Zum Thema Angst

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Celeste

Zum Thema Angst

Beitrag von Celeste »

Hallo und guten Morgen ihr lieben Menschen,

ich hatte ja angekündigt, euch zu erzählen, was mein Therapeut zum Thema Angst gesagt hat. Ich wollte es nicht unter den anderen Beitrag klatschen, sondern bewusst gesondert teilen, weil es vielleicht für den Einen oder Anderen hilfreich sein könnte. Oder jemand von euch kennt den möglichen Ursprung der Angst und kann nochmal genauer darauf eingehen.

Und zwar stellte sich der Therapeut vor mich. Erstmal mit Abstand und fragte mich, wie ich mich fühle. Ich sagte, dass ich nichts fühle und einfach wahrnehme, dass jemand vor mir steht. Dann ging er einen Schritt auf mich zu und fragte, wie ich mich denn jetzt fühle. ,,Immer noch nichts“, antwortete ich. Nun stellte er sich sehr nah mir gegenüber. Ein paar Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. ,,Jetzt wirkt es bedrohlich“, sagte ich ihm. Der Therapeut ging wieder zurück und setzte sich. ,,Das ist der Punkt Fr. G., wie oft hat jemand schon diese Grenze überschritten? Von Ihnen UNGEWOLLT überschritten?“ fragte er mich. Erstmal konnte ich keine Antwort geben. Er erklärte mir, dass dieses ,Grenzen überschreiten‘ natürlich nicht immer auf körperlicher Ebene passiert, sondern in allen Ebenen bezogen auf das Leben.
Menschen, die eine Angststörung entwickeln, haben oft die eigenen Grenzen nicht erkannt, oder ignoriert. Haben sie selbst überschritten oder andere Menschen überschreiten lassen und somit ihr Schutzschild abgelegt. Wenn dies immer und immer wieder passiert, entwickelt das Unterbewusstsein Angst und sucht sich sogenannte ,Schlupflöcher‘ um in bestimmten Situationen oder Lebensphasen auszubrechen. Die Lebensphase oder Situation ist natürlich bei jedem unterschiedlich.

Meistens sind eben genau die Leute betroffen, die Schwierigkeiten haben ,nein‘ zu sagen und versuchen es allen recht zu machen. Für mich klang das sehr logisch und hatte den Zusammenhang vorher nicht erkannt.
In der Tat trifft das bei mir nämlich zu 100% zu - oft wurden meine Grenzen überschritten, von mir selbst und von anderen.

Er verglich es dann mit einem Marsch durch ein Schlachtfeld: Überquert man dieses Schlachtfeld nackt und mit verbundenen Augen, überlebt man wahrscheinlich nicht. Überquert man es mit Panzer, Schutzschild und Helm, passiert einem wahrscheinlich nichts. Es gilt für uns so einen Panzer, Schutzschild und Helm zu ,erarbeiten‘.

Auch erklärte er mir, wie sich die Persönlichkeit in der Kindheit manifestiert. Wusstet ihr, dass man als Kind nur 5% dadurch lernt, was Eltern einem sagen? Mehr als 80% lernt man durch das nachahmen der Eltern. Und wenn die eigene Persönlichkeit eigentlich eine andere ist, aber eben den Eltern unbewusst nachahmt, gerät man in Konflikte mit sich selbst.

Es war wirklich sehr interessant und konnte vieles an mir selbst erkennen.

Vielleicht will jemand von euch etwas ergänzen 🙂

Liebste Grüße an euch
Celeste
Kikke

Re: Zum Thema Angst

Beitrag von Kikke »

Da erkenne ich mich auch wieder. Ich baue gerade mein Schutzschild auf: in Bezug auf mein Kind, meine Familie, meine Freund. Ganz akut gerade aber in Bezug auf meine Arbeit. Hier musste ich einige unangenehme Gespräche führen, weil ich mich versetzen lasse. es ist anstrengend, sich diese schutzschild aufzubauen. Aber ich sage euch etwas: es tut unglaublich gut, wenn man es geschafft hat.

das was du von deinem Therapeuten erzählst, klingt richtig gut. Ich würde auf jeden Fall versuchen, bei ihm zu bleiben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er dir helfen kann.
Julie

Re: Zum Thema Angst

Beitrag von Julie »

Wow, das ist eine wirklich gute, nachvollziehbare Erklärung für den Ursprung der Angst bzw. der Entstehung einer Krise. Vielen Dank fürs Teilen!

Kann auch bestätigen, dass bei mir Grenzüberschreitungen - durch mich und durch andere - in den letzten Jahren wohl zu dieser Krise/PPD geführt haben. Meine Psychiaterin hat mir das auch so erklärt. Allerdings nicht so gut und bildhaft wie dein Therapeut :-).
Mel
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Re: Zum Thema Angst

Beitrag von Mel »

Liebe Celeste,
Danke, dass du uns so ausführlich darüber berichtest- ich passe da wohl genau ins Schema ;-)
Der Therapeut klingt wirklich gut!
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Svenja

Re: Zum Thema Angst

Beitrag von Svenja »

Hallo zusammen,
wie baut man denn so ein Schutzschild auf? Mein Therapeut sagt immer, man wird die Angst nur los, wenn man sich ihr stellt. Ich habe das Gefühl, dass das nur noch schlimmer wird.

Viele Grüße
Svenja
Irene
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Registriert: 18:12:2020 8:22

Re: Zum Thema Angst

Beitrag von Irene »

Hallo Svenja,

ich kann dir dazu nur ein Buch empfehlen. Das Leben annehmen von Wegenroth. Das hat mir sehr geholfen. Aber es ist sehr schwer sich der Angst zu stellen... Ich kenne das.
Alles gute,
reni
agitierte Depression, Anpassungsstorung, PPD
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Marika
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Re: Zum Thema Angst

Beitrag von Marika »

Hallo Svenja,

sich den Ängsten zu stellen ist am Anfang natürlich nicht nur schwer, sondern fast nicht machbar. Du stehst noch ganz am Anfang, hast erst mit einem AD angefangen - habe dir eh auch in einem anderen Thread geantwortet. Wenn dich das AD stabiler gemacht hat, kannst du auch langsam mit deinem Therapeuten an die Ängste heran gehen. Das ist ein Prozess, in dem dich dein Therapeut leiten wird.

Das Schutzschild konnte ich durch 3 Faktoren erreichen: zum ersten Mal das AD - das war meine erste Stütze. Danach hat mich mein Therapeut dahin gehend gleitet, dass ich mein SELBSTVERTAUNEN UND MEINE SELBSTLIEBE zu stärken begann. Denn beides war bei mir am Boden, hatte ich nie wirklich entwickelt.

Selbstvertrauen aufbauen konnte ich so, indem ich Dinge tat, die ich vorher immer vermieden habe. Z.B. alleine in die Stadt zu gehen, alleine in einem Cafe was bestellen, über einen offenen Platz zu gehen und das unangenehme Gefühl "angestarrt zu werden" (was aber nur in meinem Kopf existiert hat) aus zu halten... Dann natürlich auch aktiv "NEIN" sagen... ich war eine chronische Ja-Sagerin auch wenn ich etwas gar nicht wollte oder mich verbiegen musste nur um "geliebt" zu werden. So wurde ich erzogen. Dann kommt man schnell zur SELBSTLIEBE - gerade wenn man das NEIN SAGEN aktiv übt. Dann auch Auszeiten nehmen - etwas nur für DICH tun und diese Auszeiten auch aktiv immer wieder einfordern vom Partner z.B.

Das waren für mich die Schlüssel dass ich Ängste und die Zwangsgedanken unter denen ich so gelitten habe, ablegen konnte!
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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