Postpartale Depression

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Sophie_Lana
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Postpartale Depression

Beitrag von Sophie_Lana »

Hallo ihr Lieben,
Seit nunmehr vier Monaten leide ich unter einer postpartalen Depression. Bereits zwei Wochen nach der Entbindung wurde bei mir mit einer medikamentösen Behandlung begonnen – zunächst mit 25 mg Sertralin, die schrittweise bis auf 150 mg erhöht wurden. Trotz dieser Behandlung hat sich mein seelischer Zustand nur wenig verbessert.

Ich habe nach wie vor sehr belastende und beängstigende Gedanken. Dazu gehören Suizidgedanken, das tiefe Gefühl, keine gute Mutter zu sein, und die Überzeugung, dass ich das alles eigentlich alleine schaffen müsste – es aber nicht kann. Besonders belastend ist auch das Gefühl einer fehlenden emotionalen Bindung zu meinem Kind. Ich empfinde nur sehr wenig Liebe, was mein schlechtes Gewissen und meine Selbstzweifel weiter verstärkt. Außerdem habe ich das Gefühl das ich sie nie so richtig lieben werde und ich die Zeit mit ihr nie genießen werde. Ich vermisse mein altes Leben so unfassbar und kann mir nicht vorstellen das ich dieses Leben genau so mögen werde. Vielleicht bin ich einfach nicht zum Mutter sein gemacht, obwohl ich es immer werden wollte. Ich gebe meine Tochter 1 mal die Woche zu meiner Mutter oder Schwiegermutter über Nacht, es hilft mir zwar etwas Ruhe zu bekommen und mit neuer Energie ihr gegenüber zutreten, jedoch plagen mich in dieser Zeit wo sie nicht da ist nur noch mehr Selbstzweifel und das schlechte Gewissen das sie ja viel zu klein ist um nicht bei mir zu sein und ich zu schwach bin um es alleine zu schaffen. Außerdem habe ich das Gefühl ich flüchte vor der Zeit mit ihr alleine. Sobald mein Mann bei der Arbeit ist, gehe ich mit ihr aus dem Haus. Spazieren, mit Freunden etwas unternehmen oder irgendwelche Kurse besuchen. Ich kann einfach nicht alleine mit ihr zuhause sein und weiß nicht wieso. Selbst wenn mein Mann abends mal weg ist und ich sie alleine ins Bett bringen soll bekomme ich Panik. Sie schreit oft bevor sie schlafen soll und ich habe Angst nicht alleine damit umgehen zu können. Manchmal habe ich auch das Gefühl das weil ich sie zu wenig liebe ich zu offen bin. Ich find es nicht schlimm sie bei wem anders auf den Arm zu geben. Ich höre oft von Müttern das sie nicht wollen das andere Leute ihre Babys anfassen, ich find das aber nicht schlimm. Kleines Beispiel: ich stand letztens bei der Apotheke und wollte meine Sertralin abholen, ich hatte die Hände voll und die Apothekerin hatte angeboten meine kleine zu halten. Ich habe nicht wirklich lange drüber nachgedacht und ihr dann gegeben. Ich meine würde sie ungepflegt oder nicht vertrauenswürdig aussehen würde ich das nicht machen aber sie erschien mir nett und sehr gepflegt und außerdem ungefähr in dem Alter von mir also war sie mir auch relativ sympathisch. Bin ich einfach eine lockere Mutter oder hat es etwas damit zutun das ich sie nicht richtig liebe.
Ich habe das Gefühl die PPD könnte besser werden wenn sie älter ist und man richtig was mit ihr machen kann. Kann das sein ?

Ich frage mich ob das jemand kennt. Diese selbstzweifel und das die Bindung zum Kind fehlt. Vielleicht hat ja jemand auch ein paar Worte dazu übrig das ich meine Tochter vier mal im Monat abgebe. Ob das vielleicht jemand kennt oder weiß ob es schädlich für sie ist.

Liebe Grüße Sophie 🤍
Liebe Grüße Sophie 🤍
PPD Anfang 2025
150mg Sertralin
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Marika
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Re: Postpartale Depression

Beitrag von Marika »

Hallo Sophie!

Herzlich Willkommen hier bei uns. Was du beschreibst ist sehr typisch für eine PPD und hat gar nichts mir mangelnder Liebe zu tun. Die Selbstzweifel, die fehlende Bindung zum Kind, die quälenden Gedanken.... all das kenne ich und musste ich auch durchmachen.

Deinem Kind schadet es überhaupt nicht, wenn es 4 x im Monat bei deiner Mama übernachtet. Ich finde es toll, dass ihr das so macht. Es ist ein Irrglaube zu denken, eine Mama muss ständig rund um die Uhr alleine für das Kleine da sein. Aber leider meinen wir, das leisten zu müssen. Die Kleine der Apothekerin auf den Arm zu geben, ist doch völlig normal, hätte ich auch getan. Und ich hatte auch nie ein Problem mein Kind jemand anderes Mal auf den Arm zu geben. Das ist einfach unterschiedlich, manche können das, manche nicht. Aber mit mangelnder Liebe hat das rein gar nichts zu tun. Das ist normal.

Auch ich konnte die ersten Monate nicht alleine mit meinem Sohn sein. Ich bin jeden Tag raus unter Leute oder es war jemand bei mir, habe meinen Tag strukturiert. Mein Arzt fand das gut, hat es sogar angeordnet und es hat mir geholfen. Abends alleine sein mit meinem Kind war lange unmöglich und es hat gedauert, bis das ging. Dass das Alleine sein mit dem Kind Angst macht, ist typisch für eine PPD. Stresss dich nicht, geh raus unter Menschen und in Kurse wenn dir das hilft! Das ist sehr gut!

Seit wann nimmst du denn die 150 mg Sertralin? Weiß dein Behandelnder Arzt von den Suizid Gedanken? Machst du begleitend eine Therapie?

Liebe Sopie, ich weiß wie du gerade leidest. Aber sei dir sicher, dass bleibt nicht so, du wirst gesund werden. Leider ist es kein schneller Weg und auch trotz Medikament dauert es bis man stabil ist. 4 Monate klingt lange, ist es aber nicht. Ein AD braucht Wochen, Monate um richtig zu wirken. Auch eine Erhöhung. Hattest du schon gute Tage dazwischen?

Wie gesagt, ich hatte auch keine Bindung zu meinem Sohn, aber sie kam. Und dann so stark und wunderschön, dass es unbeschreiblich war und bist heute ist!

Ganz lieben Drücker von mir! ❤️
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
alibo79
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Re: Postpartale Depression

Beitrag von alibo79 »

Guten Morgen Sophie,
Auch von mir ein herzliches willkommen hier im forum.
Auch ich kenne deine Gefühle und Zweifel nur zu gut. Marika hat dir ja schon ausführlich geantwortet, dass es oft viel Zeit und Geduld braucht bis man bei einer PPD eine Verbesserung merkt und noch mehr Geduld bis man sich gesund fühlt. Es wechseln sich gute und weniger gute Zeiten ab, bis immer mehr gute Momente kommen.
In meiner PPD konnte ich auch sehr schlecht für meine Kinder sorgen. Ich hatte über 6 Monate eine Haushalt Hilfe, die sich um vieles gekümmert hat und ich hätte gesagt, dass meine Kinder mindestens 1 Jahr oder länger, 1-2x pro Woche bei meinen Eltern waren und auch dort geschlafen haben, damit ich Ruhe hatte. So konnte ich eine Nacht durch schlafen und musste morgens auch nicht so früh aufstehen.
Und ich kann mich an eine Situation erinnern, da bin ich bei uns im Dorf im kleinen Supermarkt einkaufen gegangen, ziemlich früh nach der Geburt. Und weil mit dem maxi cosi so wenig Platz im Einkaufswagen war, konnte ich meine Tochter bei der Kassiererin stehen lassen und durfte so in Ruhe einkaufen. Ich habe es eher so gesehen, dass ich das total gut fand. Denn wie heißt der Spruch von früher. Um ein Kind groß zu ziehen braucht es ein ganzes Dorf. Heute meint man als Mama alles alleine stemmen zu müssen. Von der Natur her ist es aber so gar nicht vorgesehen. Also ist es gut wenn man sich gegenseitig unterstützt und hilft. Das macht vieles einfacher und für die Kinder ist es doch schön auch eine tolle Bindung zu den Großeltern zu bekommen. Mein Therapeut hat mich immer darin bestärkt die Kinder auch mal abzugeben wie zu den Großeltern. Alle Seiten profitieren davon, du selbst, drin Kind und auch Oma und Opa. Und das hat nichts mit zuwenig Liebe zu tun, sondern das ist das normale Leben und ist völlig okay so.
Liebe Grüße
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
Sophie_Lana
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Re: Postpartale Depression

Beitrag von Sophie_Lana »

Erstmal ein großes Dankeschön an euch beide 🫶🏼
Das ist sehr schön zu hören das man nicht so alleine mit den ganzen Gedanken und Taten ist.
Ich nehmen die 150mg Sertralin jetzt ungefähr 2,5 Monate und habe das Gefühl das es irgendwie noch nicht genug ist. Ich habe schon mal gute Momente wo ich mich über das Lächeln meiner Tochter freue oder die Geräusche die sie von sich gibt aber irgendwie hab ich das Gefühl es wird nie ganz weg gehen. Ich bin so Hoffnungslos und habe überhaupt keine Geduld.
Ja ich mache eine Therapie nebenbei aber ich habe das Gefühl das meine Psychologin nicht so ganz weiß wie sie mit dem Thema umgehen soll. Vor der Geburt hatte ich schon eine Diagnostizierte Zwangsstörung womit ich 5 Jahre unbehandelt gelebt habe und irgendwie fokussiert sie sich nur darauf und nicht so ganz auf die PPD. Ich habe auch gehört bei jungen Müttern ist die Wahrscheinlichkeit höher für eine PPD, stimmt das ?
Es beruhigt mich sehr zu hören das auch andere Mütter ihre Kinder mal abgeben. Alles wird immer so schön geredet und ich hab das Gefühl andere Mütter wollen ihre Kinder 24/7 bei sich haben.
Hatte noch jemand das Gefühl man will einfach alles hinter sich lassen ? Den Mann und das Kind verlassen ? Einfach weg ?
Ganz ganz liebe Grüße und ein großes Danke 🤍
Liebe Grüße Sophie 🤍
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Sophie_Lana
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Re: Postpartale Depression

Beitrag von Sophie_Lana »

Hallo, ich nochmal. Wieso fällt es mir so schwer Hilfe anzunehmen ? Ich bringe meine Tochter jeden abends ins Bett und habe meinen Mann gefragt ob er das zwei mal die Woche übernehmen kann. Jetzt macht er es aber ich fühle mich trotzdem nicht gut dabei. Möchte ich mir einfach selber beweisen das ich es auch alleine schaffen könnte ? Oder möchte ich einfach nicht das jemand schlecht über mich denkt ? Meine Tochter soll morgen schon wieder bei Oma übernachten aber das ist dann das dritte Mal diese Woche. Irgendwie kann ich es mir selber nicht erlauben. Ich freue mich ja auch drauf wenn sie mal nicht da ist aber ich fühle mich einfach schlecht bei dem Gedanken sie das dritte Mal abzugeben. Ich habe das Gefühl das ich mir in der Woche immer das Ziel setze es zu schaffen bis sie bei Oma schläft, irgendwie ist das mein Anker. Das ist doch nicht richtig. Kennt das jemand ?
Liebe Grüße Sophie 🤍
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Re: Postpartale Depression

Beitrag von Sternschnuppe2023 »

Hallo du Liebe,
ich kann absolut mit dir fühlen. Da es mir bereits in der Schwangerschaft massiv schlecht ging und es auch danach nicht besser wurde. Habe ich keinen anderen Weg gesehen, als abzustillen, um wieder klar zu kommen. Mein Partner musste also ab Geburt fast jede Nacht übernehmen. Ich konnte am Anfang nicht mal alleine mit dem Kleinen zu einer Freundin. Mein Partner musste mich und den Kleinen hinfahren. Alles fühlte sich für mich unwirklich an und ich fühlte mich nur als Belastung. Mittlerweile ist mein Kleiner 2 Jahre alt. Und mein Partner war letzte Woche 5 Tage verreist und ich habe es gut alleine gemeistert 😊. Daran war letztes Jahr noch nicht zu denken. Da war ich zu meinen Schwiegereltern in der Zeit mit dem Kleinen gezogen. Leider braucht es auch mit Medikamenten und Therapie oft eine Weile.
Aber es ist meines Erachtens sehr traurig, dass wir Mamas oft denken, wir müssten alles alleine schaffen. Im Nachhinein merke ich, wie gut es ist, dass mein Kleiner außer mir so viele andere wichtige Bezugspersonen hat, da er auch von Anfang an oft bei den Großeltern war.
Außerdem ist es auch einfach eine wahnsinns neue Situation, dass plötzlich da noch ein neues Wesen ist, für das man verantwortlich ist. Und das man auch erstmal kennenlernen muss.
Für mich persönlich wurde es auch besser, als sich mein kleiner besser mitteilen konnte
Liebe Grüße
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Marika
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Re: Postpartale Depression

Beitrag von Marika »

Hallo!

Ich denke dieses "alles alleine machen" hat schon auch viel mit unserer Gesellschaft zu tun. Das "Idealbild" einer Mutter: voller Liebe, niemals laut oder wütend, nie überfordert, ständig verständnisvoll, immer und völlig aufgehend in der Mutter Rolle die sich aufopfert und dabei noch seelig lächelt. Gerade früher hatte eine Frau so zu sein - Mutter werden, diese Rolle glücksstahlend und alleine ausfüllen. Zum Glück hat sich schon viel verändert und tut es immer noch, aber dieses Klischee ist immer noch in den Köpfen verankert. Und wir Frauen tappen noch immer oft in diese Falle. Wir denken wie müssen dieses alte und völlig unrealistische Rollenbild erfüllen, weil wir sonst ungenügend und fehlerhaft sind... sprich eine "schlechte Mutter". Wenn dann noch eine PPD dazu kommt, verstärkt sich dieses Gefühl noch. Denn gerade jetzt in der Krankheitsphase braucht man unbedingt Hilfe und Unterstützung, dass kollidiert dann komplett mit diesem unnatürlichen Mutterbild. Auch ich habe das damals so erlebt und es war ein Weg da um zudenken und zu erkennen was Frau und Mutter sein bedeutet. Nämlich dass das "Mann und Vater sein" - also mein Mann - die selben Pflichten zu erfüllen hat in der Partner-und Elternschaft.

Liebes, du bist im Moment noch krank, es ist völlig klar dass es sich im Moment um ein "versuchen es zu schaffen" handelt, bis die Kleine wieder bei Oma ist. Du kannst und musst nicht mehr leisten, du befindest dich in der Krankheitsphase, da geht nicht mehr. Man läuft auch keinen Marathon, wenn der Fuss gebrochen ist. Du musst erst gesund werden. Und auch dann soll keine Frau das Mama sein alleine bestreiten, der Papa hat die selben Pflichten.

Warum soll es falsch sein, dass der Papa die Kleine auch ins Bett bringt? Er ist der Papa, es ist seine ganz normale Fürsorge Pflicht für die Kleine... so wie füttern, wickeln, baden, spielen, aufpassen.... einfach alles. Zu Hause beim Kind zu sein ist mega anstrengende Arbeit, bei der man sogar 24 Stunden Bereitschaft hat.

Bitte setz dich nicht so unter Druck. Du machst das toll. ❤️
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
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