Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

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Nakoe003

Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von Nakoe003 »

Hallo,
mein Name ist Nadine, ich bin 26 Jahre alt und habe einen 5 Jährigen Sohn, der mittlerweile bei seinem Vater lebt.
Er war definitiv ein Wunschkind aber ich habe ihn zu einer Zeit bekommen, wo ich richtig down war und depressionen hatte. Ich dachte fälschlicherweise, er würde mir einen Sinn und eine Aufgabe im Leben geben, die ich gerne und mit Liebe mache. So habe ich mir das immer vorgestellt. Das es etwas tolles ist, weil ja alle immer so davon schwärmen. Die Schwangerschaft lief komplikationslos. In der Zeit konnte ich aber auch keine Verbindung zu meinem Sohn aufbauen. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass da wirklich was in mir drin ist. Die geburt ging für mich viel zu schnell, nach ner halben Stunde im Krankenhaus war er da. Ich konnte das alles überhaupt nicht realisieren. Als er dann irgendwann auf mir lag ( Zuerst wurde er untersucht und kam nicht direkt zu mir, das fand ich im Nachhinein echt blöd!) hatte ich einfach ein mega befremdliches Gefühl. Da war keinerlei Liebe oder Glück, nur verwirrung, dass da jetzt tatsächlich ein Baby auf mir liegt. "Das ist jetzt mein Kind? Das ist ja komisch" hab ich mir gedacht. Im Krankenhaus habe ich mich sehr unwohl gefühlt. Vor allem die Tatsache, dass da noch eine andere Frau mit ihrem Kind bei mir im Zimmer liegt. Ich habe mich die ganze Zeit beobachtet gefühlt, und ich wusste ja garnicht, wie man mit einem Neugeborenen umgeht. Mein Partner war mir auch keine große Hilfe und hat diesen Tag definitiv NICHT zu etwas besonderem gemacht. Ich werde diesen Satz von ihm am Tag der Geburt nie vergessen: "Mir ist langweilig, kann ich nach Hause gehen?" Bei mir ist da fast ne Welt zusammengebrochen. Ich war so hilflos und er wollte mich auch noch einfach alleine lassen.. Zu Hause hatte ich nicht wirklich viel Unterstützung, er war lieber bei Kollegen und wir stritten regelmäßig darum, wer die Windel saubermacht.. Dazu kamen andauernde Lügereien und Streitigkeiten, so dass ich beschloss auszuziehen. Mit einem kleinen Baby allein in einer fremden Stadt, das war wohl auch keine gute Idee. Er ging zwar da direkt zur Kita, jedoch empfande ich die Zeit mit ihm als eine Qual. Ich wusste nichts mit ihm anzufangen und die tatsache, dass ich keine Gefühle für ihn hab hat mich total runtergezogen! Ich hatte gehofft, wenn ich mit ihm alleine bin, würden wir schon eine Bindung aufbauen. So war es aber nicht. Ich war nur noch traurig und genervt von ihm. Wir haben regelmäßig zu Hause geweint. Ich habe mein Leben gehasst. Dann habe ich zum Glück jemanden kennengelernt, der mir meinen Sohn oft abnahm. So konnte ich zum Beispiel am Wochenende arbeiten gehen und etwas aus der Situation rauskommen. Wir wurden ein Paar, aber nur weil er mir einen riesen Gefallen damit getan hat. Ich habe dafür sogar eine Beziehung vorgespielt. Aber das war immernoch besser, als zu Hause mit meinem Sohn zu verzweifeln und vielleicht auf irgendwelche Dummen Gedanken zu kommen. Wir haben 3 Jahre zusammengelebt. Die Beziehung hat natürlich nicht gehalten, weil ich das nicht mein ganzes Leben lang vorspielen konnte. Immerhin hatte ich es fast 4 Jahre durchgehalten. Dann sind mein Sohn und ich in eine eigene Wohnung gezogen. Ich dachte, jetzt schaff ich es alleine, da mein Sohn ja jetzt größer ist. Es war zwar besser aber ich habe immer mehr gemerkt, dass ich das nur als lästige Pflicht ansehe und mich nicht gerne um ihn kümmer. Ausserdem kümmer ich mich nicht um mich selber , wenn er da ist. Nun wohnt er bei seinem Vater und ich habe endlich Zeit, mich mit meinen Problemen auseinanderzusetzen. Doch ich weiß nicht, was ich tuen soll um mich endlich als Mutter zu fühlen, die ihr Kind liebt. Ich war schon bei Therapeuten, aber die Warteliste ist einfach viel zu lang.
Ich hohhe hier in diesem Forum jemanden zu finden, dem es ähnlich ging und der es da raus geschafft hat. Ich bin wirklich für jeden Tipp dankbar!!

(Ich hoffe es hat überhaupt jemand Lust den ganzen Text zu lesen...) :D :D :D
Mel
power user
Beiträge: 554
Registriert: 25:11:2018 13:07

Re: Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von Mel »

Liebe Nadine,
herzlich Willkommen! Ich finde es sehr mutig, dass du deine Geschichte hier vorstellst. Ich selber bin von anderen Symptomen betroffen, aber es gibt hier ganz viele Frauen, die zunächst auch keine Liebe für ihr Kind empfinden konnten und es wird dir sicherlich jemand antworten.
Erstmal ist meine Frage: Fühlst du dich noch depressiv? Also gibt es noch andere Symptome außer der fehlenden Liebe? Ich könnte mir vorstellen, dass es ganz wichtig ist, die richtige Therapieform zu finden, in der du an der Beziehung zu deinem Sohn arbeiten kannst. Und des weiteren wäre es eine Möglichkeit dich medikamentös einzustellen (natürlich nur, wenn das notwendig und von dir gewollt ist).
Wie geht es dir denn jetzt mit der Trennung und wie geht es deinem Sohn?
Wenn du in einer größeren Stadt wohnst gibt es bestimmt auch Beratungsstellen von pro Familia, der Diakonie oder der Caritas. Hast du in diese Richtung schon mal überlegt? Es gibt auch Kliniken mit speziellen Mutter-Kind-Einheiten, in der du etwas für dich machen kannst und zusätzlich etwas mit deinem Sohn- da wird dann mit ganz viel Unterstützung an eurer Beziehung gearbeitet. Wichtig ist, glaube ich, dass du dich stabilisierst und dann eure Bindung gestärkt wird, auch durch schöne gemeinsame Erlebnisse!! Dass du das Gefühl entwickelst „es ist nicht alles Pflicht, sondern es kann auch schön sein mit meinem Kind“. Aber es braucht Zeit, hab also Geduld mit dir und sei nachsichtig. Du wirst das meistern und deine Situation kann sich ändern! Es ist erstmal ganz toll, dass du dir Hilfe und Unterstützung suchst. Dazu gehört viel Mut!!!

Liebe Grüße
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Elisabeth

Re: Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von Elisabeth »

Hallo, auch von mir ein herzliches Willkommen. Ich kenne das Gefühl sein Kind nicht zu lieben, meine Tochter ist jedoch noch sehr klein. Mich berührt, wie lange du schon mit dieser belastenden Situation lebst und ich finde es sehr gut, dass du dich aktiv damit auseinandersetzen willst.
Niederschwelligere Beratungstellen, wie von Mel genannt, haben kurze Wartezeiten. Eine örtliche Beratungsstelle kann dich am besten über mögliche und passende Angebote informieren. Es gibt viele unterschiedliche Hilfsangebote, abhängig von der Situation und dem Bedarf. Ich finde deinen Ansatz, dich um dich selbst zu kümmern, sehr gut und wichtig. Du schreibst selbst dass es dir bereits vor der Geburt sehr schlecht ging. Falls du einen guten Hausarzt hast, könnte auch dieser die erste Anlaufstelle sein, um mögliche Hilfsangebote (z.b. Psychiater) zu besprechen.
Nakoe003

Re: Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von Nakoe003 »

Hallo Mel
Danke das du dir die Mühe gemacht hast und dir das alles durchgelesen hast. Nein ich fühle mich überhaupt nicht mehr depressiv, mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Das ist aber erst so, seid dem mein Kind ausgezogen ist und ich endlich wieder Zeit für mich habe. Alles ist wieder gut, nur das Gefühl zu meinem Kind will sich einfach nicht einstellen. Ich habe schon versucht eine Therapie zu bekommen, allerdings haben alle Therapeuten mit denen ich Kontakt hatte eine endlose Warteliste. Ein Medikament gegen Depressionen nehme ich schon lange. Mein Sohn vermisst mich, er sagt mir öfter dass er lieber bei mir wäre als bei Papa. Das tut mir dann immer schrecklich weh wenn er das sagt und macht mich traurig. Allerdings kann ich es mir nicht mehr vorstellen, das er zurückkommt, das finde ich auch sehr traurig.. Bei Profamilia habe ich mich auch schon gemeldet und wollte eine Beratung haben. Das ging aber nicht,. da die für mich nicht zuständig sind, da mein Sohn nicht in meiner Stadt gemeldet ist. Über eine Mutter-Kind Einrichtung habe ich mich auch schon informiert, allerdings weiß ich nicht wie ich das finanzieren soll. Das es nicht von heute auf morgen geht ist mir bewusst, dennoch ist schon viel Zeit vergangen, in der ich einiges ausprobiert habe und es hat sich nicht gebessert. Das deprimiert total und lässt die Hoffnung allmählig verschwinden..
Nakoe003

Re: Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von Nakoe003 »

Hallo Elisabeth
Ich danke auch dir ganz herzlich für deine Antwort. Wenn es dir genauso geht, was tust du dann dagegen und wie gehst du mit der Situation um? Ich danke dir für das Lob. Ich finde es schwierig dieses Thema anzusprechen, da die meisten Leute es nicht nachvollziehen können und mich direkt als unfähige Rabenmutter abstempeln, deswegen bin ich immer vorsichtig, mit wem ich darüber rede. Mittlerweile bin ich aber viel offener bei dem Thema geworden, da ich nicht die einzige bin der es so geht und ich finde die Menschen sollten mal mit der Realität konfrontiert werden und nicht immer nur alles schönreden. Okay also sollte ich entweder zum Hausarzt gehen oder zu einer Beratungsstelle. Das mit der Beratungsstelle hatte ich ja bereits geschrieben, dass das nicht so einfach ist. Mir wurde auch gesagt, dass das Kind dann mitkommt. Das wäre dann für mich ohne Auto mit abholen, zur Beratung fahren, wieder zurückbringen und nach Hause fahren auf Dauer keine Option. Vielleicht gibt es ja noch andere Beratungsstellen. Ich werde mich mal informieren.
Mel
power user
Beiträge: 554
Registriert: 25:11:2018 13:07

Re: Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von Mel »

Ich finde du klingst sehr reflektiert. Die Situation ist bestimmt nicht einfach und ich kann auch bestätigen, dass die Menschen sich ungerne mit schwierigen Themen beschäftigen und nichts von Müttern hören wollen, die nunmal nicht glücklich mit ihrer Mutterrolle sind. Aber so etwas gab es schon immer, nur früher gab es noch weniger Möglichkeiten.
Ich bin mir ganz sicher, dass du ein Angebot findest, das zu eurer Situation passt! Wenn du Fragen oder Sorgen hast, meld dich hier immer gerne.
Alles Liebe
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
tobleroni

Re: Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von tobleroni »

Hallo Nadine!
Ich kann dich total verstehen, mir ging es am anfang ähnlich. Meine Tochter ist nun 9 Monate alt.
Ich bin bei der Geburt fast gest, war körperlich sehr schwach und konnte mich daher nicht um sie kümmern. Dazu kam dann noch die Depression. Ich wollte sie abgeben. Ich wollte weglaufen. Ich konnte sie nicht ansehen, habe die Nähe beim stillen fast nicht ertragen.
Ich habe es gehasst mit ihr zu interagieren, bzw konnte es gar nicht.
Erst jetzt, wo ich etwas stabiler bin mit meinen Depressionen kommen ganz langsam Gefühle auf und die Bindung entwickelt sich.
Mir hat das Bild geholfen (habe ich auf einer Internetseite zur emotionellen ersten Hilfe gefunden), dass zwischen Ihrem Herz und meinem Herz ein imaginärer roter Faden verläuft. Sie ist in meinem Körper entstanden und wir werden für immer verbunden sein. Das hat mir am Anfang drück und Angst gemacht, aber irgendwann fand ich dieses Bild schön.
Ich denke, wenn es dir besser geht wirst du dich viel mehr auf deinen Sohn einlassen können. Wie soll man jemanden lieben, wenn man selbst nicht mehr kann und sich selbst möglicherweise nicht liebt.
Dass dein Sohn erst mal bei seinem Vater wohnt ist doch für dich im Moment sicherlich eine große Entlastung. Dass von der Gesellschaft immer die Anforderung ko, dass ein Kind zur Mutter gehört finde ich quatsch. Du brauchst nun Zeit für dich und deine Genesung.
Hast du dich schon auf ein paar Wartelisten bei Therapeuten eingetragen?
Denn auch diese Wartezeit wird irgendwann vorbei gehen und dann hast du einen Therapieplatz.
Ich wünsche dir alles Gute!
Lg
Elisabeth

Re: Hallo, ich bin hier weil ich mein Kind nicht lieben kann

Beitrag von Elisabeth »

Hallo, ich merke dass ich meine Tochter umso besser annehmen kann, je besser es mir geht. Seit der Geburt ist das Stück für Stück besser geworden. Ich denke die Beschäftigung mit sich selbst ist unverzichtbar, um die Bindung herzustellen. Daher ist denke ich eine Therapie eine sehr gute Methode, um zu bearbeiten warum du die Bindung zu deinem Sohn schwierig erlebst.
Gut dass du schon so gut psychiatrisch versorgt bist - hier hätte ggf. der Hausarzt unterstützend tätig werden können.
Das mit der Bratungsstelle ist ärgerlich, ich hoffe du findest dazu noch Alternativen. Hier bietet z.b der sozialpsychiatrische Dienst eine niederschwellige Beratung an. Die Mitarbeiter kennen die örtlichen Hilfsangebote und können ggf verweisen.
Dass dein Sohn dich vermisst und dir das weh tut, zeigt m.m. nach dass da sehr wohl Liebe zwischen euch ist.
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