Zweites Kind Herz gegen Verstand

[Törtillyah]

Ihr Lieben,

mein Sohn ist nun drei Jahre alt und des öfteren wünsche ich mir ein zweites Kind. Ich habe eine Schizophrenie, nehme ein Medikament in geringer Dosierung und gehe regelmäßig zu meiner Psychiaterin, die mich schon elf Jahre kennt. Die Schwangerschaft mit meinem Sohn war traumhaft und ich hatte psychisch eine unglaublich gute Zeit, ich habe seit mein Sohn ein Jahr ist immer wieder Ängste, hatte hierfür ambulante Psychotherapie, die nun abgeschlossen ist. Ich schaue mir in der Kita die frisch gebackenen Eltern an und oft sind sie müde und fertig, davor habe ich großen Respekt auch zwei Kindern gerecht zu werden ohne die Großeltern in direkter Nähe. Ich bin sehr dankbar für mein Leben mit unserem Sohn, auch dass es mir psychisch trotz meiner Diagnose so gut geht, ich habe eine stabile Partnerschaft, Freunde und eine Arbeit. Und da stelle ich mir die Frage ob ich so mutig bin, all das in die Luft zu wirbeln und nochmals mit einem Baby zu beginnen. Ich bin seit Jahren stabil und hab auch den Schlafmangel gut verkraftet.
Ich erhoffe mir eure ehrliche Meinung. Meine Psychiaterin, die ich sehr schätze, hat durchklingen lassen, dass sie es nicht machen würde einfach um all das was ich mir aufgebaut habe nicht durch eine Episode zu gefährden. Ich verstehe das mit dem Kopf, nicht aber mit dem Herzen.
Vielen lieben Dank fürs Lesen und antworten.
Törtillyah

[Marika]

Hallo meine Liebe!

Ich kann sehr gut verstehen, dass bei diesem Thema Herz und Verstand so gar nicht im Einklang sind. Obwohl ich selber nie in dieser Situation war, kann ich mir vorstellen, dass du grad 2 schwierige Aspekte abwägen musst. Ich weiß nicht, was ich tun würde oder was ich dir raten könnte... aber ich habe hier was anderes für dich: Schatten und Licht bietet auch Online Selbsthilfegruppen an, unter anderem auch eine für Betroffene von Psychosen mit tollen Gruppen Leiterinnen. Vielleicht wäre das was für dich um dich mit andern von Psychose Betroffenen noch enger auszutauschen? Einfach hinschreiben bei Interesse, alles weitere bekommst du dann zugeschickt.

psychose-shg@schatten-und-licht.de

Liebe Drücker von mir!

[Mammsie]

Du bist gut vernetzt. Besprich deinen Kinderwunsch mit den Ärzten, die dich gut kennen und behandeln. Sie werden dich unterstützen.
Deine Erkrankung ist gut behandelt, was spricht dagegen? Erfülle dir den Wunsch. Es spricht viel dafür, dass es gut klappen kann. Es gibt ja auch noch einen Vater, du bist nicht alleine.
Es gibt Frauen, die mit Diabetes, oder anderen chronischen Krabkheiten Kinder kriegen....da meckert auch keiner.
Familie ist ein hohes Gut! Alles Gute!

[Törtillyah]

Liebe Marika und liebe Mammsie,

Ich dank euch ganz lieb für eure Antworten, ich glaube es gibt auch kein richtig oder falsch bei unserer Entscheidung. Ich genieße es sehr, dass es mir gut geht, manchmal kämpfe ich mit Ängsten, aber dennoch bin ich sehr zufrieden mit meinem Leben.
Ich denke ich genieße den Sommer und stell mir die Frage nochmals im Herbst/Winter.
Marika, war es für dich klar ein Kind zu bekommen und nicht mehrere?
Was kann ich mir genau unter der Online-Selbsthilfegruppe vorstellen?
Viele liebe Grüße,
Törtillyah

[Marika]

Hallo!

Die online Selbsthilfegruppe wird von 3 tollen Frauen geleitet. Man trifft sich online (wie bei einem Video Call] und tauscht sich dann aus. In dieser Gruppe z.b. sind nur Frauen die mit einer Psychose zu tun hatten. Das kann sehr bereichernd sein. Wenn du dich dort mal meldest, kannst du vorab einfach alles fragen und dann entscheiden, ob du mitmachen möchtest.

Zu deiner Frage wegen Kindern: ja, wir waren uns klar, dass wir ein Kind möchten. Wir waren beide schon über 30. Ich bin ein Einzelkind und fand das schön, mein Mann kommt aus einer Großfamilie und fand das nicht so prickelnd. Dann noch die PPD dazu... das hat uns noch bestätigt. Ich hätte es mir nicht zugetraut, das ganze nochmal zu riskieren. Aber wie gesagt, ich habe mir auch immer wirklich "nur" 1 Kind gewünscht.

[alibo79]

Hey, ich möchte hier auch noch einmal was schreiben. Ich habe 2 Töchter, die nicht weit auseinander sind. Ich bin froh, dass die beiden sich haben und sie haben immer viel Zeit miteinander verbracht. Natürlich auch mit Streit und Mädels gezicke, was so dazu gehört.
Wir wollten noch ein drittes Kind relativ dicht hinter her. Nur kam dann die PPD dazwischen, ich war ein sehr schwerer Fall und ich brauchte lange zur Stabilität. Und dann sollten eigentlich noch die Medikamente reduziert werden.
Als ich dann soweit war, fühlten mein Mann und ich fast zu alt für nochmal ein Kind, ich war 40 mein Mann 47. Ich habe damals gemerkt, dass ich auch keine guten Reserven hatte für Schlafmangel usw. Wir haben uns dann dagegen entschieden ei drittes Kind zu bekommen. Manchmal war ich schon sehr traurig darüber, aber inzwischen ist es für mich okay, zumal ich mit 41 wieder depressionen bekommen habe.
Ich weiß nicht ob dir meine Geschichte hilft. Ich würde auf jeden Fall den Wunsch nach einem weiteren Kind verfolgen, ich weiß nicht wie alt du bist ob du noch bisschen warten möchtest. Aber wenn du wieder krank werden solltest, dann wird sich auch dann eine Lösung finden und es kann ja auch gut sein, dass alles gut läuft

[Törtillyah]

Vielen lieben Dank für deine Antwort. Ich bin jetzt 38 und bin nicht schlüssig. Ich bin in die Schwangerschaft mit meinem Sohn einfach glücklich und dankbar hineingegangen, von Schlafmangel hab ich damals noch nichts geahnt. Jetzt sieht es anders aus und ich bin ein Mensch, ich brauche auch Zeit für mich. Ich bin an manchen Tagen schnell überreizt.
Meine Ärztin hat mir durch die Blume abgeraten, natürlich ist es meine Entscheidung,aber ich schätze sie sehr, sie hat auch gemeint, sie kennt keinen Fall wie mich - im positiven Sinne. Ich bin eine Kämpferin durch und durch. Was mich abhält ist die Angst, einem zweiten Kind nicht gerecht werden zu können und den Alltag mit zwei Kindern nicht zu schaffen. Jetzt hab ich für den worst case mein Partner und ich werden beide krank unseren Sohn bei meiner besten Freundin untergebracht.
Es ist eine sehr schwere Entscheidung. Ich genieße mein Leben mit einer geringen Medikation und vielen Freiheiten einfach sehr. Und dann frage ich mich ob ich es bereuen werde, es nicht probiert zu haben.
Ich danke euch fürs Mitlesen und Antworten.
Viele liebe Grüße,
Törtillyah

[alibo79]

Mein Psychiater hatte mich damals auch mal gefragt ob ich noch weitere Kinder möchte, es war ein Gespräch wo er mich ziemlich kalt mit erwischt hat. Wenn ich unbedingt gewollt hätte, dann hätte er mich schon darin unterstützt. Aber auch er hat mir zu verstehen gegeben, dass ich es mir wirklich gut überlegen sollte. Ich habe viel geweint und war so böse auf meine Krankheit. Doch zu dem Zeitpunkt hatte ich unterbewusst schon mit der Familien Planung abgeschlossen. Nur das nochmal so direkt durchzugehen war sehr schmerzhaft und traurig gewesen.

[Mammsie]

Was ich noch bedenken würde: Es gibt viele Stressoren, die nichts mit dem Kind zu tun haben. Bei mir war es eine heftige Depression und Ängste, die dadurch ausgelöst wurden, dass ich überall 100% funktionieren wollte. Heute würde ich sagen, ich trete hier und da kürzer und zwar bewusst. Es wird immer so dargestellt, als wäre das Kind die Belastung. Oft ist es aber Haushalt, Arbeit, Frausein, Alleinsein etc. Ein paar dieser Dinge kann man vorab regeln. Die Kinder werden ja auch mal größer, es kann auch ein Baby sein, das total easy zu handeln ist. Ich würde gerne einfach Hoffnung und Mjt zusprechen. Aber klar, man sollte sich alles vorher gut überlegen!

[Törtillyah]

Vielen lieben Dank fürs Mut zusprechen!
Ich bin vom Wesen her sehr akkurat und ein bisschen zu sehr auf Perfektion aus. Ich bin tagsüber viel alleine verantwortlich für unseren Sohn und ich vergleiche mich auch oft mit anderen Mamas. All das tut mir nicht gut und ich bin dabei es zu verändern.
Ich werde mir noch ein bisschen Zeit geben und kleine Dinge versuchen zu verändern. Meine Therapeutin sagt sie traut es mir zu, das freut mich sehr, denn auch sie hat mich lange begleitet.
Aktuell ist einfach die Angst groß es nicht zu schaffen und krank zu werden - das möchte ich für mich noch genauer anschauen.
Ich dank euch für den wertvollen Austausch.
Ganz liebe Grüße,
Törtillyah

[alibo79]

Es ist so interessant wie ähnlich wir alle doch sind . Ich habe auch einen riesen hang zum Perfektionismus, habe mich auch immer sehr mit anderen Müttern verglichen, mit anderen Familien und hatte immer das Gefühl nicht gut genug zu sein.
Ich konnte diese Gedanken über die Jahre ein gutes Stück hinter mir lassen. Ich habe zwar noch immer mal solche Gedanken, aber ich kann sie dann so stehen lassen bzw ich erkenne diese negativen Wertung über mich selbst und gehe dagegen an bzw verfalle nicht mehr in eine übersprung Handlung, die mich aufwerten soll.
Und dadurch dass meine Kinder größer geworden sind, ist vieles für mich einfacher. Natürlich gibt es viel zu tun mit Schule, Sport, Freizeit etc, aber ich kann besser Freiraum für mich einfordern und ich bin auch entspannter, weil ich über die Jahre sehe, dass ich tolle Kinder groß gezogen habe. Einfach dadurch, dass ich so bin wie ich bin mit all meinen Eigenschaften, Facetten, kanten und gutem Wesen.

[Törtillyah]

Heute ist so ein Tag, da schaue ich mir unseren Sohn an und freue mich einfach sehr über ihn, er ist klug, interessiert und witzig.
Ich hatte drei Jahre einen Kinderwunsch, eine Fehlgeburt vor ihm und danach eine psychotische Episode, die rasch behandelt wurde. Was ich sagen will, es ist einfach schon so großes Glück, dass es ihn gibt.

[Törtillyah]

Ihr Lieben nun ist der Herbst da, der sich schon nach Winter anfühlt und ich bin mir noch immer nicht sicher.
Es gibt Tage da denke ich, komm wir probieren es einfach und Tage, da bin ich so schön ausgelastet.
Ich hab große Fortschritte im Bezug auf meine Ängste gemacht und bin dafür sehr dankbar.
Ich schaue mir andere Familien an und bin sehr dankbar für unseren Entdecker. Ich merke wie ich mich gut auf ihn einlassen kann, wenn es mir selbst gut geht und ich Reserven habe, das sind viele schöne Momente mit ihm.
Ein bisschen schwingt das Pendel der Entscheidung Richtung es so lassen wie es ist und genießen.
Vielleicht habt ihr noch einen Gedanken für mich zu dem Thema.
Ganz liebe Grüße,
Törtilyah

[SaraGossa]

Hey du,
Ich sitze im selben Boot wie du
Mein Kleiner wird ganz bald 3 und ich spüre den Wunsch nach einem zweiten Kind ganz stark. An manchen Tagen denke ich: Das würdest du schon hinbekommen, du bist so viel besser vorbereitet.
An anderen Tagen denke ich: Never ever!! Wie solltest du das mit zwei Kindern schaffen?
Wir wollen einfach, dass es uns niemehr so schlecht geht wie damals und unser System warnt uns wohl auch immer wieder, es uns gut zu überlegen. Zum Schluss gibt es da(vermutlich) nie ein klares Ja oder Nein. Unser eigenes Gefühl wird da wohl entscheiden müssen.
Was mir so Angst macht ist: Wenn ich schwanger werden sollte, gibt es ja wirklich kein Zurück mehr. Klingt dramatisch ja, aber andererseits durchaus berechtigt. Meine SW war superschön, aber diese Zeit nach der Geburt will ich nieNIIIIEEEEEE wieder erleben müssen

[Jana]

Ich habe gerade die Beiträge hier gelesen und möchte mal kurz sagen, dass Mamsie einfach sooo Recht damit hat, dass es (meistens) ja gar nicht das Kind ist, das so anstrengend ist, sondern die Tatsache, dass man halt noch Putzen, Einkaufen, Kochen usw muss. Das denke ich mir in letzter Zeit so oft! Ich habe zwei echt pflegeleichte Kinder und wenn ich reich wäre und mir diese ganzen Aufgaben abnehmen lassen könnte, dann wäre der Alltag mit ihnen easy! So ist er aber - wenn auch sehr sehr schön - sehr, sehr anstrengend.

Nun zur eigentlichen Frage: ich glaube, du kannst sie nur mit deinem Bauchgefühl beantworten. Kennst du Nora Imlau? Sie hat neulich in ihrem Podcast sehr schön gesagt, dass man sich ein zweites Kind (oder drittes, viertes…) genauso wünschen sollte, wie ein erstes. Das hilft mir sehr, wenn ich über ein weiteres Kind nachdenke. Ich merke, dass ich da immer in irgendwelche rationalen Argumentationen reinkomme weshalb es jetzt sinnvoll oder nicht sinnvoll wäre - aber das ist Quatsch. So kann man das glaub ich einfach nicht entscheiden. Wenn der ehrliche tiefe Wunsch da ist, findet man einen Weg. Aber ich denke man sollte wirklich gut in sich hineinhorchen und lieber noch warten, wenn die Antwort nicht eindeutig ist…