Es geht nicht ohne!

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Marika
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Marika »

Hallo Jen!

Ich finde viel von mir selber in der Beschreibung von dir wieder, ich war sehr ähnlich und ähnliches ist mir auch passiert. Mit der PPD ist das aufgebrochen, ich habe gesehen was ich alles mit mir habe machen lassen. Da kam ganz viel Wut aus mir raus und das war extrem heilsam.

Du machst eine sehr wichtige Phase durch. Wut und Zorn sind ganz wichtige Eigenschaften die uns eigentlich schützen und durch die wir unsere Grenzen sichtbar machen können.

Mach weiter so, du bist auf einem sehr guten Weg.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Jen
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Guten Morgen,
danke Marika.

Ja zur Zeit ist viel los. Ich kann einfach kein richtigen Frieden mit der Geburt und der Zeit danach schließen.
Aber ich weiß und fühle, dass ich so nicht mehr mit mir umgehen lassen will.
Daran möchte ich arbeiten. Ich bestimme meinen Wert und nicht mein Mann, mein Kind, mein Vater oder irgendwer auf dieser Welt!

Heute denke ich, was wenn’s nie aufhört?
Was wenn ich mir nur was vormache?

Alles Liebe Jen
12/20 1. Geburt PTBS / Ängste
Aktuell bei 10 mg Escitalopram
Jen
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Dieses Forum ist für mich gerade so eine Art Tagebuch.

Heute bin ich um 4 Uhr wach geworden und konnte nicht mehr einschlafen, aber weil ich so dringend pipi musste und dann gingen mir 100. Gedanken durch den Kopf.
Immerhin keine Panik.

Und jetzt? Jetzt bin ich traurig und weine. Wo bin ich hin? Wer bin ich denn? Ich häng ständig in altem Kram rum. Es nervt mich alles so heute.
Kann ich überhaupt eine Mutter sein? Halte ich diesem ganzen Druck stand?
Was da alles auf einen noch wartet.

Oh man, ich hab mir das so nicht vorgestellt.

Hilfe! :-(

Auf der anderen Seite, sehe ich das Mutter sein als einen absoluten Freiheitsschlag für mich.
12/20 1. Geburt PTBS / Ängste
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Anne 861
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Anne 861 »

Hallo jen ,war auch um 4 wach und konnte nicht mehr schlafen ..ich verzweifel dann immer weil ich weiß der schlaf fehlt mir übern Tag und ich halte es kaum aus. Gestern abend beim Yoga, dachte ich wieder darüber nach wer bin ich ,was bringt die Zukunft, wo gehöre ich hin ..dann gab es eine Position wo ich dachte ich Weine gleich aber ich kann doch vor der Truppe nicht weinen ..so ein durcheinander in meinem kopf ..die Meditation danach war gut ,mein Puls war runter auf 53 ..dann komme ich nach hause und die Bude sieht aus wie sau ,die kleine nicht im bett usw. Da war das meditieren wieder für die Katz..ich wütend. Heute morgen hat es mir dann gereicht und ich habe meinem Partner ne Nachricht geschickt ,dass ich nicht mehr kann ,der Akku leer ist ,ich mir vor komme wie der letzte Dreck und nur druck habe .

Weißt du jen ,meine frisösin sagte mal zu mir ..weißt du -ich hasse das mutter sein aber ich liebe meine kinder und tue alles für sie..sie sagte ich bin nur ehrlich,dann sagte sie warum darf man sowas nicht sagen wenn es doch so ist ..das eine hat mit dem anderen nichts zutun...

Ich fande diese Aussage sehr interessant.
Jen
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Hier ein Update und eine Momentaufnahme.

Heute ist es da wieder, der Schmerz und das Mitgefühl für mich.
Jahrelang hab ich gesucht und gesucht, nach Liebe, nach Anerkennung, nach Schutz, Sicherheit und jemandem der meine Wunden heilt.

Das Mobbing und die damit verbunden Gefühle, nicht richtig zu sein, nicht gut genug, waren so tief.

Ich hab gekämpft, wollte die Starke sein, die unkaputtbare.
Herje, was war ich einsam.

Ich will mich drücken und umarmen und halten und mir all die Liebe schenken die ich verdient hab, weil ich so liebevoll bin. Liebenswert. Besonders.

Ich möchte nicht mehr stark sein, weil ich es nicht bin. Ich möchte weich sein und damit stark, weil ich bin wie ich bin. Einzigartig und liebenswert!

❤️❤️❤️
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Jen
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Ich möchte das nicht mehr für mich.

Dieses Leiden, dass hab ich einfach nicht verdient.
Dass alleine gelassen werden, dass nicht wichtig genommen werden, dass beschimpft werden, dass Fußabtreter leben.

Ich hab so viel gelitten und ich bin so sauer. So stinke sauer und traurig und sauer!!!
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cwe
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von cwe »

Hey liebe Jen,

lass dich mal virtuell fest drücken! Ich weiß nicht ob dir das jetzt hilft aber ich hab mal den Satz aufgeschnappt: wie andere dich behandeln sagt nichts über dich aus sondern nur über die anderen!

Alles Liebe
Jen
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Danke cwe. Das tut gut.
Ich drück mal zurück!

Heute fühle ich wieder dieses Gefühl, allein gelassen worden zu sein.
Ich hab mich so oft alleine gefühlt, dadurch war ich oft total überfordert mit Situationen.
Sei es Schule oder zwischenmenschliches.
Meine Eltern haben das nicht absichtlich gemacht, aber ich hätte mehr Unterstützung gebraucht, mehr Zuspruch, mehr da sein.
Aktuell bin ich noch am forschen, woher das kommt, was da war.
Meine Eltern war so oft mit sich beschäftigt, aufgrund der Selbstständigkeit meines Vaters und Streit in der Familie (Großeltern, Onkel/tante)
Haben alle auf einem Grundstück gelebt und jeder hat sich gehasst.
Also ja. Da ist einiges, was mich mehr geprägt hat, als ich dachte.
Bei meiner Reiki Session kam mir da auch plötzlich ein Bild ins Gedächtnis - ich hab mich gesehen, wie ich im Regen stand. Alleine, hilflos, traurig und wartend.

Ich bin froh, dass ich mir hier alles so von der Seele schreiben kann. Das hilft.
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Fipsie81
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Fipsie81 »

Liebe Jen,
Bei deiner Thematik fällt mir sofort das „Nachbeeltern“ als psychologische „Maßnahme“ ein. Also bestimmte Dinge die die Eltern nicht machen konnten, therapeutisch nachzuholen. Da gibt es viel Literatur und auch Therapie (schau dich aber vielleicht eher mal im kunsttherapeutischen oder körpertherapeutischen Bereich um) ich bin mir sicher dass du da mit einer Therapie ganz ganz viel erreichen kannst!
Viele Grüße
Isabelle
Erste depressive Episode 2010
Nach Geburt meiner Tochter 2014 PPD mit Angststörung und starken ZG
Das Ganze wieder nach Geburt meines Sohnes 2018. Nehme in all der Zeit Citalopram, mal mehr mal weniger, versuchte immer auszuschleichen, einmal habe ich es sogar geschafft, und dann doch wieder nehmen müssen.
Letzte Reduktion vor einem Jahr auf 10mg was aktuell ziemlich in die Hose geht. Seit ein paar Wochen wieder auf 20mg und hoffentlich auf dem Weg in eine Stabilität
alibo79
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von alibo79 »

Ja genau, dass hat mein Therapeut einmal mit mir gemacht, dass war so eine krasse Erfahrung, die hat sich ganz tief in mir festgesetzt.
Er hat mich am Ende einer Sitzung, wo ich wieder total aufgelöst war, gefragt ob er mich einmal in den Arm nehmen soll. Nichts übergriffiges oder so. Ich habe das zugelassen und habe Rotz und Wasser in seinen Armen geheult und er hat mich einfach nur gehalten, so wie ein Elternteil es bei einem kind machen würde und was mir soooo gefehlt hat.
Hui, wenn ich darüber schreibe löst das schon wieder Emotionen aus, und das ist über 2 Jahre her.
Sich beeltern lassen kann sehr gut tun und sich heilend anfühlen.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
Jen
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Danke für eure lieben Worte. Schön, dass es euch gibt!

Ja das machen wir in der Therapie auch, in Verbindung mit EMDR. Seitdem öffnen sich immer wieder neue Türen.

Vielleicht kennt ihr das, dass man etwas liest und denkt ‚ah ja.‘ beim 2. und 3. mal lesen noch mehr darin liest. So geht es mir zur Zeit oft. Dinge bei denen ich ich dachte, dass weiß ich, hab ich jetzt teilweise erst so richtig verstanden.

Ich weiß nicht ob ihr mir folgen könnt, aber ja.

Alle Liebe Jennifer
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Liebe Marika,

heute möchte ich mich direkt an dich wenden.

Gestern war ich so aggressiv, ich hab keine Ahnung warum. Ich konnte mich kaum beruhigen.
Ich war so sauer.
Ich hab alle und jeden angefaucht und wollte mich einfach nur verkriechen.

Resultat, Panikattacken in der Nacht 😩

Heute morgen ist da viel Traurigkeit. So viel Schmerz.

Ich hab das echt nicht verdient. Wir als Familie nicht. Ich bin so unfassbar traurig, dass ich so viel leid ertragen muss.
Ich so leiden musste, jahrelang. Ich bin aufgeopfert habe. Darüber weine ich. Diese tiefe Traurigkeit. 😢

Ich hab so viel Mitgefühl mit mir.
Darüber konnte ich so noch nie weinen.

Kennst du diesen Ablauf?

Danke fürs zuhören.

Wenn Lio nicht gekommen wäre, dann hätte ich für immer so weitergemacht.
Gearbeitet bei meinen Eltern im Betrieb und mich aufgeopfert, weitergemacht, immer weiter, über meine Grenze, über alles.
Hätte weiter auf mir rumtrampeln lassen.
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Marika
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Marika »

Hallo Jen!

Ich kenne diese Zäsur des bisherigen Lebens, mit der PPD kam dieser Prozess auch bei mir ins Laufen. Man erkennt plötzlich was alles mit dazu beigetragen hat, dass wir überhaupt krank geworden sind. Diese Phase machen ganz viele durch... und das ist sehr, sehr gut so. Es tut zwar extrem weh, aber es gehört zur Heilung. Wer diesen Prozess nicht durläuft, entwickelt sich nur schwer weiter.

Lass das ruhig zu, auch wenn es noch ein bisschen dauert. Mit der Zeit kannst du das langsam loslassen... auch das ist wichtig. Nach dem Erkennen, der Wut über das was wir alles ertragen haben, muss das Loslassen kommen, damit du nicht "das Opfer" bleibst. Das heißt auch, dass man manche Menschen aus seinem Leben gehen lassen muss, oder sich abwendet, um sich zu schützen. Das kam bei mir auch vor. Nicht unbedingt schön oder einfach, aber nötig.

Liebe Jen, es ist sehr beeindruckend deinen Prozess so hautnah miterleben zu dürfen. Ich glaube ganz viele erkennen sich in deinen Zeilen wieder und fühlen mit dir. Dieser Prozess war für mich essentiell um wie die sprichwörtliche "Phönix aus der Asche" zu steigen. Ich bin mit meinem ganzen Herzen bei dir ... ich weiß wie du dich fühlst und ich bin ganz sicher, dass ich damit nicht die Einzige bin.
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Guten Morgen -

Es melden sich einige alte Themen.
Die ich so nie auf dem Schirm hatte, also dass diese Themen mich so geprägt haben.

Das tut weh und ja macht meinem System auch furchtbare Angst.
Aber ich und die kleine Jenni, die da so leidet, hat es so verdient glücklich zu werden.

Gestern war meine beste Freundin da und ich hab einfach nur in ihre Arme geweint.
Und mich halten lassen.
Das anzunehmen, ist für mich das bisher aller beste Geschenk aus der Zeit.
Sich endlich mal fallen lassen, aber so richtig.

Für mich ist es auch ein wahnsinniger Schritt zu erkennen, dass es nicht meine Schuld war. Ich hab mich jahrelang abgewertet und runtergemacht.
Ich konnte mir auch schon vergeben.

Es ist ein Prozess.
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Re: Es geht nicht ohne!

Beitrag von Jen »

Guten Morgen,

ja heute morgen meldet sich da wieder die kleine Jenni und ihr allein sein.
Es ist aber eine andere Form, wie die Male davor.

Mir wird so viel bewusst, wieso ich so gehandelt habe, auch nach der Geburt, während der Geburt.
So viele Dynamiken werden mir klar.

Ich möchte mich nie mehr so alleine fühlen, so alleingelassen. Ich hoffe sehr, dass ich dieses Thema mit meiner Therapie weiterhin gut aufarbeiten kann. Den Anteil in mir immer mehr und mehr annehmen man kann, ihm liebe geben kann. Ihm zeigen kann, dass wir nicht mehr alleine sind.

Manchmal würde ich einfach gerne ‚zurückreisen‘ und mich Fest in den Arm nehmen. Mir sagen ‚ich bin da Maus‘

Danke fürs zuhören.

Alles Liebe Jenni
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