Neverending Story

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Celeste

Neverending Story

Beitrag von Celeste »

Guten Morgen,

wie einige von euch mitbekommen haben, hatte ich ganze 3 Tage ein Hoch. Aber leider eben nur diese 3 Tage.

Nach 10 Monaten PPD, könnte man doch langsam echt mehr erwarten 🙁🙁

Gestern hatte ich dann wieder Therapie. Ich habe die Medikamente angesprochen und was er zu einem Medi-Wechsel sagen würde ( kommt für mich zwar nicht in Frage, aber ich wollte seine Meinung hören ).
Er sagte, dass ich mir mit ( Zitat ) Chemiekeulen mein Gefühlsleben komplett ausschiessen kann, so dass die Herstellung der Verbindung zur Gefühlswelt noch schwieriger wird. Ziel seiner Therapie sei, währenddessen auszuschleichen. Das setzt mich bisschen unter Druck.

Am Ende der Stunde fragte er, mit was für einem Gefühl ich aus dieser Stunde gehe. Ich antwortete, dass ich das Gefühl habe, dass keiner mir helfen kann und wir im falschen Sandkasten wühlen.

Er ,drängt‘ zu einer Paartherapie und kreiert 100 neue Baustellen. Er versteht einfach nicht, dass ich an einer PPD erkrankt bin und schwer traumatisiert bin zusätzlich. Traumatisiert von dem Erlebten.

Vor der Therapie wusste ich, dass es eine PPD ist, sie Zeit braucht, aber auch irgendwann verschwindet.

Jetzt sehe ich 100000 Probleme in meinem Leben, die vorher überhaupt keine waren.

Ich musste am Anfang der Therapie ein Fragebogen ausfüllen. U.a kam die Frage vor, was der Sinn meines Lebens ist. Ich antwortete, dass der Sinn meines Lebens meine Kinder sind.
Das hat er so dermaßen auseinandergenommen, dass ich nun sogar Schuldgefühle habe. Er sagte:,, Frau Getrost, Sie wissen schon was Sie Ihren Kindern für eine riesen Verantwortung in die Schuhe schieben?“

What?

Ich bin sowas von genervt. Genervt und sehr wütend!

Man hat sowieso als Mutter mit PPD eine starke Neigung zu Schuldgefühlen. Dann brauche ich nicht auch noch sowas!

Ich will das nicht mehr. Die Therapie ist einfach ...!

Sorry. Das musste raus.

Könnt ihr meine Enttäuschung und Wut verstehen?
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Marika
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Re: Neverending Story

Beitrag von Marika »

Liebe Celeste,

jaaaaa -ich verstehe deine Wut und Enttäuschung absolut und der Vergleich "im falschen Sandkasten zu buddeln" trifft es meiner Meinung nach zu 100 %. Ich finde auch die Aussagen, dass man durch das AD quasi keinen Zugang zu seinem Gefühlsleben hat, empörend. Genau das Gegenteil habe ich nämlich mit Hilfe des AD´s erlebt. Ein Therapeut der AD´s so ablehnt ist für mich genau so untragbar, wie ein Psychiater der Therapieformen lächerlich findet. Beides war und ist für mich ein absolustes No - go und da sein "Therapieziel" ist, das AD während der dieser aus zu schleichen wäre für mich persönlich diese Therapie beendet. Aber meine Liebe - das ist nur meine persönliche Meinung, ich will dich keinesfalls zu was überreden.

Du schreibst es geht dir nicht gut in dieser Therapie, dein Therapeut will eine Paartherapie vorschlagen, er meinte du schiebst deinen Kindern deine große Verantwortung in die Schuhe weil sie dein Sinn des Lebens sind... das alles passt für mich persönlich überhaupt nicht zu dem was wir in der Krisenzeit er PPD brauchen.

Wenn du das alles - wie du schreibst - nicht mehr willst... was hält dich da noch?

Hast du in der Zwischenzeit schon mal wegen einer VT geschaut?
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Hallo123
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Re: Neverending Story

Beitrag von Hallo123 »

Hallo Celeste,

der Sinn meines Lebens sind auch meine Kinder.
Es ist nun mal so, dass sie das Wichtigste in unserem Leben sind und nichts mehr zählt als sie.
Das bedeutet nicht, dass wir uns durch sie definieren. Aber wer Kinder hat, der weiß, dass nichts mehr für eine Mutter zählt als die Kinder.
Hat dein Therapeut überhaupt Kinder? Kann er das nachvollziehen?
Weiß er wie sich eine Geburt anfühlt? Wie sich eine PPD anfühlt? Er ist ein Mann,, also nein.
Also ich weiß auch nicht. Dieser Satz würde mich auch extrem wütend machen.
Was ist denn überhaupt der Sinn des Lebens?
Wer weiß das schon!
Jeder hat doch seine eigenen Vorstellungen.

Ich denke, dass du recht hast, dass er da rumwühlt, wo nicht rumgewühlt werden sollte.

Ich persönlich wäre nach dieser Sitzung auch wütend und total verunsichert und würde mich fragen, ob er der Richtige für mich ist. Auch könnte ich zur Zeit meien ADs nicht absetzen, weil ich noch nicht dazu bereit bin.

Das sind aber nur meine Gedanken. Ich hoffe, ich verunsicherte dich jetzt nicht.

Ich wollte dir nur schreiben, dass ich dir zu stimme und auch wütend wäre.

Liebe Grüße
1. Kind: keine PPD, glücklich
2. Kind: PPD seit Geburt

Medikamente:

- Escitalopram 15 mg (ca 1,5 Jahre) -
》 Erhaltungsdosis heute bei 5 Trpf.
- Progesteron

Schilddrüsenmedikament - abgesetzt
Mirtazapin 7,5 - 15 mg - abgesetzt
Celeste

Re: Neverending Story

Beitrag von Celeste »

Liebe Hallo,

eben, ich könnte mein AD auch nicht absetzen. Fühle mich total unter Druck gesetzt.
Es soll sogar so schnell abgesetzt werden, dass die Therapie noch eine Weile ohne AD weiterläuft.

Kann mir gar nicht vorstellen, wie das funktionieren soll.

Ja, er hat 2 kleine Kinder.
Celeste

Re: Neverending Story

Beitrag von Celeste »

Liebe Marika,

danke für deine schnelle Antwort.

ich habe Kontakt zu 2 super Therapeutinnen. Beide haben kleine Kinder und beide so verständnisvoll und lieb. Der Haken bei beiden: Sie bieten nur vormittags Termine an, eben wenn ihre eigenen Kinder im Kindergarten sind. Und ich habe wiederum für den Vormittag keinerlei Betreuung.

So schade. Sie sagten, dass ich mich jederzeit wieder melden kann, wenn ich die Möglichkeit habe, vormittags Termine anzunehmen.

Aber diese Therapie macht mich fertig.

Er haut öfter so Sätze raus, die meine Kinder betreffen. Auch, dass ich ihnen die Chance zur Selbstständigkeit nehme. Angeblich bin ich zu aufopferungsvoll.

Ich bin eigentlich „nur“ mit einer PPD rein und komme mit dem Gefühl aus der Therapiestunde, als wäre ich und mein ganzes Leben komplett falsch.
Kikke

Re: Neverending Story

Beitrag von Kikke »

Hallo meine Liebe,

Ich habe zwar nicht viel Erfahrung mit Therapeuten. Ich kenne nur meine ambulante Therapeuten und die Therapeuten aus der Klinik. trotzdem bin ich extrem irritiert über deinen Therapeuten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine erfolgreiche Therapie so aussehen soll, dass Fragen aufgeworfen werden sollen, die nicht da sind bzw vorher nicht da waren. ein Therapeut muss mit einem daran arbeiten, was einen beschäftigt und krank macht und nicht sich Sachen dazu spinnen. So klingt es für mich. Warum sollte man an Dingen arbeiten, die für den Patienten gar kein Problem sind?
gibt es wirklich keine Möglichkeit, morgens eine Betreuung für deine Kinder zu finden? Ich weiß, dass es mit Corona noch schwerer sein muss. Aber die beiden anderen Damen klingen wirklich viel passender für dich. Vielleicht könntest du dein Kleinstes mitnehmen und jemand geht vor der Tür spazieren oder sowas?
Nelli
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Re: Neverending Story

Beitrag von Nelli »

Liebe Celeste,

ganz ehrlich: der Typ ist ein Idiot und Sexist. Niemals würde er so mit einem Mann sprechen. Renn, so schnell Du kannst.
Ich habe schon lange nicht mehr soviel Dummes auf einmal gehört. Er macht dich fertig. Er hat keine Ahnung. NULL.
Die Medikamente sind die absolute Basis. Dann kommt die Therapie. Beides ist unabdingbar und soll sich eigentlich ergänzen.
Bitte lass dich nicht weiter auf ihn ein. Es gibt eine goldene Regel, wonach die Sympathie zwischen Therapeut und Patient die Voraussetzung
für eine erfolgreiche Therapie ist.
Du trägst keinerlei Schuld für irgendetwas.
Ich denke, es wäre sehr wichtig, eine der Therapeutinnen in Anspruch zu nehmen. Es wird einen Weg geben.
Ich glaube, im Moment ist der Therapeut dein Problem, während alles andere besser wird.

Nelli
Mel
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Re: Neverending Story

Beitrag von Mel »

Liebe Celeste,
ich schließe mich an- es ist unverschämt, gefährlich und anmaßend, dass er ein Ausschleichen von der verlangt.
Das ganze habe ich schon mit einer Heilpraktikerin erlebt und kann dir nur aus Erfahrung sagen, dass mich ein Absetzen zurückgeworfen hat. Das Leben ist einfach zu kurz, um sich durch diese fürchterlichen Symptome zu quälen. Aber das weißt du ja alles und du kennst meine Meinung dazu.
Ich möchte dir nur sagen, dass ich mit dir fühle!!
Fühl dich gedrückt
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Celeste

Re: Neverending Story

Beitrag von Celeste »

Ihr lieben Menschen,

vielen herzlichen Dank für eure Nachricht. Ich habe die Therapie abgebrochen. Ganz feige - mit einer E-Mail.

Würde ich ihm das in einer Sitzung mitteilen, würde er Worte finden, um mich zu überreden. Das will ich vermeiden.

Vielleicht wollt ihr die E-Mail ja lesen. Ich habe mir zumindest Mühe gegeben.



Hallo Herr *****,

leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich mich dazu entschieden habe, die Therapie nicht weiterzuführen.
Dies ist für mich nicht der richtige Weg aus meiner PPD/Angsterkrankung zu finden.

Ich hatte es das letzte Mal am Ende der Stunde schon angesprochen - wir buddeln im falschen Sandkasten.

Ich bin mit mehreren Problemen raus, als ich rein bin.

Mich hat Ihr Satz, ich würde meinen Kindern eine sehr große Verantwortung übergeben, weil sie der Sinn meines Lebens sind, sehr niedergeschmettert. Lange habe ich darüber nachgedacht. Ich muss gestehen, dass ich sehr froh darüber bin, dass meine Kinder der Sinn meines Lebens sind. Ich würde es seltsam finden, wenn nicht. Sie sind gewollt und geliebt.
Mein Sinn und mein Ziel ist es, Ihnen den Mut zu geben, mit offenem Herzen und viel Liebe durch das Leben zu gehen.

Ich habe mich viel zu lange ungeliebt, ungewollt und eingesperrt gefühlt, weil der Sinn des Lebens meines Vaters wohl war mir beizubringen, zu gehorchen. Aus mir, aus seiner Sicht, eine gesellschaftsnorme Frau zu machen. Einem Mann zu dienen.
Und meine Mutter? Tja .. ihr Sinn war wohl, dem Wunsch meines Vaters nachzugeben. So hat jeder wohl seinen eigenen Sinn des Lebens.

Mein Sinn ist es, alles besser zu machen. Vielleicht setze ich mich selbst unter Druck, das macht mich aber nicht zu einem falschen Menschen. Ich muss mich nicht ändern. Ich will mich nicht ändern. Ich möchte einfach einen Weg finden, mit meiner sehr sensiblen Art und meinen Ängsten umzugehen.

Sensibel sein und Angst in der Hosentasche, eigentlich von Kindesbeinen an mein Markenzeichen. Vielleicht macht gerade Das mich aus?!

Ich weiss, wie sich Depressionen anfühlen. Die richtigen. Die, die Traurigkeit zeichnen. Die, die den Vorhang zuziehen. Die hatte ich lange und das schon sehr früh.

Doch meine PPD ist keine ,normale' Depression und auch keine ,normale' Angsterkrankung. Sie ist nicht damit zu heilen, in dem man eine Ehe analysiert ( auch wenn sie vielleicht nicht wie eine Vorzeige-Ehe funktionieren mag - gibt es denn sowas ? ) , oder zu erwähnen, was für falsche Ansichten man hat.

Ich weiss, dass Sie es mit keinerlei bösem Willen getan haben. Sie wollen helfen, das ist Ihr Job. Das ist mir bewusst.

Aus tiefstem Herzen DANKE.
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Marika
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Re: Neverending Story

Beitrag von Marika »

Der richtige Schritt, liebe Celeste und wunderbar geschrieben... du kannst unglaublich stolz auf dich sein und du wirst gesund werden ... :D
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Julie

Re: Neverending Story

Beitrag von Julie »

Wunderbar und authentisch geschrieben, liebe Celeste!
Du hast genau das Richtige gemacht.
Kikke

Re: Neverending Story

Beitrag von Kikke »

Super Schritt! Ich finde es überhaupt nicht feige, sondern mutig.
Mel
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Re: Neverending Story

Beitrag von Mel »

Liebe Celeste,
das hast du ganz toll geschrieben und ich finde das wahnsinnig mutig! Es ist manchmal leichter zu schreiben als es mündlich zu erklären. Würde ich genauso machen!
Mel
PPD seit Juli 2017, seitdem Mirtazapin 15mg
(Mit Unterbrechung), dann 30mg Mirtazapin und Opipramol 75mg,
Seit Sept. 2019 Sertralin,
mittlerweile 200mg und 15mg Mirtazapin.
Opipramol ausgeschlichen
Hallo123
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Re: Neverending Story

Beitrag von Hallo123 »

Hallo Celeste,

wirklich toll geschrieben.
1. Kind: keine PPD, glücklich
2. Kind: PPD seit Geburt

Medikamente:

- Escitalopram 15 mg (ca 1,5 Jahre) -
》 Erhaltungsdosis heute bei 5 Trpf.
- Progesteron

Schilddrüsenmedikament - abgesetzt
Mirtazapin 7,5 - 15 mg - abgesetzt
Celeste

Re: Neverending Story

Beitrag von Celeste »

Guten Abend zusammen,

gestern hat mir mein Therapeut geantwortet - eine sehr berührende Email, die ich so nicht erwartet hätte. Er hat mich zu einem Abschlussgespräch eingeladen. Er möchte mir persönlich erklären, wie all diese ,Vorwürfe‘ gemeint waren.
Ich habe die Einladung angenommen.

In 2 Wochen habe ich auch schon ein Vorgespräch bei einer meiner ausgewählten Therapeutinnen. Ich bin schon sehr gespannt.

Heute Nacht bin ich das erste Mal seit langem, wieder mit einem heftigen Angstzustand aufgewacht und konnte ewig nicht mehr einschlafen.

Auch stören mich meine Muskelzuckungen beim Einschlafen. Das habe ich ca. seit 3 Monaten. Kann das vom AD kommen? Dann wäre diese Nebenwirkung doch schon viel eher aufgetreten oder? Hat jemand von euch auch diese extremen Zuckungen beim Einschlafen? Sodass man jedesmal wieder davon wach wird?

Mir wird durch diese PPD bewusst, was ein wundervolles Leben ich vorher hatte 😢 Und ich ärger mich so sehr, dass ich es nicht zu schätzen wusste.
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