Neu hier und verzweifelt

Erfahrungen mit Medikamenten, Fragen, Infos, Tipps, ...

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Fipsie81
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Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Fipsie81 »

Hallo! Ich habe schon seit ein paar Tagen mitgelesen und bin begeistert was für ein tolles Forum das ist.
Kurz zu mir: ich bin 42 Jahre alt und kämpfe seit 12 Jahren mit Depressionen und Angststörungen, seit der he Art meiner Kinder hat sich beides sehr gesteigert.
Ich nehme eigentlich schon immer Citalopram, auch wieder nach der Geburt meines Sohnes vor fast 5 Jahren. Vor einem Jahr habe ich von 20 auf 10mg runterdosiert und es lief super. Vor circa drei Monaten merkte ich dann dass es psychisch bergab geht und ich wurde nervös aber nicht panisch. Erstmal beobachten, dachte ich mir und habe vieles angewendet was ich seit Jahren in Therapien gelernt habe. Doch dann kam eine furchtbare Nacht, so nenne ich sie seit dem ersten Mal, dann liege ich mit der schlimmsten Angst im Bett, mein Körper scheint zu brennen, und ich finde überhaupt keinen klaren Gedanken mehr. Nach so einer Nacht habe ich früher immer meine Medikamente hochdosiert, dieses Mal nicht ich wollte mir beweisen dass ich es schaffe. Ging auch ein paar Wochen gut und dann richtig in die Hose, sodass es mir auch tagsüber schlechter ging, nur noch am weinen, ZG, pure Erschöpfung etc. da merkte ich ich muss wieder hochdosieren. Da ich zur Zeit keinen Psychiater habe (habe kommenden Montag einen Termin bei einem neuen), habe ich in Absprache mit meiner Psychotherapeutin die ich erreichen konnte auf 20mg hichdosiert.
Leider bin ich sehr empfindlich was Medikamente angeht und muss immer super langsam ein und ausschleichen. Ehrlich gesagt habe ich es tatsächlich bei Citalopram nur ein Mal geschafft es komplett auszuschleichen.

Also 10 auf 20 war definitiv zu schnell und nach einer Woche, bin ich für 4-5 Tage zurück auf 15. dann sind wir in den Urlaub geflogen wovor ich schon panische Angst hatte. Mit einer akuten Angststörung in den Urlaub, dort niemand den ich kenne, keine deutschen Ärzte. Naja es musste eben sein und der erste Tag dort war so schlimm dass ich dachte ich kaufe mir ein Ticket zurück.
Habe dann am
Nächsten Tag wieder auf 20erhöht, und bin am nächsten Tag wie ein neuer Mensch aufgewacht. Es war wie einer Wunderheilung, mit ging es bis auf kleine Angstgefühle wunderbar. Ich kann das immer noch nicht verstehen.
Dann hatte ich einen tollen Urlaub bis 3-4 Tage vor Abreise es wieder holpriger wurde und ich merkte, oh das ist nicht gut. Zuhause dann wieder das volle Programm, Angstzustände, Panik, Gedankenkreisen.

Wenn ich von der Zeit ausgehe in der ich die Erhöhung jetzt durchgehend nehme, sind es 25 Tage 20mg am Stück. Langsam merke dass sich mein Denken wieder ändert, ich denke nicht mehr so schnell panisch und denke generell auch mal wieder an andere Sachen außer als an Medikamente und Angst.
Grundsätzlich habe ich große Angst, dass das Citalopram nicht mehr wirkt. Ich habe mal gehört dass es aufhören kann zu wirken wenn man es sehr lange nimmt (obowhl ich ja nicht 20mg 12 Jahre lang genommen habe), oder dass es auch keine Wirkung hat wenn man hochdosieren will.
Ich habe so Angst dass ich das Medikament wechseln muss und dann muss man ja auch noch Glück haben.
Ich meine mich zu erinnern, dass es immer länger gedauert hat bis es so richtig gut bei mir anschlug, aber gleichzeitig bilde ich mir ein ich habe die Erhöhung genommen und es ging mir sofort besser. Das kann ja aber gar nicht sein denke ich.

Was meint ihr aus eurer Erfahrung…? Bin ich auf einem guten Weg?
Die Nächte sind Katastrophe, habe jetzt ein paar mal Mirtazapin genommen aber nachdem ich gelesen habe wie schlecht das abzusetzen ist, will ich das nicht mehr nehmen. Ich komm da ja nie wieder von weg wenn ich es nicht mal schaffe Citalopram abzusetzen.

Meine Hausärztin hat mir opipramol berschreiben, das habe ich vor Ewigkeiten auch schon mal genommen, kann mich aber nicht mehr daran erinnern.

Ich halte mich gerade daran fest, dass ich wirklich gute Stunden habe, vor allem nachmittags, ohne viel Angst und Unruhe, aber wenn das dann wieder am
Nächsten Tag zurück kommt, verliere ich alle Hoffnung.

Bitte lasst mich wissen was ihr von meiner Situation. Haltet! Danke und viele Grüße
Erste depressive Episode 2010
Nach Geburt meiner Tochter 2014 PPD mit Angststörung und starken ZG
Das Ganze wieder nach Geburt meines Sohnes 2018. Nehme in all der Zeit Citalopram, mal mehr mal weniger, versuchte immer auszuschleichen, einmal habe ich es sogar geschafft, und dann doch wieder nehmen müssen.
Letzte Reduktion vor einem Jahr auf 10mg was aktuell ziemlich in die Hose geht. Seit ein paar Wochen wieder auf 20mg und hoffentlich auf dem Weg in eine Stabilität
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Marika
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Marika »

Herzlich Willkommen hier bei uns, Liebes!

Schön, dich kennenzulernen und auch zu hören, dass du dich hier wohlfühlst. Du wirst hier immer offene Ohren und Herzen finden. ❤️

Zuerst mal finde ich, dass du alles, alles richtig gemacht hast mit der Erhöhung. Und ich bin der Meinung, dass sie bereits greift. Natürlich verstehe ich deine Ängste... was wenn es nicht mehr wirkt usw... aber es sieht überhaupt nicht danach aus, ganz im Gegenteil. Und außerdem kann Citalopram bis 40 mg erhöht werden, da ist noch viel Spielraum. Sehr gut, dass du bald einen Psychiater Termin hast, dann kann man alles nochmal fachlich genau einordnen.

Deine Geschichte ähnelt übrigens sehr meiner. Ich nehme seit 18 Jahren Escitalopram (bin aber 7 Jahre älter als du). Schon vor der PPD vor eben diesen 18 Jahren, hatte ich immer schon eine latente Zwangserkrankung, die aber nie diagnostiziert wurde. Nach der Geburt dann brach alles zusammen... 3 Medikamente in Höchstdosis, Psychotherapie usw... ich wurde gesund und versuchte auch 1x ganz abzusetzen. Ging bei mir aber auch nicht, mein Gehirn wurde zu stark beeinträchtigt durch die PPD, sodass mein Gehirnstoffwechsel nicht mehr ganz ohne Medikament richtig läuft. Als ich so alt war wie du, habe ich letztmalig nochmal versucht zu reduzieren... ging auch nicht. Somit bin ich heute bei kleinen 10 mg Escitalopram und bin damit gesund und glücklich. Ich werde das auch so belassen und keine Experimente mehr machen. Übrigens ist Escitalopram deinem AD fast ident... und es wirkt bei mir nach 18 Jahren immer noch.

Bitte behalte eines ganz fest im Gedächtnis: ein AD nicht absetzen zu können, hat nichts mit "ich schaffe es einfach nicht" zu tun. Sondern damit, dass die Grunderkrankung einfach zu stark ist. Es hat nichts mir Schwäche zu tun.

Du kannst sehr stolz auf dich sein, du hast alles richtig gemacht. Und ich bin mir sicher, dass Citalopram in den kommenden Wochen noch sehr viel bringen wird.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Fipsie81
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Fipsie81 »

Liebe Marika
Vielen Dank für deine liebe Antwort! Das tut mir sehr gut!
Ja deine Geschichte scheint ähnlich zu sein wie meine, das fühlt sich verrückt für mich an, weil ganz offiziell bin ich in meinem Freundeskreis die einzige mit psychischen Problemen und da kommt ganz viel Scham und Wut bei mir hoch. Es fühlt sich so gut an doch nicht alleine zu sein, gerade auch was die Medikamente betrifft. Ich habe immer nur versucht abzusetzen, weil ich dachte, ein gesunder Mensch muss das nicht und ich bin stark genug. Deine Aussage hat dass meine Grunderkrankung einfach zu stark ist hat mich sehr ins gute Nachdenken gebracht. Ja das stimmt und deckt sich eigentlich mit meinen Gedanken, dass ich mich als immer zu sensibel für diese Welt beschreibe.
Aber wie schaffst du es bei dem Gedanken zu bleiben und in guten Zeiten nicht auf einmal alles loswerden zu wollen?
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Fipsie81 »

Achso meinst du nicht es müsste schon viel besser sein mit der Erhöhung? Ich nehme das Citalopram 25 Tage 20mg, aber davor auch schon 5 Tage 15mg und davor der Versuch mit 20mg eine Woche lang. Also bin ich ja eigentlich schon bei 5 Wochen Erhöhung… obwohl da hoch und runter wahrscheinlich auch nicht sehr Zuträglichkeit für Stabilität war :?
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Marika
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Marika »

Jede Erhöhung braucht Zeit, meist mehrere Wochen... bei unseren ADs kann das sogar 12 Wochen dauern. Im Mittel geht es aber schneller. Insgesamt 5 Wochen und etwa 3 Wochen mit 20 mg finde ich völlig normal, dass du noch nicht ganz stabil bist. Aber eine Verbesserung ist da, das zeigt es geht in die richtige Richtung. Das Herumdosieren ist nie gut, da kommt jedesmal alles durcheinander und es dauert dann eher länger.

Die Fakten sind recht simpel: psychische Erkrankungen kann man heilen, auch ohne AD kann man gesund bleiben. Aber bei weitem nicht in jedem Fall. Ich habe für mich gemerkt und akzeptiert, dass ich zu diesen Menschen gehören, deren schwere Grunderkrankung einen nicht wieder ganz zu reparierenden "Schaden" angerichtet hat, der eine dauerhafte Medikation erfordert um gesund zu sein. Nicht mehr, nicht weniger. Niemand würde auf die Idee kommen, einem Menschen der z.b. nach einem Unfall für immer eine Gehhilfe braucht, weil das gehen sonst schmerzt, diese weg zu nehmen und zu sagen "du musst dich nur zusammen reißen ". So sehe ich mein Escitalopram, eine Hilfe dass ich trotz meiner Erkrankung ein wunderschönes Leben leben kann. Das ist meine Motivation, mein schönes Leben.

Schau und hör nicht soviel auf deine Umgebung, erfahrungsmässig wird über das Thema psychische Erkrankungen sehr viel verheimlicht und gelogen. Ich gehe seit Jahren völlig offen und selbstbewusst damit um... und mit der Zeit kamen sie dann mit ihren Geschichten halt doch raus.

Du bist du und du bist wunderbar, mit einer wunderschönen Seele. Vielleicht bist du auch Hochsensibilität, Empathisch? Würde mich nicht wundern... 😍😍😍
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Fipsie81 »

Ja du hast recht ich bin hochsensibel und habe superfeine Antennen für alles und jeden… macht sie Sache leider nicht besser :(
Manchmal wünsche ich mir ich könnte es abstellen
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Marika
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Marika »

Nein, nicht abstellen... weißt du eigentlich was für ein Potenzial diese Eigenschaften haben? Es geht nur darum, neben diesen Eigenschaften genug Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufzubauen um diese wunderbaren und enorm wichtigen Eigenschaften zu LEBEN! Es sind genau solche Menschen die diese Welt zu einem besseren Ort machen!

Dazu sind Menschen mit diesen Eigenschaften meist auch intelligenter als andere... sie haben viel mehr Vernetzungen im Gehirn. Wenn man das im MRT anschaut, dann leuchten die Gehirnareale solcher Menschen wie ein Christbaum vor lauter Aktivität. Das sagt übrigens mein Psychiater, nicht etwa ich in meiner Selbstverliebtheit...😊😊😊

Gerade diese so wichtigen Eigenschaften wurden aber (und werden oft immer noch) von der Gesellschaft als "Schwäche" angesehenen. Und das macht mich noch immer wütend. Man kann lernen diese Eigenschaften zu nutzen, im Beruf, Privat... einfach überall. Wir haben diese innere Stimme die uns oft schon viel früher vor etwas warnt, wo andere blindlings reinkrachen.

Es ist ein Prozess mit diesen Eigenschaften selbstbewusst umzugehen, sie offen zu leben und Respekt dafür einzufordern. Mir das wirklich zu einem ganz großen Stück gelungen. Das kannst du auch, davon bin ich überzeugt. ❤️
Liebe Grüße von
Marika

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alibo79
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von alibo79 »

Hallo fibsie ,
Ich melde mich hier auch kurz bei dir.
Ich habe seit 2014 depressionen, bzw da ist es das erste Mal diagnostiziert worden zusammen mit einer angsstörung. Das war 6 Monate nach der Geburt meiner 2. Tochter.
Im Nachhinein betrachtet war ich vorher auch schon psychisch immer mal auffällig mit angsstörung, essstörungen, selbst schädigem verhalten, depressionen so wie ich es jetzt kenne, eher nicht nur ganz kurz mal vielleicht.
Seit Anfang 2015 nehme ich mirtazapin in unterschiedlichen Dosen und war auch schon ohne Medikamente bzw lange Zeit mit einer mini dosis, die nicht antideppresiv wirkt.
Ich hatte nie das Gefühl, dass es sehr schwer war das Medikament abzusetzen, ich musste nur für mich den richtigen Weg finden. Wie ich es mache.
Ich werde sehr wahrscheinlich auch mein ganzes Leben Medikamente nehmen müssen. Denn ohne ist die Gefahr wieder schwer krank zu werden sehr groß. Was vielleicht in meinem Wesen liegt und weil wir familiär sehr belastet sind durch erbliche Faktoren.
Für mich ist das okay und ich würde mich nicht als schwach , zu wenig eignen Willen oder Durchhaltevermögen bezeichnen, eher im Gegenteil. Ich habe eigentlich extrem viel Energie und kann mich sehr gut durchbeisen und antreiben. Aber wahrscheinlich hat mein Gehirn einen Defekt weshalb es nicht richtig funktioniert.

Marika hast du da eigentlich wissenschaftliche Studien oder Erfahrungen, was genau der Hintergrund dafür ist, dass manche Menschen dauerhaft von depressionen betroffen sind und das Gehirn nicht wieder richtig arbeiten kann? Was da die neuronalen Erklärungen dafür sind oder zb entzündliche Prozesse oder andere Gründe?

Fibsie, du bist auf einem guten Weg und du kennst dich schon mit depressionen aus, das ist auch ein Vorteil, da du weißt wie du damit umgehen musst.
Liebe Grüße
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
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Marika
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Marika »

Hallo Alibo!

Die Fachleute sind sich nicht einig, dass konnte ich als einzigen gemeinsamen Nenner bisher herauslesen, wenn es darum geht, warum manche Menschen dauerhaft Medikamente brauchen. Man weiß, dass es so ist und dass je mehr Faktoren zusammen kommen, es sich umso schwerwiegender auf das Gehirn auswirkt.

Mein Psychiater hat mir das damals an Hand eines Sicherungskasten erklärt. Je mehr Belastung auf die Sicherungen einwirkt, umso eher springen sie raus. So lange bis sie sich nicht wieder reindrücken lassen... dann brauchts eine Neue. Nur leider geht das im Gehirn nicht, wir können keine Teile austauschen. Wir können das System aber stützen, damit die Sicherungen drinnen bleiben. Ähnlich ist es wohl auch mit Bluthochdruck, meine ich. Viele haben alle Faktoren wie Übergewicht, Rauchen, Ernährung usw. eingestellt bzw. umgestellt und der Blutdruck verbessert sich, aber er bleibt dennoch zu hoch. Mit einem Medikament bringt man ihn dann in ein normales Level. Setzt man das Medikament ab, geht er fast immer wieder rauf... meine Mama ist so ein Fall.

Dann habe ich gelesen, dass tatsächlich auch entzündliche Prozesse mitspielen, oder auch Kopfverletzungen evtl. im Kindesalter. Bei den entzündlichen Prozessen stehen wiederum unsere Nahrung bzw. Zusatzstoffe mit im Fokus. Der Darm scheint ja auch ganz wichtig zu sein, bzw. die Besiedlung von guten Dsrmbaktierien.

Speziell in meinem Fall sagte er, dass die Wahrscheinlichkeit für eine dauerhafte Stabilität ohne Medikament sehr gering ist, er war da sehr ehrlich. Weil ich eben schon immer latent zwanghaft war. Der Hormonchrash nach der Geburt hat seiner Meinung nach meinem Gehirnstoffwechsel den Rest gegeben. Warum ich immer schon zwanghaft war, ist eng mit meiner Kindheit verstrickt. Dann die erbliche Kompente, auch hier starke Vorbelstungen. Und er meinte auch, dass manche bereits einfach mit einem sensiblen Nervengrundsystem von Geburt aus ausgestattet sind, andere mit einem robusteren. Ähnlich wie wenn jemand mit sehr heller Haut auf die Welt kommt und schon im Schatten einen Sonnenbrand bekommt. Andere mit dunklerer Haut scheinen Sonnenschutz nicht zu brauchen, was natürlich ein Trugschluss ist. Ich fand diesen Vergleiche sehr passend.

Ich glaube dennoch an die Wissenschaft und das es eines Tages etwas gibt, das psychische Erkrankungen heilt, ohne dass manche dauerhaft Medikamente nehmen müssen. Aber noch ist es leider nicht soweit, aber man ist dem auf der Spur. So soll in England wohl in Kürze ein Medikament speziell für PPD usw. zugelassen werden, dass eine 1x Gabe erfordert und das wars dann. Nur leider konnte ich bisher nicht eruieren, was das genau ist. Die Info kam von unserem Verein, anhand einer Pressemitteilung der Fa. die dieses Mittel herstellt.

Eigentlich hatte ich auf deine Erfahrung gehofft, Alibo... 🙈🙈🙈 gerade das Erneuern von Nervenbahnen und Verknüpfungen durch das AD, ist eine eher neuere Entdeckung, stimmt das so? Du erklärst das immer so toll!
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Fipsie81 »

Vielen Dank für eure tollen Antworten! Wahnsinn was ihr alles wisst. Auch wenn es natürlich furchtbar und ätzend ist was in unseren Gehirnen passiert, tut es mir immer gut sowas zu verstehen und die Zusammenhänge zu kennen. Ich wünschte die Wissenschaft wäre schon ein paar Schritte weiter und schlauer…
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von alibo79 »

Ja Marika durch mein Studium und Job habe ich schon einen Einblick in die ganze Materie, und ich glaube diese klassische Serotonin These ist schon um einiges erweitert worden was mit dieser Gehirn Plastizität zu tun hat. Ich habe mir einige Studien angesehen aber es geht eigentlich immer darum was in der akuten depression stattfindet, aber nicht was langfristig im Gehirn passiert.
Wenn ich mal ganz viel Zeit habe dann versuche ich nochmal tiefer zu recherchieren und zusammen fassen.
Ich habe aber gerade eine Studie gelesen wo es um Wachstum Faktoren für Nerven Zellen geht. Zb BNGF ( meine ich) und Rezeptoren an den Nerven Zellen. Je nachdem an welchen Rezeptoren diese botenstoffe binden, führt es zum Tod der Nerven Zellen oder Wachstum und Vermehrung.
Bei diversen psychische Erkrankungen scheint das Wechselspiel nicht zu stimmen und führt dann zu verschiedenen Nerven Erkrankungen.
Musst mal googeln unter neuronaler growth factor.
Vieles davon spielt sich im limbischen System, ein ganz alter Teil vom Gehirn , wo zb der hippocampus zugehört und die amygdala. Es sind teile ,die Schlaf, Angst, Empfindungen, Antrieb, Hunger usw regulieren. Diese Bereiche schrumpfen bei psychischen Erkrankungen oder funktionieren falsch oder zu stark, daher kommen dann eben die besagten Symptome , die wir hier alle kennen.
Ich finde es ein wahnsinnig spannendes Thema.
Auch was du schreibst mit dem darm, dessen Nerven eng mit dem Gehirn zusammen arbeiten. Wo es auch immer wieder Studien dazu gibt wie der darm die mentale Gesundheit beeinflusst.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von alibo79 »

Deswegen ist eine gesunde Ernährung so wichtig, und möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel und Zucker. Das führt zu entzündliche Prozesse im Körper auf die dann wieder auf das Nerven System reagiert. Und natürlich Stress mit hohem Cortisol Spiegel, hat einen ähnlichen Effekt.
Ach da gibt es so viel zu berichten und zu sagen, wenn jemand interessiert ist, dem kann ich dann den link zu verschiedenen Studien geben :D :D
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Marika
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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Marika »

Ich wäre sehr interessiert an Links...
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Neu hier und verzweifelt

Beitrag von Marika »

Die Schilddrüse fällt mir noch ein... aber da kenne ich mich viel zu wenig aus. Es scheint ja alles irgendwie ineinander verflochten zu sein, ich glaube das macht es so schwierig. Aber das Thema ist auch für mich hochinteressant...
Liebe Grüße von
Marika

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