtsein durchgelassen (bei "Wichtig") oder nicht durchgelassen und auf die "Gehirnmüllhalde" (sprich diese Gedanken werden vergessen) geworfen (bei "Unwichtig"). Dieser Vorgang funktioniert bei Gesunden auch einwandfrei, deshalb können wir uns im Normalfall gar nicht an komische oder gar abartige Gedanken erinnern. Bei uns "Zwänglern" allerdings arbeitet dieser "orbitofrontale Kortex" zu viel - er ist überaktiv und bewertet JEDEN GEDANKEN als "Wichtig" bzw. bewertet falsch - also unwichtige Gedanken werden fälschlicher Weise als "Wichtig" eingestuft und somit in unser Bewußtsein durchgelassen. Wir erschrecken dann natürlich vor diesem Gedanken und wollen ihn nicht haben - ist ja klar. Wir versuchen ihn zu unterdrücken, aber dieser orbitofrontale Kortex arbeitet immer weiter an diesem Gedanken, weil er ihn einfach nicht als unwichtig erkennen kann. Und deshalb kommen die Gedanken immer wieder durch und das ist dann der Zwangsgedanke.

Den überaktiven orbitofrontalen Kortex kann man aber wieder "heil" werden lassen. Das gelingt am besten mit einer Psycho-/Verhaltenstherapie in Kombi mit einem höher dosierten AD. Denn bei dieser Überfunktion spielen auch die Botenstoffe im Gehirn eine große Rolle, die wiederrum durch den Hormonsturz nach der Geburt aus dem Gleichgewicht geworfen wurden. So funktioniert dieser Kreislauf. ZG können natürlich auch durch ein Trauma hervorgerufen werden. Daher ist eine Therapie sehr ratsam um zu sehen, ob es ein Trauma gibt. Wenn nicht, ist dann die Verhaltenstherapie super, da du dort lernst, die ZG auszuhalten (statt zu verdrängen) und dich direkt mit ihnen zu konfrontieren. Die dabei entstehende Angst ist natürlich am Anfang schrecklich, aber sie wird immer weniger, weil dein Gehirn lernt, dass NIX passiert!!!! Es wird duch die Therapie also sozusagen ein bissl umprogrammiert in deinem Gehirnkastel!!! Und das funktioniert wirklich!!!! Das AD soll eigentlich nur eine Krücke darstellen, um besser und etwas gelassener arbeiten zu können und natürlich um die depressiven Symptome zu lindern. Es gibt auch Frauen hier, die ihre ZG alleine durch eine Therapie zähmen konnten.

Es geht nämlich nicht darum, keine solchen Gedanken mehr zu haben, sondern diese zu zähmen und sie wieder im HINTERGRUND ablaufen zu lassen, so dass wir sie gar nicht mehr merken. Diese Gedanken sind nämlich normal und naturgegeben. JEDER HAT SIE - auch mein Psychiater, die Wurstverkäuferin, der Polizist, der Pfarrer ..... nur die merken sie gar nicht - verstehst du?

Durch unsere Logik können wir zwar sagen - nein, das ist doch Mist - aber Zwang ist dann doch stärker bzw. der Kontrollmechanismus im Gehirn ist weiterhin überaktiv und diese Gedanken kommen immer wieder. Wie gesagt kann man diesen Kreislauf aber aktiv und sehr gut im Zuge einer Therapie unterbrechen.

Ich habe es nun bereits seite einem Jahr geschafft - ich bin habe keine ZG mehr bzw. diese GANZ NORMALEN GEDANKENGÄNGE laufen wieder im Unterbewußten ab und dringen nicht mehr an die Oberfläche. Ich habe auch sehr viel Selbstvertrauen aufbauen können und so immer öfter die ZG aushalten und ihnen ins Auge sehen können. Das nennt man dann Konfrontation und das ist ein sehr wichtiger Teil meiner Therapie gewesen. Ich mußte auch viele Hausaufgaben zwischen meinen Therapie Sitzungen machen.

Das ist WICHTIGSTE ist: Diese Gedanken zu lassen, auch wenn sie schreckliche Angst machen, versuchen sie auszuhalten. Spühr die aufkommende Angst, dann der schlimme Höhepunkt wo man glaubt verrückt zu werden, aber dann spühre und merke dir auch genau, wie der Gedanken wieder geht, wie die Angst abflaut und NICHTS passiert ist. Denn es wird auch nie, nie etwas passieren - ZG-Geplagte Menschen sind sehr sensibel (wahrscheinlich zu sensibel) und könnten keiner Fliege etwas zu leide tun, sie sind aber auch perfektionistisch und genau das ist die Mischung, die ZG begünstigen.

Machst du eine Therapie bzw. nimmst du ein AD?

Unbedingt lesen:
"Der Kobold im Kopf - die Zähmung der Zwangsgedanken" von Lee Bear

Dieses Buch nenne ich "Die Bibel" für alle ZG-Geplagte. Es steht genau drinn, wie und warum ZG entstehen und auch, was man aktiv tun kann, um sie wieder zu zähmen.

So, jetzt habe ich dich ganz schön zugeschaffelt - ich hoffe, du siehst nun etwas klarer! 8) Wenn du noch Fragen hast - nur zu, ich helfe dir gerne!

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
HHDeern

Beitrag von HHDeern »

Hallo Ihr Beiden,

erstmal viiiieeelen lieben Dank an Dich Marika!
Deine Antwort an Manja war für mich mehr als aufschlußreich und ich habe dadurch mal wieder festgestellt, daß ich unbedingt meinen Therapeuten wechseln muß! :? :-)

Ich nehme nun auch schon seit Januar ADs und es geht mir im Allgemeinen recht gut. Doch diese ZGs kommen in regelmäßigen Abständen wieder (evtl. Zyklusbedingt) und in den Momenten möchte ich einfach nur weg von meinem Kind. Um es vor mir zu schützen! Mein Therapeut sagt immer nur, das wird vergehen und sie haben es schon fast geschafft, aber wirklich erklären oder mal zuhören tut er nicht!

Ich werde mir auf jeden Fall dieses Buch kaufen und kann Dir Marika nicht genug für diese Zeilen danken!! Denn ich muß erst verstehen gegen was ich ankämpfe, um es zu besiegen! :wink: :lol:

LG HHDeern
manjamami

Beitrag von manjamami »

vielen dank liebe marika für deine worte.

es hilft mir zu verstehen warum und wieso und ich hoffe, dass ich auch dagegen angehen kann.

das buch werde ich mir besorgen, vielen dank für den tip.

und ja, ich nehme nun seit 2 wochen ein ad, das cipralex aber in tropfenform, bin seit heute bei 3 tropfen.

hier haben wohl alle die tabletten soweit ich das schon gelesen habe, ich hatte auch erst die tabletten von cipralex und habe mit einer halben begonnen, aber die hat mich total aus den puschen gehauen, da war ich nur noch ein reines nervenbündel.

eine therapie mache ich nun auch.
nochmal eine frage, habt ihr denn eurem therapeuten direkt gesagt, dass ihr angst habt eurem kind was anzutun? ich hatte ja erst eine stunde und hab nur erzählt, dass ich immer angst habe ich könnte sie nicht gut behandeln und möchte nicht mit ihr alleine sein.

lg manja
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Manja,

ja, ich habe meinem Psychiater direkt gesagt, dass ich Angst habe meinem Kind etwas anzutun. Es hat mich sehr erleichtert, als ich das endlich ausgesprochen hatte. Allerdings bin ich froh, dass mich mein Arzt nie dazu gedrängt hat, konkret zu erzählen, WIE UND WAS genau sich mir da an Gedanken aufdrängen. Es hat sehr lange gedauert, bis ich z.B. meinem Mann sagen konnte, was genau ich da denke - man schämt sich ja schrecklich und hat massivste Schuldgefühle. Mir kamen diese Gedanken so schrecklich vor, dass ich sie nicht mal über die Lippen brachte und auch nicht aufschreiben konnte, was ja auch eine Form der Konfrontation ist.

Aber mein Arzt versichterte mir, dass es gar nicht um den INHALT der ZG geht - es ist also ganz egal, WAS für ein Horrorszenario man im Kopf hat. Denn nicht der Inhalt ist zu therapieren, sondern das sich "immer wieder aufdrängen, flasch bewerte bzw. überbewerten" dieser Gedanken und die damit verbundene Angst und Panik. Der Inhalt spielt keine Rolle.

Wie gesagt, ich empfand es als große Erleichterung, meinem Arzt mich soweit anzuvertrauen und vor allem auch, als er mir versicherte, dass ich diese Gedanken nie in die Tat umsetzen werde. Wir ZG-Geplagte haben ja oft Angst, weil wir auch in den Medien von so schrecklichen Taten hören und denken uns dann - ja, warum sollen dann gerade wir das nicht tun, es gibt sie doch, diese Monster. ABER: Diese Monster haben ganz andere psychische Erkrankungen und massive Deffizite in ihrer Persönlichkeit, was mit dem Krankheitsbild der ZG bzw. Zwangserkrankungen rein gar nichts zu tun hat. Es klingt paradox, aber es ist eindeutig bewiesen: Menschen mit ZG sind äußerst friedliebend und führen diese Gedanken NIE aus - im Gegenteil, sie sind vorsichtiger als andere Menschen. Individien, die solche Greueltaten begehen, haben wiederrum KEINE ZG, sondern wie gesagt andere starke psychische Störungen.

Oh je, jetzt habe ich dich schon wieder zugequatscht. :oops: Aber wenn es um ZG geht, dann geht die Tastatur mit mir duch, weil ich weiß wie stark der Leidensdruck dabei ist. Ich hoffe, ich konnte dir helfen - ich kann dir nur ans Herz legen: Vertrau dich deinem Arzt an!

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
HHDeern

Beitrag von HHDeern »

Hallo Manja!

Ich habe meinem Therapeuten gesagt, daß ich Angst habe meinem Kind etwas anzutun und mich sofort bereit erklärt, in eine Klinik zu gehen. Er hat sich zwar alles notiert, aber mir nur gesagt, daß ich schon fast am Ende meiner PPD bin. So ein Quatsch!!
Damals wußte ich es nicht besser, aber jetzt suche ich mir einen anderen Therapeuten und hoffe, daß der mich ernst nimmt.

Es ist unglaublich wichtig seine wahren Gefühle zu äußern, denn nur dann kann man Dir wirklich helfen!! Auch wenn ich nicht unbedingt prof. Hilfe bekommen habe weiß ich aber doch, daß alleine das Bekennen meiner Gedanken ggü. einer anderen Person mir schon eine Hilfe war!!

Nur Mut, Du schaffst es ganz bestimmt!!

LG HHDeern
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